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«Man muss die Kamera rechtzeitig ausschalten» - eBook.de

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Reportage<br />

Text: Benjamin Gygax – Fotos: Keystone<br />

Die Kunst<br />

<strong>de</strong>s Weglassens<br />

Martin suter hat sich mit seinen Kolumnen, Theaterstücken, Drehbüchern und<br />

romanen eine grosse und treue Leserschaft erschrieben. Wo liegen <strong>die</strong> ursachen<br />

seines aussergewöhnlichen erfolgs?<br />

«Es gibt Leute, <strong>die</strong> können tun, was sie<br />

wollen, es sieht immer richtig aus. Geri<br />

Weibel ist nicht einer von ihnen.» So stellt<br />

uns Martin Suter <strong>die</strong> Hauptfigur seiner<br />

berühmten Kolumne «richtig leben mit<br />

Geri Weibel» im NZZ Folio vor. Der Autor<br />

selber scheint aber eher zu <strong>de</strong>nen zu<br />

gehören, <strong>die</strong> immer nur das Richtige tun.<br />

Wie <strong>die</strong> Geri-Weibel-Kolumne wur<strong>de</strong> auch<br />

Suters «Business Class», <strong>die</strong> er ab 1992<br />

während 12 Jahren für <strong>die</strong> Weltwoche verfasste,<br />

eifrig gelesen und diskutiert. Der<br />

Zürcher, <strong>de</strong>r heute auf Ibiza und in Guatemala<br />

lebt, schrieb zu<strong>de</strong>m Reportagen für<br />

GEO, verfasste Drehbücher fürs Fernsehen,<br />

Stücke fürs Theater und veröffentlichte inzwischen<br />

mit «Allmen und <strong>die</strong> Libellen»<br />

seinen achten Roman. Kurz: Martin Suter<br />

ist unglaublich produktiv und ungemein<br />

erfolgreich. Was er auch anpackt, scheint<br />

ihm zu gelingen – und er packt viel an. Wie<br />

kommt es, dass sich <strong>de</strong>r Autor eine so treue<br />

und begeisterte Fangemein<strong>de</strong> schaffen<br />

konnte? Was steckt hinter <strong>de</strong>m Phänomen<br />

Martin Suter?<br />

Auf <strong>de</strong>n punkt gebracht<br />

«Als Konrad Lang zurückkam, stand alles<br />

in Flammen, ausser das Holz im Kamin.»<br />

Mit <strong>die</strong>ser folgenschweren Episo<strong>de</strong> eröffnet<br />

Martin Suter seinen ersten Roman<br />

«small World» und illustriert gleichzeitig<br />

<strong>de</strong>ssen thematischen Hintergrund – Alzheimer.<br />

Seine Romanfigur Lang hatte Scheite<br />

im Kamin aufgeschichtet, «aber dann<br />

<strong>de</strong>n Stoss neben <strong>de</strong>m Kamin in Brand gesetzt».<br />

Dem Autor Suter passiert ein solches<br />

Missgeschick nie. Zielgerichtet treibt<br />

er <strong>die</strong> Handlung voran, und effektvoll sind<br />

seine Beschreibungen: Es brennt das, was<br />

brennen soll. Ein Leser kommentiert auf<br />

<strong>de</strong>r Website <strong>de</strong>s «Tages-Anzeigers»: «Seine<br />

wun<strong>de</strong>rvollen, bildhaften Sätze bringen<br />

Menschen und Situationen so treffend auf<br />

<strong>de</strong>n Punkt, dass es gar keine langatmigen<br />

Beschreibungen braucht.» Roman Bucheli,<br />

Feuilleton-Redaktor <strong>de</strong>r «Neuen Zürcher<br />

Zeitung» und renommierter Literatur-<br />

Kritiker, schreibt <strong>die</strong>se Fähigkeit Martin<br />

Suters beruflicher Herkunft zu: «Er kommt<br />

von <strong>de</strong>r Werbesprache und vom Drehbuchschreiben<br />

her – er weiss mit Sprache und<br />

ihren dramaturgischen Mitteln umzugehen.»<br />

Tatsächlich arbeitete Martin Suter<br />

zunächst als Werbetexter und wur<strong>de</strong> schon<br />

mit 26 Jahren «Creative Director» <strong>de</strong>r renommierten<br />

Werbeagentur GGK. Danach<br />

grün<strong>de</strong>te er seine eigene Agentur und präsi<strong>die</strong>rte<br />

auch einmal <strong>de</strong>n «Art Directors<br />

Club» <strong>de</strong>r Schweiz. Werber suchen laufend<br />

nach einem Bild o<strong>de</strong>r einigen Worten, <strong>die</strong><br />

eine kurze und einprägsame Geschichte<br />

erzählen. Es ist <strong>die</strong>se Fähigkeit, <strong>die</strong> nach<br />

Buchelis Ansicht auch <strong>de</strong>n Erfolg <strong>de</strong>s<br />

Schriftstellers begrün<strong>de</strong>t: «Suter arbeitet<br />

mit jenen Mechanismen, <strong>die</strong> ihm aus <strong>de</strong>r<br />

Werbesprache vertraut sind. Ich glaube<br />

nicht, dass jemand, <strong>de</strong>r in <strong>die</strong>ser Art mit<br />

Sprache umzugehen gelernt hat, allein <strong>de</strong>swegen<br />

schlechtere Literatur schreibt. Ganz<br />

im Gegenteil: Wenn jemand ein solches<br />

Sprachsensorium entwickelt hat und das<br />

für seine Bücher nutzbar macht, sollten wir<br />

dafür dankbar sein – <strong>de</strong>nn gna<strong>de</strong> uns Gott<br />

vor langweiliger Unterhaltungsliteratur!»<br />

Was Martin Suter<br />

auch anpackt, scheint<br />

ihm zu gelingen –<br />

und er packt viel an.<br />

Wie ein Film gebaut<br />

Kurzweilig ist nicht nur Suters Sprache,<br />

auch seine Themen und seine Dramaturgie<br />

sind es. Ob Alzheimer, Hochfinanz, ayurvedische<br />

Küche o<strong>de</strong>r Literaturzirkus, «Martin<br />

Suter berührt <strong>die</strong> Menschen <strong>de</strong>shalb,<br />

weil er <strong>die</strong> richtigen Themen setzt und daraus<br />

spannen<strong>de</strong> Geschichten mit Zeitbezug<br />

zu entwickeln versteht», schrieb ein Leser<br />

als Kommentar auf <strong>de</strong>r Website <strong>de</strong>r «Zeit».<br />

Oft beginnen seine Romane mit dramatischen<br />

Wen<strong>de</strong>punkten. «Ein harter Schlag<br />

traf seine Brust. Im Fallen hörte er ein<br />

dumpfes Plopp und spürte einen Schmerz<br />

am Hinterkopf.» So en<strong>de</strong>t das erste kurze<br />

Kapitel von «Allmen und <strong>die</strong> Libellen»<br />

– und damit sind wir schon mitten in <strong>de</strong>r<br />

Handlung. Suter arbeitet gern und oft mit<br />

Rückblen<strong>de</strong>n und unterhält seine Leserinnen<br />

und Leser mit unerwarteten Wendungen.<br />

Roman Bucheli fin<strong>de</strong>t: «Er ist ein<br />

Virtuose im Bearbeiten seiner Stoffe – und<br />

das ist kein Kin<strong>de</strong>rspiel. Er hat gelernt, wie<br />

man einen Stoff bearbeitet und aufglie<strong>de</strong>rt.<br />

Wie man mit harten Schnitten immer wie<strong>de</strong>r<br />

<strong>die</strong> Szene abbricht, ganz woan<strong>de</strong>rs einsetzt<br />

und dann wie<strong>de</strong>r zurückkommt.» Wie<br />

in <strong>de</strong>r Struktur eines Films glie<strong>de</strong>rt Suter<br />

seine Romane in kurze Kapitel und been<strong>de</strong>t<br />

<strong>die</strong>se oft mit einem Cliffhanger – das<br />

Allmen: Schnüffler<br />

wi<strong>de</strong>r Willen<br />

Reportage<br />

bgy. Johann Friedrich von Allmen verbrachte<br />

seine Jugend in einem englischen Internat.<br />

Dort ent<strong>de</strong>ckte <strong>de</strong>r Jugendliche seine Begabung<br />

als Dandy und erlernte <strong>die</strong> Kunst <strong>de</strong>s<br />

kultivierten Schul<strong>de</strong>nmachens. Diese betreibt<br />

<strong>de</strong>r Lebemann und Feingeist seither mit grossem<br />

Erfolg. Das Familienvermögen, das sein<br />

Vater mit Landspekulation angehäuft hatte, ist<br />

auf ein Gärtnerhaus, einen Flügel und einige<br />

Kunstgegenstän<strong>de</strong> zusammengeschrumpft.<br />

Allmen lebt auf <strong>de</strong>m Existenzminimum – zählt<br />

allerdings seinen Butler Carlos und ein Opernhaus-Abonnement<br />

dazu. Als <strong>de</strong>m Schöngeist<br />

das Wasser <strong>de</strong>finitiv am Hals steht, versucht er<br />

wi<strong>de</strong>rwillig, frem<strong>de</strong> Antiquitäten zu verkaufen.<br />

Dazu gehören auch <strong>die</strong> ebenso zarten wie teuren<br />

Jugendstil-Schalen mit Libellen-Motiven<br />

<strong>de</strong>s berühmten Gallé. Sie bringen ihn und sein<br />

Faktotum Carlos auf eine Geschäftsi<strong>de</strong>e: eine<br />

Firma zur Wie<strong>de</strong>rbeschaffung schöner Dinge.<br />

Wie <strong>de</strong>r Privat<strong>de</strong>tektiv Sam Spa<strong>de</strong> in Dashiell<br />

Hammetts «Der Malteser Falke» jagt Allmen<br />

verlorenen Kunstgegenstän<strong>de</strong>n nach. Allmen<br />

ist zwar alles an<strong>de</strong>re als ein hartgesottener<br />

Ermittler mit locker sitzen<strong>de</strong>m Revolver, <strong>de</strong>r<br />

heftig Prügel austeilen und einstecken kann;<br />

als ihm <strong>de</strong>r ungehobelte Gläubiger Dörig im<br />

eigentlichen Wortsinn auf <strong>die</strong> Zehen steigt, ist<br />

das für Allmens Geschmack mehr als genug<br />

Gewalt. Aber alle an<strong>de</strong>ren Ingre<strong>die</strong>nzien <strong>de</strong>s<br />

Film noir sind da: <strong>die</strong> Femme fatale, <strong>de</strong>r reiche<br />

Industrielle mit dunklem Geheimnis sowie ein<br />

Protagonist, <strong>de</strong>r es mit richtig und falsch nicht<br />

immer so genau nimmt.<br />

Allmen und<br />

<strong>die</strong> Libellen<br />

194 seiten<br />

TOp-preIs: CHF 27.90<br />

Diogenes<br />

Weitere geplante Allmen-Krimis:<br />

Allmen und <strong>de</strong>r rosa Diamant<br />

Allmen und <strong>die</strong> Delfinsuite<br />

10 – books – März 2011<br />

books – März 2011 – 11

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