Ausgabe zum Herunterladen (4.38 mb) - Heks
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DAS MAGAZIN DES HILFSWERKS DER EVANGELISCHEN KIRCHEN SCHWEIZ | Nr. 315 1 / Februar 2012<br />
HEKS-<br />
Rechtsberatung<br />
für ein faires<br />
Asylverfahren
2 EDITORIAL INHALT<br />
Liebe Leserin, lieber Leser<br />
Menschen, die in der Schweiz Asyl suchen, sind immer wieder ein Thema in den<br />
Medien und in politischen Debatten. Oft wird dabei suggeriert, sie seien eine ernsthafte<br />
Bedrohung für die Schweiz. Begriffe wie «unkontrollierbare Flüchtlingswelle»,<br />
«Asylmissbrauch», «verschleppte Verfahren» oder «Wirtschaftsflüchtlinge» zieren<br />
dann die Schlagzeilen. Natürlich gibt es auch im Asylwesen, wie wohl in allen Bereichen<br />
der Wirtschaft und des öffentlichen Lebens, Menschen, die sich nicht an die<br />
Spielregeln halten. Aber sind diese auch repräsentativ<br />
für die Gesamtheit der Schutz suchenden Menschen<br />
in unserem Land?<br />
Die vorliegende <strong>Ausgabe</strong> von «handeln» ist der<br />
anwaltschaftlichen Arbeit von HEKS zugunsten von<br />
Asylsuchenden gewidmet. Wir wollen die oft verzerrten<br />
Darstellungen eines komplexen Themas zurechtrücken.<br />
Konkrete Beispiele sollen aufzeigen,<br />
was für persönliche Schicksale hinter einem Asylantrag stehen können. Und wir wollen<br />
Ihnen näherbringen, dass die Begleitung und Unterstützung von Menschen in oft<br />
langen und belastenden Verfahren ein sehr hohes Mass an Fachwissen, Erfahrung<br />
und Professionalität voraussetzt.<br />
Die Mitarbeitenden der von HEKS geführten Rechtsberatungsstellen sind spezialisierte<br />
Fachleute – oft Juristen –, die anhand einer nüchternen Analyse von Dokumenten<br />
und persönlichen Berichten abschätzen, welche Möglichkeiten einem<br />
Antragsteller in einem Verfahren offenstehen. Sie fechten Entscheide von Behörden<br />
dann an, wenn eine realistische Chance besteht, dass eine höhere Instanz zu einem<br />
andern Urteil kommt. Damit leisten sie einen wichtigen Beitrag zu einer fairen und<br />
einheitlichen Auslegung der Gesetze und zur Rechtssicherheit. Aber sie scheuen sich<br />
auch nicht, einem abgewiesenen Asylsuchenden darzulegen, dass ein allfälliger Rekurs<br />
gegen einen behördlichen Entscheid keinerlei Aussicht auf Erfolg hat.<br />
Die reale Dimension der Flüchtlingsfrage zeigt der Artikel auf Seite 10. Weniger<br />
als 1% der vom UNO-Hochkommissariat für Flüchtlinge weltweit geschätzten 43<br />
Millionen Flüchtlinge sucht in Europa oder in der Schweiz politisches Asyl. Die Zahl<br />
der in Europa gestellten Asylgesuche sank von 2000 bis 2010 um 39%. Und nur<br />
gerade 0,9% der Schweizer Wohnbevölkerung sind Menschen, die hier einmal ein<br />
Asylgesuch gestellt haben. Zahlen und Fakten geben also ein deutlich realistischeres<br />
Bild der Flüchtlingsthematik als aufgeregte Berichte über unerfreuliche Einzelfälle.<br />
HEKS setzt sich ein für Menschen, die an Leib und Leben bedroht sind und in der<br />
Schweiz Schutz suchen. Wir orientieren uns an den geltenden Gesetzen und kämpfen<br />
dafür, dass deren Vollzug stets unter Wahrung der Menschenwürde der Betroffenen<br />
geschieht. So sehen wir z. B. auch das Monitoring von unfreiwilligen Rückführungen<br />
abgewiesener Asylsuchender (bei welchem der Schweizerische Evangelische<br />
Kirchenbund in einer Pilotphase die Federführung hatte) als einen Beitrag zu<br />
einem menschenwürdigen Vollzug von rechtsgültigen Urteilen.<br />
Die reformierten und katholischen Kirchen ermöglichen uns mit ihren grosszügigen<br />
Beiträgen die Führung von Rechtsberatungsstellen in sieben Schweizer Städten.<br />
Ohne diese Unterstützung könnten wir Hunderten von schutzbedürftigen<br />
Menschen nicht zur Seite stehen. Den Kirchen gebührt daher mein ganz besonderer<br />
Dank!<br />
2 Editorial<br />
3 Integrationswoche 2012<br />
4 Das Recht auf ein faires<br />
Asylverfahren<br />
Reportage aus der<br />
Zürcher Beratungsstelle für<br />
Asylsuchende<br />
6 Porträt: Anna A. hat endlich<br />
Asyl erhalten<br />
8 Interview mit dem Rechtsberater<br />
Dominik Löhrer<br />
10 Die Mär von der Flüchtlingsschwemme<br />
12 Besuch im Ausschaffungsgefängnis<br />
Basel<br />
14 Äthiopien: Nach der Dürre<br />
die Überschwemmung<br />
15 Patenschaft Osteuropa<br />
16 Haiti zwei Jahre nach dem<br />
Erdbeben<br />
21 10 Fragen an Maria<br />
Salomé Monteiro<br />
22 Nicht verpassen!<br />
Ueli Locher «handeln» 315 0112
«handeln» 315 0112<br />
SOZIALE INTEGRATION<br />
HEKS-Integrationswoche «Blickwechsel»<br />
Vom 26. bis 30. März 2012 führt<br />
HEKS <strong>zum</strong> dritten Mal eine nationale<br />
Integrationswoche durch. Ziel dieser<br />
Woche ist es, den sozial benachteiligten<br />
Menschen, mit denen HEKS in<br />
der Schweiz arbeitet, eine Stimme zu<br />
geben und auf ihre Situation aufmerksam<br />
zu machen.<br />
HEKS betreibt in der<br />
Schweiz sechs Regionalstellen<br />
mit über vierzig<br />
Projekten in den Bereichen<br />
soziale Integration<br />
und Anwaltschaft für so-<br />
Regionale<br />
Veranstaltungen<br />
Winterthur<br />
«LITERARISCHE LESUNG»<br />
Ein kultureller Abend mit Catalin Dorian<br />
Florescu<br />
Catalin Dorian Florescu, selbst als Jugendlicher<br />
aus Rumänien in die Schweiz immigriert,<br />
ist freier Schriftsteller und erhielt<br />
unter anderem den Schweizer Buchpreis<br />
für seinen Roman «Jacob beschliesst zu lieben».<br />
Hören Sie Catalin Dorian Florescu in<br />
einer öffentlichen Lesung und erfahren Sie<br />
mehr über die HEKS-Programme in Zürich<br />
und Schaffhausen beim anschliessenden<br />
Apéro.<br />
Freitag, 30. März 2012<br />
Türöffnung: 18.30 Uhr<br />
Beginn: 19 Uhr<br />
Ort: Winterthur, Stadtbibliothek,<br />
Obere Kirchgasse 6<br />
Basel<br />
«BLICKWECHSEL DURCH SPRACH-<br />
WECHSEL»<br />
Interkulturelle Abende mit Sprach-<br />
Crashkursen<br />
In vielen Projekten der HEKS-Regionalstelle<br />
beider Basel spielen die unterschiedlichsten<br />
Sprachen eine zentrale Rolle. Während der<br />
Integrationswoche von HEKS haben Sie die<br />
Möglichkeit, an einem von interkulturellen<br />
ÜbersetzerInnen durchgeführten Abend<br />
auf ungezwungene Weise erste Worte<br />
einer fremden Sprache zu erlernen und<br />
Einblick in eine andere Kultur zu bekommen.<br />
handelnextra<br />
KAMPAGNENMAGAZIN DES HILFSWERKS DER EVANGELISCHEN KIRCHEN SCHWEIZ | Frühling 2012<br />
zial Benachteiligte. In den einzelnen<br />
Regionen finden verschiedene «Blickwechsel»<br />
statt, bei denen prominente<br />
Personen aus Wirtschaft,<br />
Politik, Kultur oder Sport gemeinsam<br />
einen Tag verbringen und so Einblick<br />
in die Lebenswelt des anderen gewinnen.<br />
Es machen mit<br />
–minu (Hans-Peter Hammel),<br />
Ivo Kummer, Walter<br />
Däpp, Michael Hüppi<br />
und Rolf Hiltl. Lesen Sie<br />
mehr über den «Blickwechsel»<br />
auf www.<br />
Dienstag, 27. März 2012<br />
« – Ich verstehe nur Bahnhof»,<br />
Tamilisch in drei Stunden, von 18 bis 21 Uhr,<br />
mit tamilischem Apéro<br />
Donnerstag, 29. März 2012<br />
«Arabisch all inclusive», von 18 bis 21 Uhr,<br />
mit arabischem Apéro<br />
Ort: Basel, HEKS-Regionalsstelle beider<br />
Basel, Pfeffingerstrasse 41<br />
Aarau<br />
«YETER SITS BLICK AUF AARAU»<br />
Ein Stadtrundgang<br />
Die aus der Türkei stammende Kurdin Yeter<br />
Sit stellt bei einem Stadtrundgangs «ihr<br />
persönliches Aarau» vor. Die anerkannte<br />
Flüchtlingsfrau arbeitet bei HEKS als interkulturelle<br />
Übersetzerin. Gemeinsam mit Susanne<br />
Dul, die seit über zehn Jahren<br />
thematische Stadtführungen in Aarau anbietet,<br />
schlägt Yeter Sit einen Bogen zwischen<br />
Istanbul und Aarau.<br />
Dienstag, 27. März 2012<br />
Beginn: 17 Uhr (bis ca. 18.15 Uhr), anschliessend<br />
Apéro in der Regionalstelle Aargau/Solothurn,<br />
Augustin-Keller-Strasse 1,<br />
Aarau<br />
Mittwoch, 28. März 2012<br />
Beginn: 17 Uhr (bis ca. 18.15 Uhr), anschliessend<br />
Apéro in der Regionalstelle Aargau/Solothurn,<br />
Augustin-Keller-Strasse 1,<br />
Aarau<br />
Freitag, 30. März 2012<br />
Beginn: 17 Uhr (bis ca. 18.15 Uhr), anschliessend<br />
Apéro in der Regionalstelle Aargau/Solothurn,<br />
Augustin-Keller-Strasse 1,<br />
Aarau<br />
Besammlung am Holzmarkt,<br />
Anmeldeschluss: 16. März 2012 unter<br />
www.heks.ch/blickwechsel<br />
heks.ch/blickwechsel. Dort können<br />
Sie auch das «handelnextra», das<br />
Magazin zur Integrationswoche, herunterladen.<br />
Einladung zu regionalen<br />
Veranstaltungen<br />
Auch Sie können einen Blickwechsel<br />
vollziehen: Für die Öffentlichkeit organisieren<br />
die HEKS-Regionalstellen<br />
verschiedene Events. Reservieren Sie<br />
sich schon einmal den Termin für den<br />
Anlass in Ihrer Region:<br />
Bern<br />
«BEGEGNUNG IN WORT UND KLANG»<br />
Lesung mit Zwischentönen von und mit<br />
Walter Däpp<br />
Der «Bund»-Journalist und Autor Walter<br />
Däpp liest aus seinem umfangreichen<br />
Text-Repertoire, während ihn ein Teilnehmender<br />
aus einem HEKS-Projekt musikalisch<br />
begleitet. Abgerundet wird der Anlass<br />
mit einem Apéro.<br />
Donnerstag, 29. März 2012<br />
Beginn: 18.30 Uhr<br />
Ort: Bern, Kornhausforum, 1. Stock<br />
St. Gallen<br />
SZENISCHE LESUNG MIT<br />
JOACHIM RITTMEYER<br />
«Teigresten» – Texte, Geschichten, Szenen<br />
Teigresten – das sind die Gebilde, die beim<br />
Guetzlen ausserhalb der Stanzformen<br />
entstehen. Bei Rittmeyer ist es der gesamte<br />
Edelausschuss – ausserhalb der Solostücke<br />
entstanden und einfach zu gut, um nicht<br />
auch vorgesetzt zu werden. Existenzielle<br />
Komik im Alltäglichen aus der entwaffnenden<br />
Sicht von AussenseiterInnen, KünstlerInnen<br />
und zugewanderten Personen.<br />
Donnerstag 29. März 2012<br />
Beginn: 19.30 Uhr<br />
Ort: St. Gallen, Talhof, Torstrasse 14<br />
Lausanne «REGARDS CROISÉS»<br />
Semaine d’intégration de l‘EPER<br />
Information zur Veranstaltung unter<br />
www.heks.ch/blickwechsel.<br />
Das definitive Programm mit<br />
detaillierten Informationen zu den<br />
einzelnen Anlässen finden Sie auf unserer<br />
Webseite: www.heks.ch/blickwechsel<br />
3
4 ANWALTSCHAFT FÜR SOZIAL BENACHTEILIGTE<br />
Das Recht auf ein<br />
faires Asylverfahren<br />
Weltweit sind Millionen Menschen auf der Flucht vor Verfolgung und Unter-<br />
drückung. Auch in die Schweiz kommen Menschen in der Hoffnung, hier Schutz und<br />
Sicherheit zu finden. Unabhängig vom nachfolgenden Asylentscheid hat jeder<br />
Flüchtling Anrecht auf ein faires Asylverfahren. Deshalb bietet HEKS an verschie-<br />
denen Orten in der Schweiz unentgeltliche Rechtsberatung für Asylsuchende an.<br />
Seit 25 Jahren für Flüchtlinge da<br />
Seit 25 Jahren ist die Zürcher Beratungsstelle für Asylsuchende<br />
(ZBA) Anlaufstelle für Menschen, die Fragen <strong>zum</strong> Asyl- und<br />
Ausländerrecht im Kanton Zürich haben. Der Schwerpunkt der<br />
ZBA liegt in der Beratung und rechtlichen Vertretung von<br />
Asylsuchenden während des gesamten Asylverfahrens. Die Rechtsberatung<br />
ist für Asylsuchende kostenlos. Finanziert wird die<br />
Beratungsstelle zu einem grossen Teil durch die reformierte und<br />
die katholische Landeskirche.<br />
VON CHRISTINE SPIRIG (TEXT) UND<br />
MIRJAM WIRZ (FOTOS)<br />
Azmera P. sitzt in einem der<br />
Büros der Zürcher Beratungsstelle<br />
für Asylsuchende (ZBA)<br />
im Zürcher Kreis 3. Sie hat einen<br />
Termin bei Kathrin Stutz, Juristin<br />
und Leiterin der Beratungsstelle. Ein<br />
Mäppchen mit sauber geordneten<br />
Dokumenten vor sich, beantwortet<br />
Azmera P. die Fragen der Rechtsberaterin<br />
und lässt sich einige wichtige juristische<br />
Sachverhalte erklären. Die<br />
deutsche Sprache bereitet der 27-jährigen<br />
Frau aus der Demokratischen<br />
Republik Kongo keine Mühe mehr.<br />
Seit fast neun Jahren lebt sie nun hier.<br />
Die Schweiz hat sie vor acht Jahren<br />
vorläufig aufgenommen, da ein Wegweisungsvollzug<br />
in den Kongo nicht<br />
<strong>zum</strong>utbar war.<br />
Rekurs gegen rechtswidrige<br />
Entscheide<br />
Die Rechtsberaterinnen und Rechtsberater<br />
der ZBA klären etwa ab, ob<br />
Negativentscheide durch das Bundesamt<br />
für Migration (BFM) rechtmässig<br />
sind, und legen wenn nötig Rekurs<br />
ein. Wenn dieser Basisauftrag erfüllt<br />
ist, übernimmt die ZBA weitere<br />
Aufgaben: Sie stellt Härtefallgesuche,<br />
sofern die gesetzlichen Voraussetzungen<br />
erfüllt sind, beantwortet<br />
Rechtsfragen von anerkannten Flüchtlingen<br />
und vorläufig Aufgenommenen<br />
und stellt Gesuche um Familiennachzüge<br />
oder -zusammenführungen.<br />
Letztes Jahr führte die ZBA insgesamt<br />
2440 persönliche Beratungen durch.<br />
Es wurden 1465 Flüchtlinge aus 70<br />
Nationen begleitet. Die meisten Beratungen<br />
erfolgten für Flüchtlinge aus<br />
Eritrea und Somalia.<br />
Den Fluchtgrund nicht geglaubt<br />
Azmera P. will sich heute darin beraten<br />
lassen, wie sie ihre vorläufige Aufnahme<br />
in eine Aufenthaltsbewilligung<br />
abändern kann. Mit Kathrin<br />
Stutz bespricht sie die Möglichkeiten<br />
für das weitere Vorgehen. Bei ihrem<br />
ersten Asylantrag vor neun Jahren<br />
hatte Azmera P. als Fluchtgrund angegeben,<br />
dass sie als Halbruanderin<br />
in ihrem Heimatland Missbrauch und<br />
«handeln» 315 0112
«handeln» 315 0112<br />
Gewalt ausgesetzt sei. Weil das BFM<br />
ihr nicht glaubte, rät Kathrin Stutz<br />
von einem Zweitgesuch ab. Aussichtsreicher<br />
sei ein Antrag auf eine<br />
Härtefallbewilligung beim Migrationsamt<br />
Zürich. Dort könne Azmera P.<br />
etwa geltend machen, dass ihre Integration<br />
nach mehr als fünf Jahren in<br />
der Schweiz weit fortgeschritten sei,<br />
während zu ihrem Herkunftsland<br />
keine Verbindungen mehr bestünden.<br />
Nun liegt es an Azmera P. zu<br />
entscheiden, welchen Weg sie einschlagen<br />
möchte.<br />
Konzentration auf die Fakten<br />
Nicht immer verlaufen die Sitzungen<br />
so ruhig und sachlich wie an diesem<br />
Nachmittag. «Wenn Asylsuchenden<br />
beispielsweise klar wird, dass wir<br />
nichts bewirken können, kommen<br />
Emotionen hoch – Enttäuschung oder<br />
Wut lassen sich schwer zurückhalten»,<br />
sagt Kathrin Stutz. Die Beraterinnen<br />
und Berater der ZBA halten<br />
jedoch sachliche Distanz, indem sie<br />
sich auf die Fakten konzentrieren.<br />
Profunde Kenntnisse der Rechtsgrundlagen<br />
des Schweizer Asylwesens<br />
sowie der Situation in den<br />
betreffenden Herkunftsländern sind<br />
die Grundlage für diese Tätigkeit.<br />
«Wir sind keine wohltätigen Idealisten,<br />
deren Ziel es ist, allen Menschen<br />
dieser Welt in der Schweiz ein Zuhause<br />
zu geben», hält Kathrin Stutz<br />
fest. «Wenn keine Aussicht auf Erfolg<br />
besteht, müssen wir ein Mandat leider<br />
ablehnen.» Der Entscheid für<br />
oder gegen die Mandatsübernahme<br />
wird aufgrund des persönlichen Gesprächs,<br />
der vorgelegten Akten sowie<br />
der Beurteilung der Lage im Herkunftsland<br />
gefällt. Die zur Abklärung<br />
dienende Kurzberatung steht allen<br />
Schutzsuchenden jeweils am Mittwochnachmittag<br />
ohne Anmeldung<br />
offen.<br />
Vor ihrem nächsten Beratungstermin<br />
klingelt bei Kathrin Stutz das<br />
Telefon. Eine ihr bekannte Therapeutin<br />
hat eine Frage zur Besuchsregelung<br />
im Flughafengefängnis, wo sich<br />
Asylsuchende in Ausschaffungshaft<br />
befinden. Die Juristin ist sich solche<br />
Anfragen gewohnt. Die ZBA hat sich<br />
über die Jahre zu einer ausgewiesenen<br />
Fachstelle in Asylfragen entwickelt.<br />
Von diesem Wissen profitieren<br />
nicht nur die Asylsuchenden. Auch<br />
Kathrin Stutz, Leiterin<br />
der Zürcher Beratungsstelle<br />
für Asylsuchende,<br />
berät eine junge Frau<br />
aus Eritrea.<br />
Rechtsberatung in der Schweiz<br />
HEKS führt in verschiedenen Schweizer<br />
Städten Rechtsberatungsstellen: in Aarau, Basel,<br />
St. Gallen, Kreuzlingen, Solothurn, Zürich und<br />
Lausanne. Seit 2007 bietet HEKS in Aarau auch<br />
Rechtsberatung für in Not geratene Menschen in<br />
den Bereichen Sozialversicherungsrecht, Sozialhilferecht,<br />
Familienrecht, Kinds- und Vormundschaftsrecht,<br />
Mietrecht und Ausländerrecht an.<br />
Zudem beobachtet HEKS die Entwicklung der Migrationsbewegungen<br />
auf internationaler Ebene<br />
und äussert sich zu asyl- und ausländerrechtlichen<br />
Themen. HEKS setzt sich dafür ein, dass dem<br />
Schutzbedürfnis von Asylsuchenden und Flüchtlingen<br />
Beachtung geschenkt wird und sie als gleichberechtigte<br />
Menschen wahrgenommen und<br />
behandelt werden.<br />
Weitere Informationen zu unseren Rechtsberatungsstellen<br />
und unseren anwaltschaftlichen Projekten<br />
finden Sie unter www.heks.ch/handeln.<br />
5
6<br />
ANWALTSCHAFT FÜR SOZIAL BENACHTEILIGTE<br />
Dritte, Gemeinden, Berufskollegen<br />
oder private Personen greifen gerne<br />
auf die Erfahrungen der ZBA zurück.<br />
Ohne Papiere wird es schwierig<br />
Nun bittet Kathrin Stutz ihre nächste<br />
Klientin, Ghenet K., herein, eine junge<br />
Mutter aus Eritrea, dem Land, das<br />
nach Nigeria momentan den grössten<br />
Flüchtlingsanteil in der Schweiz ausmacht.<br />
In diesem Fall hat ein Hilfswerksvertreter<br />
den Kontakt zur Rechtsberatungsstelle<br />
geschaffen und der<br />
Asylentscheid steht noch aus.<br />
Ghenet K. kommt mit ihrem kleinen<br />
Sohn auf dem Arm in Begleitung<br />
einer Übersetzerin <strong>zum</strong> Beratungstermin.<br />
Flüchtlinge aus Eritrea erhalten<br />
in der Regel den Flüchtlingsstatus –<br />
sofern keine Zweifel an der Staatszugehörigkeit<br />
bestehen. Sie werden hier<br />
als Flüchtlinge anerkannt, wenn sie<br />
belegen können, dass sie in der Heimat<br />
aufgrund von Dienstverweigerung<br />
oder Desertion verfolgt werden<br />
(Männer und Frauen). Die Bestrafung<br />
in Eritrea ist unverhältnismässig streng<br />
und wird in der Schweiz als politisch<br />
motiviert eingestuft.<br />
Dem Bericht des Hilfswerksvertreters<br />
aus der ersten Anhörung beim<br />
BFM entnimmt Kathrin Stutz, dass die<br />
Antragstellerin keinen Ausweis vorweisen<br />
konnte. Die stattdessen vorgelegte<br />
Geburtsbestätigung ist wertlos;<br />
ohne Foto ist ihre Identität nicht<br />
nachweisbar. Auch ihre Antworten<br />
während des Interviews überzeugten<br />
nicht restlos. Kathrin Stutz rät ihrer<br />
Klientin nachdrücklich, sich doch<br />
noch um die Papiere zu bemühen<br />
und allenfalls ihren Vater in Eritrea um<br />
Hilfe zu bitten.<br />
Nach fünf Jahren B-Bewilligung<br />
Ein Büro weiter unterhält sich Berater<br />
Cem Karakas mit Wangpo Z., einem<br />
jungen Mann aus Tibet. Als dieser vor<br />
mehreren Jahren in die Schweiz kam,<br />
wurde ihm das vorläufige Bleiberecht<br />
gewährt. Mit dem Verlassen seiner<br />
Heimat war eine Rückkehr nicht mehr<br />
<strong>zum</strong>utbar, weil Staatsflüchtige von<br />
der chinesischen Regierung verfolgt<br />
werden. Nach fünf Jahren in der Schweiz<br />
können Wangpo Z. und seine Frau nun<br />
eine B-Bewilligung beantragen.<br />
«Bei Herrn Z. stehen die Chancen<br />
sehr gut», sagt Cem Karakas. Der<br />
junge Antragsteller arbeitet in der<br />
Gastronomie und ist noch nie nega-<br />
tiv aufgefallen. Ganz im Gegenteil:<br />
Sein aktueller Arbeitgeber hat ihm ein<br />
erstklassiges Zwischenzeugnis ausgestellt.<br />
«Für die Erlangung einer B-Bewilligung<br />
ist ein solches Dokument<br />
Gold wert», sagt Cem Karakas. Jetzt<br />
müssen nur noch einige Formalitäten<br />
geklärt werden. Cem Karakas verspricht,<br />
die vollständigen Unterlagen<br />
am nächsten Tag an das Migrationsamt<br />
Zürich weiterzuleiten. Sichtlich<br />
erleichtert verabschiedet sich Wangpo<br />
Z. von seinem Betreuer.<br />
Jede Chance einen Versuch wert<br />
Cem Karakas hat vor mehr als 27 Jahren<br />
selbst Asyl in der Schweiz beantragt<br />
und kennt die Lage seiner<br />
Klientinnen und Klienten. Seine türkische<br />
Herkunft ermöglicht es ihm, die<br />
Sitzungen mit Menschen aus der Türkei<br />
ohne Dolmetscherin oder Dolmetscher<br />
abzuhalten. Ein Vorteil, da die<br />
Anwesenheit eines Dritten die Offenheit<br />
eines Gesprächs häufig beeinträchtigt.<br />
«In den Beratungen bin ich<br />
aber weder Leidensgenosse noch Verbündeter.<br />
Was von mir erwartet wird,<br />
ist eine kompetente Auskunft», so<br />
Cem Karakas.<br />
Das Wartezimmer der Rechtsberatungsstelle<br />
hat sich geleert. Am<br />
nächsten Montag werden hier wiederum<br />
Menschen unterschiedlicher<br />
Herkunft Platz nehmen – jeder von<br />
ihnen mit einem ganz individuellen<br />
Schicksal, mit unterschiedlichen Voraussetzungen<br />
und Chancen. Doch<br />
alle teilen sie dieselben Hoffnungen –<br />
ein sichereres Leben zu führen und<br />
vielleicht eines Tages in ihr Heimatland<br />
zurückzukehren.<br />
VON CHRISTINE SPIRIG (TEXT),<br />
MIRJAM WIRZ (FOTOS)<br />
Anna A., die studierte Medizinerin,<br />
kommt aus der ehemaligen<br />
Sowjetunion, aus Vladimirovka,<br />
in der heutigen Ukraine. Als<br />
Christin mit jüdischen Wurzeln gehörte<br />
sie nie richtig zur slawischen<br />
Gemeinschaft dazu, was man ihr<br />
auch zu verstehen gab. Das Gefühl<br />
des Fremd- seins zog sich wie ein<br />
roter Faden durch ihr Leben. Anna A.<br />
wurde «Weltbürgerin», wie sie selbst<br />
sagt. Sie arbeitete als Ärztin auf der<br />
ganzen Welt, mitunter sieben Jahre in<br />
Deutschland. 1994 kamen sie und ihr<br />
Ehemann in die tschetschenische<br />
Hauptstadt Grosny – just zu der Zeit,<br />
als der erste Tschetschenienkrieg ausbrach.<br />
Dieser Krieg nahm Anna A.<br />
alles. Als ihr Ehemann, dessen Beruf<br />
sie nicht preisgibt, 1999, im Laufe des<br />
zweiten Tschetschenien-Kriegs, von<br />
Tschetschenen getötet wurde, floh sie<br />
aus Angst vor Vergeltungsaktionen.<br />
Ihre jahrelange Odyssee begann.<br />
Bei ihrem ersten Fluchtversuch<br />
über Polen wurde sie in Deutschland<br />
aufgegriffen und umgehend in ein<br />
polnisches Ausschaffungsgefängnis<br />
überführt. Unter menschenunwürdigen<br />
Bedingungen, an Hunger und<br />
unter Demütigungen leidend, musste<br />
Anna A. ein Jahr lang ausharren.<br />
Ihren zweiten Versuch – mit Frankreich<br />
oder der Schweiz im Visier –<br />
unternahm sie ohne Geld und vorwiegend<br />
zu Fuss. Die beschwerliche<br />
Flucht endete am 7. Juli 2002, als sie<br />
die Grenze bei Basel passierte und<br />
Asyl beantragte.<br />
Von der Vergangenheit eingeholt<br />
Von Basel kam sie ins Durchgangszentrum<br />
nach Kreuzlingen, wo sie<br />
vom ersten Tag an in der Gesundheitsabteilung<br />
mitarbeitete. «Ich<br />
wollte dem Land, von dem ich etwas<br />
möchte, auch etwas geben», sagt<br />
Anna A. Anschliessend wurde sie<br />
dem Kanton Zürich zugeteilt. Die Ablehnung<br />
ihres Asylantrags 2003 traf<br />
Anna A. wie ein Schlag. Sie konnte<br />
nicht zurück an einen Ort, an den<br />
die Erinnerungen sie so schmerzten.<br />
«handeln» 315 0112
«handeln» 315 0112<br />
«Eine Königin im Kleinen»<br />
Die traumatischen Erlebnisse in Tschetschenien und die nervenaufreibende<br />
Flucht haben Anna A. fast zugrunde gerichtet. Doch sie<br />
stand wieder auf. Nachdem sie in der Schweiz kein Aufenthaltsrecht<br />
erhielt, wandte sie sich an die Zürcher Beratungsstelle für Asylsuchende.<br />
Dank deren Unterstützung und ihrem eigenen unermüdlichen<br />
Lebenswillen kann sie endlich einen Neuanfang machen.<br />
Doch ihr fehlte die Kraft, den Entscheid<br />
anzufechten. Die traumatischen<br />
Ereignisse aus ihrer Vergangenheit<br />
holten sie nach und nach<br />
wieder ein.<br />
Ihr psychischer und physischer<br />
Zusammenbruch war der Tiefpunkt<br />
und sollte gleichzeitig den Wendepunkt<br />
in ihrer Asylgeschichte bedeuten.<br />
Nach einem Suizidversuch und<br />
einem längeren Klinikaufenthalt, wo<br />
man ihr eine traumatische Belastungsstörung<br />
diagnostizierte, wandte<br />
sich Anna A. <strong>zum</strong> ersten Mal an die<br />
Zürcher Beratungsstelle für Asylsuchende.<br />
In den Gesprächen wurde<br />
klar, dass gerade ihre Krankheit die<br />
einzige Chance für ein Aufenthaltsrecht<br />
in der Schweiz bieten würde. Ihr<br />
juristischer Berater zog in der Folge<br />
den Asylentscheid in Wiedererwä-<br />
gung mit der Begründung, dass Anna<br />
A. in ihrer Heimat nicht die medizinische<br />
Versorgung erhielte, die für<br />
sie überlebenswichtig sei. Mit der<br />
aufkeimenden Hoffnung auf einen<br />
Neuanfang erwachte auch der Lebensmut.<br />
Anna A. überbrückte die<br />
Wartezeit bis <strong>zum</strong> Asylentscheid mit<br />
Deutschlernen und verschiedenen Arbeitsintegrationsprogrammen<br />
durch<br />
den Ergänzenden Arbeitsmarkt des<br />
Kantons Zürich. Obwohl sie von<br />
dem sy<strong>mb</strong>olischen Lohn nicht leben<br />
konnte, war sie froh um diese Beschäftigung.<br />
«Arbeiten ist für mich<br />
existenziell», sagt sie. Im Juli 2011 –<br />
mehr als ein Jahrzehnt nach ihrem<br />
ersten Fluchtversuch – wurde ihr die<br />
vorläufige Aufnahme in der Schweiz<br />
gewährt mit der Begründung, der<br />
Vollzug der Wegweisung in die Hei-<br />
mat sei in ihrem Gesundheitszustand<br />
un<strong>zum</strong>utbar. Jetzt bemüht sie sich um<br />
eine Festanstellung.<br />
Neue Heimat Schweiz<br />
Anna A. kann nicht oft genug wiederholen,<br />
wie dankbar sie der Rechtsberatungsstelle<br />
für deren Unterstützung<br />
ist. «Ich war kurz vor dem<br />
Ende – doch jetzt lebe ich», sagt<br />
sie. Und nicht nur das: Sie, die sich<br />
ihr Leben lang fremd gefühlt hat,<br />
hat endlich eine Heimat gefunden.<br />
Manchmal fühlt sie sich wie eine<br />
«Königin im Kleinen»: Sie hat nicht<br />
viel, aber alles, was sie <strong>zum</strong> Leben<br />
braucht. Das Schönste aber ist, sich<br />
ohne Angst bewegen zu können.<br />
«Ich bin frei», sagt sie und strahlt<br />
übers ganze Gesicht.<br />
Auch ihr Gesundheitszustand hat<br />
sich verbessert. Kürzlich hat ihr der<br />
Arzt attestiert, mit ihrem Herzen noch<br />
gut vierzig Jahre weitermachen zu<br />
können. Das trifft sich gut – denn<br />
Anna A. hat noch viel vor: Ihr grosser<br />
Traum ist ein eigenes Restaurant.<br />
Sie schmiedet bereits Pläne: «Meine<br />
Spezialität wären Reisgerichte – ich<br />
kenne mindestens 365 verschiedene<br />
Rezepte.» Und falls das nicht klappt,<br />
hat sie noch einen anderen Wunsch.<br />
«Ich würde meine Geschichte gerne<br />
aufschreiben», sagt sie, «um Menschen<br />
Mut zu machen und zu zeigen,<br />
dass auch nach der dunkelsten Nacht<br />
die Sonne wieder scheint.»<br />
7
8 ANWALTSCHAFT FÜR SOZIAL BENACHTEILIGTE<br />
«Ein seriös durchgeführtes Asylverfahren<br />
braucht Zeit»<br />
Dominik Löhrer ist Jurist und arbeitet seit über sieben Jahren<br />
bei der Zürcher Beratungsstelle für Asylsuchende. «handeln» hat ihn<br />
zu seiner Arbeit und den wichtigen aktuellen Asylthemen befragt.<br />
Dominik Löhrer, Sie arbeiten schon<br />
lange bei der Beratungsstelle, wie<br />
gehen Sie mit den vielen Schicksalen<br />
um, denen Sie täglich begegnen?<br />
Für mich ist es wichtig, alle Fälle<br />
aus einer gewissen Distanz zu<br />
betrachten. Ich berate die Klient-<br />
Innen im Asylverfahren und muss bei<br />
den Einschätzungen realistisch sein.<br />
Ich verheimliche den Asylsuchenden<br />
Fotos: HEKS/Mirjam Wirz<br />
auch nicht, wenn ich ihre Chancen<br />
auf einen Verbleib in der Schweiz aufgrund<br />
der Gesetze, der Asylpraxis<br />
und meiner Erfahrung für eher gering<br />
halte. Oft kommt es vor, dass ich Ratsuchende<br />
deshalb nicht ins Mandat<br />
nehme. Selbstverständlich gibt es<br />
immer wieder Schicksale, die nicht<br />
spurlos an mir vorbeigehen. Dann<br />
beispielsweise, wenn Kinder, alleinerziehende<br />
Mütter oder schwer traumatisierte<br />
Leute betroffen sind.<br />
Enden die Asylverfahren zugunsten<br />
meiner Klienten, wie beispielsweise<br />
im Falle von Anna A., gibt mir das sicher<br />
eine gewisse Genugtuung. Mein<br />
persönlicher Erfolg misst sich aber<br />
nicht nur an gewonnenen Verfahren.<br />
Die Herausforderung besteht für mich<br />
auch darin, dass sich die Ratsuchenden<br />
bei der Beratungsstelle verstanden<br />
fühlen und einen Ort gefunden<br />
haben, wo man ihre Anliegen im Zusammenhang<br />
mit dem Asylverfahren<br />
ernst nimmt.<br />
Man hört immer wieder von jahrelang<br />
verschleppten Asylverfahren.<br />
Wer verschleppt da was, und was<br />
heisst das für die Betroffenen?<br />
Die Politik macht den Asylbehörden<br />
immer wieder den Vorwurf, die<br />
Asylverfahren würden viel zu lange<br />
dauern. Oft hört man auch, Asylsuchende<br />
würden selber die Verfahren<br />
künstlich in die Länge ziehen. An dieser<br />
Stelle muss gesagt werden, dass<br />
ein seriös durchgeführtes Asylverfahren<br />
Zeit braucht. Jeder Asylsuchende<br />
muss angehört und jede Ablehnung<br />
begründet werden. Oft müssen zusätzliche<br />
Abklärungen gemacht oder<br />
Beweismittel überprüft werden. Negative<br />
Entscheide des Bundesamtes<br />
für Migration können mit Rekurs an<br />
das Bundesverwaltungsgericht gezogen<br />
werden, welches die Sache<br />
nochmals beurteilen muss. Tatsächlich<br />
erleben wir aber immer wieder,<br />
dass sich Verfahren über Jahre hinziehen,<br />
und es ist nicht ersichtlich, weshalb<br />
die Behörden für den Abschluss<br />
des Verfahrens derart viel Zeit benötigen.<br />
Für die Betroffenen kann dieses<br />
Warten unerträglich werden, weil sie<br />
«handeln» 315 0112
«handeln» 315 0112<br />
sich in einem Zustand der Schwebe<br />
befinden. Man darf nicht vergessen,<br />
dass der Asylentscheid letztlich den<br />
Verlauf ihrer Zukunft bestimmt.<br />
Daher ist es wichtig, dass ein Asylverfahren<br />
innert nützlicher Frist abgeschlossen<br />
wird.<br />
In der heutigen Politik ist man<br />
eher darum besorgt, alles zu tun,<br />
damit keine Flüchtlinge nach<br />
Europa kommen, anstatt den<br />
Umgang mit ihnen zu diskutieren.<br />
Erleben Sie das auch so?<br />
Ich habe die Erfahrung gemacht,<br />
dass die Behörden oft sehr viel Aufwand<br />
betreiben, um nachzuweisen,<br />
dass sie für ein Asylgesuch eben nicht<br />
zuständig sind. Seit Deze<strong>mb</strong>er 2008<br />
ist ja die Schweiz im Dublin-System<br />
eingebunden, welches die Zuständigkeit<br />
für die Prüfung von Asylgesuchen<br />
innerhalb des Schengen/Dublin-Raumes<br />
regelt. Das heisst, der Asylsuchende<br />
wird in das Land zurückgeschickt,<br />
in dem er bei seiner Einreise<br />
nach Europa registriert wurde.<br />
Kommt beispielsweise ein afrikanischer<br />
Flüchtling über Italien in die<br />
Schweiz und stellt ein Asylgesuch,<br />
wird hier auf das Gesuch in der Regel<br />
nicht eingetreten. Der Flüchtling wird<br />
für die Behandlung seines Asylgesuches<br />
nach Italien zurückgebracht.<br />
Zwar betonen die Politiker gerne,<br />
dass man «echten» Flüchtlingen in<br />
der Schweiz immer Schutz bietet.<br />
Hingegen wolle man nicht, dass sogenannte<br />
Wirtschaftsflüchtlinge in<br />
die Schweiz kämen, welche das Asylverfahren<br />
missbrauchen und auf<br />
diese Weise einen Aufenthalt hier erschleichen<br />
würden. Diese Aussage<br />
beisst sich natürlich selber, weil sich<br />
erst im Asylverfahren herausstellt,<br />
wer tatsächlich verfolgt wird und wer<br />
eben nicht. Derzeit ersuchen beispielsweise<br />
viele junge Tunesier in der<br />
Schweiz um Asyl in der Hoffnung auf<br />
ein besseres Leben. Auch wenn wohl<br />
der grösste Teil davon keine asylre-<br />
levanten Fluchtgründe vorbringen<br />
kann, ist es wichtig, mithilfe des Asylverfahrens<br />
diejenigen zu ermitteln,<br />
welche tatsächlich als «echte» Flüchtlinge<br />
gelten.<br />
Trotz Dublin-Abkommen dürfen<br />
nach Griechenland keine Flüchtlinge<br />
mehr zurückgeschickt werden.<br />
Warum?<br />
Das Dublin-System funktioniert<br />
nur dann, wenn sämtliche Mitgliedstaaten<br />
in der Lage sind, faire Asylverfahren<br />
durchzuführen. Die Mitgliedstaaten<br />
sind deshalb verpflichtet,<br />
im Asylverfahren Mindeststandards<br />
einzuhalten und auch den diver-<br />
sen Verpflichtungen nachzukommen,<br />
welche ihnen die Europäische Menschenrechtskonvention<br />
und die Genfer<br />
Flüchtlingskonvention auferlegen.<br />
Ob dies dann tatsächlich auch der<br />
Realität entspricht, wird hier von den<br />
Asylbehörden nicht abgeklärt, bevor<br />
jemand in einen anderen Mitgliedstaat<br />
zurückgebracht wird. Im Falle<br />
von Griechenland war es der Europäische<br />
Gerichtshof für Menschenrechte<br />
in Strassburg, welcher in<br />
einem Urteil feststellte, dass Griechenland<br />
nicht in der Lage ist, menschenwürdige<br />
Asylverfahren durchzuführen.<br />
Erst nach diesem Urteil sah<br />
man davon ab, Asylsuchende nach<br />
Griechenland zurückzuschicken. Zum<br />
Beispiel rät die Schweizerische Flüchtlingshilfe<br />
SFH dringend davon ab, besonders<br />
verletzliche Personen wie<br />
unbegleitete Minderjährige, Familien<br />
mit minderjährigen Kindern, betagte<br />
oder kranke Menschen nach Italien<br />
zurückzubringen. Auch das italienische<br />
Asylsystem weist nach wie vor<br />
erhebliche Mängel auf und kann<br />
nicht für alle Asylsuchenden angemessene<br />
und würdige Lebensbedingungen<br />
gewährleisten. Der Zugang<br />
zu Unterkünften und Gesundheitsversorgung<br />
ist für Asylsuchende unzureichend.<br />
Dennoch verfügt das<br />
Bundesamt für Migration regelmässig<br />
den Wegweisungsvollzug nach Italien.<br />
Für besonders verletzliche Personen<br />
erheben wir jeweils Beschwerde<br />
beim Bundesverwaltungsgericht, leider<br />
nur mässig erfolgreich.<br />
9
10 ANWALTSCHAFT FÜR SOZIAL BENACHTEILIGTE<br />
Die Mär von der Flüchtlingsschwemme<br />
Flüchtlingsströme und verbreiteter Asylmissbrauch in der<br />
Schweiz? Man könnte es meinen. Medien sprechen davon, und die<br />
politische Stimmung ist frostig, wenn es um das Thema Asylsuchende<br />
geht. Ausländerfeindliche Kampagnen und eine laufende<br />
Verschärfung des Asylgesetzes sind die Folge davon. In Wirklichkeit<br />
machen die Flüchtlinge jedoch nur einen ganz kleinen Teil aller<br />
BewohnerInnen der Schweiz aus, und die meisten von ihnen sind<br />
anerkanntermassen schutzbedürftig. Hier eine Analyse der Zahlen,<br />
von denen niemand spricht.<br />
VON STEFAN HERY<br />
Gegenwärtig befinden sich gemäss<br />
UNHCR über 43 Millionen<br />
Menschen auf der Flucht.<br />
Über 15 Millionen von ihnen sind<br />
Flüchtlinge, die ausserhalb ihres Heimatstaates<br />
leben. Sie sind Flüchtlinge<br />
im Sinn der Genfer Flüchtlingskonvention,<br />
also Personen, «die sich aus<br />
begründeter Furcht vor Verfolgung<br />
wegen ihrer Rasse, Religion, Staatszugehörigkeit,<br />
Zugehörigkeit zu einer<br />
bestimmten sozialen Gruppe oder<br />
wegen ihrer politischen Überzeugung<br />
ausserhalb ihres Heimatlandes befinden<br />
und dessen Schutz nicht beanspruchen<br />
können oder wegen dieser<br />
Befürchtungen nicht beanspruchen<br />
wollen».<br />
Nur ein kleiner Teil der Menschen,<br />
die sich weltweit auf der Flucht befinden,<br />
gelangt nach Europa, um hier<br />
Schutz zu suchen. Die Zahl der Asylsuchenden<br />
insgesamt ist im Vergleich<br />
zu vor zehn Jahren in Europa sogar<br />
gesunken. Grund dafür ist die immer<br />
restriktiver gewordene Flüchtlingsund<br />
Migrationspolitik der EU. Aufgrund<br />
der rigorosen Kontrollen an<br />
den EU-Aussengrenzen gelang vielen<br />
Asylsuchenden, die es bis hierher geschafft<br />
haben, die Reise nur unter<br />
Einsatz ihres Lebens.<br />
Nur knapp sechs Prozent aller in<br />
Europa gestellten Asylgesuche wer-<br />
Foto: Aus Film «Vol spécial»<br />
den in der Schweiz eingereicht. 1 Im<br />
Jahr 2011 waren das 22 551 Personen.<br />
Die Zahl der Asylgesuche in<br />
der Schweiz ist im Vergleich zu den<br />
Vorjahren zwar gestiegen, entspricht<br />
jedoch ziemlich genau dem Durchschnitt<br />
der letzten 20 Jahre. 2 (Zur Erinnerung:<br />
Beim Ausbruch des Jugoslawienkriegs<br />
1991 und während des<br />
Kosovokriegs in den Jahren 1998 und<br />
1999 stellten jeweils über 40 000<br />
Menschen ein Asylgesuch.)<br />
Der Anstieg der Gesuche während<br />
des letzten Jahres lässt sich vor<br />
allem mit der Situation in Nordafrika<br />
begründen. Allein wegen des Kriegs<br />
in Libyen flohen Zehntausende. Ein<br />
grosser Teil von ihnen waren Flüchtlinge<br />
aus Eritrea. Sie hatten zuvor ihr<br />
von Repression und Staatsterror geprägtes<br />
Heimatland verlassen und<br />
dann in Libyen versucht, ihr Überleben<br />
zu sichern. Der dortige Krieg<br />
zwang sie zur erneuten Flucht. Die<br />
meisten Eritreerinnen und Eritreer<br />
suchten Zuflucht in Flüchtlingscamps<br />
in der tunesischen Wüste. Die Verhältnisse<br />
in jenen Lagern waren und<br />
sind noch immer äusserst prekär. Eine<br />
Rückkehr nach Eritrea kommt nicht in<br />
Frage, da diese Menschen dort mit<br />
Verfolgung rechnen müssen. Viele<br />
der Flüchtlinge aus Eritrea haben jedoch<br />
nahe Verwandte in der Schweiz<br />
und stellten daher hier ein Asylgesuch.<br />
Die Schweiz hat die meisten<br />
von ihnen als Flüchtlinge anerkannt,<br />
ihnen Asyl und damit ihr Recht auf<br />
ein Zusammenleben mit ihrer Familie<br />
gewährt.<br />
Asylgesuchsprüfungen<br />
durch die Schweiz<br />
Das Bundesamt für Migration (BFM),<br />
das in der Schweiz für die Prüfung der<br />
Asylgesuche zuständig ist, fällte 2011<br />
19 467 Entscheide. Es wurden also<br />
etwas weniger Fälle erledigt, als neue<br />
eingingen.<br />
Bei über einem Drittel der behandelten<br />
Asylgesuche war die Schweiz<br />
jedoch gar nicht für deren Prüfung<br />
zuständig. Es handelt sich dabei um<br />
Gesuche von Personen, deren Fingerabdrücke<br />
bereits in einem anderen<br />
europäischen Staat elektronisch er-<br />
«handeln» 315 0112
«handeln» 315 0112<br />
fasst worden waren. In Anwendung<br />
der Dublin-Verordnung tritt das BFM<br />
in solchen Fällen nicht auf die Asylgesuche<br />
ein (Nicheintretensentscheid,<br />
NEE). Zieht man diese Fälle von<br />
der Anzahl der insgesamt vom BFM<br />
gefällten Entscheide ab, verbleiben<br />
12 368 Fälle, in denen sich die<br />
Schweiz für zuständig erachtete. Bei<br />
30 Prozent dieser Entscheide hat das<br />
BFM Asyl gewährt, also bei 3711<br />
Menschen. 3070 GesuchstellerInnen<br />
(oder 25 Prozent) wurden vorläufig<br />
aufgenommen. Zusammengerechnet<br />
erhielten im Jahr 2011 somit 55 Prozent<br />
der Asylsuchenden einen Schutzstatus.<br />
Das sind 6781 Menschen,<br />
deren Schutzbedürftigkeit die Schweiz<br />
anerkannt hat. 3<br />
In diesen Zahlen noch nicht eingerechnet<br />
sind die gutgeheissenen<br />
Beschwerden: Asylsuchende haben<br />
das Recht, im Fall eines negativen<br />
Entscheides des BFM eine Beschwerde<br />
beim Bundesverwaltungsgericht<br />
einzureichen. Während der letzten<br />
Jahre hat das Bundesverwaltungsgericht<br />
etwa jede fünfte Beschwerde<br />
gutgeheissen. Ebenfalls noch nicht<br />
berücksichtigt sind die gutgeheissenen<br />
Zweit- bzw. Wiedererwägungsgesuche:<br />
Asylsuchende haben die<br />
Möglichkeit, beim BFM ein zweites<br />
Asylgesuch oder ein Wiedererwägungsgesuch<br />
einzureichen, wenn sich<br />
seit einem früheren Entscheid ihre<br />
Fotos: HEKS/Mirjam Wirz<br />
persönliche Situation oder die Situation<br />
im Herkunftsstaat verändert hat<br />
oder neue Beweismittel verfügbar<br />
sind. Etwa jedes dritte solche Gesuch<br />
führte während der letzten Jahre zu<br />
einer Schutzgewährung. 4 In all den<br />
positiv beurteilten Fällen war der ursprünglich<br />
negative Entscheid nicht<br />
(mehr) rechtmässig. Alle übrigen<br />
GesuchstellerInnen, die die Kriterien<br />
für ein Bleiberecht nicht erfüllen,<br />
müssen das Land verlassen. So <strong>zum</strong><br />
Beispiel auch solche, die ausschliesslich<br />
aus wirtschaftlichen Gründen in<br />
die Schweiz gereist sind.<br />
Zahl der Personen mit<br />
Schutzstatus<br />
Insgesamt leben heute in der Schweiz<br />
mehr als zwei Drittel aller Personen<br />
aus dem Asylbereich (Personen, die<br />
ursprünglich ein Asylgesuch gestellt<br />
haben) mit einem Schutzstatus, nämlich<br />
17 484. Sie leben als anerkannte<br />
Flüchtlinge mit Niederlassungsbewilligung<br />
(C-Ausweis). 9494 leben als<br />
anerkannte Flüchtlinge mit Aufenthaltsbewilligung<br />
(B-Ausweis) und<br />
23 310 als vorläufig aufgenommene<br />
Personen (F-Ausweis). 5<br />
Die anerkannten Flüchtlinge und<br />
vorläufig aufgenommenen Personen<br />
wären im Fall einer Rückkehr in ihr<br />
Heimatland einer konkreten Gefährdung<br />
ausgesetzt, entweder wegen<br />
gezielter, gegen sie persönlich gerichteter<br />
Verfolgung, wegen Krieg, Bürgerkrieg<br />
oder allgemeiner Gewalt,<br />
weil der Zugang zu lebensnotwendiger<br />
medizinischer Versorgung fehlt<br />
oder weil sie besonders verletzlich<br />
sind. Zu Letzteren zählen vor allem alleinstehende<br />
Frauen, alleinerziehende<br />
Elternteile mit ihren Kindern, Familien,<br />
unbegleitete Minderjährige und psychisch<br />
oder physisch kranke Personen.<br />
Die oben erwähnten Zahlen zeigen<br />
erstens auf, dass das verbreitete<br />
Vorurteil, Asylsuchende betrieben<br />
überwiegend Asylmissbrauch und<br />
seien meistens gar nicht schutzbedürftig,<br />
nicht haltbar ist. Bei einer<br />
Mehrheit der Asylsuchenden wurde<br />
die Flüchtlingseigenschaft oder die<br />
Un<strong>zum</strong>utbarkeit einer Rückkehr in ihr<br />
Heimatland festgestellt.<br />
Zweitens ist die verbreitete Rede<br />
von einer «Flüchtlingsschwemme»<br />
ebenfalls unbegründet, wenn man<br />
sich das Gesamtbild unserer Wohnbevölkerung<br />
vor Augen hält: Nur<br />
knapp vier Prozent der ausländischen<br />
Wohnbevölkerung in der Schweiz<br />
sind Personen, die ursprünglich hier<br />
ein Asylgesuch gestellt haben. 6 Im<br />
Vergleich zur gesamten Schweizer<br />
Wohnbevölkerung sind es gar nur 0,9<br />
Prozent! Drittens machen die Zahlen<br />
deutlich, dass die Zahl der Asylgesuche<br />
in der Schweiz verglichen mit der<br />
Zahl der Asylgesuche auf europäischer<br />
Ebene und vor allem im Verhältnis<br />
zur Anzahl der Schutzsuchenden<br />
weltweit äusserst gering<br />
ist.<br />
Quellen<br />
1 http://epp.eurostat.ec.europa.eu.<br />
Zahlen 2010.<br />
2 http://sjep.revues.org und<br />
http://www.bfm.admin.ch<br />
3 Asylstatistik des BFM, 2011<br />
4 Erst- und zweitinstanzlich zusammengerechnet.<br />
Quelle: Bericht über Beschleunigungsmassnahmen<br />
im Asylbereich des<br />
EJPD vom März 2011, S. 18 f.<br />
5 Asylstatistik des BFM, 2011<br />
6 BFS, Stand Ende 2010<br />
11
12 ANWALTSCHAFT FÜR SOZIAL BENACHTEILIGTE<br />
«Damit ich die Hoffnung nicht<br />
ganz verliere»<br />
Abgewiesene Asylsuchende und Sans-Papiers laufen Gefahr,<br />
verhaftet zu werden, wenn sie die Schweiz nicht verlassen.<br />
Das HEKS-Projekt «Kontaktstelle für Zwangsmassnahmenbetroffene»<br />
der HEKS-Regionalstelle beider Basel setzt sich für<br />
die rechtliche Beratung von Personen ein, die sich entweder<br />
aufgrund eines illegalen Aufenthalts oder eines negativen Asylentscheids<br />
in Basel in Ausschaffungshaft befinden.<br />
VON BETTINA FILACANAVO (TEXT),<br />
ANNETTE BOUTELLIER (FOTOS)<br />
Der enge Beratungsraum ist<br />
kahl. Durch das Gitterfenster<br />
blicken wir in den Lichthof des<br />
Gefängnisses. N. A., der schlanke,<br />
schon stark ergraute Mann, der mit<br />
mir und David Ventura – dem Leiter<br />
der Kontaktstelle – in diesem kleinen<br />
Raum sitzt, ist laut seinen eigenen<br />
Angaben zweiunddreissig Jahre alt.<br />
Sein Gesicht ist gräulich blass und<br />
stark eingefallen. Ich hätte ihn zehn<br />
Jahre älter geschätzt. Von Schmerzen<br />
im Rücken und in der Hüfte geplagt,<br />
erträgt er nur mithilfe starker Schmerzmittel<br />
die Haft. In der Nacht schläft er<br />
kaum. N. A. ist einer von 31 Migranten,<br />
die aufgrund eines illegalen Aufenthalts<br />
im Basler Ausschaffungsgefängnis<br />
sitzen (Stand Deze<strong>mb</strong>er<br />
2011). Es sind hauptsächlich junge<br />
Männer. Eine Person kann in der<br />
Schweiz dann in Ausschaffungshaft<br />
genommen werden, wenn ein Wegweisungsentscheid<br />
und der Verdacht<br />
besteht, dass die Person untertauchen<br />
will. Die Haft kann in der<br />
Schweiz bis zu eineinhalb Jahre dauern.<br />
Asylgesuch abgelehnt<br />
Vor sieben Jahren hat N.A. sein Land<br />
verlassen müssen, so erzählt er, nachdem<br />
er dort im Gefängnis war und<br />
David Ventura in einer<br />
Beratung im Ausschaffungsgefängnis<br />
in Basel.<br />
systematisch geschlagen wurde. Darauf<br />
seien seine Rückenprobleme zurückzuführen.<br />
Er floh in die Schweiz<br />
zu seiner Schwester. Doch seine politische<br />
Verfolgung glaubten ihm die<br />
Behörden nicht. Sein Asylgesuch<br />
wurde abgewiesen, doch aufgrund<br />
der schwierigen Situation in seinem<br />
Land wurde er vorläufig aufgenommen.<br />
«Ich bin gut integriert hier. Ich<br />
arbeitete immer und verdiente meinen<br />
Lebensunterhalt selber, hatte<br />
einen guten Arbeitgeber, Freunde,<br />
und ich machte mich nie strafbar»,<br />
zählt er in sehr gutem Hochdeutsch<br />
auf. Er versteht nicht, warum er sich<br />
heute in dieser Situation befindet. Er<br />
hatte auch eine Beziehung und wollte<br />
sogar heiraten, aber man unterstellte<br />
ihm, nur eine Scheinehe eingehen zu<br />
wollen.<br />
Seine vorläufige Aufnahme währte<br />
drei Jahre. Dann wurde sie ihm<br />
wieder entzogen, und das für ihn zuständige<br />
Migrationsamt forderte ihn<br />
auf, in sein Heimatland zurückzureisen,<br />
was zu diesem Zeitpunkt angeblich<br />
wieder <strong>zum</strong>utbar war. Wiederum<br />
stellte er ein Asylgesuch. Ohne Erfolg.<br />
Darauf landete er in der Nothilfe.<br />
Nothilfe heisst in der Schweiz: eine<br />
Unterkunft und je nach Kanton 6 bis<br />
8 Franken am Tag. Nur dank der Unterstützung<br />
seiner Schwester und seiner<br />
Familie, die ihm Geld aus dem<br />
Heimatland schickte, kam er über die<br />
Runden. Seit Juli 2011 verbringt N. A.<br />
seine Tage hinter den Gefängnismauern<br />
und soll so davon abgehalten<br />
werden, unterzutauchen. Vor allem<br />
aber will das Migrationsamt eins: die<br />
freiwillige Ausreise von N.A. durchsetzen.<br />
Denn zwangsausschaffen<br />
können die Behörden den Mann<br />
nicht, weil zwischen der Schweiz und<br />
seinem Heimatland kein Rückübernahmeabkommen<br />
besteht.<br />
«handeln» 315 0112
«handeln» 315 0112<br />
Beratung für Ausschaffungshäftlinge<br />
Zweimal in der Woche besucht HEKS-<br />
Mitarbeiter David Ventura im Rahmen<br />
des HEKS-Projekts «Kontaktstelle für<br />
Zwangsmassnahmenbetroffene»<br />
Häftlinge im Basler Ausschaffungsgefängnis.<br />
Das Projekt ist an die BAS Beratungsstelle<br />
für Asylsuchende der<br />
Region Basel angegliedert. Ziel des<br />
Projekts ist es, den Insassen einen<br />
Kontakt mit der Aussenwelt zu ermöglichen,<br />
ihnen durch kompetente<br />
und transparente Information die gesetzlichen<br />
Rahmenbedingungen der<br />
Ausschaffungshaft verständlich zu<br />
machen, um ihnen den Haftalltag zu<br />
erleichtern. Zudem sollen die Betroffenen<br />
unterstützt werden, aus ihrer<br />
Haftsituation heraus neue Perspektiven<br />
zu finden. Zwischen Juli 2008<br />
und Oktober 2011 hat die Kontaktstelle<br />
631 Beratungen durchgeführt.<br />
Über die Hälfte davon entfiel auf afrikanische<br />
Migranten, die hauptsächlichen<br />
Herkunftsländer waren Nigeria,<br />
Algerien, Kamerun, Sierra Leone und<br />
Tunesien. Auf Personen aus dem asiatischen<br />
Raum entfielen rund 200 Beratungen,<br />
hauptsächlich für Personen<br />
aus dem Irak und der Türkei.<br />
Zwar werden die Menschen in<br />
Ausschaffungshaft über den Grund<br />
ihrer Inhaftierung informiert, aber die<br />
meisten wissen nicht, wie lange die<br />
Haft dauern kann und dass sie etwa<br />
die Möglichkeit haben, nach Ablauf<br />
eines Monats ein Haftentlassungsgesuch<br />
zu stellen. David Ventura informiert<br />
die Häftlinge transparent und<br />
ist darauf bedacht, dass die Rechtmässigkeit<br />
des behördlichen Vorgehens<br />
und der Haftbedingungen<br />
kontrolliert wird.<br />
Mentale Unterstützung<br />
David Ventura besucht N. A. <strong>zum</strong><br />
zweiten Mal. Weil sein Klient bereits<br />
einen Anwalt hat, übernimmt David<br />
Ventura nun die Vermittlerrolle zwischen<br />
den beiden: «Ihr Anwalt wird<br />
ein Gesuch auf frühzeitige Haftentlassung<br />
stellen, damit sie ausserhalb<br />
des Gefängnisses umfassend medizinisch<br />
behandelt werden können», erklärt<br />
er seinem Klienten. Hätte der<br />
Inhaftierte keinen Anwalt gehabt,<br />
hätte David Ventura den Häftling ins<br />
Mandat genommen und die Haftentlassung<br />
selber beantragt. Er ist zuversichtlich,<br />
dass eine frühzeitige<br />
Haftentlassung aus medizinischen<br />
Gründen bewirkt werden kann. Er<br />
sage den Häftlingen immer ehrlich,<br />
was möglich sei und was nicht, so<br />
Ventura. «Man darf ihnen keine<br />
falschen Hoffnungen machen.» Regelmässig<br />
wird der Häftling vom Gefängnisarzt<br />
untersucht. Aber weil er<br />
nun seit Wochen starke Schmerzmittel<br />
nimmt, hat ihm der Arzt eine Physiotherapie<br />
verordnet, die der Patient<br />
nun im Gefängnis begonnen hat. Für<br />
David Ventura ist der Fall klar: «Das<br />
Migrationsamt will ihn mit dieser Haft<br />
zur Kooperation zwingen.» Vor allem<br />
aber will der Kanton eines nicht: im<br />
Behandlungsfall die medizinischen<br />
Kosten übernehmen. Dabei kostet<br />
der Häftling den Kanton 300 Franken<br />
am Tag! Für David Ventura ist N.A.<br />
ein klassischer Fall für ein Härtefallgesuch:<br />
seit über fünf Jahren in der<br />
Schweiz, gut integriert und engagiert.<br />
Aber um ein Härtefallgesuch stellen<br />
zu können, muss N.A. erst einmal<br />
freikommen.<br />
N. A. wird das Land nicht verlassen.<br />
Er will hier bleiben. Er hat hier<br />
hart gearbeitet, sich an seinem Arbeitsplatz<br />
eingesetzt, Deutsch gelernt,<br />
und er hat Familie hier – seine<br />
Schwester. Gründe, die ihm einen<br />
Aufenthalt in der Schweiz ermöglichen<br />
sollten. Zuerst möchte er jedoch<br />
gesund werden und wieder ohne<br />
Schmerzen in der Hüfte leben, sagt<br />
er. Die Besuche und die mentale Un-<br />
Das Ausschaffungsgefängnis<br />
in Basel.<br />
terstützung von David Ventura seien<br />
für ihn wichtig: «Damit ich die Hoffnung<br />
nicht ganz verliere.»<br />
Kontakt: Kontaktstelle für<br />
Zwangsmassnahmenbetroffene,<br />
c/o ES-BAS, Freiburgerstrasse 66,<br />
4057 Basel, Tel.: 061 631 26 45,<br />
Fax: 061 631 26 46,<br />
Mobile: 078 878 76 62,<br />
Mail: KontaktstelleZM@bas-basel.ch<br />
Der Film: «Vol spécial»<br />
von Fernand Melgar<br />
Alltag und Schicksale im Ausschaffungsgefängnis<br />
Fra<strong>mb</strong>ois in Genf<br />
Der Filmemacher<br />
Fernand Melgar<br />
begab sich für<br />
neun Monate in<br />
das Ausschaffungsgefängnis<br />
Fra<strong>mb</strong>ois in Genf,<br />
eines von 28 Ausschaffungsgefängnissen für<br />
Sans-Papiers und abgewiesene Asylbewerber in<br />
der Schweiz. Entstanden ist der Dokumentarfilm<br />
«Vol spécial», der letztes Jahr in den Schweizer<br />
Kinos gezeigt wurde. «Vol spécial» wurde am<br />
Filmfestival in Locarno 2011 mit dem Preis der<br />
ökumenischen Jury ausgezeichnet.<br />
Weitere Informationen <strong>zum</strong> Film finden Sie<br />
unter http://outnow.ch/Movies/2011/VolSpecial<br />
13
14 HUMANITÄRE HILFE<br />
Nach der Dürre die Überschwemmung<br />
Betroffen von der grossen Hungersnot am Horn von Afrika ist auch die HEKS-Projektregion<br />
Borana in Äthiopien. Dort verteilt seit letztem Herbst die lokale HEKS-Partnerorganisation<br />
Oromo Self-Help Organization (OSHO) Lebensmittel an die betroffenen<br />
Menschen. Judith Macchi hat im Deze<strong>mb</strong>er die Region ein zweites Mal besucht.<br />
VON JUDITH MACCHI (TEXT UND FOTO)<br />
«Wir waren so dankbar, als der<br />
Regen, für den wir so lange gebetet<br />
hatten, endlich kam», sagt Jiba Jantani,<br />
eine Begünstigte der Nahrungsmittelverteilungen<br />
von HEKS im Dorf<br />
Boku. «Doch nun hat uns der Regen<br />
das wenige, was wir anpflanzen<br />
konnten, zerstört, unsere Felder sind<br />
überschwemmt.» Ende Oktober hat<br />
es im Distrikt Miyo, im Süden Äthiopiens,<br />
wo HEKS seit Septe<strong>mb</strong>er Nahrungsmittel<br />
an über 30 000 Dürreopfer<br />
verteilt, zu regnen begonnen.<br />
Voller Zuversicht haben die Menschen<br />
– <strong>zum</strong> ersten Mal seit zweieinhalb<br />
Jahren – ihre Felder bestellt. Dies mit<br />
grosser Mühe, da die meisten ihre<br />
Ochsen, die normalerweise den Pflug<br />
ziehen, verloren haben. So blieb<br />
ihnen nichts anderes übrig, als den<br />
Pflug selber zu ziehen oder die Felder<br />
von Hand mit einer einfachen Hacke<br />
zu bearbeiten. Dann wollte und<br />
wollte der Regen nicht mehr aufhören,<br />
ist immer stärker geworden und<br />
hat dafür gesorgt, dass ein grosser<br />
Teil der bepflanzten Felder unter Wasser<br />
steht. Die Dorfältesten sagen,<br />
einen so starken Regen hätten sie zu<br />
dieser Jahreszeit noch nie erlebt. Jetzt<br />
ist ein Grossteil der Ernte und damit<br />
der Hoffnung der Menschen, endlich<br />
wieder für sich selber sorgen zu können,<br />
zerstört.<br />
Dem Regen ist in Miyo eine so<br />
schwere Dürre vorausgegangen, wie<br />
sie den Süden Äthiopiens seit sechzig<br />
Jahren nicht mehr heimgesucht hat.<br />
Für die Nahrungsmittel, die HEKS<br />
gemeinsam mit der lokalen Partnerorganisation<br />
Oromo Self-Help Organization<br />
(OSHO) zu Beginn jedes<br />
Monates verteilt, sind die Menschen<br />
in Miyo sehr dankbar. Endlich, so<br />
sagen sie, müssten ihre Kinder am<br />
Abend nicht mehr hungrig zu Bett<br />
gehen. Mit dem Mais, den Linsen und<br />
dem Öl von HEKS kochen sie sich täglich<br />
einen Brei. Die mit Vitaminen und<br />
Nährstoffen angereicherte Spezialnahrung,<br />
die vor allem Kindern und<br />
schwachen Menschen wieder auf die<br />
Beine helfen soll, wird mit Wasser angerührt<br />
und <strong>zum</strong> Frühstück getrunken.<br />
Die Nahrungsmittel erhalten die<br />
Menschen nicht umsonst, sondern sie<br />
beteiligen sich an gemeinnütziger Ar-<br />
beit, die einerseits die dörfliche Infrastruktur<br />
verbessern und andererseits<br />
dazu beitragen soll, dass die Menschen<br />
in Miyo in Zukunft besser auf<br />
Dürren und starken Regen vorbereitet<br />
sind. So reparieren sie die ländlichen<br />
Zufahrtsstrassen zu ihren<br />
Dörfern, zäunen sie, säubern die traditionellen<br />
Brunnen, die während der<br />
Überschwemmungen versandet wurden,<br />
sie terrassieren ihre Felder, um<br />
sie vor Erosion zu schützen, oder<br />
legen Wasserrückhaltebecken zur<br />
Sammlung von Regenwasser an.<br />
HEKS verteilt vorläufig noch bis<br />
Februar 2012 Nahrungsmittel an die<br />
Bevölkerung. Im Moment nimmt die<br />
Regierung von Äthiopien gemeinsam<br />
mit der UNO detaillierte Abklärungen<br />
in der Region vor, um die Bedürfnisse<br />
der Menschen im Jahr 2012 abzuschätzen.<br />
Aufgrund dieses Berichtes<br />
und aufgrund von eigenen Einschätzungen<br />
wird HEKS entscheiden, wie<br />
die weitere Hilfe für die Menschen in<br />
Miyo aussehen soll. Aufgrund der<br />
schwierigen Bedingungen, die die<br />
Menschen daran gehindert haben,<br />
erfolgreich ihre Felder zu bepflanzen,<br />
sind weitere Nahrungsmittelverteilungen<br />
auch nach Februar möglich.<br />
Zudem brauchen die Menschen dringend<br />
genügend Saatgut sowie Ochsen,<br />
um in der nächsten Regenzeit,<br />
voraussichtlich ab April 2012, ihre Felder<br />
bebauen zu können.<br />
«Wir tun alles dafür und wünschen<br />
uns so sehr, dass wir wieder<br />
selber für uns sorgen können, aber<br />
bis dahin hoffen wir, dass HEKS und<br />
OSHO uns nicht im Stich lassen», sagt<br />
Jiba Jantani traurig.<br />
HEKS ist akkreditierter<br />
Partner der Glückskette, die<br />
das Projekt mitfinanziert.<br />
HEKS wird auch noch in<br />
den kommenden Monaten<br />
im Süden Äthiopiens<br />
Nahrungsmittel an die<br />
Dürreopfer verteilen.<br />
«handeln» 315 0112
«handeln» 315 0112<br />
NAHE BEI DEN MENSCHEN<br />
Das können Sie tun: Machen Sie Jugendliche in Osteuropa<br />
zu Elektrikern und Bäckerinnen!<br />
VON MONIKA ZWIMPFER<br />
Die Republik Moldau ist das ärmste<br />
Land Europas. Rund ein Drittel der arbeitsfähigen<br />
Bevölkerung arbeitet im<br />
Ausland, die meisten unter schlechten<br />
oder illegalen Bedingungen. Ihre<br />
daheimgebliebenen Kinder und Jugendlichen<br />
wachsen ohne Vater oder<br />
Mutter, oder bei Verwandten auf.<br />
Kein Wunder, sehen auch sie ihre<br />
einzige Chance auf einen Job im Ausland.<br />
Dabei brauchte das Land dringend<br />
gut ausgebildete junge Frauen<br />
und Männer, die in ihrem Heimatland<br />
etwas aufbauen wollen.<br />
Ein grosses Problem der daheimgebliebenen<br />
Jugendlichen ist der fehlende<br />
Zugang zu einer Berufsausbildung.<br />
Wenn sie keine Identitätspapiere<br />
besitzen (was der Normalfall ist),<br />
erlischt ihr Anspruch auf staatliche<br />
Ausbildung nach dem 9. Schuljahr.<br />
Um auf eine Berufsschule gehen zu<br />
können, müssen sie sich ausweisen.<br />
Die meisten Eltern, die im Ausland arbeiten,<br />
wissen das nicht – und erst<br />
recht nicht die Jugendlichen. Fehlen<br />
die Eltern, ist es ziemlich kompliziert,<br />
Ausweispapiere zu beschaffen.<br />
Hier setzt die HEKS-Partneror-<br />
ganisation Contact Cahul an. Sie bemüht<br />
sich einerseits darum, Familien<br />
rechtzeitig über die Sachlage zu informieren,<br />
und hilft andererseits elternlosen<br />
Jugendlichen, die nötigen<br />
Ausweispapiere zu erhalten und ihren<br />
Anspruch auf eine Berufsausbildung<br />
geltend zu machen.<br />
Schülerzahl verdoppelt<br />
Den besonders verletzlichen Jugendlichen,<br />
also Waisen, Halbwaisen oder<br />
Sozialwaisen, ermöglicht Contact<br />
Cahul Ausbildungen in Berufen wie<br />
Maurer/Gipser, Köchin, Konditorin,<br />
Kellner, Coiffeuse, Schneiderin und<br />
Elektriker. HEKS übernimmt die Kosten<br />
für Verpflegung und Unterkunft<br />
sowie die Begleitung der Jugendlichen<br />
durch Contact Cahul. Pro Person<br />
und Jahr sind das rund 900<br />
Franken. Wegen der enorm grossen<br />
Nachfrage sind im vergangenen<br />
Schuljahr statt wie bisher 28 gleich 56<br />
Schülerinnen und Schüler aufgenommen<br />
worden.<br />
Tatiana packte ihre Chance<br />
Tatiana ist mit fünf Geschwistern im<br />
Bauerndorf Badicul Moldovenesc aufgewachsen.<br />
Ihr Vater starb früh, und<br />
die Mutter musste die Familie alleine<br />
durchbringen. Dank dem HEKS-Projekt<br />
konnte sich Tatiana zur Bäckerin-<br />
Konditorin ausbilden. Sie lernte zuerst<br />
drei Monate an der Berufsschule und<br />
absolvierte danach ein Praktikum in<br />
einem Restaurant. Ihr Lehrmeister<br />
war so zufrieden mit ihr, dass er ihr<br />
eine feste Stelle anbot.<br />
Heute verdient Tatiana rund 200<br />
Franken im Monat; ein durchschnitt-<br />
Dank ihrer Spende können<br />
Jugendliche wie<br />
Tatiana sich ausbilden<br />
lassen.<br />
licher Lohn in der Republik Moldau.<br />
Das reicht ihr <strong>zum</strong> Leben, und es<br />
bleibt sogar noch etwas übrig, mit<br />
dem sie ihre Familie zu Hause unterstützt.<br />
Nicht nur in der Republik Moldau,<br />
auch in anderen Ländern Osteuropas<br />
leiden Jugendliche unter<br />
fehlenden Ausbildungsmöglichkeiten<br />
und Stellenangeboten. Deshalb unterstützt<br />
HEKS auch in Serbien und in<br />
Kosovo benachteiligte junge Frauen<br />
und Männer mit Stipendien und einfachen<br />
Berufsausbildungen, damit sie<br />
in ihrer Heimat eine Zukunft haben.<br />
Patenschaft Osteuropa<br />
Für 360 Franken im Jahr ermöglichen Sie Jugendlichen eine Berufsausbildung.<br />
Die Länder Osteuropas sind seit langem von Auswanderungswellen<br />
betroffen. Der Jugend fehlen Arbeitsstellen und damit Perspektiven im<br />
eigenen Land. HEKS ermöglicht benachteiligten Jugendlichen in Serbien,<br />
Kosovo und der Republik Moldau durch Stipendien,Berufsausbildung oder<br />
Verbesserung der Wohnsituation Zukunftsperspektiven in ihrer Heimat.<br />
Weitere Auskunft erteilt Ihnen gerne: Susanne Loosli,<br />
Tel. direkt 044 360 88 09, E-Mail Patenschaft@heks.ch.<br />
Anmeldetalon auf der Rückseite dieser <strong>Ausgabe</strong>.<br />
15<br />
Foto: HEKS / Contact Cahul
16 HUMANITÄRE HILFE<br />
Haiti zwei Jahre nach dem Erdb<br />
Für die Menschen in Haiti hatte das Erdbeben verheerende Folgen. Familien, die bereits in sehr prekär<br />
HEKS leistet einen Beitrag <strong>zum</strong> dauerhaften, nachhaltigen und sicheren Wiederaufbau. Unterstützt w<br />
VON JOËLLE HERREN LAUFER (TEXT) UND ANDREAS SCHWAIGER (FOTOS)<br />
VOR ZWEI JAHREN, am 12. Januar 2010, zerstörte<br />
ein starkes Erdbeben Tausende Häuser,<br />
liess Schulen einstürzen und riss Strassen auf.<br />
Rosmita Lindor und ihre drei Kinder lebten zu diesem<br />
Zeitpunkt in Port-au-Prince. Sie schafften es gerade<br />
noch, ihr Haus zu verlassen, bevor es einstürzte.<br />
Nachdem sie tagelang zwischen Toten und<br />
ohne Essen und Trinken umhergeirrt waren, fanden<br />
sie Unterschlupf in einem Notlager. Ein halbes Jahr<br />
später wurde Rosmita die Enge zu bedrückend und<br />
die Gewalt im Lager zu gefährlich. Damit war sie<br />
nicht allein. Viele Bewohner von Port-au-Prince und<br />
aus weiteren zerstörten Gebieten flohen in die Provinz<br />
Grand‘ Anse. So viele Neuankömmlinge zu versorgen,<br />
stellte die bäuerliche Bevölkerung, die selbst<br />
nur das Nötigste hatte, vor grosse Probleme.<br />
Soforthilfe für Landbevölkerung<br />
HEKS ist mit seinen Partnerorganisationen seit 38<br />
Jahren im Departement Grand’ Anse tätig und entwickelte<br />
nach dem Erdbeben Projekte, um die<br />
intern Vertriebenen und ihre Gastfamilien wirtschaftlich<br />
zu entlasten. Begünstigte erhielten in<br />
einer ersten Phase Unterstützung in Form von Saatgut<br />
und Werkzeugen, um mehr Bananen, Gemüse<br />
und Reis für sich und die aus dem zerstörten Portau-Prince<br />
zu ihnen geflüchteten Familienangehörigen<br />
anzubauen. Weiter wurden 800 Schulstipendien<br />
vergeben, damit die Kinder in ihrer neuen Heimat<br />
wieder zur Schule gehen können.<br />
Strassenbau in Grand‘ Anse<br />
Damit die Neuankömmlinge und ihre Gastfamilien<br />
in Grand‘ Anse ein Einkommen erwirtschaften können,<br />
hat HEKS damit begonnen, gemeinsam mit<br />
den BewohnerInnen die unbefestigten und zerstörten<br />
Strassen auf dem Land instand zu stellen. HEKS<br />
repariert zwei wichtige Verbindungsstrassen von<br />
insgesamt 20 km Länge. Die Strassenreparaturen<br />
sind zwar sehr arbeitsintensiv, aber es braucht dazu<br />
Rosmita Lindor und zwei<br />
ihrer Kinder vor dem<br />
neuen, im traditionellen<br />
Stil gebauten Haus in der<br />
Grand‘ Anse.<br />
«handeln» 315 0112
Ein Dach über dem Kopf<br />
en Verhältnissen gelebt hatten, waren danach monatelang obdachlos.<br />
erden die HEKS-Projekte von der Glückskette.<br />
«handeln» 315 0112 eben:<br />
Cash for work: Gemeinsam<br />
mit der Bevölkerung<br />
reparierte HEKS zerstörte<br />
Strassen.<br />
keine Ausbildung. «Weil die Bevölkerung unbedingt<br />
arbeiten und Geld verdienen will, stehen die<br />
Leute fürs Projekt Schlange», erläutert HEKS-Mitarbeiter<br />
Pierre Jean, Verantwortlicher für den ersten<br />
Strassenabschnitt zwischen Carrefour und Glacis<br />
auf der Höhe von Dame-Marie. Gearbeitet wird an<br />
fünf Tagen pro Woche, die Arbeiterinnen und Arbeiter<br />
werden jedoch nur für vier Tage bezahlt. Der<br />
fünfte Tag ist ihr Beitrag an die öffentliche Gemeinschaft.<br />
Die Arbeiten unterscheiden sich je nach Strassenabschnitt<br />
und reichen von einfacher Reinigung<br />
mit Nivellierung der bestehenden Strasse über Betonieren<br />
sowie Pflastern und Ausheben von Kanälen<br />
am Strassenrand, damit das Regenwasser<br />
abfliesst, bis hin <strong>zum</strong> Bau von Stützmauern zur Verhinderung<br />
von Erdrutschen. «Die Strasse erleichtert<br />
den Transport von Baumaterialien, und sie nützt<br />
den HändlerInnen, die in Jérémie und Port-au-<br />
Prince ihre Ware verkaufen wollen», erklärt Monsieur<br />
Jean, wie er von allen genannt wird. Und ein<br />
Anwohner meint: «Vorher watete man bei Regen<br />
durch den Schlamm, nun kommen die Kinder sauber<br />
und sicher in der Schule an.»<br />
Wiederaufbau in Petit-Goâve<br />
Ein Problem sind in Haiti immer noch die grossen<br />
Schäden an den Häusern. Viele der Zeltlager, die vor<br />
zwei Jahren als erste Hilfsmassnahme aufgebaut<br />
wurden, bestehen weiterhin. Sie liegen an zentraler<br />
Lage in den Städten, wo nun entlang den Strassen<br />
die altbekannten Slums wieder entstehen. Die<br />
blauen Zelte, mehr schlecht als recht mit Blachen<br />
verstärkt, stehen dicht aneinander gedrängt. Dies<br />
auch in der 150 000 Einwohner zählenden Provinzstadt<br />
Petit-Goâve. Diese lag nahe am Epizentrum:<br />
6000 Häuser wurden zerstört und weitere 24 000<br />
beschädigt.<br />
Die 74-jährige Marie Alina, deren Haus beim<br />
Erdbeben in sich zusammenfiel, ist eine der ersten<br />
17
18 HUMANITÄRE HILFE<br />
Begünstigten des Wiederaufbauprojekts von HEKS<br />
in Petit-Goâve. Begünstigt werden Alleinerziehende,<br />
kinderreiche Familien sowie Familien mit Familienmitgliedern,<br />
die aufgrund des Erdbebens<br />
körperlich behindert sind. Marie Alina lebt mit ihren<br />
beiden Töchtern, die alleine vier Kinder grossziehen.<br />
Eines davon kam nach dem Erdbeben auf der<br />
Strasse zur Welt. «Diese Familie war schon vor dem<br />
Erdbeben sehr arm», erklärt Anaël Tataille, Beauftragter<br />
für soziale Fragen bei HEKS, «deshalb erhielt<br />
sie als eine der ersten Hilfe.» Der Umzug in das<br />
neue Haus hat es der Familie ermöglicht, wieder ein<br />
Leben in Würde zu führen. «Ich bin sehr glücklich,<br />
dass wir endlich wieder alle im Trockenen schlafen<br />
können», erklärt Marie Alina mit einem breiten<br />
Lachen.<br />
Erdbebensichere Bauweise<br />
Im Gegensatz zu anderen Hilfsorganisationen, die<br />
sich auf den Bau von provisorischen Unterkünften<br />
konzentriert haben, repariert HEKS in Petit-Gôave<br />
beschädigte Häuser oder baut neue, erdbeben- und<br />
hurrikansichere Häuser aus armiertem Beton. Es<br />
werden 100 Häuser neu gebaut sowie 300 Häuser<br />
repariert. Bis jetzt stehen 30 Häuser. Eine auf den<br />
ersten Blick eher bescheidene Zahl, doch die zeitliche<br />
Verzögerung hat ihre Gründe: HEKS brauchte<br />
mehr Zeit als geplant für die Rekrutierung von geeignetem<br />
Personal, denn die Arbeit war mit lokalen<br />
Partnern allein nicht zu bewältigen. Heute<br />
arbeitet HEKS mit einem gemischten Team von ausländischen<br />
und lokalen Arbeitskräften, die alle zuerst<br />
rekrutiert und eingearbeitet werden mussten.<br />
Weiter beanspruchte die sorgfältige Klärung der<br />
Hausbesitzverhältnisse vor Ort mehr Zeit als geplant.<br />
SozialarbeiterInnen haben vor Ort bei 579<br />
Haushalten in den Quartieren von Grand Chemin<br />
und Meilleure Eau Daten erhoben. Es wurden 400<br />
Haushalte, die eine Besitzurkunde für Land besassen,<br />
identifiziert. Gemeinsam mit lokalen Komitees<br />
wurde bestimmt, welche Häuser repariert und welche<br />
von Grund auf neu gebaut werden. Zudem<br />
wünschten die Behörden grössere Häuser, als HEKS<br />
bauen wollte, und es mussten diesbezüglich Kompromisse<br />
ausgehandelt werden, was ebenfalls Zeit<br />
kostete.<br />
Lokale Wirtschaft profitiert<br />
Ein positiver Nebeneffekt des Projekts ist, dass die<br />
lokale Wirtschaft belebt wird: Das Material wird vor<br />
Ort gekauft, die Maurer stammen aus der Region.<br />
Und Javier Gil Elias, Leiter des Wiederaufbauprojekts,<br />
fügt an: «Unsere Bauweise ist natürlich arbeitsintensiver<br />
und teurer, dafür entsprechen diese<br />
Häuser den vorgeschriebenen Sicherheitsnormen<br />
und halten einem Erdbeben Stand.» Etwas, das den<br />
Begünstigten sehr viel Sicherheit gibt, denn viele<br />
von ihnen sind noch traumatisiert von den Bildern,<br />
in denen Menschen in Beton eingeschlossen sind<br />
und nicht gerettet werden können.<br />
Doch der Bau der Häuser geht nun flott voran.<br />
Roland Hürlimann, HEKS-Vertreter in Petit-Goâve,<br />
schätzt das Konzept hinter dem Projekt: «Die Begünstigten<br />
erhalten die Hilfe nicht umsonst, sie<br />
müssen sich an den Arbeiten beteiligen. Das verleiht<br />
ihrem neuen Haus einen ganz anderen Wert.<br />
Und weil wir nicht viel Geld haben, müssen wir improvisieren,<br />
um Material zu rezyklieren.» Zusammen<br />
mit ihrem Mann und einem Cousin beispielsweise<br />
repariert Eliane Dorvil ihr Haus: «Der Chefmaurer<br />
sagt uns, was zu tun ist. Wir bringen das Wasser,<br />
die Zementsteine und Werkzeuge und mischen den<br />
Mörtel.» Sie freut sich auf ihr neues Haus, das sie<br />
rosa und cremefarben anstreichen wird. Auf diese<br />
Weise ist ein Haus in drei bis fünf Wochen bezugs-<br />
Bild ganz oben: Marie<br />
Alina vor ihrem neuen<br />
Haus in Petit-Goâve.<br />
Bild darunter: Hier wird<br />
ein Haus repariert.<br />
Bilder rechts: HEKS baut<br />
mit Unterstützung der<br />
Glückskette neue Häuser<br />
in Petit-Goâve.<br />
Foto: HEKS / SEND<br />
«handeln» 315 0112
«handeln» 315 0112<br />
fertig, 20 der 300 zu reparierenden Häuser sind bereits<br />
wieder bewohnt. Ein positiver Nebeneffekt des<br />
Projekts ist, dass in der Gemeinde eine Entwicklungsdynamik<br />
entsteht.<br />
Massgeschneidert und bedarfsgerecht<br />
Parallel zu den Häusern in Petit-Goâve hat HEKS<br />
auch in Grand’ Anse – genauer in Dame-Marie –<br />
zehn Häuser gebaut. Sie sind für Familien, die ihre<br />
Wohnungen durch das Erdbeben verloren haben<br />
und in die Provinz geflüchtet sind, wo sie Land besassen.<br />
«Wir haben lange darüber diskutiert, ob wir<br />
aus Zementsteinen gemauerte Häuser wie in Petit-<br />
Goâve bauen sollen oder doch besser traditionelle»,<br />
erklärt HEKS-Mitarbeiter Kurt Schneider, Leiter des<br />
Projekts. «Wir haben uns für die zweite Variante,<br />
für Fachwerkhäuser entschieden. Sie sind auf dem<br />
Land sehr verbreitet und bestehen aus Holzbalken,<br />
die mit Palmenlatten verbunden werden. Die Zwischenräume<br />
werden mit Lehm und Steinen gefüllt.<br />
«Aufgrund ihrer Bauweise sind solche Häuser ziemlich<br />
erdbeben- und hurrikansicher, kosten aber nur<br />
halb so viel wie ein gemauertes Haus. Zudem kommen<br />
die lokalen Maurer und Zimmerleute damit<br />
besser klar.»<br />
Begünstigte helfen mit<br />
Auch in Dame-Marie begutachten die Begünstigten<br />
die Fortschritte auf der Baustelle zusammen mit<br />
Maurern und Zimmerleuten. Sie beteiligen sich wie<br />
in Petit-Goâve finanziell und materiell an den<br />
Häusern. Diese bestehen je nach Anzahl BewohnerInnen<br />
aus einem oder zwei Räumen, einer<br />
Zisternenecke mit Wasserfilter, Schüttstein und<br />
Waschplatz, einem ökologischen Holzofen und<br />
einer Latrine draussen. Daher erstaunt es nicht, dass<br />
alle befragten Begünstigten ihr neues Haus loben.<br />
Für Rosmita Lindor und ihre Kinder war es ein langer<br />
Weg vom katastrophalen Januartag, an dem sie<br />
in Port-au-Prince alles verloren, bis hierher. Bevor sie<br />
ihr Haus in Dame-Marie bauen konnte, musste sie<br />
mithilfe eines Anwalts um eine Besitzurkunde<br />
kämpfen, die ihr Mann ihr nicht geben wollte, und<br />
sich dafür Geld von der Familie leihen. Aber nun<br />
müssen sie und ihre Kinder sich keine Sorgen mehr<br />
um ihr Zuhause machen. Mit dem neuen Haus hat<br />
die Familie nicht nur ein Dach über dem Kopf, sondern<br />
auch Mauern, die sie in Zukunft vor Naturkatastrophen<br />
schützen.<br />
19
20 NAHE BEI DEN MENSCHEN<br />
Mit einem Vermächtnis an HEKS bewirken Sie Grosses. Säen Sie Zukunft!<br />
Bestellen Sie unseren Testament-Ratgeber «Gerecht verteilen» bei Jeannette Vögeli<br />
via E-Mail voegeli@heks.ch oder Telefon 044 360 88 08. Herzlichen Dank!<br />
Im Kleinen Grosses bewirken.<br />
«handeln» 315 0112
«handeln» 315 0112<br />
NAHE BEI DEN MENSCHEN<br />
10 Fragen an Maria Salomé Monteiro<br />
Maria Salomé Monteiro ist 47 Jahre alt, wurde in Kap Verde geboren und wuchs in<br />
Portugal auf. Sie selber ist vor vierzehn Jahren in die Romandie gezogen und lebt<br />
nun seit drei Monaten in Zürich. Hier besucht sie den Kurs «HEKS Deutsche Konversation»<br />
der HEKS-Regionalstelle Zürich/Schaffhausen.<br />
1<br />
Was machen Sie heute<br />
beruflich?<br />
Ich arbeite Teilzeit an einem Buffet<br />
in einem Hotel. Mein Ziel ist es,<br />
eine Vollzeitstelle zu finden, aber<br />
dafür muss ich noch besser Deutsch<br />
lernen. In Lissabon habe ich an der<br />
Universität ein Studium in Sprache<br />
und moderner Literatur begonnen,<br />
aber nicht abgeschlossen.<br />
2<br />
Was beschäftigt Sie im<br />
Moment am meisten?<br />
Im Moment lerne ich Zürich<br />
kennen. Es ist eine sehr schöne<br />
Stadt und ich sehe für mich gute Zukunftschancen.<br />
Natürlich muss ich<br />
hart arbeiten, um genügend Geld zu<br />
verdienen. Darum muss ich gut<br />
Deutsch lernen. Ich habe bereits<br />
einen 2-monatigen Intensivkurs besucht<br />
bei LSI Language Studies International.<br />
Das war für mich eine<br />
grosse Hürde, aber dafür spreche ich<br />
jetzt ein bisschen Deutsch – für mich<br />
ein grosses Erlebnis.<br />
3<br />
Wie sind Sie mit HEKS in<br />
Kontakt gekommen?<br />
Ich suchte im Internet nach Informationen<br />
zu verschiedenen Themen<br />
wie z. B. Arbeitsbewilligung<br />
oder Deutschkursen. Da bin ich auf<br />
den Konversationskurs von HEKS gestossen.<br />
4<br />
Wie wohnen Sie?<br />
Ich wohne im Moment bei einer<br />
sehr sympathischen Gastfamilie.<br />
Sobald ich mehr Geld verdiene,<br />
möchte ich meine eigene Wohnung<br />
mieten.<br />
5<br />
Was haben Sie gestern<br />
gegessen?<br />
Zum Frühstück habe ich Joghurt<br />
Foto: HEKS/Bettina Filacanavo<br />
und Früchte gegessen. Am Mittag<br />
eine leichte Kost und am Abend<br />
habe ich Fisch und gebratene Kartoffeln<br />
gegessen.<br />
6<br />
Was macht Sie glücklich?<br />
Wenn ich mit meiner ganzen<br />
Familie Weihnachten feiern kann.<br />
Ich habe sechs Geschwister. Es ist<br />
immer ein grosses Vergnügen, wenn<br />
wir alle zusammen sind. Meine Geschwister<br />
und meine Eltern sind<br />
meine besten Freunde.<br />
7<br />
Was macht Ihnen Angst?<br />
Eigentlich nichts. Aber ich<br />
denke, wir haben alle im Leben mal<br />
grosse Angst. Ich habe das sicher<br />
auch schon mal erlebt.<br />
8<br />
Was bringt Sie <strong>zum</strong> Lachen?<br />
Wenn ich mit meinen Geschwistern<br />
an einem Tisch sitze und wir<br />
uns lustige Geschichten aus der Vergangenheit<br />
erzählen.<br />
9<br />
Ein schöner Moment, an den<br />
Sie sich erinnern?<br />
Als ich in Taizé in Frankreich<br />
war. Das war der schönste Moment<br />
in meinem Leben. In Taizé konnte<br />
ich ganz viel erleben: Spass haben,<br />
freiwillige Arbeit leisten, Leute aus<br />
verschiedenen Ländern kennenlernen,<br />
zusammen beten und nachdenken<br />
über unser Leben.<br />
10<br />
Was ist Ihr grösster Wunsch?<br />
Mein grösster Wunsch ist es, in<br />
einem Hilfswerk zu arbeiten. Früher<br />
habe ich viel freiwillige Arbeit geleistet,<br />
es ist mir immer ein Vergnügen,<br />
anderen Personen zu helfen. Ich<br />
möchte auch gerne reisen und<br />
indigenen Völkern begegnen. Ein<br />
Traumziel wäre Afrika.<br />
21
22 NICHT VERPASSEN<br />
Wahlen in den HEKS-Stiftungsrat<br />
Am 8. Nove<strong>mb</strong>er 2011 ist Claude Ruey von der<br />
Abgeordnetenversammlung des Schweizerischen<br />
Evangelischen Kirchenbundes SEK für eine weitere<br />
Amtsperiode von vier Jahren als Präsident des<br />
HEKS-Stiftungsrats bestätigt worden. Ebenfalls für<br />
Der HEKS-Stiftungsrat ab 1. Januar 2012 (v.l.n.r): Dr. Walter Schmid-<br />
Ackeret, Fritz Schneider, Doris Amsler-Thalmann, Dr. Claude Ruey,<br />
René R. Hürlimann, Pfr. Martin Stingelin, Pfrn. Kristin Rossier Buri,<br />
Prof. Jacques-André Schneider<br />
weitere vier Jahre ist die Stiftungsrätin Doris Amsler,<br />
aktuelle Vizepräsidentin, gewählt worden. Als<br />
neues Mitglied ist Fritz Schneider in den Stiftungsrat<br />
ernannt worden. Damit vergrössert sich dieser<br />
um eine auf acht Personen.<br />
Mehr Gleichberechtigung heisst<br />
weniger Hunger<br />
70 Prozent der hungernden Menschen weltweit<br />
sind Frauen. Die Ökumenische Kampagne 2012<br />
macht den Zusammenhang zwischen Hunger und<br />
dem Verhältnis der Geschlechter sichtbar. Sie<br />
zeigt, wie der Hunger durch mehr Gerechtigkeit<br />
und nachhaltiges Wirtschaften verringert werden<br />
kann. Die Aktion «A Voice in Rio» stellt dazu beispielhafte<br />
Projekte aus dem Süden vor.<br />
Alle Schweizerinnen und Schweizer werden<br />
eingeladen, einem von sechs Projekten ihre<br />
Stimme zu geben. Diese Projekte stehen beispielhaft<br />
für eine Wirtschaftsform, welche sich an den<br />
Bedürfnissen der Menschen orientiert. Sie fördern<br />
die Gleichberechtigung und wirken nachhaltig.<br />
Das Gewinnerprojekt wird den Schweizer Behör-<br />
Foto: HEKS / Beni Basler<br />
den vorgestellt – als Beispiel, wie die Forderungen<br />
konkret umgesetzt werden können. Einer Vertretung<br />
des Projekts soll dadurch ermöglicht<br />
werden, an der<br />
Uno-Konferenz Rio+20 im Juni<br />
2012 in Rio teilzunehmen.<br />
Auf www.rechtaufnahrung.ch<br />
und www.facebook.com/voiceinrio<br />
können auch Sie vom 22. Februar<br />
bis 2. April 2012 einem der<br />
Projekte Ihre Stimme geben. Weitere<br />
Informationen zur Ökumenischen<br />
Kampagne finden Sie unter<br />
www.rechtaufnahrung.ch.<br />
Kinder sammeln für Kinder<br />
Für die Religionslehrerin Christine Luginbühl in<br />
Haldenstein gehört Nächstenliebe <strong>zum</strong> Religionsunterricht.<br />
Deshalb lädt sie seit Jahren ihre Schülerinnen<br />
und Schüler ein, ein HEKS-Projekt zu<br />
unterstützen. 2011 waren die 3./4. Klassen besonders<br />
fleissig: Gianna, Flavio und Jan knipsten Fotos<br />
von Haldenstein und verkauften sie als Postkarten,<br />
Cla und Timo schmolzen Schoggi-Osterhasen und<br />
formten Pralinen, die weggingen wie die sprichwörtlichen<br />
warmen Weggli, andere veräusserten<br />
ihre Playmobile an einem Flohmarkt. So haben die<br />
Schülerinnen und Schüler 988.40 Franken eingenommen.<br />
Ein stolzer Betrag, mit dem Kinder aus<br />
Haldenstein den philippinischen Kindern in Mindanao<br />
helfen, damit sie ebenfalls zur Schule<br />
gehen können. HEKS bedankt sich herzlich für<br />
den tollen Einsatz!<br />
IMPRESSUM Nr. 315, 1/Februar 2012<br />
handeln. Das Magazin des Hilfswerks der Evangelischen Kirchen Schweiz. Erscheint 4-mal jährlich. Auflage 52 000 Redaktionsleitung:<br />
Susanne Stahel Redaktion: Bettina Filacanavo Bildredaktion: Ruedi Lüscher Korrektorat: Erika Reist, Erlenbach Gestaltung: Herzog Design, Zürich<br />
Druck: Kyburz AG, Dielsdorf Papier: LEIPA ultraLux silk /Recycled /FSC Material Abonnement: Fr. 10.–/Jahr, wird jährlich einmal von Ihrer Spende abgezogen<br />
Adresse: HEKS, Seminarstrasse 28, Postfach, 8042 Zürich, Telefon 044 360 88 00, Fax 044 360 88 01, E-Mail info@heks.ch, Internet www.heks.ch<br />
bzw. www.eper.ch HEKS-Spendenkonto: Hilfswerk der Evangelischen Kirchen Schweiz, PC 80-1115-1<br />
Foto: ZVG<br />
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