Jahresbericht 2011 (PDF/3 MB) - Kinderschutzbund
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schwerpunktthema: inklusion<br />
„Es ist normal, verschieden zu sein!“<br />
Im DKSB-Interview: Doris Rüter, Behindertenbeauftragte<br />
der Stadt Münster<br />
Frau Rüter, skizzieren Sie uns doch einmal kurz Ihr Tätigkeitsfeld.<br />
Ich leite im Sozialamt die Fachstelle „Hilfen für Menschen<br />
mit Behinderung“, die sich in drei Aufgabenbereiche<br />
unterteilt. Hierzu gehören Hilfen für Menschen<br />
mit Behinderung im Beruf und der Fahrdienst für behinderte<br />
Menschen. Der dritte Bereich ist die Koordinierung<br />
von Themen, die die Belange von Menschen mit<br />
Behinderung betreffen – in diesem Aufgabenfeld arbeite<br />
ich gemeinsam mit meiner Kollegin Frau Stehling.<br />
Als Behindertenbeauftragte ist es mein Ziel, dass Menschen<br />
mit Behinderungen in Münster selbstbestimmt<br />
leben können und gleichberechtigte Teilhabemöglichkeiten<br />
haben. Zu meinen Aufgaben gehört es daher, auf<br />
eine barrierefreie Infrastruktur und ein inklusives Gemeinwesen<br />
hinzuwirken. Dazu arbeite ich mit allen<br />
Fachbereichen in der Verwaltung sowie mit der Kommission<br />
zur Förderung der Inklusion von Menschen mit<br />
Behinderungen (KIB) und vielen weiteren Stellen zusammen.<br />
Die KIB ist ein Gremium des Rates der Stadt<br />
Münster und hat die Aufgabe, die Verwaltung und die<br />
Gremien des Rates in allen Fragen zu beraten, die die<br />
Belange von Menschen mit Behinderungen betreffen.<br />
Aktuelles Schwerpunktthema ist die Umsetzung der<br />
UNBehindertenrechtskonvention, die Deutschland<br />
2009 ratifiziert hat. Der Rat hat die Verwaltung beauftragt,<br />
einen Aktionsplan „Münster auf dem Weg zur Inklusion“<br />
zu erarbeiten. Dieser Plan soll aufzeigen, was<br />
in den nächsten 10 Jahren getan werden muss, um Menschen<br />
mit Behinderungen in Münster in allen Lebensbereichen<br />
eine gleichberechtigte Teilhabe zu ermöglichen.<br />
Der Aktionsplan wird in Zusammenarbeit mit<br />
allen Fachbereichen der Verwaltung erarbeitet. Die KIB<br />
und weitere Gremien werden beteiligt.<br />
Welchen Adressatengruppen bieten Sie Ihre Unterstützung an?<br />
Mit welchen Anliegen kommen Ratsuchende zu Ihnen?<br />
Im Grunde genommen sind wir in unserem Angebot<br />
sehr offen ausgerichtet. Sowohl Menschen mit Behinderung,<br />
als auch deren Angehörige, aber auch generell am<br />
Thema interessierte Menschen können sich gerne an<br />
uns wenden. Zu unseren Aufgaben gehört es, „Erstinformationen“<br />
zu geben, zum Beispiel über Angebote für<br />
Menschen mit Behinderungen in Münster, und den<br />
Kontakt zu speziellen Beratungsstellen oder Vereinen<br />
und Gruppen von Menschen mit Behinderungen zu vermitteln.<br />
Uns erreichen auch Anregungen und Beschwerden,<br />
insbesondere im baulichen Bereich (von der fehlenden<br />
Bordsteinabsenkung bis zur zugestellten und damit<br />
14<br />
nicht nutzbaren Behindertentoilette). Diese leiten wir<br />
an die zuständigen Stellen weiter und setzen uns für<br />
Verbesserungen ein. Die Anfragen an uns geben uns<br />
auch wichtige Hinweise, welche Informationen benötigt<br />
werden. Im Rahmen unserer Informations und Öffentlichkeitsarbeit<br />
erstellen wir dann Broschüren, wie<br />
zum Beispiel ganz aktuell die Broschüre „Technische<br />
Hilfen für hörbehinderte Menschen“.<br />
Auch Studierende melden sich bei uns, wenn sie im<br />
Rahmen von Projekten Fragen zu Angeboten für behinderte<br />
Menschen in Münster haben oder sich mit Ideen<br />
einbringen möchten. Auch Einrichtungen wie Ihre Beratungsstelle<br />
sind willkommen, wenn Sie Informationen<br />
benötigen, um ihr Angebot so auszurichten, dass auch<br />
Menschen mit Behinderungen es gut nutzen können.<br />
„Inklusion heißt, dass sich alle Gummibärchen,<br />
unabhängig von Ihrer Farbe, von Anfang an in einer<br />
Tüte befinden.“<br />
Nun ist im Laufe unseres Gesprächs bereits der Begriff „Inklusion“<br />
gefallen. Wenn ein Kind Sie an unserer Stelle fragen würde,<br />
was Inklusion eigentlich bedeutet, was würden Sie ihm antworten?<br />
Ich würde mir ein Beispiel zu Hilfe nehmen, das Hubert<br />
Hüppe (Beauftragter der Bundesregierung für die Belange<br />
behinderter Menschen) einmal angeführt hat.<br />
Er erklärt Inklusion mit verschiedenfarbigen Gummibärchen.<br />
Inklusion heißt, dass sich alle Gummibärchen,<br />
unabhängig von Ihrer Farbe, von Anfang an in einer<br />
Tüte befinden. Alle sind so okay, wie sie sind und<br />
gehören dazu. Um den Integrationsbegriff zu erklären,<br />
sortiert er beispielsweise alle roten Gummibärchen aus,<br />
weil sie anders sind und besondere Unterstützung benötigen.<br />
Man gibt ihnen dann aufgrund dieser besonderen<br />
Hilfebedürftigkeit einen eigenen Ort, wie zum<br />
Beispiel eine Sonderschule. Nun ist laut Hüppe Integration<br />
wiederum die Entscheidung, auch die roten Gummibärchen<br />
wieder zurück in die Tüte zu holen. Das Problem<br />
ist nur, wenn ich sie zuvor ausgegrenzt habe,<br />
konnte ich sie nicht von Beginn an kennenlernen. Ein<br />
Miteinander wird daher schwieriger, wohingegen der<br />
Inklusionsgedanke meint, dass alle Menschen gleichberechtigt<br />
zu einer Gesellschaft, beziehungsweise alle<br />
Gummibärchen in die Tüte – gehören, und zwar von<br />
Anfang an.<br />
Gerade im Kinder und Jugendbereich finde ich dies<br />
sehr wichtig zu bedenken. Es muss erst eine gewisse<br />
Haltung entstehen und diese entsteht meiner Meinung<br />
nach am besten durch Begegnung und zwar ganz unkompliziert,<br />
so wie Kinder eben auch sind.<br />
„Entscheidend ist, dass man sich als Beratungsstelle<br />
auf den Weg macht.“