17.01.2013 Aufrufe

Durch Wüste und Harem - Karl-May-Gesellschaft

Durch Wüste und Harem - Karl-May-Gesellschaft

Durch Wüste und Harem - Karl-May-Gesellschaft

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Mauer befestigt. Die Vorrichtung hatte jedenfalls den Zweck, Tiere wie etwa Ratten, Wassermäuse u. s. w.<br />

vom Bassin fernzuhalten. Ich rüttelte daran; es gab nicht nach, <strong>und</strong> ich [139] mußte einsehen, daß es im<br />

ganzen nicht zu entfernen sei. Ich faßte einen einzelnen Stab mit beiden Händen, stemmte die hoch<br />

emporgezogenen Kniee hüben <strong>und</strong> drüben gegen die Mauer - ein Ruck aus allen Kräften, <strong>und</strong> die Stange<br />

zerbrach. Jetzt war eine Bresche da, <strong>und</strong> in Zeit von zwei Minuten hatte ich noch vier Stäbe herausgerissen,<br />

so daß eine Oeffnung entstanden war, durch welche ich mich zwängen konnte.<br />

Sollte ich zurückkehren, um Isla das weitere zu überlassen? Nein, denn das wäre Zeitverschwendung<br />

gewesen. Ich befand mich nun einmal im Wasser <strong>und</strong> kannte ja auch die Oertlichkeit genauer als er. Ich<br />

passirte also die Oeffnung, welche ich mir gemacht hatte, <strong>und</strong> schwamm weiter fort in dem Wasser, welches<br />

durch den aufgewühlten Schlamm ganz dick war. Als ich mich nach meiner ungefähren Berechnung unter<br />

dem inneren Hofe befinden mußte, senkte sich plötzlich die Wölbung bis auf die Oberfläche des Wassers<br />

herunter, <strong>und</strong> ich wußte nun, daß ich mich in der Nähe des Bassins befand. Der Kanal glich von hier aus nur<br />

noch einer Röhre, welche so vollständig mit Wasser gefüllt war, daß die zum Atmen nötige Luft fehlte. Die<br />

noch übrige Strecke mußte ich also unter Wasser durchkriechen oder tauchend durchschwimmen, was nicht<br />

nur höchst unbequem <strong>und</strong> anstrengend, sondern auch mit größter Gefahr verb<strong>und</strong>en war. Wie nun, wenn<br />

sich ein zweites, unvorhergesehenes Hindernis in den Weg stellte <strong>und</strong> ich auch nicht so weit zurückkehren<br />

konnte, um den nötigen Atem zu holen? - - Oder wenn ich beim Emportauchen bemerkt wurde? Es war doch<br />

immerhin möglich, daß sich jemand in dem Hofe befand.<br />

Diese Bedenken durften mich nicht irre machen. Ich sog die Lunge voll Atem, bog mich unter das Wasser<br />

[140] <strong>und</strong> schob mich, halb schwimmend <strong>und</strong> halb gehend, mit möglichster Schnelligkeit vorwärts.<br />

Eine ziemliche Strecke legte ich so zurück, <strong>und</strong> schon verspürte ich den eintretenden Luftmangel, als ich<br />

mit der Hand wirklich an ein neues Hindernis stieß. Es war, wie ich fühlte, ein aus einem durchlöcherten<br />

Blech bestehendes Siebgitter, welches die ganze Lichte der Kanalröhre einnahm <strong>und</strong> jedenfalls so zu sagen<br />

als Seiher oder Filter des schlammigen, trüben Wassers dienen sollte.<br />

Bei dieser Entdeckung bemächtigte sich eine wirkliche Aengstlichkeit meiner.<br />

Zurück konnte ich nicht mehr, denn ehe ich die Stelle zu erreichen vermochte, wo die höhere Wölbung des<br />

Kanals mir gestattet hätte, emporzutauchen <strong>und</strong> Atem zu schöpfen, war ich jedenfalls schon erstickt, <strong>und</strong><br />

doch schien das ziemlich starke Siebwerk sehr haltbar befestigt zu sein. Hier gab es freilich nur zwei Fälle:<br />

entweder es gelang mir, hindurchzukommen, oder ich mußte elend ertrinken. Es war kein Augenblick zu<br />

verlieren.<br />

Ich stemmte mich gegen das Blech - vergebens; ich drückte <strong>und</strong> preßte mit aller Gewalt dagegen, doch<br />

ohne Erfolg. Und wenn ich hindurch kam <strong>und</strong> hinter ihm nicht sofort das Bassin sich befand, so war ich<br />

dennoch verloren. Ich hatte nur noch Luft <strong>und</strong> Kraft für eine Sek<strong>und</strong>e; es war mir, als wolle eine fürchterliche<br />

Gewalt mir die Lunge zerbersten <strong>und</strong> den Körper zersprengen - noch eine letzte, die allerletzte Anstrengung;<br />

Herr Gott im Himmel, hilf, daß es mir gelingt! Ich fühle den Tod mit nasser, eisiger Hand nach meinem<br />

Herzen greifen; er packt es mit grausamer, unerbittlicher Faust <strong>und</strong> drückt es vernichtend zusammen; die<br />

Pulse stocken; die Besinnung schwindet; die Seele sträubt sich mit aller Macht gegen das Entsetzliche; eine<br />

krampfhafte, tödliche Expansion [141] dehnt die erstarrenden Sehnen <strong>und</strong> Muskeln aus - ich höre keinen<br />

Krach, kein Geräusch, aber der Kampf des Todes hat vermocht, was dem Leben nicht gelingen wollte - das<br />

Sieb weicht, es geht aus den Fugen, ich fuhr empor. Ein langer, langer, tiefer Atemzug, der mir<br />

augenblicklich das Leben wiederbrachte, dann tauchte ich wieder unter. Es konnte ja jemand im Hofe sein<br />

<strong>und</strong> meinen Kopf bemerken, der grad in der Mitte der kleinen Wasserfläche sichtbar geworden war. Am<br />

Rande derselben kam ich vorsichtig wieder auf <strong>und</strong> blickte mich um.<br />

Es schien kein Mond, aber die Sterne des Südens verbreiteten ein genügendes Licht, um alle<br />

Gegenstände unterscheiden zu können. Ich stieg aus dem Bassin <strong>und</strong> wollte mich leise an die Mauer<br />

schleichen, als ich ein leises Knacken vernahm. Ich blickte empor zu den Gittern, hinter denen die<br />

Frauengemächer lagen. Hier, rechts über mir war die Stelle, an welcher ich den Riegelstab entfernt hatte,<br />

<strong>und</strong> links davon bemerkte ich eine Spalte in der Vergitterung desjenigen Zimmers, in welches ich nicht hatte<br />

treten dürfen. Es war jedenfalls das Schlafzimmer Senitzas. War sie wach geblieben, um mich zu erwarten?<br />

Kam das Knacken von dem Gitter, welches sie auch in ihrer Stube geöffnet hatte? War dies der Fall, so<br />

hatte sie mich aus dem Wasser steigen sehen <strong>und</strong> sich jetzt wieder zurückgezogen, da sie mich unmöglich<br />

erkennen konnte.<br />

Ich schlich näher <strong>und</strong> legte die Hände r<strong>und</strong> um den M<strong>und</strong>.<br />

„Senitza!“ flüsterte ich leise.<br />

Da wurde die Spalte größer, <strong>und</strong> ein dunkles Köpfchen erschien.<br />

„Wer bist du?“ hauchte es herab.<br />

„Der Hekim, welcher bei dir war.“<br />

„Du kommst, mich zu retten?“<br />

[142] „Ja. Du hast es geahnt <strong>und</strong> meine Worte verstanden?“<br />

„Ja. Bist du allein?“<br />

„Isla Ben Maflei ist draußen.“<br />

„Ach! Er wird getötet werden!“<br />

„Von wem?“<br />

GR01 / <strong>Durch</strong> <strong>Wüste</strong> <strong>und</strong> <strong>Harem</strong> – Seite 48

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!