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AUFSATZ<br />

AUFSATZ ZIVILRECHT · DER AUSSCHLUSS DER LEISTUNGSPFLICHT NACH § 275 BGB<br />

rend einer bestimmten Zeitspanne. 6 Eine solche Beschränkung kann<br />

ausdrücklich vereinbart werden oder sich aus den Umständen des<br />

Einzelfalles ableiten. 7<br />

Die objektive und subjektive Unmöglichkeit nach § 275 I<br />

BGB wird auch als „echte“ Unmöglichkeit bezeichnet. 8 Blickt<br />

man auf den Entstehungsgrund, dann lassen sich <strong>weiter</strong>e Differenzierungen<br />

vornehmen und zwischen der naturgesetzlichen<br />

(physischen) Unmöglichkeit und der rechtlichen (juristischen)<br />

Unmöglichkeit unterscheiden.<br />

Bei der naturgesetzlichen (physischen) Unmöglichkeit gibt<br />

es den Gegenstand nicht, auf den sich die Leistungspflicht des<br />

Schuldners bezieht, weil er vernichtet wurde (der verkaufte<br />

Pkw verbrennt), weil es ihn nie gegeben hat (die Forderung,<br />

deren Abtretung geschuldet wird, ist nicht entstanden) oder<br />

weil aus naturgesetzlichen Gründen die versprochene Leistung<br />

nicht erbracht werden kann (Verpflichtung zum Einsatz<br />

übernatürlicher magischer oder parapsychologischer Kräfte<br />

und Fähigkeiten zum Erreichen eines bestimmten Zieles 9 ).<br />

Von einer rechtlichen (juristischen) Unmöglichkeit spricht<br />

man, wenn die Vornahme der versprochenen Leistung verboten<br />

ist 10 oder aus rechtlichen Gründen scheitert (z.B. Verpflichtung<br />

zur Bestellung eines vererblichen Nießbrauchs entgegen<br />

§ 1061 BGB 11 ).<br />

Ein Fall naturgesetzlicher Unmöglichkeit ergibt sich auch<br />

in den Fällen des sog Zweckfortfalls, in denen der Leistungserfolg<br />

wegen Wegfalls des Leistungssubstrats oder wegen eines<br />

unüberwindbaren Leistungshindernisses im Bereich des<br />

Gläubigers dauernd unmöglich ist. 12<br />

Beispiele: Das vom Schuldner anzustreichende Haus brennt vor<br />

Beginn der Arbeiten ab. Vor Beginn der gebuchten Reise stirbt der<br />

Gläubiger.<br />

Tritt der geschuldete Leistungserfolg unabhängig von den<br />

Leistungshandlungen des Schuldners ein, dann spricht man<br />

von einer Zweckerreichung.<br />

Beispiel: Das vom Schuldner frei zu schleppende Schiff wird durch<br />

eine Welle wieder freigesetzt, bevor der Schuldner mit seinem<br />

Schlepper eintrifft.<br />

Zwar ist bei der Zweckerreichung die Leistungshandlung des<br />

Schuldners, im Beispielsfall das Schleppen des Schiffes, <strong>weiter</strong>hin<br />

möglich, sie ist aber sinnlos, weil der Vertragszweck<br />

darin besteht, dass gestrandete Schiff wieder frei zu bekommen.<br />

Deshalb ist auch in diesem Fall Unmöglichkeit anzunehmen.<br />

13<br />

Dagegen ist § 275 I BGB bei einer Störung des Verwendungszweckes<br />

(Zweckvereitelung), bei der aufgrund besonderer<br />

Umstände der Gläubiger das Interesse an der Leistung<br />

verliert,<br />

Beispiel: Das Fußballspiel fällt aus, sodass der Fanclub auf die geplante<br />

und bereits vertraglich vereinbarte Busreise zum Spielort verzichtet.<br />

nicht anzuwenden. 14 Denn das Verwendungsrisiko trägt<br />

grundsätzlich der Gläubiger. Zu erwägen ist allenfalls, ob die<br />

veränderten Umstände zu einem Wegfall der Geschäftsgrundlage<br />

führen können. 15<br />

Für die Frage nach der Unmöglichkeit der Leistung ist es<br />

unerheblich, in welchem Zeitpunkt die Unmöglichkeit eintritt.<br />

Diese Unterscheidung ist jedoch für einen Anspruch auf<br />

802<br />

11/2011<br />

Schadensersatz bedeutsam (vgl. § 311 a II BGB zum einen,<br />

§§ 280 ff. BGB zum anderen). Deshalb wird der nachträglichen<br />

Unmöglichkeit die anfängliche (ursprüngliche) Unmöglichkeit<br />

gegenübergestellt, wobei den entscheidenden Zeitpunkt<br />

die Begründung des Schuldverhältnisses bildet.<br />

Beispiele: Der verkaufte Pkw verbrennt nach Abschluss des Kaufvertrages<br />

oder wird zu dieser Zeit gestohlen (Fall einer nachträglichen<br />

Unmöglichkeit).<br />

Volz verkauft seinen Pkw an Kunz, ohne zu wissen, dass der Wagen<br />

in der vorigen Nacht verbrannt oder gestohlen worden ist (Fall einer<br />

anfänglichen Unmöglichkeit).<br />

Ebenso tritt die Unmöglichkeit unabhängig davon ein, ob der<br />

Schuldner das Ereignis, das zur Unmöglichkeit führt, zu vertreten<br />

hat. Die Verantwortlichkeit des Schuldners für das Leistungshindernis<br />

ist vornehmlich für einen Anspruch auf Schadensersatz<br />

gegen ihn bedeutsam (vgl. aber auch § 275 II 2<br />

BGB).<br />

II. Faktische und persönliche Unmöglichkeit<br />

Eine faktische Unmöglichkeit, 16 die auch als praktische 17 oder<br />

normative 18 Unmöglichkeit bezeichnet wird, tritt ein, wenn<br />

zwar die Erbringung der Leistung nicht schlechthin ausgeschlossen<br />

ist, aber derartige Maßnahmen erfordert, die außerhalb<br />

jeder Vernunft liegen.<br />

Beispiel: V verkauft K eine Maschine, die mit dem Schiff über das<br />

Meer transportiert wird. Das Schiff geht unter. Es ist zwar technisch<br />

möglich, die Maschine zu bergen, aber die dabei entstehenden<br />

Kosten sind so hoch, dass kein vernünftiger Mensch auf diesen<br />

Gedanken verfällt.<br />

Nach der Gesetzesbegründung 19 soll die faktische Unmöglichkeit<br />

von der Regelung des § 275 II BGB erfasst werden.<br />

Beschränkt man jedoch die faktische Unmöglichkeit auf Tatbestände,<br />

in denen die Leistungserbringung außerhalb jeder<br />

Vernunft liegt, dann ist es nicht verständlich, warum dem<br />

Schuldner ein Leistungsverweigerungsrecht eingeräumt wird,<br />

das er mit einer Einrede geltend machen muss. Dies macht nur<br />

einen Sinn, wenn es Gründe geben kann, die den Schuldner<br />

veranlassen können, trotz der erschwerten Bedingungen die<br />

Leistung zu erbringen. Auf diese Frage wird noch zurückzukommen<br />

sein.<br />

In Fällen, in denen der Schuldner verpflichtet ist, die ihm<br />

obliegende Verbindlichkeit selbst zu erfüllen, in denen es sich<br />

6 Vgl. Canaris (Fn. 5) S. 194 f.; MüKo-BGB/Emmerich (Fn. 2) § 243 Rn. 11.<br />

7 Vgl. Musielak Grundkurs BGB, 12. Aufl. 2011, Rn. 415.<br />

8 Looschelders Schuldrecht Allgemeiner Teil, 7. Aufl. 2009, Rn. 456.<br />

9 BGH NJW 2011, 756 (757 Tz. 10); Fehre (Fn. 2) S. 29.<br />

10 Häufig wird der zugrunde liegende Vertrag bereits nach § 134 BGB nichtig sein.<br />

11 Medicus/Lorenz Schuldrecht I, 18. Aufl. 2008, Rn. 415; vgl. auch BGH NJW 1986,<br />

1605 (Unmöglichkeit der Bestellung eines Erbbaurechts entgegen der Regelung im<br />

Bebauungsplan).<br />

12 Fehre (Fn. 2) S. 74; Looschelders (Fn. 8) Rn. 458; PWW/Schmidt-Kessel (Fn. 2)<br />

Rn. 11.<br />

13 Eidenmüller Jura 2001, 824 (827); MüKo-BGB/Ernst (Fn. 2) Rn. 152; Palandt/<br />

Grüneberg BGB, 70. Aufl. 2011, § 275 Rn. 18.<br />

14 Looschelders (Fn. 8) Rn. 461; MüKo-BGB/Ernst (Fn. 2) Rn. 160.<br />

15 So z.B. in dem Fall, dass der Karnevalszug wegen eines plötzlich eintretenden<br />

Hindernisses umgeleitet wird und deshalb die Betrachtung des Zuges aus dem zu<br />

diesem Zweck gemieteten Fenster nicht möglich ist; vgl. dazu Fehre (Fn. 2) S. 75 ff.;<br />

Musielak (Fn. 7) Rn. 357 ff.<br />

16 Fikentscher/Heinemann Schuldrecht, 10. Aufl. 2006, Rn. 396.<br />

17 Looschelders (Fn. 8) Rn. 474.<br />

18 Schlüter ZGS 2003, 346 (348); Medicus/Lorenz (Fn. 11) Rn. 423.<br />

19 Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts, BT-<br />

Drucks. 14/6040, S. 129 f.

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