Ernst Wiechert - Der Totenwolf -> Kapitel 10 - ernst wiechert im internet
Ernst Wiechert - Der Totenwolf -> Kapitel 10 - ernst wiechert im internet
Ernst Wiechert - Der Totenwolf -> Kapitel 10 - ernst wiechert im internet
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
+++ http://www.<strong>ernst</strong>-<strong>wiechert</strong>.de +++ Bogdan Dumala -> Berlin +++ kontakt@<strong>ernst</strong>-<strong>wiechert</strong>.de +++ http://www.<strong>ernst</strong>-<strong>wiechert</strong>.de +++<br />
192<br />
<strong>Kapitel</strong> <strong>10</strong><br />
Dampf der Scholle, vom Lichte des Mittags; Wind, der wie hohe Flügel<br />
dahinglitt, von denen man wußte, daß sie sich über den Rauch der Städte<br />
heben würden, daß sie weithin über die Erde rauschen würden, bis gegen<br />
Sonnenuntergang und dann unter den Sternen entlang, nie ermüdend und<br />
unzerstörbar. Und säße er nicht mehr am Ufer dieser Wasser und stände die<br />
Stadt nicht mehr mit ihren Türmen: über eine andere Seele würden die Flügel<br />
dieses Windes rauschen und sie erfüllen mit dem Glauben an eine neue<br />
Welt.<br />
Er zerbröckelte ein Stück der feuchten Erde, die unter seinen Händen lag,<br />
und hob sie vor sein Gesicht. Mit dem Geruch glitten seine Gedanken<br />
zurück zu Eriksons Tode. "Grab und Kerker", dachte er still, "sie sind nun<br />
hinter mir. Die Osterzeit ist da ... wie sich alles langsam zum Kranze<br />
rundet ... mit Rutenstreichen segneten unsre Vorfahren Weib und Erde zur<br />
Fruchtbarkeit, in den heiligen Nächten, in denen die Knospe springt ... auch<br />
ich muß vollenden ..." Er blickte noch einmal in die Runde, und ein trauriges<br />
Lächeln umspielte, ihm unbewußt, seine Lippen. Er tauchte seine rechte<br />
Hand in die Flut und spülte langsam die Erde von seinen Fingern. Dann bot<br />
er sie der Sonne dar, und als sie trocken war, stand er auf und ging zu Eriksons<br />
Hause, einem Gläubigen gleich, der vom Tisch des Herrn he<strong>im</strong>wärts<br />
wandelt.<br />
Als er die Stube betrat, stand Hilde am offenen Fenster, die Hände an ihrem<br />
Körper herabhängend. Im Sonnenlicht lag ihre Haarkrone wie ein Goldhelm<br />
über ihrem Gesicht, das weiß vor Qual war.<br />
"Da bin ich", sagte er leise und blieb vor ihr stehen.<br />
Sie sah ihn regungslos an, und er wußte nicht, ob es Haß sei, was in ihren<br />
Augen lebte, oder Entsetzen, oder nur der irre Blick einer Sterbenden.<br />
Seine Augen glitten über ihr Antlitz und über ihre Gestalt, und der Duft der<br />
Erde kam ihm wieder traumhaft ins Bewußtsein, aus der Ähnlichkeit der<br />
Züge mit denen ihres Vaters oder aus der herben Unberührtheit ihres<br />
Wesens oder aus dem Sonnenglanz in ihren Haaren. "Es ist Zeit mit mir.<br />
Hilde", fuhr er leise fort. "Ich kann nicht warten."<br />
"Wenn der Pfarrer recht hat ...", flüsterte sie mit zuckenden Lippen. "Wenn<br />
du wahnsinnig bist..."<br />
<strong>Ernst</strong> <strong>Wiechert</strong> - <strong>Der</strong> <strong>Totenwolf</strong><br />
+++ http://www.<strong>ernst</strong>-<strong>wiechert</strong>.de +++ Bogdan Dumala -> Berlin +++ kontakt@<strong>ernst</strong>-<strong>wiechert</strong>.de +++ http://www.<strong>ernst</strong>-<strong>wiechert</strong>.de +++