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Schwerpunktthema<br />
Kommentar zum Artikel von Klaus Sejkora<br />
Das Verständnis von ‹Skript›, wie es Klaus<br />
Sejkora in seinem anschaulichen Beispiel<br />
deutlich macht, kann ich nur unterstützen:<br />
Das Skript ist eine Geschichte. Das<br />
Skript ist die Geschichte, die wir uns selbst<br />
und unseren Nächsten erzählen, um diejenigen<br />
zu sein, die wir sind. Ein gutes<br />
Skript – ja, das gibt es! – ist eine Geschichte,<br />
die mich zu einem glücklichen<br />
Helden macht.<br />
Menschen, die in Therapie kommen, tun<br />
dies meist, weil sie mit sich, mit dem, was<br />
sie leben und erleben, nicht glücklich sind.<br />
Wir können das so deuten und verstehen,<br />
dass sie sich selbst und ihrer Umgebung<br />
eine Geschichte erzählen, die sie unglücklich<br />
macht oder in der sie unglücklich sind.<br />
Als Therapeut nehme ich die Geschichte<br />
des Patienten auf. Dann kann ich sie kommentieren<br />
oder analysieren oder eben<br />
auch spiegeln, wie dies Klaus Sejkora tut.<br />
Wenn die Beziehung zwischen Therapeutin<br />
und Patient stimmt, kann dann der Patient<br />
die Geschichte aus einem neuen<br />
Blickwinkel (eben gespiegelt) wahrnehmen<br />
und damit beginnen, sie zu verändern.<br />
Wenn es so gelingt, zu einer ‹neuen<br />
Geschichte› mit einem glücklichen Helden,<br />
einer glücklichen Heldin zu kommen,<br />
dann sprechen wir von ‹Skriptheilung›.<br />
Dieser Ansatz – wenn auch mit andern<br />
Worten beschrieben – findet sich auch in<br />
andern psychotherapeutischen Schulen.<br />
(Sicher in der Psychoanalyse, in der analytischen<br />
Psychologie, in der Gestalttherapie,<br />
in der Gesprächspsychotherapie.)<br />
Er gehört eigentlich zu jeder Therapieform,<br />
in der Menschen zusammensitzen<br />
und einander Geschichten erzählen.<br />
26 Info <strong>zwei</strong> <strong>12</strong><br />
Die Hinweise auf unser Denkorgan, das<br />
Hirn, halte ich hingegen für unnötig und<br />
irreführend.<br />
Warum?<br />
Weil Klaus Sejkora damit die Perspektive<br />
wechselt und nicht mehr psychologisch<br />
sondern hirnphysiologisch argumentiert.<br />
Das macht aber keinen Sinn. Peter Bieri<br />
hat das in einem Vortrag den er vor ein<br />
paar Jahren vor versammelten Hirnforschern<br />
am jährlichen ‹BrainFair› (einer<br />
Veranstaltung von ETH und Universität<br />
Zürich, wo die Hirnforschung der Öffentlichkeit<br />
vorgestellt wird) festgehalten und<br />
so gut beschrieben, dass ich ihn hier zitieren<br />
möchte:<br />
‹Betrachten wir ein Gemälde. Wir können es<br />
als einen physikalischen Gegenstand beschreiben.<br />
Wir können aber auch vom dargestellten<br />
Thema sprechen. Oder es geht uns<br />
um Schönheit und Ausdruckskraft. Oder<br />
um den Handelswert. Derselbe Gegenstand<br />
wird aus unterschiedlichen Perspektiven beschrieben.<br />
Alles, was wir sagen, ist im gleichen<br />
Sinne wahr. Es ist wahr, dass das Bild<br />
30 Kilogramm wiegt und in Öl gemalt ist –<br />
und es ist wahr, dass es das Abendmahl darstellt,<br />
ein verkitschtes Machwerk ist und einen<br />
zu hohen Preis erzielt hat. Keine der Beschreibungen<br />
ist näher an (...) der Wirklichkeit<br />
oder besitzt einen höheren Grad an Tatsächlichkeit<br />
als die anderen. Wir haben unterschiedliche<br />
Systeme der Beschreibung für<br />
unterschiedliche Zwecke entwickelt. (...)<br />
Man darf verschiedene Perspektiven<br />
nicht vermischen. Denken wir uns jemanden,<br />
der ein Bild zerlegte, um herauszufinden,<br />
was es darstellt: Wir würden ihn für<br />
Hansruedi Hunter<br />
Psychologe, lic. phil., Psychotherapeut<br />
SPV, lehrender Transaktions ana-<br />
lytiker TTA-P<br />
hrhunter@gmx.ch<br />
verrückt halten – verrückt im Sinne eines<br />
Kategorienfehlers (meine Hervorhebung).<br />
(...)<br />
Wie beim Gemälde, so auch beim Menschen.<br />
Es gibt eine physiologische Geschichte<br />
über den Menschen, zu der auch die Geschichte<br />
über das neurobiologische Geschehen<br />
gehört. Daneben gibt es eine psychologische<br />
Geschichte, in der er als eine<br />
Person beschrieben wird (meine Hervorhebung).<br />
Aus dieser Perspektive wird ihm<br />
vieles zugeschrieben, das in der ersten Geschichte<br />
nicht Thema sein kann, weil diese<br />
Geschichte dafür gar nicht die begrifflichen<br />
Mittel hat: Wille, Überlegungen, Entscheidungen.<br />
Nehmen wir an, jemand zerlegte einen<br />
Menschen (natürlich nur im Tomografen),<br />
um herauszufinden, was er will, überlegt<br />
und entscheidet. Wäre er nicht auch verrückt<br />
– im selben Sinne wie beim Gemälde?›