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Dr. Dr. Jacob Emmanuel Mabe Philosoph und Politikwissenschaftler ...

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Europäer an die Afrikaner herantragen. Der Afrikaner hat an sich natürlich<br />

andere Maßstäbe. Natürlich geht es auch ihm darum, dass alle genug Geld<br />

verdienen, dass sie Zugang zu öffentlichen Infrastrukturen bekommen usw.<br />

Wenn das jedoch nicht der Fall ist, dann sagt man von Europa aus, alles sei<br />

gescheitert in Afrika.<br />

Stark: Gehen wir das doch mal ein wenig konkreter an. Nach dem Abzug der<br />

Kolonialmächte stand in Afrika z. B. die Frage im Raum, wer sich um das<br />

Schulsystem, um das Ges<strong>und</strong>heitssystem <strong>und</strong> überhaupt um die<br />

staatlichen Strukturen kümmert. Beim Schulsystem ist natürlich in allen<br />

Ländern das europäische Schulsystem als Vorbild geblieben. In allen<br />

Ländern mit Ausnahme Tansanias ist auch die Sprache der jeweils letzten<br />

Kolonialherren geblieben. Nur in Tansania wird in Suaheli unterrichtet.<br />

Englisch ist dabei eine Hilfssprache.<br />

<strong>Mabe</strong>: Dort sprechen ja auch fast alle Englisch in der Schule.<br />

Stark: In den anderen Ländern ist es jedenfalls ausschließlich so geblieben. Damit<br />

war sicherlich so etwas wie eine Entwicklungsbremse vorhanden. Für den<br />

Kontakt nach Außen war das bestimmt förderlich, aber nach innen war eine<br />

Eigenentwicklung aus diesem Gr<strong>und</strong> nicht so leicht möglich. Oder sehe ich<br />

das falsch?<br />

<strong>Mabe</strong>: Ja <strong>und</strong> nein. Das stimmt schon irgendwie. Wenn eine Person immer nur in<br />

einer Fremdsprache denkt, dann hat er natürlich eine gespaltene Identität.<br />

Aber das kann auch ein Vorteil sein. Ich kann Ihnen auch dazu eine kleine<br />

Geschichte erzählen. Ich war vor kurzem auf einer Tagung <strong>und</strong> dort hat<br />

jemand aus Belgien einen Vortrag gehalten: Er wollte erklären, was es mit<br />

dem Wort "Gastfre<strong>und</strong>schaft" im Deutschen auf sich hat <strong>und</strong> wie das mit<br />

"Hostilität", also "Gastfeindschaft" zusammenhängt. Ich habe ihm aber<br />

hinterher gesagt, dass seine Übersetzung ins Französische jeweils nicht<br />

richtig war. Die Franzosen sagen "hostilité": Damit ist aber keine Feindschaft<br />

gemeint. Denn man kann doch niemanden hassen, den man gar nicht<br />

kennt! Auch im Deutschen ist ja das Wort "Gastfre<strong>und</strong>schaft" eigentlich ein<br />

falsches Wort: Dieses Substantiv ist eigentlich falsch, während nur das<br />

entsprechende Adjektiv richtig ist. Denn ein Deutscher spricht ja nicht von<br />

"gastfre<strong>und</strong>schaftlich", sondern von "gastfre<strong>und</strong>lich". Man sollte also auch<br />

beim Substantiv eigentlich das Wort "Gastfre<strong>und</strong>lichkeit" <strong>und</strong> nicht<br />

"Gastfre<strong>und</strong>schaft" sagen. Denn es ist ja unmöglich, dass man mit<br />

jemandem, nur weil er ein Gast ist, eine Fre<strong>und</strong>schaft pflegt.<br />

Stark: So schnell geht es in der Tat nicht.<br />

<strong>Mabe</strong>: Man ist zu einem Gast zunächst einmal fre<strong>und</strong>lich. Wenn er geht, dann ist<br />

er auch wirklich wieder weg. Sie sehen also, dass es durchaus von Vorteil<br />

sein kann, wenn man in verschiedenen sprachlichen Ebenen denken kann.<br />

Dadurch kann man die eigene Kultur <strong>und</strong> Denkweise in der Tat besser<br />

reflektieren. Aus diesem Gr<strong>und</strong> kann ich Ihnen als Antwort nur ein Ja <strong>und</strong><br />

gleichzeitig ein Nein geben. Aber in Afrika ist es natürlich schon so, dass<br />

viele Menschen darunter leiden – insbesondere die Machthaber –, dass sie<br />

eine fremde Sprache sprechen müssen. Das liegt natürlich nicht daran,<br />

dass diese Sprache an sich schlecht wäre. Das Problem ist jedoch<br />

Folgendes: Wenn hier in Deutschland der Ministerpräsident von Bayern,<br />

Edm<strong>und</strong> Stoiber, meinetwegen zu Weihnachten eine Ansprache hält, dann<br />

spricht auch Edm<strong>und</strong> Stoiber Hochdeutsch. Ich kann mir nicht vorstellen,<br />

dass wirklich jeder Bürger in Bayern diese Sprache perfekt versteht. Dieses<br />

Problem gibt es also auch hier.<br />

Stark: Na, ich hoffe doch, dass man ihn versteht.<br />

<strong>Mabe</strong>: Nein, nein, das ist nicht richtig, verteidigen Sie das nicht. Ich gebe Ihnen ein<br />

Beispiel. Gehen Sie auf den Marienplatz <strong>und</strong> fragen Sie die Leute, was das<br />

Wort "Zahlungsbilanz" bedeutet. Wer versteht dieses Wort in Deutschland

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