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1 Ethnisierungsprozesse re-visited: Die Relevanz der Kategorie ...

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ge dieser Besch<strong>re</strong>ibungen ist dabei eine angenommene strikte T<strong>re</strong>nnung <strong>der</strong> Lebenswelt in ein<br />

Innen und ein Außen, wobei die Innenwelt, symbolisiert durch das Haus, dem weiblichen Teil<br />

zugeschrieben wird. Auch das Migrantinnenleben in <strong>der</strong> Bundes<strong>re</strong>publik wird, unabhängig<br />

davon ob Frauen zum Zwecke einer Arbeitsaufnahme in die Bundes<strong>re</strong>publik ge<strong>re</strong>ist o<strong>der</strong> im<br />

Rahmen <strong>der</strong> Familienzusammenführung nachgezogen wa<strong>re</strong>n, zunehmend als das Leben von<br />

Hausfrauen angesehen. Obwohl Mitte <strong>der</strong> 70er Jah<strong>re</strong> über 40% <strong>der</strong> Migrantinnen offiziell<br />

einer Erwerbstätigkeit nachgehen und von einer großen Anzahl nicht offiziell <strong>re</strong>gistrierter<br />

Tätigkeiten auszugehen ist, wird Nichterwebstätigkeit und Hausfrauendasein in <strong>der</strong> Folgezeit<br />

als die dominante Lebensform von Migrantinnen dargestellt 33 , aus <strong>der</strong> sich die weite<strong>re</strong>n Thematisierungen<br />

ableiten. <strong>Die</strong> Lebenssituation <strong>der</strong> Frauen sei eine doppelt isolie<strong>re</strong>nde, die durch<br />

die ihnen ablehnend gegenüberstehende, f<strong>re</strong>mde Umwelt entstehe; primär sei sie jedoch geprägt<br />

von <strong>der</strong> Macht männlicher Migranten, die ih<strong>re</strong> Frauen nicht nur kaufen können 34 , son<strong>der</strong>n<br />

auch das Recht haben, diese in <strong>der</strong> Emigration zu isolie<strong>re</strong>n, um sie dem Sog des Aufnahmelandes<br />

mit seinen Verführungen zu entziehen. Aus dem Gefangenensein in hierarchischen<br />

Geschlechterbeziehungen wird eine ohnmächtige Situation konstruiert 35 , <strong>der</strong> die<br />

Migrantinnen ohne f<strong>re</strong>mde Hilfe - nämlich <strong>der</strong>jenigen von (weiblichen) Angehörigen des<br />

Aufnahmelandes - nicht entkommen können.<br />

Durch den Topos Kulturdiffe<strong>re</strong>nz als allgemeiner Erklärungsbasis mangeln<strong>der</strong> sowie möglicher<br />

sozialer Integration erhält die Thematisierung des Geschlechterverhältnisses auch in den<br />

Diskussionen um die Annahme eines in den Migrantenkin<strong>der</strong>n entstehenden Kulturkonfliktes<br />

einen wichtigen Stellenwert. Bei den Kin<strong>der</strong>n und Jugendlichen wird eine kultu<strong>re</strong>lle Isolation<br />

konstatiert und als Ursache de<strong>re</strong>n starke Familienzentriertheit angesehen und problematisiert<br />

36 . Wäh<strong>re</strong>nd in den 70er Jah<strong>re</strong>n die Integrationsprobleme <strong>der</strong> jungen Einwande<strong>re</strong>rgeneration<br />

als Sprach-Defizite in Verknüpfung mit sozialen Schwierigkeiten identifiziert wurden,<br />

erfolgt nun die Ablösung dieser Erklärungsmodelle durch die Kulturdiffe<strong>re</strong>nz-These, in de<strong>re</strong>n<br />

Mittelpunkt wie<strong>der</strong>um die <strong>Kategorie</strong> Geschlecht steht. Mit <strong>der</strong> Setzung <strong>der</strong> strikten geschlechtsspezifischen<br />

Rollenteilung wird eine st<strong>re</strong>ng auf geschlechtsspezifische hierarchische<br />

Unterschiede ausgerichtete Erziehung <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> festgestellt, die den Jungen eine dominante<br />

und den Mädchen eine niedrige Stellung zuweist. In einem Großteil <strong>der</strong> Texte findet sich die<br />

Vorstellung, daß bei den Mädchen die moralische Erziehung im Vor<strong>der</strong>grund stehe, die sie<br />

auf ein Leben als Hausfrau und Mutter vorbe<strong>re</strong>ite; dabei würden sie - wenn notwendig mit<br />

Gewalt - zu Gehorsam, Respekt und Achtung gegenüber Männern und älte<strong>re</strong>n Brü<strong>der</strong>n erzogen<br />

37 . Im Gegensatz zu den 70er Jah<strong>re</strong>n, in denen <strong>der</strong> Migrantin noch die Aufgabe <strong>der</strong> Schaffung<br />

und Verkörperung von Heimat in <strong>der</strong> F<strong>re</strong>mde zugewiesen, und damit ih<strong>re</strong> Rolle als die<br />

Bewah<strong>re</strong>rin von Traditionen identifiziert wurde, gilt sie nun als Ad<strong>re</strong>ssatin einer staatlichen,<br />

33<br />

Brandt 1977; Mehrlän<strong>der</strong> 1981.<br />

34<br />

Durch den Buchtitel '<strong>Die</strong> verkauften Bräute', von dem be<strong>re</strong>its in den ersten 5 Monaten des Jah<strong>re</strong>s 1978 über<br />

10.000 Exempla<strong>re</strong> verkauft wurden, etablierte sich die Vorstellung, daß Frauen in <strong>der</strong> Türkei "als halbe Kin<strong>der</strong><br />

in die Ehe verkauft wurden", wobei "<strong>der</strong> Ehemann gegen den Brautp<strong>re</strong>is die unbedingte Unterwerfung<br />

seiner Frau erwarb" und somit "die meisten Frauen gar nicht gefragt wurden, ob sie nach Deutschland auswan<strong>der</strong>n<br />

wollen" - so Susanne v. Paczensky im Vorwort Baumgartner-Karabak u. Landesberger 1978:9.<br />

35<br />

Über ein Viertel <strong>der</strong> in den Jah<strong>re</strong>n 1975 bis 1980 auffindba<strong>re</strong>n Texte thematisie<strong>re</strong>n Probleme von Migrantinnen.<br />

36<br />

Schra<strong>der</strong> u.a. 1979.<br />

37<br />

Scheinhardt 1980, Ingenhoven 1983, Kiper 1987, Mün<strong>der</strong> 1985, Rosen u. Stüwe. 1985.<br />

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