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steueranwalts magazin - Arbeitsgemeinschaft Steuerrecht im ...

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Wolfgang Joecks Vorsatz und Leichtfertigkeit � Beiträge<br />

ßenprüfung schriftlich mitgeteilt bekommen hat, daß seine<br />

Praxis der Besteuerung geldwerter Vorteile rechtswidrig ist,<br />

mag, wenn er denn bewußt weitermacht, in dieser Form<br />

„wissen“. Im Regelfall geht es aber um den Vorwurf bedingt<br />

vorsätzlichen Verhaltens.<br />

Die Definition des bedingten Vorsatzes ist dabei heftig<br />

umstritten. 9 Verschiedenste „Theorien“ werden angeboten,<br />

die sich überwiegend dadurch auszeichnen, daß sie<br />

auf best<strong>im</strong>mte Fallkonstellationen zugeschnitten sind. Für<br />

den Verteidiger in Steuerstrafsachen muß Maßstab das sein,<br />

was der Bundesgerichtshof in Gestalt des (früher 5., jetzt) 1.<br />

Strafsenats an Positionen bezieht.<br />

So hat der BGH in der Vergangenheit bedingten Vorsatz<br />

angenommen, wenn ein Täter Zweifel an der Richtigkeit<br />

seiner Umsatzsteuerkürzungen hat und dennoch solche<br />

– für das Finanzamt nicht erkennbar – seinen Voranmeldungen<br />

zugrundelegt. 10 Wer Zweifel hat und niemanden<br />

fragt, der davon mehr versteht als er, hat bedingten Vorsatz.<br />

Betrachtet man die entschiedenen Fälle genauer, hat man<br />

den Eindruck, dort habe man nicht nur für möglich gehalten,<br />

sondern gewußt, um was es ging, und habe deshalb bewußt<br />

niemanden gefragt.<br />

Ein doppeltes Problem bleibt dennoch: Zum einen ist<br />

die herkömmliche Definition des bedingten Vorsatzes <strong>im</strong><br />

Kernstrafrecht entwickelt worden. Man ist sich aber darüber<br />

einig, daß man <strong>im</strong> Wirtschaftsstrafrecht gegebenenfalls vorsichtiger<br />

sein muß. So ist auch in der Rechtsprechung anerkannt,<br />

daß die Feststellung des Vorsatzes bei einer fremdnützigen<br />

Untreue besonders sorgfältig erfolgen muß. 11<br />

Zum anderen handelt es sich bei den Tatbeständen der<br />

§§ 370, 378 AO um solche, die mit einer Vielzahl normativer<br />

Tatbestandsmerkmale aufgefüllt sind. Genügt es für Tatbestandsmerkmale,<br />

die der Umgangssprache entnommen<br />

sind, daß der Betreffende den Sachverhalt kennt, muß er<br />

bei normativen Tatbestandsmerkmalen wie „steuerlich erheblich“<br />

oder „Steuerverkürzung“ über die Sachverhaltskenntnis<br />

hinaus auch noch in seiner Laiensphäre eine hinreichende<br />

Parallelwertung vornehmen. In genau diesem<br />

Punkt gibt es eine Schnittmenge mit der leichtfertigen Steuerverkürzung:<br />

In beiden Fällen ist zunächst einmal ein subjektiver<br />

Maßstab zu berücksichtigen; es kommt also auf die<br />

individuellen Fähigkeiten und Fertigkeiten des Handelnden<br />

an. Es geht aber auch darum, in welchem Umfeld sich der<br />

Betreffende bewegt. Ob jemand, der sich aus Holland Filterkaffee<br />

senden läßt, ohne Kaffeesteuer anzumelden, (zumindest)<br />

leichtfertig handelt, mag man bezweifeln. Wer in<br />

einer deutschen Metropole einen Coffee-Shop betreibt und<br />

sich regelmäßig aus Holland den Kaffee senden läßt, um die<br />

deutsche Kaffeesteuer zu sparen, wird sich eher den Vorwurf<br />

der Leichtfertigkeit (oder mehr) gefallen lassen müssen,<br />

weil angesichts seiner Profession ein Erkundigen über<br />

die Strafrechtslage eher zumutbar ist. 12<br />

In der eingangs erwähnten Entscheidung des 1. Strafsenats<br />

vom 08. 09. 201113 hatte der Angeklagte aus Luxemburg<br />

heraus Pflanzenschutzmittel an deutsche Landwirte<br />

<strong>steueranwalts</strong><strong>magazin</strong> 1 /2012<br />

und Winzer geliefert. Die Empfänger wurden als Betreiber<br />

landwirtschaftlicher Betriebe umsatzsteuerlich nach § 24<br />

UStG besteuert. Nach Auffassung des Landgerichts unterlagen<br />

die Lieferungen der deutschen Umsatzbesteuerung, weil<br />

es sich um Versandgeschäfte gehandelt habe und deshalb<br />

der Ort der Lieferung gemäß § 3c UStG jeweils in Deutschland<br />

gelegen habe. Es kam aber erstinstanzlich zu einem<br />

Teilfreispruch: Das Gericht glaubte dem Angeklagten aber,<br />

daß er zunächst davon ausgegangen war, die Lieferungen<br />

seien allein in Luxemburg steuerpflichtig. Erst durch eine<br />

Befragung durch die Luxemburgische Steuerfahndung <strong>im</strong><br />

Oktober oder November 2005 habe er gemerkt, daß eine<br />

Steuerpflicht nach deutschem Umsatzsteuerrecht eingetreten<br />

ist. 14 Daß gegebenenfalls für die zurückliegenden Taten<br />

dann § 378 AO einschlägig ist, sah die Strafkammer nicht.<br />

Sie begnügte sich mit der Feststellung, daß § 370 AO keine<br />

Fahrlässigkeitsstrafbarkeit kenne.<br />

2. Leichtfertigkeit<br />

Der BGH beanstandete die Beweiswürdigung, die in sich widersprüchlich<br />

und zudem lückenhaft sei. Der Teilfreispruch<br />

könne aber auch deshalb keinen Bestand haben, weil das<br />

Landgericht nicht geprüft habe, ob das Verhalten des Angeklagten<br />

nicht zumindest den Bußgeldtatbestand der leichtfertigen<br />

Steuerverkürzung verwirklicht hat. 15<br />

Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs handelt<br />

leichtfertig, wer die Sorgfalt außer acht läßt, zu der er nach<br />

den besonderen Umständen des Einzelfalls und seinen persönlichen<br />

Fähigkeiten und Kenntnissen verpflichtet und<br />

<strong>im</strong>stande ist, obwohl sich ihm aufdrängen mußte, daß dadurch<br />

eine Steuerverkürzung eintreten wird. 16 Daß ein Privatmann,<br />

der sich Kaffee aus Holland zusenden läßt, den<br />

Unterschied zwischen den Fre<strong>im</strong>engen bei persönlicher<br />

Einfuhr und Versendung kennt, drängt sich nicht gerade<br />

auf. 17 Andererseits muß sich kümmern, wer ein Gewerbe<br />

9 MüKo-StGB/Joecks, 2. Aufl. 2011, § 16 Rn. 31.<br />

10 BGH v. 15. 11. 1994, wistra 1995, 69.<br />

11 Vgl. nur BGH v. 20. 03. 2008, wistra 2008, 342; BGH v. 16. 04. 2008,<br />

wistra 2008, 345 m. Anm. Wegner wistra 2008, 347; siehe auch BGH<br />

v. 08. 09. 2011, wistra 2011, 465.<br />

12 Zu einem spektakulären Fall der Hinterziehung von Kaffeesteuer in<br />

Millionenhöhe vgl. BGH v. 18. 01. 2011, wistra 2011, 191 mit Anm. Weidemann,<br />

wistra 2011, 309.<br />

13 BGH v. 08. 09. 2011, wistra 2011, 465.<br />

14 Dann wäre er nach § 153 Abs. 1 AO für zurückliegende Zeiträume<br />

berichtigungspflichtig gewesen.<br />

15 BGH v. 08. 09. 2011, wistra 2011, 465 Rn. 16; vgl. auch BGH v.<br />

13. 01. 1988 – 3 StR 450/87; BGH v. 23. 02. 2000, NStZ 2000, 320,<br />

321; BGH v. 16. 12. 2009, HFR 2010, 866.<br />

16 BGH v. 16. 12. 2009, HFR 2010, 866 Rn. 40; BGH v. 08. 09. 2011, wistra<br />

2011, 465 Rn. 17.<br />

17 Der BFH mag dies strenger sehen. Immerhin soll schon das Benutzen<br />

des „grünen Ausgangs“ auf einem Flughafen bei Mitführung von<br />

abgabepflichtigen Waren den Vorwurf der leichtfertigen Steuerverkürzung<br />

begründen können; BFH v. 16. 03. 2007, BFHE 216, 468 =<br />

wistra 2007, 319.<br />

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