Digitales Kino: Sterben jetzt die Gefühle? - Zürcher Hochschule der ...
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Zett 2–12 / Museum<br />
von <strong>der</strong> attraktion<br />
des gewöhnlichen<br />
Die Ausstellung «Magie <strong>der</strong> Dinge – Das Produktplakat»<br />
im Museum für Gestaltung Zürich<br />
rückt eine beson<strong>der</strong>s ästhetische Werbestrategie<br />
ins Rampenlicht: Banale Alltagsdinge strahlen als<br />
Objekt <strong>der</strong> Begierde von den Wänden und verlocken<br />
zum Kauf. Bettina Richter*<br />
Ein Paar Schuhe, eine Tube Zahnpasta, ein Putzmittel: Auch<br />
heute noch sind <strong>die</strong>s alltägliche, uns selbstverständlich gewordene<br />
Gebrauchsgegenstände. Nie aber wurden sie so<br />
wun<strong>der</strong>bar in Szene gesetzt und im Plakat gefeiert wie in den<br />
1940erJahren. Diese frühen Produktplakate wurden damit zu<br />
Vorboten unserer Konsumgesellschaft, aus <strong>der</strong> Markenartikel<br />
und Selbstbe<strong>die</strong>nungsläden nicht mehr wegzudenken sind.<br />
Erste sogenannte Sachplakate traten in Deutschland bereits zu<br />
Beginn des 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts auf, verbunden mit dem Namen<br />
Lucian Bernhard. Als einer <strong>der</strong> Ersten konzentrierte er sich<br />
auf <strong>die</strong> effektvolle Darstellung <strong>der</strong> Ware und ihres Namens.<br />
Das allegorischanekdotische Warenplakat, das mit weiblicher<br />
Erotik für Luxusartikel <strong>der</strong> Bourgeoisie warb, war damit Geschichte.<br />
Angeknüpft wurde nun vielmehr an <strong>die</strong> Tradition<br />
<strong>der</strong> Stilllebenmalerei, <strong>die</strong> bereits im 17. Jahrhun<strong>der</strong>t Schönheit<br />
und Verführungskraft in Alltagsdingen entdeckte.<br />
Das Schweizer Sachplakat<br />
In <strong>der</strong> Schweiz erfuhr das Sachplakat durch Gestalter wie Niklaus<br />
Stoecklin, Peter Birkhäuser o<strong>der</strong> Donald Brun später eine<br />
einzigartige Weiterentwicklung. Diese wurde nicht zuletzt<br />
durch <strong>die</strong> rasche wirtschaftliche Erholung <strong>der</strong> kriegsverschonten<br />
Schweiz und dem damit einhergehenden Übergang zur<br />
Wohlstandsgesellschaft ausgelöst. Die auf <strong>der</strong> Mangelerfahrung<br />
<strong>der</strong> Kriegsjahre begründete Sparmentalität und <strong>die</strong> realen<br />
materiellen Möglichkeiten erlaubten erst wenigen Familien<br />
<strong>die</strong> Anschaffung langlebiger Konsumgüter. Bei Dingen des<br />
alltäglichen Bedarfs wie Ernährung, Bekleidung, Haushalt und<br />
Körperpflege vermittelte <strong>die</strong> Beständigkeit einiger weniger<br />
erschwinglicher Markenprodukte hingegen Vertrauen und Sicherheit:<br />
Sie enthielten das Versprechen eines schöneren, müheloseren<br />
Lebens. Durch ihre plastische, stofflichhaptische<br />
Nahaufnahme im Plakat strahlen das von magischer Hand<br />
ausgeschüttete Waschpulver, ein Knopf o<strong>der</strong> eine Zündkerze<br />
betörende Sinnlichkeit, eine oft surreale Magie aus.<br />
Sachfotografie und Werbefilme<br />
Die Ausstellung präsentiert neben Klassikern des Sachplakats<br />
auch eine dezi<strong>die</strong>rte Auswahl an Sachfotografien. Damit<br />
werden zeitgleiche Tendenzen in <strong>die</strong>sem Medium beleuchtet.<br />
Im Vergleich mit <strong>der</strong> huldigenden Darstellung <strong>der</strong> Dinge im<br />
Plakat verrät <strong>die</strong> deutlich rationalere Sachfotografie ebenfalls<br />
eine neue Sicht auf <strong>die</strong> Welt: Mit <strong>der</strong> detailgenauen Wie<strong>der</strong>gabe<br />
einzelner Markenartikel verbindet sich <strong>die</strong> Hoffnung auf<br />
eine durch mo<strong>der</strong>ne Produkte vereinfachte Haushaltsführung.<br />
Auch <strong>der</strong> Werbefilm, <strong>der</strong> in jenen Jahren sein Goldenes Zeitalter<br />
erlebte, ist Teil <strong>der</strong> Ausstellung. In erzählerischer Breite<br />
wird hier vor allem <strong>der</strong> zeitsparende Nutzen innovativer Konsumgüter<br />
für <strong>die</strong> Haushaltführung demonstriert.<br />
LifestyleInszenierung versus Fetischisierung<br />
alltäglicher Dinge<br />
Mit <strong>der</strong> Demokratisierung des Konsums zu Beginn <strong>der</strong> 1960er<br />
Jahre und <strong>der</strong> Zunahme von Produkten gleicher Preis und<br />
Qualitätsklasse verän<strong>der</strong>ten sich <strong>die</strong> Werbestrategien erneut.<br />
Die Bemühungen <strong>der</strong> SachplakatGestalter, das Produkt vom<br />
Standard zum Unikat zu erheben, verloren an Glaubwürdigkeit.<br />
Der Glanz des Unverbrauchten vermochte den Verlust<br />
<strong>der</strong> Aura des Einzigartigen nicht mehr zu ersetzen. Der isolierende<br />
Fokus auf das zu verkaufende Produkt genügt heute<br />
nicht mehr. Die mit <strong>der</strong> Marke und dem Produkt assoziierten<br />
Lebenswelten bedürfen einer aufwendigen Inszenierung. Die<br />
Zeit <strong>der</strong> informativen Sachwerbung hat damit vorerst ausge<strong>die</strong>nt,<br />
<strong>die</strong> KonsumentInnen sind mit emotionalen Zusatzwerten,<br />
«Lifestyle», zu gewinnen. Einfache Dinge werden jedoch<br />
häufig im Kulturplakat zur Ikone erhoben. Symbolisch<br />
aufgeladen o<strong>der</strong> auf ihre formale Ästhetik reduziert, gewinnen<br />
sie magische Präsenz und verführen zu einem neuen Blick auf<br />
Altbekanntes.<br />
Zukunft ToniAreal<br />
2013 wird auch <strong>die</strong> Plakatsammlung ins ToniAreal ziehen.<br />
Damit werden endlich alle Sammlungen des Museum für Gestaltung<br />
Zürich an einem neuen Standort konsoli<strong>die</strong>rt. Bereits<br />
laufen aufwendige Vorbereitungsprojekte, um <strong>die</strong> rund<br />
350 000 Plakate für den Umzug in das zukünftige Archiv<br />
transportfähig zu machen. Mit <strong>der</strong> Ausstellung «Magie <strong>der</strong><br />
Dinge» wird also nochmals <strong>die</strong> Chance genutzt, eine Auswahl<br />
<strong>der</strong> Klassiker zu zeigen, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Plakatsammlung – eine <strong>der</strong><br />
weltweit umfangreichsten und bedeutendsten Sammlungen<br />
ihrer Art überhaupt – beherbergt.<br />
* Dr. Bettina Richter ist Kuratorin <strong>der</strong> Plakatsammlung des Museum für<br />
Gestaltung Zürich (bettina.richter@zhdk.ch).<br />
Ausstellung: «Magie <strong>der</strong> Dinge – Das Produktplakat», bis 6. Januar 2013,<br />
Museum für Gestaltung Zürich, Galerie, Ausstellungsstrasse 60, Di–So 10–17 h,<br />
Mi 10–20 h, Vermittlungsprogramm siehe unter: www.museumgestaltung.ch<br />
Publikation: Magie <strong>der</strong> Dinge, «Poster Collection» 24<br />
Mit Texten von Gerda Breuer und Bettina Richter, Museum für Gestaltung<br />
Zürich (Hg.), Lars Müller Publishers, D/E, CHF 35, erhältlich im Museumsshop<br />
o<strong>der</strong> unter www.museumgestaltung.ch/de/eshop