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Dr. Dr. Jacob Emmanuel Mabe Philosoph und Politikwissenschaftler ...

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höchstens 25 <strong>und</strong> um sie herum waren 200 Afrikaner. Nach zwei, drei<br />

Jahren waren bei diesen Festen 10000 Deutsche <strong>und</strong> gerade mal 100, 200<br />

Afrikaner. Als ich gestern hier in München angekommen bin, hat sich<br />

niemand mehr umgedreht, um mir nachzustarren. Als ich damals jedoch<br />

zehn Jahre lang hier in München gelebt habe, war es durchaus üblich, dass<br />

sich selbst die Leute, die mich jeden Tag gesehen haben, nach mir<br />

umgedreht <strong>und</strong> mir nachgesehen haben. Es hat sich also schon einiges<br />

verändert. Das Ganze wird einfach nur dann besser, wenn die Deutschen<br />

noch mehr Kontakt mit Menschen aus anderen Ländern haben. Das ist<br />

wichtig für die Offenheit.<br />

Stark: Welche Gefühle hatten Sie denn persönlich zu Beginn der neunziger Jahre<br />

– da waren Sie ja schon lange in Deutschland –, als nach der<br />

Wiedervereinigung doch erhebliche Ausbrüche von Gewalt speziell gegen<br />

Schwarzafrikaner auftraten? Was haben Sie damals empf<strong>und</strong>en?<br />

<strong>Mabe</strong>: Dazu kann ich Ihnen zwei Anekdoten erzählen. Ich war Ende 1989 auf<br />

einer Tagung in Weimar. Dazu fuhr ich mit dem Zug nach Weimar: Ich kam<br />

in Weimar am Bahnhof an, stieg aus <strong>und</strong> fragte ein paar junge Männer<br />

nach dem Weg, solche jungen Männer, die man später Rechtsradikale<br />

genannt hat. Sie haben mich fre<strong>und</strong>lich empfangen <strong>und</strong> mir genau erklärt,<br />

wohin ich gehen müsse, nachdem ich ihnen gesagt hatte, dass ich zu einer<br />

Tagung in Buchenwald müsse. Sie erzählten mir, dass das ein ehemaliges<br />

Konzentrationslager sei usw. Wir haben uns also unterhalten <strong>und</strong> ich habe<br />

mich dann sogar mit ihnen für den Abend verabredet. Als um zehn Uhr<br />

abends der erste Tag der Tagung zu Ende ging, kehrte ich wieder nach<br />

Weimar zurück <strong>und</strong> sie zeigten mir ihre Stadt. Dort lebte Goethe, dort ist das<br />

Denkmal von Goethe <strong>und</strong> Schiller usw. Wir haben sogar gemeinsam etwas<br />

getrunken. Das war überhaupt kein Problem. Es gab einfach keine Ängste<br />

von ihrer Seite, keinerlei Berührungsängste. Ein Jahr später habe ich jedoch<br />

gehört: Wenn ich erneut dorthin fahren sollte, dann würden sie mich<br />

umbringen. Gut, diese zweite Erfahrung habe ich nicht gemacht, denn ich<br />

bin nicht mehr dorthin gefahren.<br />

Stark: Sie meinen also diesen Unterschied zwischen der Zeit vor <strong>und</strong> der Zeit<br />

nach der Einheit?<br />

<strong>Mabe</strong>: Nein, nein, mein Besuch war nach dem Fall der Mauer. Aber es hat damals<br />

natürlich noch nicht die offizielle Einheit gegeben, denn die kam ja erst<br />

1990. Als ich dort gewesen bin, wurden also immerhin bereits<br />

Begrüßungsgelder verteilt usw. Der Kontakt war also bereits vorhanden <strong>und</strong><br />

diese Leute haben meine Person keineswegs als Bedrohung empf<strong>und</strong>en.<br />

Innerhalb kürzester Zeit haben sie dann jedoch gelernt, dass ein<br />

ausländischer Mensch für sie eine Katastrophe ist. Ebenfalls zu Beginn der<br />

neunziger Jahre habe ich damals für eine bestimmte Zeit am Starnberger<br />

See hier in der Nähe von München gewohnt: Ich wohnte dort bei einem<br />

befre<strong>und</strong>eten Professor. Eines Tages fuhr ich mit der S-Bahn von Starnberg<br />

nach München. In der S-Bahn las ich die "Süddeutsche Zeitung". Ich habe<br />

schon gemerkt, dass irgendetwas los war um mich herum, aber ich war<br />

ansonsten völlig auf die Lektüre der Zeitung konzentriert. Es waren nämlich<br />

drei, vier gewaltbereite Männer ebenfalls in der S-Bahn. Sie haben sich<br />

dann vor mir aufgebaut, waren voller Aggressivität <strong>und</strong> warfen mir diese<br />

allgemein bekannten Schimpfwörter für Afrikaner an den Kopf. Ich habe<br />

dann die Zeitung auf die Seite gelegt <strong>und</strong> gesagt: "Was ist denn los, junge<br />

Löwen?" Daraufhin hat einer von ihnen, der weiter hinten stand, gemeint:<br />

"Hey, der ist ja gar nicht blöd, er ist nicht blöd!" Und daraufhin haben sie<br />

mich in Ruhe gelassen. Sie sehen also, man schafft es gesellschaftlich<br />

durchaus, bestimmte Menschen zu kriminalisieren, die eigentlich gar nicht<br />

kriminell sind. Der Mensch ist nämlich einfach anfällig für bestimmte<br />

Ideologien. Die Medien haben hierbei eine ganz große Verantwortung.<br />

Denn in den Medien wird doch immer wieder vom "Ausländerproblem in

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