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«Man muss die Kamera rechtzeitig ausschalten» - eBook.de

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Notizen<br />

Der Zürcher Rotpunktverlag wur<strong>de</strong> einst gegrün<strong>de</strong>t, um «<strong>die</strong> Herausgabe und Verbreitung<br />

sozialistischer Literatur zu för<strong>de</strong>rn». Seine erste Publikation war eine Sammlung<br />

von Re<strong>de</strong>n Fi<strong>de</strong>l Castros. Dieser Hintergrund könnte <strong>de</strong>n einen o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren lei<strong>de</strong>nschaftlichen<br />

Wan<strong>de</strong>rer überraschen – <strong>de</strong>nn heute ist <strong>de</strong>r Rotpunktverlag auch berühmt<br />

für seine hervorragen<strong>de</strong>n, tiefschürfen<strong>de</strong>n Wan<strong>de</strong>rführer. Ein beson<strong>de</strong>rs geglückter<br />

Band ist «Wan<strong>de</strong>rn wie gemalt». ruth Michel richter und Konrad richter präsentieren<br />

14 Touren zu jenen schönen Orten im Berner Oberland, <strong>die</strong> auf berühmten<br />

Landschaftsgemäl<strong>de</strong>n dargestellt wur<strong>de</strong>n. Die bei<strong>de</strong>n Autoren schöpfen das Thema<br />

auf vielfältige Weise aus, verweben Landschaftsbetrachtungen mit Künstlerbiografien,<br />

Kultur mit Freizeitvergnügen, Service<br />

mit Didaktik. Wir erfahren, warum Paul<br />

Klees blaue Berge so dreieckig sind, was<br />

Poetischer Realismus ist und wo es sich<br />

auf <strong>de</strong>n Spuren von Ferdinand Hodler<br />

vortrefflich rasten lässt. Wen es nach <strong>de</strong>m<br />

ersten Durchblättern <strong>de</strong>s dicht bepackten<br />

Buchs nicht reizt, sofort <strong>die</strong> Wan<strong>de</strong>rschuhe<br />

zu schnüren, ist wahrlich ein Stubenhocker.<br />

Maximilien <strong>de</strong> Meuron, Le grand Eiger vu <strong>de</strong> la Wengern Alp,<br />

1822/23, Musée d’art et d’histoire<br />

Notizen<br />

Vor zwei Jahren starb <strong>de</strong>r Pulitzer-Preisträger John updike im Alter von 77<br />

Jahren. Jetzt ist das letzte neue Buch von ihm erschienen: «Die Tränen meines<br />

Vaters». Es han<strong>de</strong>lt sich um eine Sammlung von 18 späten Erzählungen, <strong>die</strong><br />

fast alle aus Sicht <strong>de</strong>s altern<strong>de</strong>n Mannes geschrieben sind. Manche davon sind<br />

schwermütig – etwa jene, in welcher <strong>de</strong>r Ich-Erzähler auf <strong>de</strong>r Klassenzusammenkunft<br />

einer längst vergessenen Liebe begegnet. Manche sind mitreissend,<br />

zum Beispiel «Spielarten religiöser Erfahrung»: Updike beleuchtet darin <strong>die</strong><br />

Katastrophe <strong>de</strong>s 11. September 2001 aus <strong>de</strong>r Perspektive verschie<strong>de</strong>ner Beteiligter.<br />

Wir wer<strong>de</strong>n Zeuge, wie ein Angestellter, <strong>de</strong>r in einer <strong>de</strong>r oberen Etagen<br />

<strong>de</strong>s World Tra<strong>de</strong> Center gefangen ist, ein letztes Telefongespräch mit seiner<br />

Frau führt und ihr seine Liebe erklärt. Wie Updike <strong>die</strong>se Situation beschreibt,<br />

ohne in Kitsch zu verfallen, verrät seine Meisterschaft. Überhaupt ist <strong>die</strong>se letzte<br />

neue Publikation von Updike ein würdiger Abschluss seines Werks; es steckt<br />

voller kleiner Weisheiten, <strong>die</strong> ganz beiläufig vermittelt wer<strong>de</strong>n. Auch wenn<br />

einige Geschichten einen Hauch von Humor aufweisen,<br />

bleibt <strong>de</strong>r Ton grundsätzlich aber düster: Hier bedauert<br />

einer, dass sich sein Leben <strong>de</strong>m En<strong>de</strong> zuneigt. «Ich<br />

<strong>muss</strong>te alt wer<strong>de</strong>n, um zu erkennen, dass <strong>die</strong> Welt für<br />

<strong>die</strong> Jungen da ist», heisst es in <strong>de</strong>r letzten Erzählung<br />

<strong>die</strong>ses Vermächtnisses.<br />

1994 veröffentlichte <strong>de</strong>r französische<br />

Computerfachmann Michel<br />

Houellebecq seinen ersten Roman,<br />

«Ausweitung <strong>de</strong>r Kampfzone». Das<br />

Buch über das langweilige Leben<br />

zweier Programmierer machte<br />

seinen Autor auf einen Schlag berühmt.<br />

Noch erfolgreicher war das<br />

Folgewerk «Elementarteilchen»;<br />

allein in Frankreich verkaufte es<br />

sich 300’000 Mal, und es löste<br />

wie alle Bücher <strong>de</strong>s Franzosen eine<br />

heftige Polemik über seine stets<br />

provozieren<strong>de</strong>n Thesen aus. Seither<br />

gilt Houellebecq als böser Junge <strong>de</strong>r<br />

französischen Literaturszene. Manche<br />

Kritiker sind ihm in <strong>de</strong>n letzten<br />

Jahren gar ausgesprochen aggressiv<br />

begegnet. Doch siehe da: Versöhnung<br />

ist möglich. Für seinen neuesten<br />

Roman «Karte und Gebiet»<br />

erhielt Houellebecq <strong>de</strong>n bekanntesten<br />

französischen Literaturpreis,<br />

<strong>de</strong>n Prix Goncourt. Der «vollen<strong>de</strong>te<br />

Geniestreich von überraschen<strong>de</strong>r<br />

Zartheit», wie ein Kritiker schrieb,<br />

erzählt <strong>die</strong> Geschichte <strong>de</strong>s erfolgreichen<br />

Künstlers Jed Martin. Diese<br />

fiktive Figur malt im Jahr 2035 das<br />

Porträt eines Schriftstellers – Michel<br />

Houellebecq. Im Roman wird <strong>de</strong>r<br />

umstrittene Autor auf bestialische<br />

Weise ermor<strong>de</strong>t. Er ist übrigens<br />

nicht <strong>die</strong> einzige real existieren<strong>de</strong><br />

Person, <strong>die</strong> im Buch auftaucht;<br />

Houellebecq führt seine Freun<strong>de</strong><br />

und Fein<strong>de</strong> leibhaftig vor. Es geht<br />

um <strong>die</strong> ganz grossen Themen Liebe,<br />

Leben und Tod, aber auch um Entfremdung<br />

und Deka<strong>de</strong>nz. Behan<strong>de</strong>lt<br />

wird <strong>die</strong>ser Strauss von Ernsthaftigkeiten<br />

auf überraschend humorvolle<br />

Weise. «Karte und Gebiet» beweist,<br />

was Fans schon lange<br />

wussten: Houellebecq<br />

ist mehr als das Enfant<br />

terrible <strong>de</strong>s Literaturbetriebs.<br />

Geht es Ihnen auch so? Manchmal<br />

beschleicht einen nach einem<br />

Tag am Computer das leise<br />

Gefühl, doch «nichts Rechtes»<br />

gemacht zu haben. Man hat sich<br />

durch Hun<strong>de</strong>rte von Seiten geklickt,<br />

Dutzen<strong>de</strong> von E-Mails<br />

beantwortet, Bil<strong>de</strong>r vom Netz<br />

gela<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r Informationen zusammengetragen<br />

– aber irgendwie scheint das alles<br />

keinen festen Bo<strong>de</strong>n zu haben. Ähnliche<br />

Gefühle scheint auch Carsten Görig zu<br />

kennen. In seiner klugen Analyse «Gemeinsam<br />

einsam» beschreibt er, wie <strong>die</strong> Internet-Revolution<br />

unser Denken und Leben<br />

verän<strong>de</strong>rt hat: Wir arbeiten zwar schneller,<br />

aber viel unkonzentrierter, oberflächlicher<br />

und ungenauer als früher. Wissen wird zunehmend<br />

in unendlich viele kleine Häppchen<br />

aufgespalten, <strong>die</strong> <strong>de</strong>n Blick aufs grosse<br />

Ganze versperren. Wenige Firmen bestimmen<br />

immer <strong>de</strong>taillierter, was gut für uns ist.<br />

Die Privatsphäre geht flöten – wussten Sie,<br />

dass Apple je<strong>de</strong>rzeit Programme auf Ihrem<br />

iPhone löschen kann? –, und <strong>die</strong> Beziehungen<br />

wer<strong>de</strong>n eindimensional: Wir plappern<br />

nur noch miteinan<strong>de</strong>r. In seinem Buch zeigt<br />

Carsten Görig, wie Facebook, Google,<br />

Twitter und Apple entstan<strong>de</strong>n sind, welche<br />

Macht sie heute über uns haben und wie sie<br />

uns manipulieren. Dabei bleibt er immer<br />

sachlich. Der Autor steht <strong>de</strong>r Entwicklung<br />

zwar kritisch, aber am En<strong>de</strong> ausgesprochen<br />

nüchtern gegenüber: Beeinflussen kann man<br />

sie kaum noch, ist er überzeugt.<br />

Die Bis(s)-Romane von Stephenie Meyer<br />

haben einer alten Schreckgestalt wie<strong>de</strong>r<br />

neues Leben eingehaucht: <strong>de</strong>m Vampir. Woher<br />

kommt eigentlich <strong>die</strong>ser Mythos? Was<br />

macht ihn so aufregend, ja gera<strong>de</strong>zu sexy?<br />

Welche To<strong>de</strong>ssehnsucht verbirgt sich hinter<br />

<strong>de</strong>m Erfolg <strong>de</strong>r Figur? Immer kompetente<br />

und oft vergnügliche Antworten auf <strong>die</strong>se<br />

und überhaupt alle Fragen, <strong>die</strong> man bezüglich<br />

Vampiren stellen kann, liefert <strong>de</strong>r<br />

400-seitige Wälzer «Vampirismus». Autor<br />

Norbert Borrmann, ein Kunsthistoriker<br />

ohne aka<strong>de</strong>mischen Dünkel, hat bereits ein<br />

lesenswertes Buch über <strong>de</strong>n Frankenstein-<br />

Mythos sowie das tolle «Lexikon <strong>de</strong>s Verbrechens»<br />

verfasst. Er beherrscht<br />

sein Thema – und<br />

macht mit <strong>de</strong>m frisch aufgelegten<br />

Standardwerk klar,<br />

warum <strong>de</strong>r Vampir einfach<br />

nicht totzukriegen ist.<br />

Seit einiger Zeit kann in Zürich eine be<strong>de</strong>nkliche Entwicklung beobachtet<br />

wer<strong>de</strong>n: Villen wer<strong>de</strong>n abgerissen, um Platz zu machen für klobige<br />

Luxus-Mehrfamilienhäuser. Dabei wer<strong>de</strong>n meistens prächtige Gärten<br />

zerstört. Auf <strong>die</strong>se Weise könnte <strong>de</strong>r parkähnliche Charakter ganzer<br />

Quartiere verloren gehen. Was durch <strong>die</strong> maximale Ausnutzung <strong>de</strong>s<br />

wertvollen Bo<strong>de</strong>ns bedroht wird, zeigt eine prunkvolle Neuerscheinung:<br />

«Die geheimen Gärten von Zürich», ein Bildband mit klugen Texten<br />

<strong>de</strong>s Journalisten Andreas Honegger und schönen Bil<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>s Fotografen Gaston<br />

Wicky. Gezeigt wer<strong>de</strong>n aber nicht ausschliesslich Villengärten vom Zürichberg, son<strong>de</strong>rn<br />

auch versteckte Refugien in <strong>de</strong>r Altstadt o<strong>de</strong>r repräsentative Anlagen in einer Gemein<strong>de</strong><br />

an <strong>de</strong>r «Goldküste» – einfach alles, was <strong>de</strong>n Autoren gefiel. Allen Gärten ist gemein, dass<br />

sie privat und ungeheuer einla<strong>de</strong>nd sind. Man versteht je<strong>de</strong>nfalls sofort, warum Zürich<br />

als Stadt mit einer unschlagbaren<br />

Lebensqualität gilt. Wer<br />

nicht selber über eine solche<br />

Oase verfügt, hat jetzt endlich<br />

Gelegenheit, atemberauben<strong>de</strong>,<br />

charmante, verwunschene<br />

o<strong>de</strong>r idyllische Anlagen aus<br />

<strong>de</strong>r Nähe zu bestaunen. Am 7.<br />

April 2011 wird das Buch übrigens<br />

im Orell Füssli Kramhof<br />

präsentiert – ab 18.30 Uhr.<br />

VOM WILDEN<br />

UND VOM<br />

ZAHMEN LEBEN<br />

Roman<br />

gebun<strong>de</strong>n, 288 Seiten<br />

ISBN 978-3-0369-5600-8<br />

Nach Emmas Glück brilliert<br />

<strong>die</strong> Bestseller-Autorin<br />

Claudia Schreiber wie<strong>de</strong>r mit<br />

einem Roman, <strong>de</strong>r vor<br />

Lebenslust nur so strotzt.<br />

KEIN & ABER<br />

4 – books – März 2011 books – März 2011 – 5<br />

Foto: Anita Affentranger

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