22.01.2013 Aufrufe

Lesen Sie hier weiter - Ja-Aktuell

Lesen Sie hier weiter - Ja-Aktuell

Lesen Sie hier weiter - Ja-Aktuell

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

AUFSATZ<br />

AUFSATZ ZIVILRECHT · DER AUSSCHLUSS DER LEISTUNGSPFLICHT NACH § 275 BGB<br />

führt, dass mit der Einhaltung dieses Zeitpunkts das Geschäft<br />

„stehen und fallen“ soll.<br />

Beispiel: Rasch, der am 20.07. eine aus zwingenden Gründen terminlich<br />

nicht zu verschiebende Urlaubsreise nach Italien antreten<br />

möchte, will für diesen Zweck ein neues Auto erwerben. Er begibt<br />

sich deshalb zum Autohändler Handel und erklärt diesem, dass er<br />

einen bestimmten Wagentyp als Neuwagen kaufen möchte, dass<br />

aber in jedem Fall wegen seiner Urlaubspläne das Fahrzeug spätestens<br />

am 19.07. geliefert werden müsste. Dies verspricht Handel.<br />

Anfang Juli kommt es zu einem Brand im Herstellerwerk, der dazu<br />

führt, dass sich alle Liefertermine um drei Wochen verschieben. Dies<br />

teilt Handel Rasch mit und sagt ihm Lieferung des Wagens zum<br />

10.08. verbindlich zu. Rasch fragt, ob er sich vom Vertrag mit Handel<br />

lösen könnte. Zwar ist die Leistung nicht unmöglich, wenn sie nicht<br />

zum vereinbarten Termin erbracht wird, aber der 19.07. war für<br />

Rasch als Liefertermin so wichtig, dass er erkennbar den Fortbestand<br />

seines Leistungsinteresses an die Einhaltung dieses Termins gebunden<br />

hat.<br />

Bei einem relativen Fixgeschäft tritt keine Unmöglichkeit ein,<br />

denn die Leistung, im Beispiel die Lieferung des PKW, ist<br />

durchaus auch noch später möglich, sodass es dem Interesse<br />

des Gläubigers nicht zwangsläufig entsprechen muss, die primäre<br />

Leistungspflicht des Schuldners nach § 275 I BGB entfallen<br />

zu lassen. Vielmehr muss es in einem solchen Fall dem<br />

Gläubiger überlassen bleiben, ob er die Leistung des Schuldners<br />

zu einem späteren Zeitpunkt noch annehmen will. Nach<br />

§ 323 I i.V.m. II Nr. 2 BGB ist der Gläubiger ohne Fristsetzung<br />

zum Rücktritt vom Vertrag berechtigt. Im Beispielsfall<br />

kann folglich Rasch vom Kaufvertrag mit Handel zurücktreten,<br />

und zwar bereits Anfang Juli, da bereits zu diesem Termin<br />

feststeht, dass Handel die vereinbarte Leistungszeit nicht einhalten<br />

kann (§ 323 IV BGB).<br />

Die Frage, ob eine vorübergehende Unmöglichkeit der endgültigen<br />

gleichzustellen ist, kann sich auch außerhalb von Fixgeschäften<br />

stellen. Dabei ist von dem Grundsatz auszugehen,<br />

dass ein vorübergehendes Leistungshindernis zur endgültigen<br />

Unmöglichkeit der Leistung führt, wenn durch das Hindernis<br />

die Erreichung des Vertragszwecks infrage gestellt wird und<br />

deshalb einem Vertragspartner bei billiger Abwägung der beiderseitigen<br />

Interessen nicht zugemutet werden kann, die Leistung<br />

nach Beseitigung des Hindernisses noch zu fordern oder<br />

zu erbringen. 35<br />

Beispiel: Textilgroßhändler Groß vereinbart mit dem Fabrikanten<br />

Fertig, dass dieser ihm Anfang November 500 Damen-Sommerkleider<br />

verschiedener Modelle liefert. Ende Oktober teilt Fertig dem Groß<br />

mit, dass er leider den vereinbarten Liefertermin nicht einhalten<br />

könne, weil infolge einer Unvorsichtigkeit seines Lagerarbeiters die<br />

für die Herstellung benötigten Stoffe verdorben seien und er erst<br />

neue ordern müsse. Er hoffe aber, die Lieferung bis Ende <strong>Ja</strong>nuar<br />

nachholen zu können. Darauf erwidert Groß, Ende <strong>Ja</strong>nuar sei zu<br />

spät, zumal noch nicht einmal feststehe, ob dieser Termin auch<br />

eingehalten werden könne. Bekanntlich würde im Textilgroßhandel<br />

das Sommergeschäft bis etwa Mitte <strong>Ja</strong>nuar im Wesentlichen abgewickelt<br />

sein und er – Groß – müsse jetzt wissen, ob und wann er an<br />

seine Kunden liefern könne. Aus diesen Gründen lehne er die Lieferung<br />

zu einem späteren Zeitpunkt ab.<br />

Bei den bestellten Kleidern handelt es sich um saisonale Waren, für<br />

deren Veräußerung nur eine relativ kurze Zeit zur Verfügung steht.<br />

Danach kann die Ware zumindest nicht mehr zu gleichen Vertragsbedingungen<br />

insbesondere nicht zum gleichen Preis abgesetzt werden.<br />

Der Vertragszweck, der darin besteht, Groß mit Waren zu ver-<br />

804<br />

11/2011<br />

sehen, die er Einzelhändlern rechtzeitig, d.h. zum Beginn der Saison,<br />

anbieten kann, ist Ende <strong>Ja</strong>nuar nicht mehr zu erreichen, weil dieser<br />

Termin zu spät ist. Hinzu kommt noch, dass sogar ungewiss ist, ob<br />

überhaupt zu diesem Termin geliefert werden kann. Ein Abwarten<br />

bis zu dem Zeitpunkt, in dem Fertig zur Lieferung der bestellten<br />

Kleider in der Lage ist, kann Groß nicht zugemutet werden. Deshalb<br />

führt das vorübergehende Unvermögen des Fertig, die vertraglich<br />

vereinbarte Leistung zu erbringen, zur endgültigen Unmöglichkeit.<br />

Damit erlischt die primäre Leistungspflicht des Fertig nach § 275 I<br />

BGB. Ein Rücktrittsrecht des Groß ergibt sich somit aus § 326 V<br />

i.V.m. § 323 BGB. 36<br />

Auch auf Seiten des Gläubigers können sich Hindernisse ergeben,<br />

die es dem leistungsbereiten Schuldner unmöglich machen,<br />

die von ihm geschuldete Leistung zu erbringen, wie dies<br />

z.B. bei einer fehlenden Baugenehmigung der Fall ist, die der<br />

Bauausführung entgegensteht. Auch in einem solchen Fall ist<br />

danach zu fragen, ob dem Schuldner ein <strong>weiter</strong>es Warten auf<br />

die Beseitigung des Leistungshindernisses zugemutet werden<br />

kann. Dies ist zu verneinen, wenn es dem Schuldner darauf<br />

ankommt, seine Leistung innerhalb einer bestimmten Zeit zu<br />

erbringen. Im Beispielsfall der fehlenden Baugenehmigung<br />

kann dies durchaus zutreffen, wenn der Bauhandwerker zu<br />

einem späteren Zeitpunkt seine Arbeitskraft bereits durch<br />

andere Verpflichtungen gebunden hat. Dann spielt das Zeitmoment<br />

für die Erreichung des Vertragszwecks die entscheidende<br />

Rolle und führt dazu, dass ein vorübergehendes Leistungshindernis<br />

die Unmöglichkeit der Leistung des Schuldners<br />

bewirkt. 37<br />

C. ABGRENZUNGSFRAGEN<br />

I. Subjektive und faktische Unmöglichkeit<br />

Bei der Frage, ob ein Unvermögen des Schuldners zur Leistung<br />

zu bejahen ist, muss der Inhalt der Schuld beachtet<br />

werden. Es kommt entscheidend darauf an, welche Leistung<br />

der Schuldner versprochen hat. 38 Dies gilt nicht nur im Rahmen<br />

des § 275 II BGB, in dem ausdrücklich auf den Inhalt des<br />

Schuldverhältnisses hingewiesen und der vom Schuldner zu<br />

verlangende Aufwand zur Erbringung der Leistung in Beziehung<br />

zu der übernommenen Vertragspflicht gesetzt wird, 39<br />

sondern muss in gleicher Weise bei Beantwortung der Frage<br />

beachtet werden, welche Anstrengungen der Schuldner zur<br />

Herstellung seiner Leistungsfähigkeit zu unternehmen hat,<br />

um ein Unvermögen zur Leistung zu vermeiden oder zu<br />

beheben. Im Falle eines marktbezogenen (unbeschränkten)<br />

Gattungskaufs verspricht der Schuldner regelmäßig – vor-<br />

35 BGH NJW 2007, 3777 (3778 f. Tz. 24); OLG Karlsruhe NJW 2005, 989 (990);<br />

Medicus FS Heldrich, 2005, S. 347 (351); Dauner-Lieb/Konzen/Karsten Schmidt/<br />

Maier-Reimer Das neue Schuldrecht in der Praxis, 2003, S. 305; Palandt/Grüneberg<br />

(Fn. 13) Rn. 11; Looschelders (Fn. 8) Rn. 470; a.A. Arnold JZ 2002, 866, der die<br />

Folgen der vorübergehenden Unmöglichkeit nach den Regeln des Verzuges entscheiden<br />

und die Fälle, in denen einer Partei das Festhalten am Vertrag nicht<br />

zugemutet werden kann, auf der Grundlage des § 313 BGB lösen will; ablehnend<br />

gegenüber der Anwendung des § 313 BGB Staudinger/Löwisch/Caspers BGB, 2009,<br />

§ 275 Rn. 52.<br />

36 Vgl. zu diesen Fall auch Musielak (Fn. 7) Rn. 440.<br />

37 Auch andere Faktoren können für den Schuldner die Leistungserbringung unzumutbar<br />

werden lassen, so z.B. seine möglicherweise kostenintensive Erhaltung<br />

der Leistungsbereitschaft bis zum Wegfall des Leistungshindernisses; Medicus (Fn.<br />

35) S. 355.<br />

38 Lobinger (Fn. 22) S. 139 ff.; Unberath Die Vertragsverletzung, 2007, S. 273; Bernhard<br />

Jura 2006, 801 (806 f.); Staudinger/Löwisch/Caspers (Fn. 35) Rn. 82.<br />

39 Auch die Gesetzesbegründung BT-Drucks. 14/6040, S. 127 betont die Bedeutung<br />

der vertraglichen Vereinbarung für die vom Schuldner zu fordernden Anstrengungen,<br />

will jedoch offensichtlich Konsequenzen daraus nur für die Regelung des § 275<br />

II BGB ziehen.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!