Durch Wüste und Harem - Karl-May-Gesellschaft
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„Wa-a-as? - Senitza heißt sie?“<br />
[121] „Ja.“<br />
„Weißt du das gewiß?“<br />
„Versteht sich! Erstens hat er een Bild von ihr; zweetens thut er stets - - halt, er klatscht droben, Herr<br />
Effendi; ich muß 'nauf!“<br />
Ich setzte mich nicht wieder nieder, sondern es trieb mich in dem Zimmer auf <strong>und</strong> ab. Zwar mußte mir<br />
dieser Barbier aus Jüterbogk, der sich so poetisch Hamsad al Dscherbaja nannte, höchst interessant sein,<br />
noch weit mehr aber war meine Teilnahme für seinen Herrn erwacht, der hier am Nile eine Montenegrinerin<br />
suchte, welche den Namen Senitza führte. Unglücklicher Weise aber kamen einige Fellahs, welche<br />
Kopfschmerz oder Leibweh hatten, <strong>und</strong> denen meine Zauberkörner helfen sollten. Sie saßen nach<br />
orientalischer Sitte eine ganze St<strong>und</strong>e bei mir, ehe ich nur erfahren konnte, was ihnen fehlte, <strong>und</strong> als ich sie<br />
abgefertigt hatte, blieben sie am Platze, bis es ihnen selbst beliebte, die Audienz abzubrechen.<br />
So wurde es Abend. Der Kapitän kam <strong>und</strong> stieg nach oben, ließ aber seinen schlürfenden Schritt nach<br />
einer halben St<strong>und</strong>e wieder vernehmen <strong>und</strong> trat bei mir ein. Halef servierte den Tabak <strong>und</strong> den Kaffee <strong>und</strong><br />
zog sich dann zurück. Kurze Zeit später hörte ich ihn mit dem Jüterbogker Türken zanken.<br />
„Ist dein Leck ausgebessert?“ fragte ich Hassan.<br />
„Noch nicht. Ich konnte für heute nur das Loch verstopfen <strong>und</strong> das Wasser auspumpen. Allah giebt<br />
morgen wieder einen Tag.“<br />
„Und wann fährst Du ab?“<br />
„Uebermorgen früh.“<br />
„Du würdest mich mitnehmen?“<br />
„Meine Seele würde sich freuen, dich bei mir zu haben.“<br />
[122] „Wenn ich nun noch jemand mitbrächte?“<br />
„Meine Dahabië hat noch viel Platz. Wer ist es?“<br />
„Kein Mann, sondern ein Weib.“<br />
„Ein Weib? Hast du dir eine Sklavin gekauft, Effendi?“<br />
„Nein. Sie ist das Weib eines anderen.“<br />
„Der auch mitfahren wird?“<br />
„Nein.“<br />
„So hast du sie ihm abgekauft?“<br />
„Nein.“<br />
„Er hat sie dir geschenkt?“<br />
„Nein. Ich werde sie ihm nehmen.“<br />
„Allah kerihm, Gott ist gnädig! Du willst sie ihm nehmen, ohne daß er es weiß?“<br />
„Vielleicht.“<br />
„Mann, weißt du, was das ist?“<br />
„Nun?“<br />
„Eine Tschikarma, eine Entführung!“<br />
„Allerdings.“<br />
„Eine Tschikarma, welche mit dem Tode bestraft wird. Ist dein Geist dunkel <strong>und</strong> deine Seele finster<br />
geworden, daß du in das Verderben gehen willst?“<br />
„Nein. Die ganze Angelegenheit ist noch sehr fraglich. Ich weiß, du bist mein Fre<strong>und</strong> <strong>und</strong> kannst<br />
schweigen. Ich werde dir alles erzählen.“<br />
„Oeffne die Pforte deines Herzens, mein Sohn. Ich höre!“<br />
Ich erstattete ihm Bericht über mein heutiges Abenteuer, <strong>und</strong> er hörte mir mit Aufmerksamkeit zu. Als ich<br />
fertig war, erhob er sich.<br />
„Stehe auf, mein Sohn, nimm deine Pfeife <strong>und</strong> folge mir!“<br />
„Wohin?“<br />
[123] „Das sollst du sogleich sehen.“<br />
Ich ahnte, was er beabsichtigte, <strong>und</strong> folgte ihm. Er führte mich hinauf in die Wohnung des Kaufmannes.<br />
Der Diener desselben war nicht anwesend, daher traten wir ein, nachdem wir uns zuvor durch ein leichtes<br />
Hüsteln angemeldet hatten.<br />
Der Mann, welcher sich erhob, war noch jung; er mochte vielleicht sechs<strong>und</strong>zwanzig Jahre zählen. Der<br />
kostbare Tschibuk, aus welchem er rauchte, sagte mir, daß der Jüterbogker mit seinem „schauderhaftes<br />
Jeld“ wohl recht haben könne. Er war eine interessante, sympathische Erscheinung, <strong>und</strong> ich sagte mir gleich<br />
in der ersten Minute, daß ich ihm mein Wohlwollen schenken könnte. Der alte Abu el Reïsahn nahm das<br />
Wort:<br />
„Das ist der Großhändler Isla Ben Maflei aus Konstantinopel, <strong>und</strong> das hier ist Effendi Kara Ben Nemsi,<br />
mein Fre<strong>und</strong>, den ich liebe.“<br />
„Seid mir beide willkommen, <strong>und</strong> setzt euch!“ erwiderte der junge Mann.<br />
Er machte ein sehr erwartungsvolles Gesicht, denn er mußte sich sagen, daß der Kapitän jedenfalls einen<br />
guten Gr<strong>und</strong> haben müsse, mich so ohne weiteres bei ihm einzuführen.<br />
„Willst du mir eine Liebe erzeigen, Isla Ben Maflei?“ fragte der Alte.<br />
GR01 / <strong>Durch</strong> <strong>Wüste</strong> <strong>und</strong> <strong>Harem</strong> – Seite 42