Rechtsprechung 5/03 - Trex
Rechtsprechung 5/03 - Trex
Rechtsprechung 5/03 - Trex
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
300<br />
TREX<br />
5/ <strong>03</strong><br />
Konkret beanstandet wurde in Lausanne die Regelung<br />
in der Bündner Gemeinde Arosa, wo bisher eine<br />
Grundgebühr in Abhängigkeit vom Neuwert des Gebäudes<br />
und eine Mengengebühr entsprechend dem<br />
jeweiligen Frischwasserkonsum erhoben wurden. Die<br />
Kantonsregierung hatte der Gemeinde auf dem Weg<br />
der Ersatzvornahme eine Regelung mit Sackgebühr<br />
vorgeschrieben, als die Stimmbürger Arosas eine solche<br />
ausdrücklich und mit klarer Mehrheit abgelehnt<br />
hatten. Das Bundesgericht verneint eine Verletzung<br />
der Gemeindeautonomie, da in dieser Frage das<br />
Umweltschutzrecht des Bundes Vorrang hat. Dieses ermächtigt<br />
allerdings eine Kantonsregierung nicht,<br />
gegen säumige Gemeinden einzuschreiten. Das kantonale<br />
Recht Graubündens dagegen erlaubt es dem<br />
Regierungsrat, gegen «ordnungswidrige Gemeindeverwaltungen»<br />
einzuschreiten und Ersatzregelungen<br />
zu erlassen, solange diese sich wie im beurteilten Streit<br />
als verhältnismässig erweisen. ■<br />
(BGer., 7.7.<strong>03</strong>, 2P.31/20<strong>03</strong>, NZZ 20.8.20<strong>03</strong>, S. 14, Jusletter, 25.8.20<strong>03</strong>)<br />
Kanton haftet trotz Amtspflichtverletzung nicht;<br />
Verantwortlichkeitsklagen wegen Finanzdebakel in<br />
Leukerbad<br />
Der Kanton Wallis hat zwar im Zusammenhang mit<br />
dem Finanzdebakel in der Gemeinde Leukerbad seine<br />
Amtspflicht verletzt, doch nimmt er gegenüber den<br />
Gläubigern seiner Gemeinden keine sogenannte<br />
Garantenstellung ein und kann daher von einem geschädigten<br />
Kreditgeber nicht haftbar gemacht werden.<br />
Das geht aus der schriftlichen Begründung der vier<br />
Urteile hervor, mit denen das Bundesgericht Verantwortlichkeitsklagen<br />
der Emissionszentrale der Schweizer<br />
Gemeinden (ESG), der Aargauer Gemeinden Rheinfelden<br />
und Oftringen, der Gemeinde Leukerbad selber<br />
sowie der Basler Kantonalbank abgewiesen hatte (NZZ<br />
vom 8.7.<strong>03</strong>).<br />
Die Walliser Verfassung sieht eine Aufsicht des Kantons<br />
über die Gemeinden vor, doch ist die gesetzliche<br />
Regelung dazu im Bereich der Finanzen aus Sicht des<br />
Bundesgerichts mit Rücksicht auf die Gemeindeautonomie<br />
«vom Wortlaut her eher knapp ausgestaltet»<br />
worden. Die Walliser Gemeinden sollen nach dem Willen<br />
des kantonalen Gesetzgebers «insbesondere in<br />
finanzieller Hinsicht über einen weit reichenden Handlungsspielraum<br />
verfügen, was bedingt, dass sich der<br />
Kanton bei seinen aufsichtsrechtlichen Eingriffen möglichst<br />
zurückhält».<br />
RECHTSPRECHUNG / JURISPRUDENCE<br />
Laut den Urteilen «kommt den Gemeinden in finanzieller<br />
Hinsicht eine weitgehende Autonomie zu». Der<br />
Kanton hat zwar das finanzielle Gleichgewicht zu beaufsichtigen,<br />
aber weder Jahresrechnungen noch<br />
Bilanzen zu genehmigen. Auch kennt das Walliser<br />
Recht keine Obergrenze für die Verschuldung einer<br />
Gemeinde. Soweit der Kanton einzugreifen hat, geht<br />
es um den Schutz der Gemeinde und ihres Vermögens.<br />
«Dass die Gemeindeaufsicht darüber hinaus den<br />
Schutz der Gläubiger, die und deren Vermögen im Gesetz<br />
nicht erwähnt werden, bezweckt, geht aus den<br />
Bestimmungen des Gesetzes über die Gemeindeordnung<br />
nicht hervor.»<br />
Den Kreditgebern einer Gemeinde steht es frei, sich<br />
über die finanzielle Situation des Schuldners zu informieren,<br />
was im Falle einer öffentlichrechtlichen Körperschaft<br />
viel einfacher ist als bei einem privaten Kreditnehmer.<br />
Wohl läge ein Gläubigerschutz im (öffentlichen)<br />
Interesse an einer Erleichterung des Gemeindekredits,<br />
doch müsste ein solcher Zweck klar aus dem<br />
Gesetz hervorgehen, was im Kanton Wallis nicht der<br />
Fall ist. Auch die besonderen bundesrechtlichen Betreibungsvorschriften<br />
für Gemeinden sehen eine Haftung<br />
des Kantons für kommunale Verbindlichkeiten nicht<br />
vor.<br />
Aus diesen Gründen können die Gläubiger der Gemeinde<br />
Leukerbad den Kanton Wallis aus einer allfälligen<br />
Verletzung seiner Aufsichtspflichten nicht haftbar<br />
machen. Anders verhält es sich mit der Klage der Munizipalgemeinde<br />
Leukerbad selbst. Nach Auffassung<br />
des Bundesgerichts hätte der Kanton nämlich tatsächlich<br />
intervenieren müssen, nachdem er im August 1996<br />
durch das Finanzinspektorat auf die Situation in Leukerbad<br />
aufmerksam gemacht worden war. Indes hat<br />
auch hier die vom Bundesgericht bejahte Amtspflichtverletzung<br />
keine Haftung des Kantons zur Folge, weil<br />
das Selbstverschulden der Gemeinde – insbesondere<br />
das Verhalten des Gemeindepräsidenten und des Gemeindeschreibers<br />
– so schwer wiegt, dass der Kausalzusammenhang<br />
zwischen dem Versagen des Kantons<br />
und einem allfälligen Schaden unterbrochen wurde. ■<br />
(BGer., 3.7.<strong>03</strong>, 2C.1/2001, 2C.4/1999, 2C.4/2000 und 2C.5/1999, NZZ,<br />
26. August 20<strong>03</strong> (Nr. 196), S. 13, Jusletter, 1.9.20<strong>03</strong>)