17.01.2013 Aufrufe

Ausgabe zum Herunterladen (4.38 mb) - Heks

Ausgabe zum Herunterladen (4.38 mb) - Heks

Ausgabe zum Herunterladen (4.38 mb) - Heks

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

6<br />

ANWALTSCHAFT FÜR SOZIAL BENACHTEILIGTE<br />

Dritte, Gemeinden, Berufskollegen<br />

oder private Personen greifen gerne<br />

auf die Erfahrungen der ZBA zurück.<br />

Ohne Papiere wird es schwierig<br />

Nun bittet Kathrin Stutz ihre nächste<br />

Klientin, Ghenet K., herein, eine junge<br />

Mutter aus Eritrea, dem Land, das<br />

nach Nigeria momentan den grössten<br />

Flüchtlingsanteil in der Schweiz ausmacht.<br />

In diesem Fall hat ein Hilfswerksvertreter<br />

den Kontakt zur Rechtsberatungsstelle<br />

geschaffen und der<br />

Asylentscheid steht noch aus.<br />

Ghenet K. kommt mit ihrem kleinen<br />

Sohn auf dem Arm in Begleitung<br />

einer Übersetzerin <strong>zum</strong> Beratungstermin.<br />

Flüchtlinge aus Eritrea erhalten<br />

in der Regel den Flüchtlingsstatus –<br />

sofern keine Zweifel an der Staatszugehörigkeit<br />

bestehen. Sie werden hier<br />

als Flüchtlinge anerkannt, wenn sie<br />

belegen können, dass sie in der Heimat<br />

aufgrund von Dienstverweigerung<br />

oder Desertion verfolgt werden<br />

(Männer und Frauen). Die Bestrafung<br />

in Eritrea ist unverhältnismässig streng<br />

und wird in der Schweiz als politisch<br />

motiviert eingestuft.<br />

Dem Bericht des Hilfswerksvertreters<br />

aus der ersten Anhörung beim<br />

BFM entnimmt Kathrin Stutz, dass die<br />

Antragstellerin keinen Ausweis vorweisen<br />

konnte. Die stattdessen vorgelegte<br />

Geburtsbestätigung ist wertlos;<br />

ohne Foto ist ihre Identität nicht<br />

nachweisbar. Auch ihre Antworten<br />

während des Interviews überzeugten<br />

nicht restlos. Kathrin Stutz rät ihrer<br />

Klientin nachdrücklich, sich doch<br />

noch um die Papiere zu bemühen<br />

und allenfalls ihren Vater in Eritrea um<br />

Hilfe zu bitten.<br />

Nach fünf Jahren B-Bewilligung<br />

Ein Büro weiter unterhält sich Berater<br />

Cem Karakas mit Wangpo Z., einem<br />

jungen Mann aus Tibet. Als dieser vor<br />

mehreren Jahren in die Schweiz kam,<br />

wurde ihm das vorläufige Bleiberecht<br />

gewährt. Mit dem Verlassen seiner<br />

Heimat war eine Rückkehr nicht mehr<br />

<strong>zum</strong>utbar, weil Staatsflüchtige von<br />

der chinesischen Regierung verfolgt<br />

werden. Nach fünf Jahren in der Schweiz<br />

können Wangpo Z. und seine Frau nun<br />

eine B-Bewilligung beantragen.<br />

«Bei Herrn Z. stehen die Chancen<br />

sehr gut», sagt Cem Karakas. Der<br />

junge Antragsteller arbeitet in der<br />

Gastronomie und ist noch nie nega-<br />

tiv aufgefallen. Ganz im Gegenteil:<br />

Sein aktueller Arbeitgeber hat ihm ein<br />

erstklassiges Zwischenzeugnis ausgestellt.<br />

«Für die Erlangung einer B-Bewilligung<br />

ist ein solches Dokument<br />

Gold wert», sagt Cem Karakas. Jetzt<br />

müssen nur noch einige Formalitäten<br />

geklärt werden. Cem Karakas verspricht,<br />

die vollständigen Unterlagen<br />

am nächsten Tag an das Migrationsamt<br />

Zürich weiterzuleiten. Sichtlich<br />

erleichtert verabschiedet sich Wangpo<br />

Z. von seinem Betreuer.<br />

Jede Chance einen Versuch wert<br />

Cem Karakas hat vor mehr als 27 Jahren<br />

selbst Asyl in der Schweiz beantragt<br />

und kennt die Lage seiner<br />

Klientinnen und Klienten. Seine türkische<br />

Herkunft ermöglicht es ihm, die<br />

Sitzungen mit Menschen aus der Türkei<br />

ohne Dolmetscherin oder Dolmetscher<br />

abzuhalten. Ein Vorteil, da die<br />

Anwesenheit eines Dritten die Offenheit<br />

eines Gesprächs häufig beeinträchtigt.<br />

«In den Beratungen bin ich<br />

aber weder Leidensgenosse noch Verbündeter.<br />

Was von mir erwartet wird,<br />

ist eine kompetente Auskunft», so<br />

Cem Karakas.<br />

Das Wartezimmer der Rechtsberatungsstelle<br />

hat sich geleert. Am<br />

nächsten Montag werden hier wiederum<br />

Menschen unterschiedlicher<br />

Herkunft Platz nehmen – jeder von<br />

ihnen mit einem ganz individuellen<br />

Schicksal, mit unterschiedlichen Voraussetzungen<br />

und Chancen. Doch<br />

alle teilen sie dieselben Hoffnungen –<br />

ein sichereres Leben zu führen und<br />

vielleicht eines Tages in ihr Heimatland<br />

zurückzukehren.<br />

VON CHRISTINE SPIRIG (TEXT),<br />

MIRJAM WIRZ (FOTOS)<br />

Anna A., die studierte Medizinerin,<br />

kommt aus der ehemaligen<br />

Sowjetunion, aus Vladimirovka,<br />

in der heutigen Ukraine. Als<br />

Christin mit jüdischen Wurzeln gehörte<br />

sie nie richtig zur slawischen<br />

Gemeinschaft dazu, was man ihr<br />

auch zu verstehen gab. Das Gefühl<br />

des Fremd- seins zog sich wie ein<br />

roter Faden durch ihr Leben. Anna A.<br />

wurde «Weltbürgerin», wie sie selbst<br />

sagt. Sie arbeitete als Ärztin auf der<br />

ganzen Welt, mitunter sieben Jahre in<br />

Deutschland. 1994 kamen sie und ihr<br />

Ehemann in die tschetschenische<br />

Hauptstadt Grosny – just zu der Zeit,<br />

als der erste Tschetschenienkrieg ausbrach.<br />

Dieser Krieg nahm Anna A.<br />

alles. Als ihr Ehemann, dessen Beruf<br />

sie nicht preisgibt, 1999, im Laufe des<br />

zweiten Tschetschenien-Kriegs, von<br />

Tschetschenen getötet wurde, floh sie<br />

aus Angst vor Vergeltungsaktionen.<br />

Ihre jahrelange Odyssee begann.<br />

Bei ihrem ersten Fluchtversuch<br />

über Polen wurde sie in Deutschland<br />

aufgegriffen und umgehend in ein<br />

polnisches Ausschaffungsgefängnis<br />

überführt. Unter menschenunwürdigen<br />

Bedingungen, an Hunger und<br />

unter Demütigungen leidend, musste<br />

Anna A. ein Jahr lang ausharren.<br />

Ihren zweiten Versuch – mit Frankreich<br />

oder der Schweiz im Visier –<br />

unternahm sie ohne Geld und vorwiegend<br />

zu Fuss. Die beschwerliche<br />

Flucht endete am 7. Juli 2002, als sie<br />

die Grenze bei Basel passierte und<br />

Asyl beantragte.<br />

Von der Vergangenheit eingeholt<br />

Von Basel kam sie ins Durchgangszentrum<br />

nach Kreuzlingen, wo sie<br />

vom ersten Tag an in der Gesundheitsabteilung<br />

mitarbeitete. «Ich<br />

wollte dem Land, von dem ich etwas<br />

möchte, auch etwas geben», sagt<br />

Anna A. Anschliessend wurde sie<br />

dem Kanton Zürich zugeteilt. Die Ablehnung<br />

ihres Asylantrags 2003 traf<br />

Anna A. wie ein Schlag. Sie konnte<br />

nicht zurück an einen Ort, an den<br />

die Erinnerungen sie so schmerzten.<br />

«handeln» 315 0112

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!