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Die Welt wird Stadt - SUR Kultur

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Performance statt Pershing?<br />

Politische Kunst im Superwahljahr<br />

Von Valérie Hammerbacher<br />

Wie wollen Sonne statt Reagan! 1982. Joseph Beuys. <strong>Die</strong> ARD-<br />

Musiksendung Bananas. Während im Vordergrund der Bühne<br />

Fragmente der Bap-Besetzung stoisch den Takt geben, skandiert<br />

Joseph Beuys in holprigen Reimen gegen die Rüstungspolitik der<br />

USA. Nicht nur als singende soziale Plastik setzte der Total-Künstler<br />

Maßstäbe. In seinen Performances machte er eine neue Gattung<br />

der zeitgenössischen Kunst berühmt: den künstlerischen Aktivismus.<br />

Im Superwahljahr 2009 thematisieren nun drei Ausstellungen<br />

in Stuttgart und Karlsruhe die Allianz zwischen Agitation und Ästhetik<br />

– und müssen sich an der Kompromisslosigkeit des Filzhutträgers<br />

messen lassen.<br />

Um in der Nancyhalle, dem Veranstaltungsraum des Karlsruher<br />

Kongresszentrums, ausstellen zu dürfen, muss man mehr zu bieten<br />

haben als Arbeiten zum Thema Macht, Merkel oder Reichensteuer.<br />

Wer im Projekt „Superwahlheimat“ präsentiert <strong>wird</strong>, hat bereits die<br />

Kalt-Akquise um die Gunst des Wählers hinter sich. <strong>Die</strong> Initiatoren<br />

der Staatlichen Hochschule für Gestaltung und des Zentrums<br />

für Kunst und Medientechnologie machten ernst mit der Forderung<br />

20<br />

nach Radikaldemokratie und ersetzten den Kurator durch die Stimme<br />

des Volkes. Im Klartext: Knapp 30 Künstler-Kandidaten traten<br />

im Wahlkampf gegeneinander an, entwickelten Slogans, Kampagnen<br />

und Plakate und buhlten in den Fußgängerzonen der Region<br />

um jede Stimme. Gewählt wurde per E-Mail oder SMS. 20 Kunst-<br />

Parlamentarier zeigen nun Videos, Fotografie, Filme und Installationen.<br />

Darunter das Künstlerkollektiv Pixeldemo, das den Straßenkampf<br />

ins Internet verlegt und Daniel Schludi, der die Aktenarchive<br />

und die Büros des Bundesverfassungsgerichts fotografierte.<br />

Er zeigt die Maschinerie der Rechtssprechung abseits der medial<br />

bekannten Gerichtssäle.<br />

Freunde, das Haus gehört euch!<br />

Während in Karlsruhe das Polit-Casting im Vordergrund steht, spüren<br />

in der Ausstellung „Come in, friends, the house is yours“ im<br />

Stuttgarter Künstlerhaus acht Künstler subtil den Fragen politischer<br />

Partizipation, Macht und Gemeinschaftsbildung nach. Das großformatige<br />

Wandstück des Israelis Dani Gal zeigt eine Sammlung von<br />

Vinyl-Schallplatten. Mai ‚68 steht in Rot auf einem Plattencover.<br />

Etwas weiter rechts blicken sich Charles und Diana verliebt in die<br />

Augen. Daneben stehen Originalaufnahmen der Nürnberger Prozesse,<br />

flankiert von Reden Richard Nixons und Nelson Mandelas.<br />

Im „Record Archive“ treffen Tonaufnahmen von Golda Meir auf<br />

Reportagen über Mutter Theresa oder die Einheitspolitik von Alt-<br />

Kanzler Helmut Kohl. Noch bevor Guido Knopp, dienstältester<br />

TV-Historiker, mit DVDs über die Zeitgeschichte berichtete, wurden<br />

Tondokumente, teils für den Wahlkampf und politische Propaganda,<br />

teils für den demokratischen Aufbau der Bundesrepublik<br />

hergestellt – in Dani Gals Sammlung werden sie als Kaleidoskop<br />

der <strong>Welt</strong>geschichte präsentiert.<br />

Weitere Höhepunkte der Ausstellung sind die Arbeiten von Ruth<br />

Ewan und Edgar Arceneaux. Buttons, Fotografien und Songtexte<br />

dokumentieren das Projekt der britischen Künstlerin: Während einer<br />

Woche spielten 100 Straßenmusiker das Stück „Ballad of Accounting“,<br />

das der Folksänger und Dichter Ewan MacColl 1964<br />

komponierte. Der Soundtrack des britischen Agitprop wurde zur<br />

musikalischen Kulisse der Londoner Innenstadt. Arceneaux be-<br />

21

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