diagonal 2009-2 (pdf, 2.1Mb) - Psychiatrie Baselland PBL
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transkulturelle <strong>Psychiatrie</strong><br />
«MiGration FrienDly hosPitals» (MFh)<br />
Ein Projekt der Kantonalen Psychiatrischen Klinik<br />
Äussere und innere schwellen senken<br />
Rund 25 Prozent der Patientinnen und Patienten der KPK haben einen direkten<br />
Migrationshintergrund, entsprechende Folgeprobleme und Erkrankungen. Aufgrund<br />
der Erfahrungen der seit 2004 aktiven interdisziplinären Arbeitsgruppe der<br />
KPK und des wachsenden Bedarfs gezielter Verbesserungsschritte zur Behandlung<br />
von Migrantinnen und Migranten wurde in Anlehnung an MFHKriterien<br />
(Migration Friendly Hospitals) das MFHProjekt mit Teilprojekten definiert:<br />
• Schwerpunkt Informations- und Wissensaustausch mittels Übersetzung:<br />
Verbesserte Komunikation mit den Patientinnen und Patienten als Voraussetzung<br />
für eine gleichwertige stationäre Behandlung von Migrantinnen<br />
und Migranten<br />
• Schwerpunkt transkulturelle Diagnostik, Therapie und Pflege: Sensibilisierung<br />
und Kompetenzförderung der Fachmitarbeitenden bezüglich transkultureller<br />
und migrationsbedingter Aspekte, die die psychiatrische und<br />
psychotherapeutische Behandlung beeinflussen und prägen.<br />
• Kooperation mit entsprechenden MFH-Mitgliedern (psychiatrische Kliniken<br />
/ Institutionen) mit gleichen Zielsetzungen zwecks Wissenstransfer<br />
Macht auswanderung krank?<br />
Bei einer Migration, insbesondere bei einer unfreiwilligen,<br />
erfährt das Individuum in der Regel Existenzverunsicherungen,<br />
Trennungen mit Verlust emotionaler Bindungen<br />
und sozialer Netze, evtl. Bedrohungen und trifft auf unbekannte<br />
soziale Realitäten und Kulturmuster. Hinzu kommt,<br />
dass dieses Erleben chronologisch nicht gestaffelt, sondern<br />
oft synchron geschieht, d.h., alles bricht gleichzeitig herein<br />
und kumuliert sich zu einer enormen psychischen<br />
Belastung. Der Integrationsprozess kann, je nach erlebten<br />
Belastungen, kürzer sein oder auch jahrelang andauern,<br />
gegebenenfalls auch nie zum Abschluss kommen. Kommt<br />
ein unsicherer Aufenthaltsstatus und damit die Ungewissheit<br />
bezüglich der näheren Zukunft als zusätzlicher Stressor<br />
hinzu, erhöht sich die Verletzlichkeit. Diese äussert sich<br />
etwa in Ängsten, Depressionen oder paranoiden Reaktionen.<br />
Daraus können psychische und psychosomatische<br />
Störungen resultieren. Soziale Problemlagen und persönliche<br />
Ressourcen haben einen grossen Einfluss auf die<br />
psychische, emotionale und physische Gesundheit – nicht<br />
nur bei Personen mit Migrationshintergrund. Bei letzteren<br />
kann eine Migrations anamnese Sinn machen und notwendige<br />
Erklärungen liefern.<br />
alltagspraxis und transkulturelle Kompetenz<br />
Die Forderung nach Chancengleichheit im Gesundheitssystem<br />
birgt nicht zuletzt ein ökonomisches Interesse in sich:<br />
Fühlen sich ausländische Patienten missverstanden oder<br />
«schlecht behandelt», resultiert häufig ein «ÄrzteNomadismus»<br />
oder «Ärzte(S)hopping», das in der Regel weder<br />
den Patienten nachhaltig hilft noch der Finanzsituation im<br />
Gesundheitswesen gut tut. Insbesondere bei intrafamiliären<br />
Konflikten ist die Somatisation psychischen Leidens<br />
• Kooperation mit den Externen Psychiatrischen Diensten<br />
bezüglich der genannten Ziele; Ausbauen und<br />
Nutzen von Synergien zwecks gemeinsamer kantonaler<br />
Zuständigkeiten<br />
• Regionale Netzwerkarbeit mit migrationskompetenten<br />
Institutionen<br />
• Verbesserte Möglichkeiten zur Religionsausübung bei<br />
nichtchristlichen Glaubensrichtungen<br />
Ziel des Projekts mit voraussichtlicher Dauer von zwei Jahren<br />
ist es, bestehende Kompetenzen und Ressourcen zu erweitern,<br />
um die Chancengleichheit und Nachhaltigkeit der<br />
Behandlungen zu verbessern.<br />
Dr. phil. Dipankar Das, Psychologe KPK, Projektleiter<br />
Weitere Informationen sind Mitarbeitenden der KPD im<br />
Intranet unter KPK/Informationen zugänglich.<br />
sehr häufig. Ein weiterer Themenkreis ist die Sozialisation:<br />
Oft steht unser Individualismus einer kollektiv orientierten<br />
Sozialisation gegenüber, die einschliesst, dass über persönliche<br />
Gefühle nicht gesprochen wird.<br />
Aus all diesen Gründen ist es notwendig, in der Behandlung<br />
von Menschen mit Migrationshintergrund einen<br />
möglichst ganzheitlichen oder biopsychosozialen und in<br />
der Begegnung selbst wertfreien Ansatz zu praktizieren.<br />
Gegebenenfalls braucht es Kenntnisse der Herkunftskultur<br />
oder Dolmetscher/Mediatorendienste für erfolgreiche<br />
TherapeutenPatientenInteraktionen. Mit steigender Teilnehmerzahl<br />
im therapeutischen Setting steigt auch der<br />
Zeit aufwand. Transkulturell versierte Therapeuten und<br />
Therapeutinnen müssen bereit sein, sich auf die fremden<br />
Lebenswelten einzulassen, den Versuch einer Perspektivenübernahme<br />
einzugehen, und Empathie mitbringen. Nur<br />
so kann ein transkulturell erfolgreiches therapeutisches<br />
Setting initiiert werden. Der Aspekt der Gegenseitigkeit,<br />
des Integrationsleitgedankens «fördern und fordern» ist im<br />
Laufe der Behandlung zu thematisieren.<br />
Transkulturelle Kompetenz 1 beinhaltet im Wesentlichen die<br />
Fähigkeit, anderen Menschen in ihrer individuellen Lebens<br />
und Gesundheitssituation vorurteilsfrei begegnen zu können.<br />
Sie ist im Gesundheitswesen von grosser Wichtigkeit, denn<br />
unreflektierte Verallgemeinerungen und Vorurteile verhindern<br />
den Blick auf die tatsächlichen Probleme von Patienten<br />
und damit auch eine angemessene Behandlung.<br />
1 Siehe auch SRK-Website: www.transkulturelle-kompetenz.ch