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steueranwalts magazin - Arbeitsgemeinschaft Steuerrecht im ...

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� Beiträge<br />

oder eine freiberufliche Tätigkeit betreibt. „Jeder Steuerpflichtige<br />

muß sich über diejenigen steuerlichen Pflichten<br />

unterrichten, die ihn <strong>im</strong> Rahmen seines Lebenskreises treffen“.<br />

18 Dies gelte in besonderem Maße in bezug auf solche<br />

steuerrechtlichen Pflichten, die aus der Ausübung eines<br />

Gewerbes oder einer freiberuflichen Tätigkeit erwüchsen.<br />

Bei einem Kaufmann seien deshalb jedenfalls bei Rechtsgeschäften,<br />

die zu seiner kaufmännischen Tätigkeit gehören,<br />

höhere Anforderungen an die Erkundigungspflichten<br />

zu stellen als bei anderen Steuerpflichtigen. Der BGH verweist<br />

insofern auf Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs. 19<br />

Gegebenenfalls müsse man sich sachkundigen Rat einholen.<br />

Dies gelte insbesondere dann, wenn der Betroffene die<br />

erkannte Steuerpflichtigkeit eines Geschäfts durch eine modifizierende<br />

Gestaltung des Geschäfts zu vermeiden suche.<br />

Es sei dem Steuerpflichtigen regelmäßig möglich und zumutbar,<br />

offene Rechtsfragen nach Aufdeckung des vollständigen<br />

und wahren Sachverhalts <strong>im</strong> Besteuerungsverfahren<br />

zu klären. 20 Hier ging es um einen Angeklagten, der für<br />

sechs Unternehmen als alleinverantwortlich Handelnder<br />

tätig war, die jeweils in großem Umfang grenzüberschreitenden<br />

Handel mit Pflanzenschutzmitteln durchführten.<br />

Er hatte grundsätzlich erkannt, daß die Durchführung der<br />

von ihm geplanten Lieferungen als „Versandgeschäfte“ zu<br />

einer Steuerpflicht in Deutschland führten, und wählte deshalb<br />

eine Geschäftsabwicklung, die nach seiner Wertung<br />

als „Abholgeschäfte“ <strong>im</strong> Empfängerstaat Deutschland nicht<br />

steuerbar waren. Das Landgericht hatte es unterlassen festzustellen,<br />

ob er sich für seine Konstruktion Rechtsrat eingeholt<br />

hatte.<br />

Als Zwischenergebnis ist festzuhalten: Leichtfertigkeit<br />

ergibt sich insbesondere aus dem Kontext mit einer beruflichen<br />

Tätigkeit und liegt nahe, wenn ein Steuerpflichtiger<br />

die von ihm erkannte steuerliche Relevanz seines Handelns<br />

dadurch zu vermeiden sucht, daß er „gestaltet“. Wer so „gestaltet“,<br />

daß (scheinbar) die deutsche Steuerpflicht vermieden<br />

wird, hat sich um die Rechtmäßigkeit seines Tuns zu<br />

kümmern, sonst handelt er leichtfertig. Zu beachten ist,<br />

daß es bei einem Fahrlässigkeitsdelikt wie § 378 Abs. 1 AO<br />

auch darauf ankommt, ob der Rechtswidrigkeitszusammenhang<br />

vorliegt. Es muß also feststehen, daß die gehörige<br />

Auskunft des Finanzamts oder eines sachkundigen Dritten<br />

den Steuerpflichtigen auch auf die richtige <strong>Steuerrecht</strong>slage<br />

hingewiesen hätte. 21<br />

Für den 1. Strafsenat ist offenbar die Trennung zwischen<br />

deskriptiven und normativen Tatbestandsmerkmalen<br />

eine zu vernachlässigende Größe. Es „genügt, daß der<br />

Täter die Verwirklichung der Merkmale des gesetzlichen<br />

Tatbestands für möglich hält und billigend in Kauf n<strong>im</strong>mt<br />

(Eventualvorsatz)“. Ein Hinterziehungsvorsatz setze weder<br />

dem Grund noch der Höhe nach eine sichere Kenntnis des<br />

Steueranspruchs voraus. 22 Die weitgehenden Anforderungen<br />

des OLG München23 werden als zu streng bezeichnet.<br />

In dem Verfahren vor dem OLG München ging es um die<br />

Nichtversteuerung von Spekulationsgewinnen. Das Tatge-<br />

Wolfgang Joecks Vorsatz und Leichtfertigkeit<br />

richt hatte festgestellt, daß dem Angeklagten bei Abgabe<br />

der Steuererklärung bekannt war, „daß er innerhalb der Spekulationsfrist<br />

Aktien an- und verkauft hatte und hierdurch<br />

ein Gewinn entstanden ist.“ Das OLG fand die Urteilsfeststellungen<br />

unzureichend. Offenbar verlangt es, daß der<br />

Täter auch eine konkrete Höhe der Verkürzung vor Augen<br />

haben muß. Für das Landgericht war es auch kein Indiz,<br />

daß nach der Aussage des Steuerberaters der Angeklagte nie<br />

mit ihm über Aktien gesprochen habe und An- und Verkaufsunterlagen<br />

zu Wertpapieren nicht vorgelegt wurden.<br />

Dies mag der Grund sein, warum der 1. Strafsenat die Anforderungen<br />

des 4. Strafsenats des OLG München für „zu<br />

streng“ hält.<br />

Für den BGH kommt ein vorsatzausschließender Tatumstandsirrtum<br />

jedenfalls dann in Betracht, wenn der<br />

Steuerpflichtige irrtümlich angenommen hat, daß ein Steueranspruch<br />

nicht entstanden ist. 24 Offen läßt der Bundesgerichtshof<br />

dabei, ob dies auch gilt, wenn der Irrtum über<br />

das Bestehen eines Steueranspruchs allein auf einer Fehlvorstellung<br />

über die Reichweite steuerlicher Normen – hier<br />

etwa des § 3 c UStG über den Ort der Lieferung in besonderen<br />

Fällen – beruht. Klargestellt wird, daß die bloße Berufung<br />

eines Angeklagten nur auf einen derartigen Irrtum das<br />

Tatgericht nicht nötigt, einen solchen als gegeben anzunehmen.<br />

Es bedürfe vielmehr einer Gesamtwürdigung aller<br />

Umstände, die für das Vorstellungsbild des Angeklagten<br />

von Bedeutung gewesen seien. Weder <strong>im</strong> Hinblick auf den<br />

Zweifelssatz noch sonst sei es geboten, zugunsten eines Angeklagten<br />

Umstände oder Geschehensabläufe zu unterstellen,<br />

für deren Vorliegen – außer der bloßen Behauptung des<br />

Angeklagten – keine Anhaltspunkte bestünden. Bei der Prüfung<br />

der Frage, ob ein Angeklagter das Bestehen eines Steueranspruchs<br />

für möglich gehalten habe, müsse vom Tatgericht<br />

in dem Rahmen der Beweiswürdigung geklärt werden.<br />

Wiederum drängen sich Parallelen zu § 378 Abs. 1 AO auf:<br />

Das Gericht habe bei Kaufleuten deren Umgang mit den in<br />

ihrem Gewerbe bestehenden Erkundigungspflichten in die<br />

Würdigung einzubeziehen. Informiere sich ein Kaufmann<br />

über die in seinem Gewerbe bestehenden steuerrechtlichen<br />

Pflichten nicht, könne dies auf seine Gleichgültigkeit<br />

hinsichtlich der Erfüllung dieser Pflichten hindeuten.<br />

Dasselbe gelte, wenn es ein Steuerpflichtiger unterlasse, in<br />

Zweifelsfällen Rechtsrat einzuholen. In Fällen, in denen<br />

ein nichtsteuerlich sachkundiger Steuerpflichtiger eine von<br />

18 BGH v. 08. 09. 2011, wistra 2011, 465, Rn. 18.<br />

19 BFH v. 19. 02. 2009 – II R 49/07, BFHE 225, 1.<br />

20 BGH v. 08. 09. 2011, wistra 2011, 465, Rn. 18 a. E.<br />

21 Vgl. Franzen/Gast/Joecks, § 378 Rn. 43 ff.<br />

22 BGH v. 08. 09. 2011, wistra 2011, 465, Rn. 21 unter Hinweis auf BGH<br />

v. 16. 12. 2009 – 1 StR 491/09 Rn. 37, HFR 2010, 866.<br />

23 OLG München v. 15. 02. 2011 – 4 St RR 167/10, NStZ-RR 2011, 247 m.<br />

Anm. Roth, StRR 2011, 235 und Wegner, PStR 2011, 140.<br />

24 BGH v. 08. 09. 2011, wistra 2011, 465, Rn. 22.<br />

28 <strong>steueranwalts</strong><strong>magazin</strong> 1/2012

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