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Ernst Wiechert - Der Totenwolf -> Kapitel 10 - ernst wiechert im internet

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<strong>Kapitel</strong> <strong>10</strong><br />

Als er die Augen hob, sah er den Pfarrer auf der Kanzel stehen, düster, als<br />

sei er von dem Grabe seiner Söhne aufgestanden. Wolf lauschte auf den Tonfall<br />

seiner St<strong>im</strong>me, ohne die Worte zu verstehen. Er sah die Gestalt <strong>im</strong> Lampenlicht,<br />

den Arm erhoben zum Schwur, und er hörte in der Erinnerung die<br />

Worte: "Ich glaube und ich werde glauben, auch wenn die Welt in Blut und<br />

Asche versinkt!" Und seine eigenen Worte hörte er, seltsam nahe. "Ich<br />

werde Ihnen viel Leid bereiten, Herr Pfarrer."<br />

"Stärke alle", betete der Pfarrer, "die mit uns denselben teuren Glauben empfangen<br />

haben und deinen Namen unter Gefahr, Not und Verfolgung bekennen<br />

..."<br />

Wolfs Hand glitt in die Tasche und fuhr leise über die kühle Schneide seines<br />

Dolches. Ein krampfhaftes Lächeln verzerrte seine Züge.<br />

"Gib gedeihliche Witterung den Früchten der Erde", betete der Pfarrer,<br />

"und wende in Gnaden von uns ab alle wohlverdienten Landplagen. Gedenke<br />

nach deiner Barmherzigkeit der Witwen und Waisen, der Bekümmerten<br />

und Angefochteneu, der Kranken und Sterbenden. Hilf einem jeden in seiner<br />

Not. Du Heiland aller Menschen, sonderlich Deiner Gläubigen. Bewahre<br />

uns vor einem bösen, unbußfertigen Tode und bringe endlich uns alle in<br />

Dein ewiges H<strong>im</strong>melreich durch Jesus Christus, unsren Herrn. Amen!"<br />

"Herr, erbar ... me Dich!" sang die Gemeinde.<br />

Wolf stand auf dem Altar. Seine Augen brannten in die hundert entsetzten<br />

Augen der Menge. Seine Linke hielt er auf das Herz gepreßt, seine Rechte<br />

tastete rückwärts nach der brennenden Kerze neben dem Kruzifix. "Nein ...<br />

erbarme Dich nicht!" sagte er leise. "Erbarme Dich nicht!" schrie er in jäh<br />

ausbrechender Wildheit. "Erbarme Dich nicht über die Demütigen und<br />

Kraftlosen ... geh fort aus dem H<strong>im</strong>mel, der Dir nicht gehört. Du Vernichter<br />

der deutsehen Seele ... fort mit Deiner Liebe und Demut! <strong>Der</strong> neue Gott wird<br />

Dich austreiben ... seht ihr seine brennenden Augen über euch? Gesindel<br />

ihr, Tempelschänder ..."<br />

Er riß die Kerze aus dem Leuchter und hob sie über sein Haupt. Ein Schrei<br />

gellte durch die Kirche, ein einzelner, jammervoller Schrei aus blassem<br />

Frauenmund, stieß mit irrem Flügel gegen Fenster und Wölbung und flatterte<br />

vor dem Altar zu Boden. "Wolf!" schrie die verzweifelte St<strong>im</strong>me. "Wolf!"<br />

<strong>Ernst</strong> <strong>Wiechert</strong> - <strong>Der</strong> <strong>Totenwolf</strong><br />

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