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Der Thermodynamische Vergleichsprozess - Herleitung und

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Internetaufsatz unter www.fh-flensburg.de/ima/VP-Text.pdf<br />

Januar, 2007<br />

<strong>Der</strong> <strong>Thermodynamische</strong> <strong>Vergleichsprozess</strong><br />

<strong>Herleitung</strong> <strong>und</strong> Begründung aus systematischer Sicht<br />

1. Aufgabenstellung<br />

von Prof. Dr.-Ing. Ulrich Franke, Flensburg (Germany)<br />

Jeder reale Prozess ist irreversibel. <strong>Der</strong> Grad der Irreversibilität wird jedoch je nach Güte des<br />

Prozesses unterschiedlich sein. Zur Bestimmung der Prozessgüte muss ein Vergleichsmaßstab<br />

definiert werden: Es ist ein geeigneter Idealprozess als <strong>Thermodynamische</strong>r <strong>Vergleichsprozess</strong><br />

zu finden! Nun gibt es viele Möglichkeiten, einen <strong>Vergleichsprozess</strong> zu definieren.<br />

Man könnte den Carnot-Prozess <strong>und</strong> damit den Carnot-Faktor, gebildet mit der Maximal- <strong>und</strong><br />

Minimaltemperatur des Arbeitsmediums<br />

η = 1−<br />

T / T )<br />

( th,<br />

Carnot min max<br />

oder mit den mittleren Temperaturen der Wärmezu- <strong>und</strong> -abfuhr<br />

( η<br />

~<br />

= 1−<br />

T / T ) ,<br />

th,<br />

Carnot<br />

mittel,<br />

ab<br />

mittel,<br />

zu<br />

als Vergleichsbasis nehmen, hätte dann aber ein realitätsfernes Konstrukt geschaffen. Es liefe<br />

auf die Verwendung einer Fremdreferenz hinaus, da der reale Prozess nicht in den Carnot-<br />

Prozess überführbar ist, auch nicht gedanklich.<br />

Ein geeigneter <strong>Vergleichsprozess</strong> muss aus dem zu bewertenden Realprozess ableitbar sein,<br />

anders ausgedrückt, der Realprozess muss sich selbst die Referenz schaffen. Es wird<br />

nachfolgend gezeigt, dass diese Selbstreferenz eindeutig zu finden ist. Die Definition eines<br />

<strong>Vergleichsprozess</strong>es auf dieser Basis ist damit aus thermodynamischer Sicht objektiv.<br />

Die Herangehensweise zur Findung des <strong>Vergleichsprozess</strong>es erfolgt über die <strong>Thermodynamische</strong><br />

Prozessanalyse, die in [1] ausführlich dargelegt ist. Am Beispiel zweier<br />

Arbeitsprozesse unter Verwendung eines idealen <strong>und</strong> eines realen Stoffmodells wird die<br />

ausschließlich thermodynamisch motivierte Vorgehensweise dargestellt. Diese Methode ist<br />

auch auf linksdrehende Kreisprozesse übertragbar.<br />

„<strong>Der</strong> <strong>Thermodynamische</strong> <strong>Vergleichsprozess</strong>“ von U. Franke 1


2. Zur Effizienzanalyse<br />

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<strong>Der</strong> thermische Wirkungsgrad eines Arbeitsprozesses ist als Verhältnis von Nutzen zu<br />

Aufwand wie folgt definiert:<br />

P / Q&<br />

η =<br />

(1a)<br />

th<br />

mit P als mechanische Nettoleistung <strong>und</strong> Qzu als Summe der zugeführten Energieströme<br />

(über Brennstoff oder Wärmetransport).<br />

&<br />

Wird in Gl. (1a) der erste Hauptsatz (als Energiebilanz) <strong>und</strong> der zweite Hauptsatz (als<br />

Entropiebilanz) eingearbeitet, so findet man folgende Formulierung:<br />

η<br />

th<br />

= ( 1−<br />

T / T ) − T / Q&<br />

⋅ S&<br />

mittel,<br />

ab mittel,<br />

zu mittel,<br />

ab zu irr,<br />

i = A − Bi.<br />

zu<br />

A ist der Carnot-Faktor, der das theoretische Prozesspotential angibt, das sich unter den<br />

gegebenen Prozessbedingungen einstellt. Die Irreversibilitätselemente Bi , die proportional zu<br />

den Einzelentropieerzeugungsströmen Sirr, i sind, gehen als Negativposten in den Wirkungsgrad<br />

ein; sie müssen in Summe alle Entropieerzeugungsquellen im System erfassen. (Die<br />

<strong>Herleitung</strong> von Gl. (1b) ist in [1] angegeben; auch ihre Anpassung an linksdrehende<br />

Prozesse.)<br />

&<br />

Würde man nun im Carnot-Faktor A den Wirkungsgrad des <strong>Vergleichsprozess</strong>es sehen,<br />

~<br />

th , V<br />

η = A ,<br />

so ließe sich ein Gütegrad für den betrachteten Prozess wie folgt definieren:<br />

~<br />

g<br />

E<br />

= η / η<br />

~<br />

.<br />

th<br />

th,<br />

V<br />

Dieser <strong>Vergleichsprozess</strong> wäre zum einen reversibel ( Bi = 0 ), zum anderen übernähme er<br />

die Temperaturgänge des Realprozesses. Ein so definierter <strong>Vergleichsprozess</strong> wäre nicht<br />

realistisch <strong>und</strong> die Definition des Gütegrades<br />

~<br />

gE<br />

auf dieser Basis nur eine Notlösung.<br />

3. Zur Leistungsanalyse<br />

Die wirksame Irreversibilität eines Arbeitsprozesses reduziert nicht nur den thermischen<br />

Wirkungsgrad oder die Effizienz des Prozesses, auch die Nettoleistung P wird reduziert. Die<br />

Leistungseinbuße (oder spezifisch Arbeitseinbuße) wird innerhalb des Systems nur in den<br />

Aggregaten auftreten, in denen der Druckauf- bzw. Druckabbau des Arbeitsmittels nicht<br />

reversibel erfolgt, da im Kreisprozess das Auftreten der Arbeit immer an die Betätigung der<br />

Hauptarbeitskoordinate p (Druck) geb<strong>und</strong>en ist. Am Beispiel unverzweigter Stoffströme gilt<br />

bekanntermaßen für jeden Kreisprozess:<br />

„<strong>Der</strong> <strong>Thermodynamische</strong> <strong>Vergleichsprozess</strong>“ von U. Franke 2<br />

n<br />

∑<br />

i=<br />

1<br />

∑<br />

∑<br />

(1b)


∑<br />

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w = v ⋅ dp − w R.<br />

t ∫ ∑<br />

(Die Größe wR ist die spezifische Reibungsarbeit als Ursache der Irreversibilität, die in vielen<br />

Lehrbüchern auch als Dissipationsenergie bezeichnet wird. <strong>Der</strong> Begriff Reibungsarbeit wird<br />

hier bevorzugt; eine Begründung ist in [1] zu finden.)<br />

Steht eine Irreversibilitätsquelle nicht im Zusammenhang mit dem Druckauf- oder –abbau, so<br />

tritt immer ein Irreversibilitätselement Bi<br />

= Tmittel,<br />

ab / Q&<br />

zu ⋅S&<br />

irr,<br />

i nach Gl. (1b) auf, aber keine<br />

Leistungseinbuße. Eine prozessinterne Wärmeübertragung bei endlicher Temperaturdifferenz<br />

als Beispiel hätte immer ein Irreversibilitätselement Bi zur Folge, nicht jedoch zwangsweise<br />

eine Leistungseinbuße. Diese würde erst dann auftreten, wenn auf der Heiz- bzw. Aufheizseite<br />

des Wärmeübertragers ein Druckverlust, also eine irreversible Betätigung der<br />

Arbeitskoordinate p, unterstellt werden müsste. Es ist somit festzuhalten, dass es unter dem<br />

hier betrachteten Aspekt zwei Arten von Irreversibilitätsquellen gibt:<br />

1. Art: Irreversibilitätsquelle wirkt negativ auf die Effizienz <strong>und</strong> die Leistung<br />

2. Art: Irreversibilitätsquelle wirkt negativ nur auf die Effizienz.<br />

Werden die Irreversibilitätsquellen 1. Art des realen Prozesses Null gesetzt, so ist der<br />

gesuchte <strong>Vergleichsprozess</strong> gef<strong>und</strong>en, wobei noch weitere konsistente Festlegungen zu<br />

treffen sind. (Hierauf wird im Folgekapitel eingegangen.) Dieser so gef<strong>und</strong>ene <strong>Vergleichsprozess</strong><br />

wird nicht reversibel sein, denn er beinhaltet noch die Irreversibilitätsquellen 2. Art<br />

<strong>und</strong> damit die hiermit verb<strong>und</strong>enen Irreversibilitätselemente Bi,V:<br />

ηth, V = P / Q&<br />

V zu,<br />

V = AV<br />

−∑<br />

Bi,<br />

V ≥ ηth.<br />

(2)<br />

Das Belassen der Irreversibilitätsquellen 2. Art ermöglicht die strukturelle Beibehaltung der<br />

Prozessschaltung. <strong>Der</strong> <strong>Vergleichsprozess</strong> gleicht somit im Gr<strong>und</strong>satz dem Realprozess. Er<br />

schließt jedoch die qualitätsbedingten <strong>und</strong> auf die Arbeitskoordinate p wirkenden<br />

Irreversibilitätsquellen aus. Konkret heißt dies, dass bei einem Arbeitsprozess die Maschinenwirkungsgrade<br />

1 <strong>und</strong> die Druckverluste 0 gesetzt werden. (In den nachfolgend behandelten<br />

zwei Prozessbeispielen wird dies konkretisiert.)<br />

Ein effizienzabhängiger Gütegrad für den zu bewertenden Arbeitsprozess kann nun definiert<br />

werden:<br />

g = η / η . (3)<br />

E<br />

th<br />

<strong>Der</strong> <strong>Vergleichsprozess</strong> mit dem thermischen Wirkungsgrad ηth, V hat im Vergleich zum<br />

Realprozess einen geänderten Carnot-Faktor ( AV<br />

≠ A)<br />

, <strong>und</strong> auch die korrespondierenden<br />

Irreversibilitätselemente der 2. Art werden sich unterscheiden B ≠ B ) . Die Nettoleistung<br />

th,<br />

V<br />

( i, V i<br />

des <strong>Vergleichsprozess</strong>es P V ist größer als die des Realprozesses. Die Leistungsdifferenz<br />

Δ P = Y = PV<br />

− P ≥ 0<br />

(4a)<br />

ist eine spezifische Folge der Wirksamkeit der Irreversibilitätsquellen 1. Art. Auch die aufgenommenen<br />

Wärme- oder Energieströme des Realprozesses <strong>und</strong> des <strong>Vergleichsprozess</strong>es<br />

werden im Regelfall verschieden sein. Das entsprechende Wärmestromverhältnis<br />

„<strong>Der</strong> <strong>Thermodynamische</strong> <strong>Vergleichsprozess</strong>“ von U. Franke 3


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α = Q& zu,<br />

V / Q&<br />

zu ≠ 1<br />

wird sich als eine wichtige charakterisierende Prozessgröße herausstellen.<br />

<strong>Der</strong> Leistungsverlust nach Gl. (4a) lässt sich aufgliedern: Δ = ∑Δ i P P oder in geänderter<br />

Symbolik<br />

Y Y . (4b)<br />

∑<br />

= i<br />

Durch Bezug auf die Leistung des <strong>Vergleichsprozess</strong>es kommt man zu dimensionslosen<br />

Größen:<br />

x = Y / P ; x = ∑ x = Y / P . (4c)<br />

i<br />

i<br />

V<br />

Es soll nun die Leistungseinbuße Yi am Beispiel der adiabat-irreversiblen Expansion in einer<br />

Turbine, in der die spez. Reibungsarbeit wR,12 <strong>und</strong> damit die spez. Entropieerzeugung sirr,12<br />

auftritt, ermittelt werden. In Abb. 1 ist der Expansionsverlauf im T,s-Diagramm dargestellt.<br />

T<br />

T ( s)<br />

~<br />

.<br />

1<br />

2*<br />

T(<br />

s)<br />

dp<br />

2<br />

p 1<br />

i<br />

p 2<br />

ds=ds =dw /T<br />

irr R<br />

Y=S . i irr,i (T 2* +T 2)/2; x=Y/Y i i<br />

Abb. 1 Zur Leistungseinbuße beim irreversiblen Druckabbau in einer Gasturbine<br />

Beim irreversiblen Druckabbau um dp tritt die differenzielle spez. Reibungsarbeit dwR auf.<br />

Die zugeordnete spezifische Arbeitseinbuße dy = dY / m&<br />

entspricht der Reibungsarbeit<br />

abzüglich ihres thermodynamischen Rückgewinns, da die Reibungsarbeit als Energiebetrag<br />

im System verbleibt:<br />

T ds .<br />

~ dw<br />

T<br />

T<br />

~<br />

T / T)<br />

~<br />

R<br />

dy = dw R − dw R ⋅ ( 1−<br />

= ⋅ = ⋅ irr<br />

T(s) erfasst nach Abb. 1 den Temperaturgang des expandierenden Mediums vom Zustandspunkt<br />

1 zum Zustandspunkt 2; T ( s)<br />

den Temperaturgang der Isobaren des Turbinengegendrucks<br />

p2. Die Integration liefert die spez. Arbeitseinbuße der Turbine:<br />

~<br />

„<strong>Der</strong> <strong>Thermodynamische</strong> <strong>Vergleichsprozess</strong>“ von U. Franke 4<br />

s<br />

V<br />

(5)


Oder allgemein:<br />

2<br />

∫<br />

1<br />

T s<br />

~<br />

dy = y = y = ⋅<br />

12<br />

Turbine<br />

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mittel<br />

irr,<br />

12<br />

. (4d)<br />

T S .<br />

~<br />

= Y / P = 1/<br />

P ⋅ ⋅ &<br />

(4e)<br />

xi i V V mittel,<br />

i irr,<br />

i<br />

Da die Arbeitseinbuße yTurbine nach Abb. 1 gleich der Differenz der spez. Enthalpien zwischen<br />

den Punkten 2* <strong>und</strong> 2 ist (yTurbine=h2-h2*), kann für das betrachtete Beispiel die gemittelte<br />

T ~<br />

leicht berechnet werde:<br />

Temperatur mittel<br />

T ~<br />

mittel<br />

= ( h − h ) / s .<br />

2<br />

2*<br />

Die über Gl. (4d) erfasste Temperatur soll als Wirktemperatur bezeichnet werden. Es ist die<br />

Temperatur, die die Entropieerzeugung einer Irreversibilitätsquelle 1. Art mit der Arbeitsbzw.<br />

Leistungseinbuße verknüpft. Die Höhe von T mittel<br />

~<br />

bestimmt die Wirksamkeit einer<br />

Irreversibilitätsquelle in Hinblick auf die Arbeitseinbuße.<br />

Ohne nennenswerten Fehler kann die Höhe der Wirktemperatur durch arithmetische Temperaturmittlung<br />

gef<strong>und</strong>en werden, wie in Abb. 1 (Kasten) vermerkt: T ( T T ) / 2 .<br />

~<br />

mittel ≈ 2*<br />

+ 2 Diese<br />

Vereinfachung ist (als Ergebnis vieler Rechnungen) gr<strong>und</strong>sätzlich zulässig.<br />

Die Größe xi nach Gl. (4c) ist ein leistungsbezogenes Irreversibilitätselement, das immer bei<br />

einer Irreversibilitätsquelle 1. Art gemeinsam mit einem effizienzbezogenen Irreversibilitätselement<br />

Bi nach Gl. (1b) auftritt. Das xi kann für jede Irreversibilitätsquelle 1. Art eindeutig<br />

aus den Zustandsdaten des Realprozesses berechnet werden. Für die hier nicht behandelten<br />

Fälle (z. B. Drosselung; irreversible Kompression) finden sich entsprechende Angaben<br />

in [1; 2].<br />

Die Irreversibilitätselemente Bi <strong>und</strong> xi bilden in ihrer Gesamtheit zwei sogenannte Irreversibilitätsprofile.<br />

Diese Profile stellen das irreversible Geschehen in System umfassend <strong>und</strong><br />

transparent dar. Die herrschende Irreversibilität wird zweifach beleuchtet <strong>und</strong> den Einzelaggregaten,<br />

in denen irreversible Teilprozesse ablaufen, zugeordnet. (Bei der Behandlung<br />

zweier Testschaltungen in Abschnitt 5 werden diese Profile berechnet <strong>und</strong> grafisch zur<br />

Diskussion gestellt.)<br />

Neben dem effizienzabhängigen Gütegrad gE nach Gl. (3) kann über die Irreversibilitätselemente<br />

xi ein leistungsabhängiger Gütegrad gL unter Verwendung von Gl. (4c) gef<strong>und</strong>en<br />

werden:<br />

= P / P = 1−<br />

∑ x ≤ 1 . (6)<br />

irr,<br />

12<br />

gL V<br />

i<br />

Die Schlussfolgerungen, die aus den Gütegraden gE <strong>und</strong> gL gezogen werden können, sind eher<br />

begrenzt. Sie liefern nur eine relative Aussage zur Prozessgüte; insoweit haben sie ihre<br />

Berechtigung. <strong>Der</strong> eigentliche Nutzen in der Einführung eines thermodynamisch begründeten<br />

<strong>Vergleichsprozess</strong>es nach Gl. (2) jedoch liegt in der Berechnung des leistungsbezogenen<br />

Irreversibilitätsprofils der Elemente xi nach Gl (4c) <strong>und</strong> den hieraus zu ziehenden Schlüssen<br />

auf die Prozessgüte.<br />

„<strong>Der</strong> <strong>Thermodynamische</strong> <strong>Vergleichsprozess</strong>“ von U. Franke 5


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4. Zur Festlegung des <strong>Thermodynamische</strong>n <strong>Vergleichsprozess</strong>es<br />

Die Nettoleistung des realen Prozesses P zuzüglich der Summe der Einzelanteile der<br />

∑ i<br />

Leistungseinbuße liefert die Nettoleistung des <strong>Vergleichsprozess</strong>es<br />

Y P V . <strong>Der</strong> reale<br />

Prozess definiert somit indirekt über die Einzelanteile der Leistungseinbuße Yi den<br />

<strong>Vergleichsprozess</strong>. Dies ist nicht verw<strong>und</strong>erlich, da die Einzelanteile der Leistungseinbuße<br />

nach Gl. (4e) unmittelbar mit der Entropieerzeugung verknüpft sind. Sie würden bei<br />

vollständig reversiblem, d. h. idealem Prozessverlauf verschwinden. Die vollständige<br />

Reversibilität, d. h. ∑Bi<br />

= 0 , wird jedoch nicht eingefordert, da andernfalls - wie bereits<br />

dargestellt - ein realitätsferner, d. h ungeeigneter <strong>Vergleichsprozess</strong> unterstellt würde. <strong>Der</strong><br />

geeignete, realitätsnahe <strong>Vergleichsprozess</strong> beinhaltet weiterhin die Irreversibilitätselemente<br />

2. Art (remanente Irreversibilität, erfasst in den in den Irreversibilitätselementen Bi,V nach Gl.<br />

(2)). Es gilt nach Gl. (4a): P V = P + ∑Yi<br />

.<br />

Es stellt sich nun die Frage, wie der <strong>Thermodynamische</strong> <strong>Vergleichsprozess</strong>, der die Gl. (4a)<br />

streng erfüllen muss, im einzelnen strukturiert <strong>und</strong> parametrisiert sein muss. Es gelten<br />

folgende sich als konsistent erweisende Regeln:<br />

1. Die Schaltung von Real- <strong>und</strong> <strong>Vergleichsprozess</strong> sind strukturell identisch. <strong>Der</strong> <strong>Vergleichsprozess</strong><br />

vermeidet jedoch alle inneren Irreversibilitäten, die mit dem Druckauf- <strong>und</strong><br />

Druckabbau verb<strong>und</strong>en sind. Konkret bedeutet dies:<br />

Maschinenwirkungsgrade 1<br />

Druckverluste 0.<br />

(Hiervon kann ggf. im Detail im Sinne einer Absprache abgewichen werden. Beispielsweise<br />

könnten die Kältedrossel des Kälteprozesses auch im <strong>Vergleichsprozess</strong> beibehalten werden.)<br />

2. <strong>Der</strong> höchste wie auch der niedrigste Druck des Arbeitsmediums im Realprozess werden<br />

vom <strong>Vergleichsprozess</strong> identisch übernommen. (Bei verzweigten Stoffströmen im System mit<br />

mehreren verschalteten Kompressions- <strong>und</strong> Expansionsmaschinen ergeben sich ggf. weitere<br />

Druckniveaus, die vom <strong>Vergleichsprozess</strong> in gleicher Weise übernommen werden müssen.)<br />

3. Die höchste <strong>und</strong> die niedrigste Enthalpie des Arbeitsmediums im Realprozess sind auch für<br />

den <strong>Vergleichsprozess</strong> verbindlich. (Bei verzweigten Stoffströmen mit mehreren Wärmezu-<br />

<strong>und</strong> –abfuhren ist analog zu Pkt. 2 zu verfahren.)<br />

4. Die Stoffströme des Idealprozesses sind in allen Teilsystemen identisch mit denen des<br />

Realprozesses. (Sollte diese Bedingung etwa aus Gleichgewichtsgründen in Teilsystemen<br />

nicht erfüllt sein, so sind pragmatische Feinanpassungen erforderlich. Hierauf wird bei der<br />

Behandlung des Testbeispiels „Einfacher Dampfkraftprozess“ exemplarisch eingegangen.)<br />

<strong>Der</strong> so definierte <strong>Thermodynamische</strong> <strong>Vergleichsprozess</strong> kann unter Beachtung der<br />

aufgeführten Regeln thermodynamisch für sich berechnet werden <strong>und</strong> damit auch seine<br />

„<strong>Der</strong> <strong>Thermodynamische</strong> <strong>Vergleichsprozess</strong>“ von U. Franke 6


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Nettoleistung PV*. Diese entspricht identisch der Leistung PV nach Gl. (4a), einer Berechnung,<br />

die ihre Daten allein aus dem Realprozess bezieht:<br />

5. Beispielrechnungen<br />

T S )<br />

~<br />

= P = P + ( ⋅ & ∑ . (7)<br />

PV* V<br />

mittel,<br />

i irr,<br />

i<br />

Nachfolgend werden zwei Arbeitsprozesse thermodynamisch analysiert: Ein Gasturbinenprozess<br />

unter Verwendung des Stoffmodells des idealen Gases (trockene Luft) bei konstanter<br />

spezifischer Wärmekapazität cp=cpm=const; desweiteren ein einfacher Dampfkraftprozess mit<br />

dem realen Stoffverhalten gemäß Wasserdampftafel. Die testweise herangezogenen Prozesse<br />

orientieren sich nicht am Stand der Technik; es sollen vielmehr typische Irreversibilitätsquellen<br />

1. <strong>und</strong> 2. Art angesprochen werden, um die vorgestellten thermodynamischen<br />

Methoden zu demonstrieren.<br />

5.1 Testschaltung: Gasturbinenprozess<br />

Die Schaltung des hier betrachteten GT-Prozesses mit zwei parallel betriebenen Verdichtern<br />

<strong>und</strong> einem Rekuperator ist in Abb. 2 dargestellt. <strong>Der</strong> Rekuperator ist wärmetechnisch bewusst<br />

ungünstig angeordnet; durch die ungleichen Massenströme m& A <strong>und</strong> B auf der Aufheiz- <strong>und</strong><br />

Heizseite <strong>und</strong> die damit erzwungenen Temperaturverhältnisse ist dort von vornherein eine<br />

große Irreversibilität (Irreversibilitätsquelle 2. Art) zu erwarten. Die Hauptdaten des<br />

untersuchten Prozesses sind in Abb. 2 mit aufgeführt.<br />

m&<br />

( Δp d)<br />

.<br />

S ir r,9<br />

.<br />

S ir r,7<br />

S ir r,5<br />

Sir r,1<br />

Sir r,2<br />

(ηSV) (ηSV) .<br />

S ir r,6<br />

.<br />

m A<br />

( Δp b)<br />

.<br />

(G )<br />

min<br />

( Δp a )<br />

( Δp e)<br />

. .<br />

.<br />

S ir r,10<br />

.<br />

Sir r,8<br />

.<br />

S ir r,11<br />

( ϑmax,A) .<br />

S ir r,4<br />

. .<br />

m B<br />

( Δp c)<br />

( Δp) f<br />

( ϑmax,B) (η ST)<br />

(p )<br />

Turb<br />

S ir r,3<br />

Daten: ϑmax,A=1400°C; ϑmax,B=1200°C; p Turb=5/10/15 bar; ϑU=15°C;<br />

p U=1<br />

bar;<br />

Δpa=0,1 bar; Δpb=0,5 bar; Δpc=0,5 bar; Δpd=0,2<br />

bar;<br />

. .<br />

Δpe=0,1 bar; Δpf=0,5 bar; G =30 K; η =0,8; η =0,9; m /m =2<br />

min SV ST A B<br />

Abb. 2 Schaltung des GT-Prozesses<br />

„<strong>Der</strong> <strong>Thermodynamische</strong> <strong>Vergleichsprozess</strong>“ von U. Franke 7


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Man erkennt 11 Irreversibilitätsquellen, angezeigt durch die Entropieerzeugungsströme Sirr, 1<br />

bis . Die Ursachen der auftretenden Irreversibilität sind die Druckverluste (Δpa bis Δpf) ,<br />

&<br />

S& irr,<br />

11<br />

symbolisiert in Drosseln, nichtideale Maschinenwirkungsgrade der zwei Verdichter <strong>und</strong> der<br />

Turbine (ηSV <strong>und</strong> ηST), die Temperaturdifferenz für den Wärmetransport im Rekuperator <strong>und</strong><br />

die Mischung der Stoffströme mit unterschiedlichen Temperaturen vor Eintritt in die Turbine.<br />

Für die Rechnung wird das Druckverhältnis des GT-Prozesses π = pTurb / pU<br />

= 5/<br />

10/<br />

15 (mit<br />

pU = 1bar<br />

) variiert. In Abb. 3 sind der effizienzabhängig Gütegrad gE = ηth<br />

/ ηth,<br />

V nach Gl.<br />

(3) <strong>und</strong> der leistungsabhängige Gütegrad g L = P / PV<br />

nach Gl. (6) dargestellt, des weiteren das<br />

Wärmestromverhältnis zu,<br />

V zu . Man erkennt am Kurvenverlauf dieser Größen, wie<br />

sich das reale Prozessergebnis relativ zum <strong>Vergleichsprozess</strong> entwickelt.<br />

Q / Q α = & &<br />

Durch die Variation des Druckverhältnisses wird die Rekuperationsfähigkeit des Prozesses<br />

stark beeinflusst, erkennbar am Verlauf des im Rekuperator übertragenen Wärmestroms zum<br />

Abwärmestrom über das Abgas Q&<br />

/ Q&<br />

) , siehe Auswertung in Abb. 3.<br />

0,7<br />

0,6<br />

g E , g L<br />

�<br />

�<br />

( int ab<br />

(Gütegrade: g E nach Gl. (3), g L nach Gl. (6))<br />

g E<br />

g L<br />

0,5<br />

0<br />

Druck v or Turbine<br />

4 8 12 pTurb (bar) 16<br />

�<br />

�<br />

. .<br />

Qint/Qab Abb. 3 Die Gütegrade des GT-Prozesses<br />

. .<br />

Qint/Qab, α<br />

α=Q zu,V/Q zu<br />

Für die drei ausgewählten Druckverhältnisse werden nun in Abb. 4 <strong>und</strong> Abb. 5 die beiden<br />

Irreversibilitätsprofile, gebildet aus den effizienzbezogenen Irreversibilitätselementen Bi <strong>und</strong><br />

den leistungsbezogenen Irreversibilitätselementen xi angegeben.<br />

Zu Abb. 4: Mit zunehmendem Druckverhältnis vergrößern sich erwartungsgemäß die den<br />

Maschinen zugeordneten Irreversibilitätselemente B1, B2 <strong>und</strong> B3. Demgegenüber verkleinert<br />

sich das dem Rekuperatorteilprozess zugeordnete Element B5.<br />

Zu Abb. 5: Die Irreversibilitätselemente x4 <strong>und</strong> x5 sind Null, da hier Irreversibilitätsquellen<br />

der 2. Art wirksam sind. Am Beispiel des Elementes x9 (infolge des modellhaft nachgelagerten<br />

<strong>und</strong> sehr hoch angesetzten Druckverlustes auf der Heizseite des Rekuperators,<br />

siehe Abb. 2) erkennt man die besonders schädliche Wirkung dieser Irreversibilitätsquelle<br />

auch aus leistungsbezogener Sicht.<br />

(Eine vertiefte Diskussion der Berechnungsergebnisse ist hier nicht vorgesehen, da nur die<br />

Methodik der <strong>Thermodynamische</strong>n Prozessanalyse beispielhaft aufgezeigt werden soll.)<br />

„<strong>Der</strong> <strong>Thermodynamische</strong> <strong>Vergleichsprozess</strong>“ von U. Franke 8<br />

. .<br />

�<br />

�<br />

1,2<br />

0,8<br />

0,4


0,08<br />

0,04<br />

0<br />

5<br />

15<br />

10<br />

Internetaufsatz unter www.fh-flensburg.de/ima/VP-Text.pdf<br />

Druck vor Turbine:<br />

p Turb= 5 bar: η th=0,328; A=0,568<br />

p Turb=10 bar: η th=0,366; A=0,574<br />

p Turb=15 bar: η th=0,355; A=0,565<br />

B1 B2 B3 B4 B5 B6 B7 B8 B9 B10 B11<br />

Abb. 4 Effizienzbezogenes Irreversibilitätsprofil für den GT-Prozess<br />

0,2<br />

0,15<br />

0,1<br />

0,05<br />

0<br />

5<br />

10<br />

15<br />

X 4 u. X 5<br />

liefern keinen<br />

Beitrag zur<br />

Leistungsminderung<br />

Druck vor Turbine:<br />

5 bar: ΣX=0,485<br />

10 bar: ΣX=0,447<br />

15 bar: ΣX=0,462<br />

X1 X2 X3 X4 X5 X6 X7 X8 X9 X10 X11<br />

Abb. 5 Leistungsbezogenes Irreversibilitätsprofil für den GT-Prozess<br />

Wie man aus den Definitionsgleichungen für die Gütegrade gE <strong>und</strong> gL leicht finden kann,<br />

besteht folgender Zusammenhang:<br />

Dies kann wie folgt ungeformt werden:<br />

g = α ⋅ g . (8a)<br />

E<br />

L<br />

( 1−<br />

∑ x )<br />

ηth / α = ηth,<br />

V ⋅<br />

i . (8b)<br />

<strong>Der</strong> thermische Wirkungsgrad des Realprozesses, dividiert durch das Wärmestromverhältnis<br />

zu,<br />

V zu des betrachteten Datenfalls, wird linear abhängig von der Summe der<br />

wirksamen Irreversibilitätselemente xi. (<strong>Der</strong> Wirkungsgrad des <strong>Vergleichsprozess</strong>es ist<br />

für den Grenzfall mit<br />

Q / Q α = & &<br />

ηth,<br />

V<br />

∑ xi = 0 gef<strong>und</strong>en <strong>und</strong> damit unabhängig von der Wirksamkeit der<br />

„<strong>Der</strong> <strong>Thermodynamische</strong> <strong>Vergleichsprozess</strong>“ von U. Franke 9


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Irreversibilitätselementen xi!) In Abb. 6 ist dies grafisch für den Datenfall mit pTurb=10 bar<br />

aufgezeigt:<br />

0,6<br />

0,4<br />

0,2<br />

η th/α α ( )<br />

(p Turb=10 bar)<br />

(ηSV=1 linke Maschine)<br />

�<br />

(η<br />

�<br />

ST=1)<br />

�<br />

(ηST=1 ; ηSV=1 linke u. rechte Maschine)<br />

(Δp a=Δp e=0)<br />

�<br />

� �<br />

(Δpd=0) 0 �<br />

0 0,1 0,2 0,3 ΣXi 0,4<br />

�<br />

1,2<br />

1,1<br />

(η SV=1 rechte Maschine)<br />

Abb. 6 Bewerteter Wirkungsgrad des Realprozesses in Abhängigkeit von xi nach<br />

Gl. (8b)<br />

∑<br />

<strong>Der</strong> Anfangspunkt der Gerade bei xi = 0 <strong>und</strong> α = 1 erfasst identisch die Bedingungen des<br />

<strong>Vergleichsprozess</strong>es, der Endpunkt der Gerade mit ∑ xi = max <strong>und</strong> α ≥ 1 den Zustand des<br />

Realprozesses. Die Steigung dieser Gerade hat den Wert von ( − ηth,<br />

V)<br />

. Diese für den<br />

Realprozess „Charakteristische Gerade“ liefert den Zusammenhang zwischen Effizienz <strong>und</strong><br />

Leistungseinbuße, wobei die Entwicklung des Wärmestromverhältnisses α mitbetrachtet<br />

werden muss. Wird der Realprozess im Sinne eines Gedankenexperimentes so verändert, dass<br />

einzelne Irreversibilitätselemente xi Null gesetzt werden (z. B. x3=0 wegen ηST<br />

= 1),<br />

so<br />

entwickelt sich nach Abb. 6 der Wert des Wärmestromverhältnisses α = f ( ∑ xi<br />

) unstetig. Es<br />

gibt somit Irreversibilitätselemente xi, die bei ihrem Verschwinden (oder ihrer Reduktion) das<br />

Wärmestromverhältnis stark ( ≈ günstig) oder wenig stark ( ≈ ungünstig) oder gar nicht ( ≈ sehr<br />

ungünstig) absenken. Die Wirksamkeit des einzelnen leistungsabhängigen Irreversibilitätselementes<br />

xi auch auf die Prozesseffizienz ist somit quantifizierbar.<br />

In Abb. 7 sind die „Charakteristischen Geraden“ nach Gl. (8b) des betrachteten GT-Prozesses<br />

für unterschiedliche Druckverhältnisse ( π = 5;<br />

7,5;...... . ; 18)<br />

angegeben. Ob sich hieraus für die<br />

praktische Prozessanalyse ein nützliches Hilfsmittel ergeben könnte, muss zum jetzigen<br />

Zeitpunkt offen bleiben.<br />

„<strong>Der</strong> <strong>Thermodynamische</strong> <strong>Vergleichsprozess</strong>“ von U. Franke 10<br />

1


0,6 η th/α<br />

0,5<br />

0,4<br />

0,3<br />

0,2<br />

�<br />

��<br />

��<br />

�<br />

p Turb=5 / 6 / 7,5 / 10 / 15 / 18 bar<br />

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10<br />

7,5<br />

15<br />

ΣX i=max<br />

��<br />

�<br />

��<br />

�<br />

6<br />

18<br />

5<br />

ΣX i<br />

0 0,1 0,2 0,3 0,4 0,5<br />

Abb. 7 „Charakteristische Gerade“ bei Variation des GT-Druckverhältnisses<br />

5.2 Testschaltung: Einfacher Dampfkraftprozess<br />

Ein einfacher Dampfkraftprozess wird als weiteres Beispiel in gleicher Weise wie der GT-<br />

Prozess behandelt. Die Schaltung mit den Hauptprozessdaten ist in Abb. 8 dargestellt.<br />

ϑ max<br />

p max<br />

.<br />

S irr,1<br />

Δp<br />

.<br />

S irr,4<br />

m D<br />

η SR<br />

m E<br />

Daten: ϑmax=500°C;<br />

p max=80 bar; p E=1/10/30<br />

bar;<br />

p =0,05 bar; η =0,85; η =1 (gesetzt); Δp=10<br />

bar;<br />

min sT sP<br />

.<br />

p E<br />

.<br />

.<br />

S irr,2<br />

.<br />

S irr,3<br />

η SR<br />

p min<br />

Abb. 8 Schaltung des einfachen Dampfkraftprozesses<br />

Vier Irreversibilitätsquellen sind im System ausgewiesen, angezeigt durch die Entropieerzeugungsströme<br />

S&<br />

irr,<br />

1 bis S&<br />

irr,4 . <strong>Der</strong> Mischprozess im Speisewasserbehälter erfolgt isobar<br />

beim Entnahmedruck pE; damit ist eine Irreversibilitätsquelle 2. Art angesprochen.<br />

„<strong>Der</strong> <strong>Thermodynamische</strong> <strong>Vergleichsprozess</strong>“ von U. Franke 11


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Variiert wird der Entnahmedruck von pE=1 bar bis pE=30 bar. Die resultierende Entnahmedampfmenge<br />

m& wird hievon stark beeinflusst, siehe Abb. 9. Weiterhin ist die Entwicklung<br />

E<br />

des effizienzabhängigen Gütegrades gE nach Gl. (3) angegeben, der sich bei dieser Variation<br />

nur geringfügig ändert. <strong>Der</strong> leistungsabhängige Gütegrad gL nach Gl. (6) entspricht identisch<br />

gE, da bei der hier betrachteten Parametervariation das Wärmestromverhältnis α konstant den<br />

Wert 1 annimmt, siehe auch Gl. (8a).<br />

1<br />

0,8<br />

g E, α<br />

α=1 (durchgängig )<br />

g E<br />

. .<br />

mE/mD m E/m D<br />

� � � �<br />

�<br />

g L=1/α * g E<br />

Druck im Speisewasserbehälter<br />

pE (bar)<br />

0,6<br />

0 10 20 30<br />

Abb. 9 Die Gütegrade des Dampfkraftprozesses<br />

Für die drei ausgewählten Entnahmedrücke pE werden nun in Abb. 10 <strong>und</strong> Abb. 11 die<br />

beiden Irreversibilitätsprofile, gebildet aus den effizienzbezogenen Irreversibilitätselementen<br />

Bi <strong>und</strong> den leistungsbezogenen Irreversibilitätselementen xi, angegeben. Auf eine vertiefte<br />

Interpretation der grafisch dargestellten Ergebnisse wird auch hier verzichtet. Dass in Abb. 10<br />

das Irreversibilitätselement B4 infolge der Entropieerzeugung im Speisewasservorwärmer<br />

(= Mischvorwärmer) mit steigendem Entnahmedruck ansteigt, entspricht der Erwartung.<br />

Ein korrespondierendes leistungsbezogenes Irreversibilitätselement x4 existiert nicht, da sich<br />

im Mischvorwärmer die Arbeitskoordinate p des Arbeitsprozesses nicht verändert.<br />

(Die Größe der Irreversibilitätselemente x2* <strong>und</strong> x3* (irreversible Expansion in den beiden<br />

Teilturbinen) ist, wie in Abb. 11 vermerkt, auf die unterschiedliche Expansion der beiden<br />

Teilströmen ( m& E von pEintritt bis pE <strong>und</strong> ( D E m m &<br />

Systematik gemäß Abschnitt 4 entspricht. Somit korrespondiert nur die Summe der<br />

Irreversibilitätselemente (B2 + B3) mit der Summe der Irreversibilitätselemente (x2* + x3*.))<br />

0,3<br />

0,25<br />

0,2<br />

0,15<br />

0,1<br />

0,05<br />

& − ) von pEintritt bis pmin) aufgeteilt, da dies der<br />

„<strong>Der</strong> <strong>Thermodynamische</strong> <strong>Vergleichsprozess</strong>“ von U. Franke 12<br />

0


0,06<br />

0,04<br />

0,02<br />

0<br />

Druck im Speisewasserbehälter:<br />

p E= 1 bar; η th=0,371; A=0,442<br />

p E=10 bar; η th=0,377; A=0,466<br />

p E=30 bar; η th=0,367; A=0,476<br />

1 10 30<br />

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B1 B2 B3 B4<br />

Abb. 10 Effizienzbezogenes Irreversibilitätsprofil für den Dampfkraftprozess<br />

0,15<br />

0,1<br />

0,05<br />

0<br />

Druck im Speisewasserbehälter:<br />

p E=1 / 10 / 30 bar<br />

1<br />

10 30<br />

.<br />

Expansion<br />

von mE auf pE Expansion . . v on<br />

(mD-mE) auf pmin X4<br />

liefert keinen Beitrag zur<br />

Leistungsminderung<br />

X1 X2* X3* X4<br />

Abb. 11 Leistungsbezogenes Irreversibilitätsprofil für den Dampfkraftprozess<br />

Nach Abschnitt 4 (Unterpunkt 4.) muss der <strong>Thermodynamische</strong> <strong>Vergleichsprozess</strong> die<br />

Stoffströme des realen Prozesses, also auch den Stoffstrom m& E , identisch übernehmen.<br />

Würde diese Vorgabe konsequent umgesetzt, so hätte dies zur Folge, dass im <strong>Vergleichsprozess</strong><br />

das Speisewasser am Austritt des Speisewasserbehälters (Stelle x nach Abb. 8)<br />

unterkühlt ist (h‹h′). In diesem Fall ist Gl. (7) ohne Einschränkung erfüllt: PV * = PV<br />

. <strong>Der</strong><br />

Mischprozess im Speisewasserbehälter liefert jedoch aus Gleichgewichtsgründen am<br />

Speisewasseraustritt den Sattwasserzustand (h=h′). Dies erfordert einen erhöhten Entnahmestrom:<br />

m& E,<br />

V ≥ m&<br />

E!<br />

In Abb. 12 ist die erforderliche Anpassung im T,s-Diagramm für<br />

die in der Schaltung nach Abb. 8 eingetragenen Zustandspunkte x <strong>und</strong> y angegeben: <strong>Der</strong><br />

Zustandsverlauf muss durch Anpassung von x*→y* (Vergleichprozess A) nach x→y<br />

(<strong>Vergleichsprozess</strong> B) „verschoben“ werden. Dies hat natürlich eine geänderte Leistungseinbuße<br />

zur Folge: YA≥YB. In Abb. 11 wird die Differenz (YA-YB) dem allein betroffenen<br />

leistungsbezogenen Irreversibilitätselement x3* zugeordnet; das Irreversibilitätselement wird<br />

entsprechend verkleinert. <strong>Der</strong>artige Feinanpassungen des <strong>Thermodynamische</strong>n <strong>Vergleichsprozess</strong>es<br />

sind aus Prozesssicht ggf. sinnvoll <strong>und</strong> gr<strong>und</strong>sätzlich objektivierbar; sie sind mit der<br />

Systematik des <strong>Thermodynamische</strong>n <strong>Vergleichsprozess</strong>es vereinbar.<br />

„<strong>Der</strong> <strong>Thermodynamische</strong> <strong>Vergleichsprozess</strong>“ von U. Franke 13


T<br />

y<br />

y*<br />

x<br />

x*<br />

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(Siedelinie, x=0)<br />

p max<br />

pE pmin Abb. 12 Zur Feinanpassung des <strong>Thermodynamische</strong>n <strong>Vergleichsprozess</strong>es<br />

6. Zusammenfassung<br />

Über die im System auftretenden Einzelirreversibilitäten werden die zugeordneten Auswirkungen<br />

auf die Effizienz <strong>und</strong> insbesondere auch auf die Nettoleistung eines Arbeitsprozesses<br />

aufgezeigt, worauf der Schwerpunkt dieser Ausarbeitung liegt.<br />

Irreversibilitätsquellen der 1. Art reduzieren die abgebbare Leistung P des realen Prozesses.<br />

Die anteilige Leistungseinbuße Yi=ΔPi ist mit der Entropieerzeugung im realen Prozess wie<br />

folgt verknüpft:<br />

T s<br />

~<br />

y = Y / m&<br />

= ⋅ .<br />

i<br />

i<br />

mittel,<br />

i<br />

Die Temperatur T mittel,<br />

i<br />

~<br />

wird als „Wirktemperatur“ bezeichnet <strong>und</strong> ergibt sich ebenfalls<br />

eindeutig aus den thermodynamischen Daten des realen Prozesses.<br />

∑<br />

Die Leistungseinbuße = i erfordert einen Bezugspunkt, der im <strong>Thermodynamische</strong>n<br />

<strong>Vergleichsprozess</strong> mit der Leistung<br />

Y Y<br />

Struktur, Randbedingungen <strong>und</strong> Prozessdaten eindeutig (wenn auch indirekt) über den<br />

Realprozess festgelegt sind, ist somit keine willkürliche Setzung. Dies rechtfertigt die<br />

Bezeichnung: <strong>Thermodynamische</strong>r <strong>Vergleichsprozess</strong>.<br />

irr,<br />

i<br />

s<br />

PV ≥ P gef<strong>und</strong>en wird. Dieser <strong>Vergleichsprozess</strong>, dessen<br />

Wie der so gef<strong>und</strong>ene <strong>Vergleichsprozess</strong> im einzelnen widerspruchsfrei ausgestaltet sein<br />

muss, wird allgemein dargelegt <strong>und</strong> an Beispielen aufgezeigt.<br />

Die aus den Einzelanteilen der Leistungseinbuße gebildeten leistungsbezogenen Irreversibilitätselemente<br />

x i = Yi<br />

/ PV<br />

liefern ein eigenständiges (im Balkendiagramm visualisierbares)<br />

Irreversibilitätsprofil. Dieses kann Ausgangspunkt einer leistungsbezogenen<br />

Prozessoptimierung sein. Wie hier vorzugehen ist, wäre noch zu konkretisieren. In [3] werden<br />

„<strong>Der</strong> <strong>Thermodynamische</strong> <strong>Vergleichsprozess</strong>“ von U. Franke 14


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übertragbare Hinweise am Beispiel der Effizienzoptimierung über die effizienzbezogenen<br />

Irreversibilitätselemente Bi angegeben.<br />

Literaturverzeichnis<br />

[1] Franke, U.: <strong>Thermodynamische</strong> Prozessanalyse. Shaker Verlag, Aachen 2004<br />

[2] Franke, U.: Die effizienz- <strong>und</strong> leistungsbezogene Prozessanalyse als<br />

Ingenieurhilfsmittel. BWK 48 (1996) Nr. 6<br />

[3] Franke, U.: Zur thermodynamischen Prozessoptimierung. BWK 50 (1998) Nr. 1/2<br />

Hinweise, Anregungen, Kritik, Fragen an den Verfasser?<br />

Bitte Feedback an: ulrich.franke@fh-flensburg.de<br />

Ein nützlicher Hinweis vom großen Arthur Schopenhauer: „Was uns unumgänglich zu lächerlichen<br />

Personen macht, ist der Ernst, mit dem wir die jeweilige Gegenwart behandeln, die einen nothwendigen<br />

Schein von Wichtigkeit an sich trägt. Wohl nur wenige große Geister sind darüber hinweggekommen<br />

<strong>und</strong> aus lächerlichen zu lachenden Personen geworden.“<br />

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