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Prof. Dr. Wolfram Wette Militärhistoriker im Gespräch mit Jochen ...

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<strong>Wette</strong>: Nun, das war vielleicht doch nicht so gleichzeitig, wie das jetzt möglicherweise<br />

erscheinen mag. Am Anfang war durchaus eine gewisse Identifikation <strong>mit</strong> dieser<br />

Institution vorhanden: Damals herrschte ja die Zeit des Kalten Krieges und die<br />

ideologischen Vorgaben, die man uns <strong>mit</strong> auf den Weg gegeben hat, schienen mir<br />

damals einigermaßen einleuchtend. Diese kritische Distanz ist dann erst <strong>im</strong> Laufe<br />

der Jahre entstanden, hauptsächlich in den sechziger Jahren: Das war best<strong>im</strong>mt<br />

nicht einfach, aber rückblickend würde ich sagen wollen, dass das doch sehr<br />

produktiv gewesen ist.<br />

Kölsch: Bei den Stichwörtern "kritische Distanz" und "Militärgeschichte" ist natürlich das<br />

militärgeschichtliche Forschungsamt der Bundeswehr nicht weit, in das Sie dann<br />

1971 eintraten. Das ist eine Institution, die ja eigentlich etwas Verblüffendes ist.<br />

Viele Menschen wissen gar nicht, dass es so etwas gibt. Aber Deutschland hat ja<br />

eine Menge Militärgeschichte zu bearbeiten, insofern lohnt sich das sehr wohl als<br />

eigenes Forschungsfeld. Nun war das ja eine ganz eigene Institution: Obwohl sie<br />

bei der Bundeswehr angesiedelt war, konnte sie doch unabhängig agieren.<br />

<strong>Wette</strong>: Ja, eine größere Öffentlichkeit mag hauptsächlich das interessieren, was auch Sie<br />

schon angesprochen haben: Warum hält sich die Bundesregierung, in diesem Fall<br />

das Bundesverteidigungsministerium, überhaupt eine solche eigene Institution?<br />

Warum machen das nicht die Universitäten? Alle anderen Fächer werden ja auch<br />

von den Universitäten oder z. B. von Max-Planck-Instituten oder anderen<br />

Einrichtungen dieser Art betrieben. Nach dem Zweiten Weltkrieg war die deutsche<br />

Militärgeschichte als Sache so desavouiert, dass sich <strong>mit</strong> ganz, ganz wenigen<br />

Ausnahmen kein Universitätsprofessor mehr an dieses Thema herangemacht hat.<br />

In diesem Zusammenhang würden mir höchstens die Namen Jakobson und<br />

Hillgruber einfallen, aber dann ist es auch schon aus. Insofern hat dann das<br />

Verteidigungsministerium damals die Entscheidung getroffen, diese Forschung <strong>im</strong><br />

Rahmen der eigenen Institution zu betreiben. Es gab bereits ein Grundgesetz und<br />

dieses Grundgesetz sagt ja in Artikel 5 ganz klar: "Forschung und Lehre sind frei."<br />

Dies war also auch auf diese Behörde anzuwenden. Gleichzeitig hat man aber<br />

einen militärischen Chef davorgesetzt: Und so hat diese Institution in dem nicht<br />

<strong>im</strong>mer nur produktiven Spannungsfeld zwischen militärischer Leitung und Schutz<br />

der Wissenschaftler durch die Freiheit von Lehre und Forschung leben müssen.<br />

Kölsch: Ich stelle mir das schon recht originell vor: Sie als Hauptmann, als jemand, der als<br />

Offizier längere Zeit in der Bundeswehr gedient hat, arbeiten in so einer Institution,<br />

die von einem General oder Oberst geleitet wird, und dort wird dann ganz<br />

unabhängige Forschung gemacht, eine Forschung, die am Ende dazu führt, dass<br />

Sie sehr friedensbewegte und pazifistische Gedanken, also sehr militärkritische<br />

Gedanken entwickeln. Sie waren dabei ja nicht der Einzige in diesem<br />

militärgeschichtlichen Forschungsamt.<br />

<strong>Wette</strong>: Nun, da war <strong>im</strong>merhin die 68er-Zeit vorweggegangen, die auf eine ganze<br />

Generation von jungen Männern gewirkt hat, die zu Beginn der siebziger Jahre<br />

dann so um die 30 Jahre alt war. Wir haben in diesem Amt dann quasi eine<br />

kritische Gruppe gebildet. Gleichzeitig gab es dort aber auch diese älteren Herren<br />

in Uniform, die schon einmal eine Wehrmachtuniform getragen hatten. Zwischen<br />

diesen und den kritischen Jüngeren gab es dann nicht nur konstruktive<br />

Verbindungslinien, sondern da prallten gleichsam zwei Generationen aufeinander,<br />

die ja auch sonst nicht gerade gut <strong>mit</strong>einander konnten. Es gab also heftigste<br />

Auseinandersetzungen: Der eine Teil hing noch am Alten und der andere Teil war<br />

intensiv da<strong>mit</strong> beschäftigt, den Ablösungsprozess von diesem Alten zu betreiben.<br />

Kölsch: Die "alten Kämpfer" und die jungen "Kritischen" hatten dann ja auch ein<br />

gemeinsames großes Thema, nämlich die historische Bearbeitung des Zweiten<br />

Weltkriegs: Das ist ein ganz großes Werk, das dann in den späten siebziger und<br />

beginnenden achtziger Jahren vom militärgeschichtlichen Forschungsamt<br />

herausgegeben worden ist. Auch Sie waren lange Zeit sehr aktiv da<strong>mit</strong> beschäftigt.<br />

Dort prallten also diese beiden Mentalitäten aufeinander. Wie sah denn der Alltag<br />

aus, wenn da die "alten Kämpfer" und die "jungen 68er" zusammen gearbeitet<br />

haben?

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