Lebenslange Sorge - Lebenshilfe Esslingen
Lebenslange Sorge - Lebenshilfe Esslingen
Lebenslange Sorge - Lebenshilfe Esslingen
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Ausgabe 01/2012<br />
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Das aktuelle Magazin der <strong>Lebenshilfe</strong> <strong>Esslingen</strong> e.V.<br />
Nachrichten<br />
Seite 5
2<br />
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Inhalt
INHALT 3<br />
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EINFÜHRUNG 04 Editorial<br />
.........................................................................................................................<br />
TITELTHEMA 05
4 EDITORIAL<br />
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Liebe Mitglieder, Freunde und Förderer der <strong>Lebenshilfe</strong>,<br />
Menschen mit schweren und mehrfachen Behinderungen und ihre Angehörigen<br />
stehen täglich neu vor großen Herausforderungen. Der Alltag<br />
ist nie einfach, vieles muss bedacht werden, meist muss sich die ganze<br />
Familie auf das schwer mehrfach behinderte Familienmitglied einstellen<br />
und viele für andere selbstverständliche Aktivitäten sind nicht möglich.<br />
So sind diese Familien besonders großen Belastungen ausgesetzt – auch,<br />
weil zuweilen geeignete Hilfs- und Unterstützungsangebote fehlen oder<br />
erst mühsam erkämpft werden müssen. Die <strong>Lebenshilfe</strong> <strong>Esslingen</strong> hat<br />
ihre Angebote für schwer mehrfach behinderte Menschen in den letzten<br />
Jahren ausgebaut. Doch vieles ist noch zu tun.<br />
In diesen „<strong>Lebenshilfe</strong>-Nachrichten“ stellen wir die Situation und die<br />
Nöte von Familien mit schwer mehrfach behinderten Angehörigen in den<br />
Mittelpunkt. Eltern schildern ihren Alltag und die Probleme, die dieser mit<br />
sich bringt. Dass diese vor mehr als 5
TITELTHEMA 5<br />
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Alltagsprobleme relativieren sich<br />
Elisas Familie meistert das Leben mit einem schwerst mehrfach behinderten<br />
Kind – Ohne Unterstützung geht das nicht<br />
Text: Caroline Habrik, Vorstandsmitglied<br />
Unsere Familie besteht aus vier<br />
Kindern im Alter von zwei bis<br />
sieben Jahren und uns Eltern.<br />
Wir haben drei Töchter und einen<br />
Sohn. Unsere älteste Tochter<br />
Elisa ist sieben Jahre alt und<br />
schwer mehrfach behindert. Sie<br />
hat einen seltenen Gendefekt,<br />
mehrere kleinere Herzfehler,<br />
Epilepsie aufgrund einer Hirnfehlbildung,<br />
Muskelschwäche<br />
und damit eine ausgeprägte<br />
Entwicklungsstörung. Sie hat<br />
den Entwicklungsstand eines ca.<br />
drei Monate alten Säuglings. Sie<br />
kann nicht kauen und schlucken<br />
und daher eine Magensonde. Sie<br />
kann nicht frei sitzen, nicht krabbeln,<br />
nicht laufen. Sie lacht und<br />
spricht nicht und hat auch kein<br />
Sprachverständnis. Im vergangenen<br />
Jahr hat sie eine starke<br />
Spastik entwickelt, die sie in<br />
ihren Bewegungen einschränkt<br />
und es ihr unmöglich macht die<br />
Arme auszustrecken, nach Gegenständen<br />
zu greifen und sich<br />
selber zu beschäftigen.<br />
Nachts benötigt Elisa zeitweise<br />
Sauerstoff. Sie ist daher jede<br />
Nacht an ein Überwachungsgerät<br />
angeschlossen, das eventuell<br />
Alarm schlägt. Angeblich sieht<br />
Elisa nur 10 – 20 %, aber wenn<br />
Elisa mit ihren Geschwistern<br />
sie etwas interessiert, verfolgt<br />
sie es mit den Augen. So ist sie<br />
meist aufmerksam und neugierig,<br />
was ihre drei jüngeren,<br />
gesunden Geschwister machen.<br />
Elisa geht im zweiten Jahr in die<br />
Rohräckerschule, Bereich Mehrfachbehinderung.<br />
Dort erhält<br />
sie eine auf sie zugeschnittene<br />
Förderung unter anderem mit<br />
Krankengymnastik, Ergotherapie<br />
und basaler Stimulation.<br />
Dadurch reduzieren sich die<br />
Therapietermine, die ich mit ihr<br />
nachmittags wahrnehmen muss.<br />
Einmal wöchentlich bekommt<br />
Elisa zu Hause Krankengymnastik<br />
und einmal in der Woche gehe<br />
ich mit ihr zu einer Logopädin.<br />
Da unsere drei anderen Kinder<br />
jünger als Elisa sind und in der<br />
gleichen Kindergarteneinrichtung<br />
betreut werden, bleiben mir die<br />
Vormittage für Einkauf, Haushalt<br />
u.ä. - wenn nicht gerade Ferien<br />
sind oder eines der Kinder krank<br />
ist.<br />
Auch haben die anderen Kinder<br />
bisher nur wenige Freizeittermine.<br />
Es ist jedoch abzusehen,<br />
dass sobald sie älter werden,
6<br />
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weitere Termine wie Fußball,<br />
Turnverein, Chor oder Musikunterricht<br />
dazukommen werden.<br />
Wir haben das große Glück, dass<br />
meine Schwiegereltern ebenfalls<br />
in <strong>Esslingen</strong> wohnen und uns<br />
tatkräftig unterstützen. Auch<br />
sind unsere Kinder an Babysitter<br />
gewöhnt, die regelmäßig<br />
nachmittags kommen und sich<br />
sowohl um Elisa als auch um die<br />
Geschwister kümmern.<br />
So lassen sich die Therapietermine<br />
von Elisa, die Freizeitbeschäftigungen<br />
der Geschwisterkinder,<br />
Kindergeburtstage u.ä.<br />
und auch meine Termine organisieren.<br />
Aufgrund der Belastungen<br />
versuchen wir als Eltern ganz<br />
bewusst Freiräume für die<br />
gesunden Kinder zu schaffen.<br />
Wir haben damit begonnen, Elisa<br />
einmal im Monat für ein Wochenende<br />
in eine Kurzzeitunterbringung<br />
zu geben. Auch fahren<br />
wir einmal im Jahr für ca. zehn<br />
Tage ohne Elisa mit den anderen<br />
Kindern in Urlaub. Dies muss<br />
rechtzeitig geplant werden, da<br />
die Plätze in einer Kurzzeitunterbringung<br />
sehr begrenzt und<br />
vor allem in den Ferienzeiten ein<br />
Jahr im Voraus bereits ausgebucht<br />
sind. Bedauerlich ist, dass<br />
es im Landkreis <strong>Esslingen</strong> keine<br />
Kurzzeitpflege für Kinder gibt.<br />
Bereits die Suche nach einer geeigneten<br />
Tagesbetreuung in den<br />
Ferien ist nicht einfach. Elisa<br />
darf nur über die Magensonde<br />
ernährt werden und es kann<br />
sein, dass sie einen epileptischen<br />
Anfall bekommt. Das passiert<br />
zwar nur selten, aber nicht jeder<br />
traut sich daher die Betreuung<br />
von Elisa zu. Auch kann Elisa<br />
weder basteln, noch malen oder<br />
etwas selber gestalten. Man<br />
kann sie lediglich am Leben und<br />
„Treiben“ der anderen Kinder<br />
teilnehmen lassen, indem man<br />
sie in ihrer Sitzschale dazu stellt.<br />
Man kann mit ihr spazieren gehen<br />
oder ihr etwas vorsingen.<br />
Elisa liebt es, bei anderen Kindern<br />
zu sein und Körperkontakt<br />
zu haben. Wenn es ihr gefällt,<br />
ist sie aufmerksam und ruhig,<br />
missfällt ihr etwas , dann beginnt<br />
sie zu jammern. Es braucht<br />
jedoch Zeit, bis man ihre Mimik<br />
und auch ihr Jammern richtig<br />
„interpretieren“ kann.<br />
Insgesamt unterscheidet sich<br />
unser Familienalltag vermutlich<br />
bereits durch vermehrte Arztbesuche<br />
und Therapietermine von<br />
anderen Familien. Doch es gibt<br />
auch Zeiten, in denen es kaum<br />
möglich ist, einen geregelten und<br />
„normalen“ Familienalltag zu leben.<br />
Elisas Konstitution bringt es<br />
mit sich, dass harmlose Infekte<br />
bei ihr zu starken gesundheitlichen<br />
Beeinträchtigungen führen<br />
können und sie häufiger statio-<br />
när in der Klinik aufgenommen<br />
werden musste. 2007 war sie im<br />
Sommer für zwölf Wochen und<br />
2011 insgesamt sogar fast 29<br />
Wochen im Krankenhaus.<br />
Als Mutter würde man sich in<br />
diesen anstrengenden Lebensphasen<br />
gerne „teilen“. Da das<br />
nicht funktioniert, hat man immer<br />
ein schlechtes Gewissen – egal<br />
für wen man gerade Zeit findet.<br />
Natürlich ist das Leben mit einem<br />
schwer mehrfach behinderten<br />
Kind zeitweise anstrengend<br />
Die jüngere Schwester kümmert sich liebevoll um Elisa<br />
und noch weniger planbar. Man<br />
kommt an Grenzen der Belastbarkeit<br />
und der eigenen Kräfte.<br />
Aber es gibt auch die positiven<br />
Seiten: Wir sind dankbar für<br />
unsere drei gesunden Kinder,<br />
die relativ selbständig sind, sich<br />
schnell an neue Situationen und<br />
Menschen gewöhnen und für die<br />
behinderte Menschen „normal“<br />
sind.<br />
Manches „Problem“ im Alltag<br />
relativiert sich und man kann<br />
einige Dinge gelassener angehen<br />
als andere Eltern.
TITELTHEMA 7<br />
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Spontane Aktivitäten sind unmöglich<br />
Das Leben mit einem schwerst mehrfach behinderten Erwachsenen<br />
fordert viel Kraft - Der Tagesablauf ist ganz auf Ines eingestellt<br />
Text: Waltraud Breuning<br />
Unsere Tochter Ines ist 29 Jahre<br />
alt und leidet seit ihrer Geburt an<br />
sogenannter Spastischer Tetraplegie.<br />
Sie kann nicht sprechen,<br />
sitzen oder stehen, sondern nur<br />
auf dem Boden robben. Sie muss<br />
gefüttert, gewaschen und gewickelt<br />
werden. Trotzdem nimmt<br />
sie viel wahr. Für mich war es<br />
nie ein Problem, dass Ines nicht<br />
sprechen kann. Ich merke trotzdem,<br />
was sie möchte oder wenn<br />
es ihr nicht gut geht. Wie stark<br />
ihre geistige Behinderung ist,<br />
konnte man nie testen.<br />
Ein schwerst mehrfach behindertes<br />
Kind zu haben bedeutet,<br />
dass die Verantwortung, <strong>Sorge</strong><br />
und Fürsorge - anders als bei<br />
nicht behinderten Kindern - ein<br />
Leben lang wie bei einem Kleinkind<br />
oder sogar Baby bleibt. Man<br />
muss immer, sieben Tage die<br />
Woche, präsent sein.<br />
Wir haben immer versucht, Ines‘<br />
beiden älteren Geschwistern Melanie<br />
(36) und Ingo (34) nicht zu<br />
viel Verantwortung aufzubürden.<br />
Doch das ging oft nicht. Außerdem<br />
mussten sie viel auf Ines<br />
Rücksicht nehmen. So müssen<br />
im Haus immer alle Türen geschlossen<br />
sein, damit Ines nicht<br />
Ines mit ihren Eltern Waltraud und Richard Breuning<br />
wegkrabbelt. Und die Kinder<br />
mussten abends immer ganz<br />
still sein, bis Ines tief schlief, weil<br />
sie sonst die ganze Nacht wach<br />
gewesen wäre. Ich bin überzeugt,<br />
dass Ines‘ Geschwister<br />
dadurch viel sozialer eingestellt<br />
sind.<br />
Unser Tagesablauf hat sich<br />
schon seit vielen Jahren ganz<br />
auf Ines eingestellt. Das heißt,<br />
jeden Morgen früh aufzustehen<br />
und sich vor dem Frühstück immer<br />
erst um die Belange unserer<br />
Tochter zu kümmern. Allein eine<br />
dreiviertel Stunde brauche ich,<br />
um Ines zu waschen und anzuziehen.<br />
Sie besucht den Förder-<br />
und Betreuungsbereich der WEK.<br />
Wenn sie um 16 Uhr nach Hause<br />
gebracht wird, muss immer<br />
jemand da sein.<br />
Das gilt natürlich auch für Kleinkinder<br />
mit Behinderungen. Doch<br />
als Eltern einer erwachsenen<br />
Tochter sind wir um Jahrzehnte<br />
älter. Das ganze Umfeld hat<br />
sich verändert, bei Bekannten<br />
und Freunden sind die Kinder<br />
inzwischen selbständig. Bei uns<br />
sind spontane Einladungen oder<br />
Kurzurlaube nicht möglich. Alles
8 TITELTHEMA<br />
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muss vorher geplant und organisiert<br />
werden.<br />
Schon früher war es schwierig,<br />
mit Ines Urlaub zu machen, weil<br />
sie das Autofahren nicht verträgt<br />
und sich sehr verkrampft.<br />
Das bedeutet, dass sie dann die<br />
ganze Nacht nicht schlafen kann.<br />
Auch das hat zugenommen.<br />
Heute kann man mit ihr überhaupt<br />
keine längeren Strecken<br />
mehr fahren.<br />
Auch ein geeignetes geschlossenes<br />
Bett muss da sein, aus dem<br />
sie nicht herausfallen kann. Von<br />
einer Matratze auf dem Boden<br />
würde Ines wegrobben. Außerdem<br />
ist der Rollstuhl bei einem<br />
Erwachsenen größer und sperriger,<br />
so dass es oft unmöglich<br />
ist, in ein Café oder Restaurant<br />
zu gehen. Als Kind konnte man<br />
Ines tragen, heute überlege ich<br />
mir sehr, ob ich mit ihr fortgehe.<br />
Ich weiß, dass es ihr oft<br />
fehlt, etwas anderes zu sehen.<br />
Manchmal gehe ich mit ihr in<br />
das Café gegenüber unserem<br />
Haus, wo es einen ebenerdigen<br />
Zugang gibt. Dort ist sie immer<br />
willkommen und bekommt einen<br />
Tisch mitten im Raum. Das ist<br />
ein Beispiel, dass Integration<br />
gelingen kann, doch es erfordert<br />
viel Einsatz der Angehörigen,<br />
Mut, Energie und Durchhaltevermögen.<br />
Schon allein durch die körperliche<br />
Belastung, die die Versorgung<br />
von Ines mit sich bringt,<br />
wird es zunehmend schwerer,<br />
jemanden zu finden, der sie<br />
kurzfristig beaufsichtigt und versorgt<br />
und damit uns entlastet.<br />
Momente der Lebensfreude mit Ines<br />
Unsere Tochter ist zwar zierlich<br />
und wiegt nicht viel, aber durch<br />
die starken Verkrampfungen ist<br />
es Schwerstarbeit, sie anzuziehen<br />
oder in den Rollstuhl zu<br />
setzen. Schon seit einer ganzen<br />
Weile kann ich sie nicht mehr<br />
alleine tragen. Da brauche ich<br />
immer die Hilfe meines Mannes.<br />
Außerdem hat die Spastik mit<br />
dem Alter zugenommen. Ines<br />
liebt es, Schwimmen zu gehen,<br />
weil sie das entspannt. Leider<br />
klappt es nur sporadisch, dass<br />
sich zwei Helfer finden, die sich<br />
das zutrauen.<br />
Wegen des großen Betreuungsaufwands<br />
und der körperlichen<br />
Belastung kann man auch kaum<br />
Freunde oder Familienmitglieder<br />
bitten, sich um Ines zu kümmern.<br />
Seit einigen Jahren geben wir sie<br />
deshalb in Kurzzeitpflege, wenn<br />
mein Mann und ich ein paar Tage<br />
Urlaub machen wollen. Damit<br />
haben wir gute Erfahrungen gemacht.Trotz<br />
all der Belastungen<br />
ist vieles zur Routine geworden<br />
und auch die Erfahrungen über<br />
die vielen Jahre der Pflege machen<br />
es leichter. Ich kann zudem<br />
von meinem Beruf als Krankenschwester<br />
profitieren.<br />
Schwerst mehrfach behinderte<br />
Menschen bauen schneller<br />
als andere Menschen in ihren<br />
körperlichen Funktionen ab, das<br />
macht häufig die Pflege anstrengender.<br />
Ines dagegen ist in den letzten<br />
Jahren viel ruhiger geworden,<br />
schläft mehr. Früher litt sie sehr<br />
darunter, dass sie so unbeweglich<br />
war. Dann war ihr oft<br />
langweilig. Das war für mich<br />
sehr anstrengend.<br />
Mit dem Alter kommt auch immer<br />
wieder die Frage, was wird,<br />
wenn ich Ines einmal nicht mehr<br />
versorgen kann. Weil es nicht nur<br />
uns so geht, braucht es dringend<br />
gute Pflegeplätze für mehrfach<br />
behinderte Erwachsene.
TITELTHEMA<br />
9<br />
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Kaum Hilfsmöglichkeiten vor Ort<br />
Der schwere Entschluss ein behindertes Kind ins Heim zu geben<br />
Text: Eugen Fritz Wagner und Ingrid Wagner, Ehrenvorsitzende<br />
Man schrieb das Jahr 195
10 TITELTHEMA<br />
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gung wurde immer schwieriger,<br />
für einen Ortswechsel musste<br />
man sie tragen. Da ich als Vater<br />
beruflich und allmählich vermehrt<br />
durch die Aufgaben als<br />
Vorsitzender der <strong>Lebenshilfe</strong><br />
stark beansprucht wurde, war<br />
vor allem meine Frau Ingrid<br />
gefordert.<br />
Ingrid Wagner erinnert sich:<br />
„Hilfsmöglichkeiten für unsere<br />
sehr schwer geistig und körperlich<br />
behinderte Birgit gab<br />
es vor Ort nur sporadisch. Die<br />
<strong>Lebenshilfe</strong> <strong>Esslingen</strong> steckte ja<br />
zunächst noch in den allerersten<br />
Anfängen. Also musste ich z.B.<br />
eine Krankengymnastin suchen.<br />
In der Beutauklinge fand ich<br />
eine. Ich musste Birgit zweimal<br />
wöchentlich hinfahren und von<br />
der Straße einen steilen Weg mit<br />
Treppen zum Haus hinauf tragen<br />
und nachher wieder zurück. Als<br />
die <strong>Lebenshilfe</strong> in ihrer Tagesstätte<br />
in Sirnau später eine entsprechende<br />
Betreuung anbieten<br />
konnte, fuhr ich Birgit dreimal in<br />
der Woche für zwei Stunden dort<br />
hin. An Schulbesuch war für sie<br />
nicht zu denken.<br />
Auch zu Hause wurde es immer<br />
schwieriger: Ich musste sie füttern,<br />
waschen, wickeln, spazieren<br />
fahren usw., und nachts schlief<br />
sie sehr unruhig. Da saßen wir<br />
oft mit einer Kantele, einem<br />
kleinen, ursprünglich finnischen<br />
Zupfinstrument mit zarten Tönen,<br />
an ihrem Bett, um sie zu beru-<br />
Birgit Wagner<br />
higen. Da wurde uns allmählich<br />
klar: Wir schaffen das auf Dauer<br />
nicht, auch unsere anderen<br />
drei Kinder mussten ja zu ihrem<br />
Recht kommen. Also machten<br />
wir uns landesweit auf die Suche<br />
nach einem geeigneten Heim.<br />
Letztlich fiel die Entscheidung<br />
für die „Anstalt“ Stetten.<br />
Es war ein schwerer Entschluss,<br />
Birgit weg zu geben. Sie war<br />
neun Jahre alt und kam dort<br />
zunächst im sogenannten „Krankenhaus“<br />
in ein Sechser-Zimmer,<br />
zusammen mit anderen schwer<br />
behinderten Frauen. Aber es<br />
erwies sich, dass sie dort gut<br />
und liebevoll aufgenommen und<br />
versorgt wurde. Die Verbindung<br />
zu ihr ist nie abgerissen, wir<br />
holten und holen sie regelmäßig<br />
sonntags - allmählich in längeren<br />
Abständen - zu uns nach Hause<br />
zu Ovomaltine, Kuchen und<br />
Klavierspiel.“<br />
Wenn man die Zeit damals und<br />
heute vergleicht, können wir von<br />
der <strong>Lebenshilfe</strong> dankbar sein,<br />
dass es möglich war, in diesen<br />
Jahrzehnten all das aufzubauen,<br />
was heute für viele so selbstverständlich<br />
hier an Hilfs- und Fördermöglichkeiten<br />
zur Verfügung<br />
steht – wie differenzierte Wohnund<br />
Arbeitsangebote, Hilfen für<br />
Familienentlastung und Freizeit,<br />
wie auch vielfältige Beratungsangebote<br />
und Möglichkeiten zum<br />
Gedanken- und Erfahrungsaustausch<br />
mit Fachleuten und<br />
anderen Eltern in vergleichbaren<br />
Situationen.
TITELTHEMA<br />
11<br />
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Heikos Verfassung bestimmt den Tag<br />
Hausbesuch bei Familie Kugel - Ein Erfahrungsbericht<br />
Text: Antonia Romero, Bereichsleitung Wohnen<br />
Während ich von den Eltern<br />
herzlich empfangen wurde,<br />
begegnete mir Heiko bei meinem<br />
Hausbesuch zunächst<br />
kritisch und zurückhaltend. Erst<br />
im Verlauf des Gesprächs, bei<br />
dem ich meine Fragen auch<br />
immer wieder an Heiko selbst<br />
stellte, entstand zwischen uns<br />
eine vertrauensvolle Beziehung.<br />
Aufmerksam hörte Heiko zu, wie<br />
seine Eltern stellvertretend für<br />
ihn antworteten und aus seinem<br />
Leben berichteten:<br />
Heiko kam vor 44 Jahren<br />
durch einen Notkaiserschnitt<br />
mit Sauerstoffmangel zur Welt.<br />
Kleine epileptische Anfälle und<br />
Fieberkrämpfe traten auf, als<br />
er etwa ein Jahr alt war. Mit<br />
zunehmendem Alter wurden<br />
die Anfälle immer häufiger und<br />
immer heftiger. Trotz guter<br />
medizinischer Betreuung treten<br />
weiterhin zu immer unterschiedlichen<br />
Tages- und Nachtzeiten<br />
schwere Anfälle auf, die Heiko<br />
sehr beeinträchtigen und die<br />
den Tagesablauf bestimmen. Als<br />
Folge der starken Medikamente<br />
kann Heiko nicht mehr über<br />
längere Zeit gehen und benötigt<br />
bei längeren Unternehmungen<br />
inzwischen einen Rollstuhl.<br />
Heiko Kugel mit seinen Eltern<br />
Die Zeit in der Rohräckerschule<br />
ist mit guten und weniger guten<br />
Erinnerungen verbunden. Heikos<br />
Tendenz als Jugendlicher wegzulaufen<br />
war damals eine große<br />
Herausforderung für manche<br />
Lehrer. Da sich Heiko weder orientieren<br />
noch mitteilen konnte,<br />
erlebten die Eltern viele sorgenvolle<br />
Stunden, Tage und Nächte,<br />
wenn Heiko „verlorenging“.<br />
Seit dem Schulbesuch ist Heiko<br />
zuhause. Der Besuch einer Tageseinrichtung<br />
ist nicht möglich,<br />
da er durch seine Anfälle viel<br />
Ruhe und Schlaf auch tagsüber<br />
braucht. Flexibilität und die<br />
Anpassung an Heikos Tagesverfassung<br />
sind für seine Eltern<br />
selbstverständlich.<br />
Bis vor wenigen Jahren noch<br />
von der Mutter alleine versorgt,<br />
richtet sich auch der Vater im<br />
Ruhestand mit großer Hingabe<br />
nach Heikos Befinden und<br />
beteiligt sich an der notwendigen<br />
Rund-um-die Uhr-Versorgung<br />
seines Sohnes. Dann bummelt<br />
Heikos Mutter auch mal ohne<br />
ihre beiden Männer alleine in der<br />
Stadt und gönnt sich eine kleine<br />
Auszeit.
12 TITELTHEMA<br />
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Heiko gilt mit seiner Epilepsie<br />
und seiner geistigen Behinderung<br />
als schwer mehrfach behindert.<br />
Er benötigt ständige Aufsicht.<br />
Seine aktive Sprache ist nur<br />
gering entwickelt, vielmehr teilt<br />
er sich durch Blicke und Gesten<br />
mit, die seine Eltern verstehen.<br />
Trotz der Beeinträchtigungen,<br />
die die Anfälle von Heiko mit sich<br />
bringen, haben sich die Eltern<br />
eine positive Lebenseinstellung<br />
und Lebensfreude bewahrt. In<br />
vielen gemeinsamen Urlauben<br />
an schönen Orten und in schönen<br />
Unterkünften erleben sie die<br />
Umwelt als überwiegend aufgeschlossen<br />
und zuvorkommend<br />
- auch dann, wenn sich plötzlich<br />
ein Anfall ereignet.<br />
Traurigkeit und Enttäuschung<br />
klingen mit, wenn die Mutter<br />
von Untersuchungen und Tests<br />
berichtet, die von Amts wegen<br />
durchgeführt werden mussten.<br />
Während die Eltern glücklich und<br />
stolz über jeden kleinen Entwicklungsschritt<br />
ihres Sohnes waren,<br />
wurden stets seine Defizite in<br />
den Mittelpunkt gestellt und alles,<br />
was er nicht konnte, wurde ihnen<br />
schmerzhaft vorgeführt. Positive<br />
Begegnungen hingegen erlebten<br />
die Eltern durch die Frühbetreuung<br />
der <strong>Lebenshilfe</strong> <strong>Esslingen</strong>,<br />
der sie seit über 40 Jahren als<br />
Mitglied angehören.<br />
„So lange es geht“ soll Heiko<br />
zuhause wohnen können. Noch<br />
sind die Eltern beide rüstig und<br />
gestalten ihr Leben nach Heikos<br />
Befinden, immer aber mit positiver<br />
Einstellung, mit Lebensfreude,<br />
mit familiärem Zusammenhalt<br />
und mit ihrer Liebe zu ihrem<br />
Sohn. Heiko bedankt sich während<br />
des Gesprächs mehrmals<br />
mit körperlicher Zuwendung bei<br />
seinen Eltern.<br />
Kindheit im Rollstuhl
TITELTHEMA 13<br />
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Die Angst der Grosseltern<br />
Eine Herzoperation führt bei Moritz zu einer schweren Behinderung<br />
Text: Antonia Romero<br />
Wie groß war die Freude, als<br />
Frau und Herr Müller* erfuhren,<br />
dass ihr zweites Enkelkind<br />
unterwegs ist. Die Schwangerschaft<br />
der Schwiegertochter war<br />
gut verlaufen und Moritz* durfte<br />
zuhause auf die Welt kommen.<br />
Er war ein süßes Bübchen.<br />
Doch als Moritz nach wenigen<br />
Tagen dem Kinderarzt vorgestellt<br />
wurde, hatten sich seine<br />
Lippen dunkler gefärbt. Schnell<br />
wurde der Verdacht auf einen<br />
Herzfehler geäußert, der sich<br />
dann bei einem Klinikaufenthalt<br />
auch bestätigte. Moritz sollte mit<br />
drei Monaten operiert werden,<br />
bis dahin sollte er noch kräftiger<br />
werden.<br />
Irgendetwas war bei oder nach<br />
der Operation schiefgelaufen.<br />
Moritz war wohl längere Zeit<br />
ohne Sauerstoff, sodass er reanimiert<br />
werden musste. Schon<br />
bald nach der Operation war der<br />
Schwiegertochter aufgefallen,<br />
dass etwas nicht mehr in Ordnung<br />
war. Moritz bewegte sich<br />
kaum und er konnte nicht mehr<br />
schlucken.<br />
Von da an hatten die Großeltern<br />
Angst. Es war die Angst, dass<br />
sich das Schicksal, ein behinder-<br />
tes Kind zu haben, in ihrer Familie<br />
wiederholen könnte. Nur zu<br />
gut wussten sie, was das bedeuten<br />
würde. Ihre eigene Tochter<br />
ist seit ihrer Geburt geistig- und<br />
mehrfach schwerbehindert und<br />
lebt seit vielen Jahren in einem<br />
Heim, weil die Pflege zuhause<br />
nicht mehr möglich war. Und<br />
nun hing das Leben ihres Enkelkindes<br />
an einem seidenen Faden,<br />
es wurde um sein Überleben<br />
gekämpft und seine Zukunft war<br />
ungewiss.<br />
Moritz verbrachte ab da mehr<br />
Zeit im Krankenhaus als zuhause.<br />
Seine Nahrung wurde ihm<br />
über eine Sonde gereicht. Auf<br />
Spielzeug reagierte er nicht.<br />
Er lernte weder sprechen noch<br />
sitzen, er konnte weder lachen<br />
noch weinen. Irgendwann stellte<br />
sich heraus, dass sein Sehen<br />
und Hören stark beeinträchtigt<br />
waren. Seine Spieluhr konnte er<br />
vermutlich nicht hören.<br />
Immer in <strong>Sorge</strong>, weil sein Leben<br />
ein ständiger Über-Lebens-<br />
Kampf war, benötigte er Betreuung<br />
und Überwachung rund um<br />
die Uhr, meist von der Mutter,<br />
und wenn es beruflich ging auch<br />
vom Vater, ab und zu auch durch<br />
eine Krankenschwester.<br />
Frau Müller und ihr Mann schämen<br />
sich nicht zu sagen, dass<br />
sie oft gebetet haben, Gott<br />
möge den kleinen Moritz zu sich<br />
nehmen. Und Urgroßmutters<br />
Wunsch war, erleben zu dürfen,<br />
dass Moritz vor ihr sterben darf.<br />
Und dann ist Moritz mit fünf<br />
Jahren im Arm seiner Mutter<br />
gestorben. In den Augen seiner<br />
Großeltern ist Moritz nun erlöst<br />
und sie wissen ihn „dort oben“<br />
gut aufgehoben.<br />
* Name von der Redaktion geändert
14 TITELTHEMA<br />
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Entlastung für Familien<br />
Mehr Angebote für mehrfach behinderte Kinder und Jugendliche<br />
Text: Erika Synovzik, Bereichsleitung Offene Hilfen<br />
Seit 1988 gibt es das Angebot<br />
der Offenen Hilfen / Familienentlastende<br />
Dienste (FED) bei der<br />
<strong>Lebenshilfe</strong> <strong>Esslingen</strong>. Angehörige,<br />
deren behinderte Kinder,<br />
Jugendliche und Erwachsene<br />
zu Hause in den Familien leben,<br />
soll dieser ambulante Dienst<br />
entlasten, beraten und begleiten.<br />
Finanziell bezuschusst wird das<br />
Angebot durch das Land Baden-<br />
Württemberg und den Landkreis<br />
<strong>Esslingen</strong>.<br />
In letzter Zeit wurde das Angebot<br />
auch für schwer mehrfach<br />
behinderte Kinder und Jugendliche<br />
ausgebaut. Die Anforderungen<br />
an diese Familien sind oft<br />
sehr groß und eine Entlastung<br />
und Unterstützung dann ganz<br />
besonders wichtig. Die <strong>Lebenshilfe</strong><br />
berät und informiert Familien<br />
über verschiedene Hilfsangebote.<br />
Sie vermittelt Helferinnen<br />
und Helfer, die in Einzelbetreuungen<br />
die Familien entlasten<br />
und sie bietet verschiedene<br />
Gruppenangebote, Sommerferienprogramme<br />
und Wochenendfreizeiten<br />
an. Gerade in diesem<br />
Bereich hat die <strong>Lebenshilfe</strong> ihr<br />
Angebot vergrößert und ihre<br />
Räumlichkeiten entsprechend<br />
verändert, damit auch schwer<br />
Das Spielzimmer in der Flandernstraße<br />
mehrfach behinderte Kinder und<br />
Jugendliche teilnehmen können.<br />
In unseren vier neuen Kinder-<br />
und Jugendgruppen bei der<br />
flexiblen Nachmittagsbetreuung<br />
am Mittwoch und Freitag nachmittags<br />
sind nun in jeder Gruppe<br />
auch schwerer behinderte Kinder<br />
und Jugendliche mit Rollstuhl.<br />
Nils, Tim, Maike und Anne<br />
sind ganz selbstverständlich mit<br />
dabei.<br />
Auch an unseren Kinderwochenenden<br />
und am Ferienprogramm<br />
nehmen jetzt mehr Kinder mit<br />
schweren Behinderungen teil.<br />
Vor allem das Übernachten ohne<br />
Eltern ist für viele ein großes<br />
Abenteuer. Tim braucht z.B. ein<br />
eigenes Zimmer, weil er auch in<br />
der Nacht sehr aktiv ist. Anne<br />
wacht schon mit den ersten Vogelstimmen<br />
auf und hat deshalb<br />
ebenfalls ein eigenes Zimmer.<br />
Jedes Kind bringt seine eigenen<br />
ganz speziellen Bedürfnisse mit.<br />
Die wichtigsten Anschaffungen<br />
waren deshalb auch ein Auto mit<br />
Rampe und ein Wickeltisch. Aber<br />
auch kleinere Anschaffungen wie<br />
geeignete Autositze, Fallschutz-
TITELTHEMA 15<br />
............................................................................................................................................................................................................................................<br />
gitter für Übernachtungsbetten<br />
waren unter anderem notwendig.<br />
Im Alltag wird im Laufe der Zeit<br />
noch vieles hinzukommen, da<br />
jedes Kind andere Dinge braucht.<br />
Hier ist die <strong>Lebenshilfe</strong> auch<br />
darauf angewiesen, dass Eltern<br />
ihr mit ihren persönlichen Erfahrungen<br />
weiterhelfen und gezielte<br />
Tipps geben.<br />
Egal welche Einschränkung ein<br />
Kind hat, mit der entsprechenden<br />
Unterstützung ist meist mehr<br />
möglich, als man zunächst denkt.<br />
Nebenan das Kinderzimmer
16 TITELTHEMA<br />
............................................................................................................................................................................................................................................<br />
Wenn das bestehende Hilfeangebot<br />
nicht ausreicht<br />
Aufstockende Hilfen des Landratsamts unterstützen im Einzelfall<br />
Text: Erika Synovzik<br />
Das Angebot an Hilfen für behinderte<br />
Kinder, Jugendliche und<br />
Erwachsene hat sich im Laufe<br />
der letzten Jahre sehr verbessert.<br />
Aber was ist, wenn diese<br />
Hilfen trotz allem nicht ausreichen?<br />
Es gibt viele Lebenslagen,<br />
in denen Familien in Not kommen<br />
können: längere Krankheitsphasen,<br />
Arbeitslosigkeit, Probleme<br />
mit Geschwisterkindern,<br />
Probleme in der Partnerschaft,<br />
wodurch eine Familie zusätzlich<br />
noch belastet wird. Es kann auch<br />
sein, dass sich im Laufe der Entwicklung<br />
eines Kindes die Ausprägung<br />
der Behinderung verschärft.<br />
Was ist, wenn Familien<br />
dann an ihre Grenzen kommen,<br />
erschöpft sind und einfach nicht<br />
mehr alleine zurechtkommen?<br />
Für diesen Fall können aufstockende<br />
Hilfen beantragt werden.<br />
Zuständig ist das „Amt<br />
für besondere Hilfen“ beim<br />
Landratsamt <strong>Esslingen</strong>. Es<br />
handelt sich dabei um Leistungen<br />
der Eingliederungshilfe im<br />
besonderen Einzelfall. In einem<br />
beratenden Gespräch wird der<br />
Hilfebedarf ermittelt und ein<br />
Hilfeplan erstellt. Gemeinsam<br />
wird überlegt, was hilfreich sein<br />
könnte: Einzelbetreuung durch<br />
einen zusätzlichen Helfer zu<br />
Hause in der Familie oder vielleicht<br />
Kurzzeitunterbringungen<br />
in einer Wohngruppe, während<br />
der Ferien oder an bestimmten<br />
Wochenenden.<br />
Frau M., die alleinerziehend ist,<br />
bekommt für ihre behinderte<br />
Tochter eine bestimmte Anzahl<br />
von Samstagsbetreuungen und<br />
Wochenendbetreuungen zusätzlich<br />
bezahlt, damit sie sich<br />
auch um ihre anderen Kinder<br />
besser kümmern kann. Familie<br />
K. bekommt für ihre Tochter<br />
zusätzliche Helferinnen zur<br />
Einzelbetreuung, da ihre Tochter<br />
wegen einer sehr schweren<br />
Behinderung nicht in die Schule<br />
darf. Familie S. ist wegen der<br />
sehr aufwendigen Pflege ihres<br />
schwerbehinderten Sohnes oft<br />
so erschöpft, dass sie kaum<br />
mehr Zeit füreinander im Alltag<br />
haben.<br />
Welches zusätzliche Angebot<br />
durch die Eingliederungshilfe<br />
übernommen wird, richtet sich<br />
ganz nach dem Einzelfall.<br />
Manchmal gibt es auch einen<br />
„runden Tisch“, an dem zum<br />
Beispiel ein Vertreter der Offenen<br />
Hilfen, vielleicht ein Lehrer<br />
oder jemand von einer Kurzzeiteinrichtung<br />
dabei ist. Bei den<br />
aufstockenden Hilfen geht es um<br />
passgenaue Hilfen in Notlagen.<br />
Die betroffenen Familien sollen<br />
in diesen ganz besonderen<br />
Situationen auch die nötige Hilfe<br />
erhalten können.<br />
Falls Sie dazu noch Fragen<br />
haben, können Sie sich jederzeit<br />
gern an uns wenden, oder direkt<br />
an das Amt für besondere Hilfen<br />
beim Landratsamt <strong>Esslingen</strong>.<br />
Kontakt:<br />
Ansprechpartner für aufstockende<br />
Hilfen<br />
Landratsamt <strong>Esslingen</strong><br />
Pulverwiesen 11<br />
73726 <strong>Esslingen</strong><br />
Amt für besondere Hilfen<br />
Sachgebiet Eingliederungshilfe<br />
Andrea Leuthe<br />
Telefon 0711 3902-2901
TITELTHEMA 17<br />
............................................................................................................................................................................................................................................<br />
Hürden für Unterstützung sind hoch<br />
Der Alltag im Bürokratie-Dschungel ist für Eltern häufig ein Kampf<br />
Text: Erika Synovzik<br />
Wenn ein Kind in Teilbereichen<br />
„Entwicklungsverzögerungen“<br />
aufzeigt, wenn es keine eindeutigen<br />
Beeinträchtigungen hat<br />
oder es keine klare Diagnose<br />
gibt, ist es für Familien besonders<br />
schwer, Hilfen zu bekommen.<br />
Oft müssen sie lange um<br />
ihre Rechte kämpfen.<br />
Vor allem in den ersten Jahren<br />
wollen Eltern alle verfügbaren<br />
Therapien nutzen. Therapieform<br />
und Häufigkeit sind aber sehr<br />
eng festgelegt. Wer unterstützende<br />
Leistungen der Pflegekasse<br />
beantragen will, steht oft<br />
vor einer noch viel größeren<br />
Hürde. Die Familien müssen eine<br />
Pflege-Einstufung beantragen.<br />
Nicht der behandelnde Arzt, der<br />
das Kind gut kennt, sondern ein<br />
fremder Gutachter des Medizinischen<br />
Diensts der Krankenkassen<br />
nimmt die Einstufung vor.<br />
Die betroffenen Familien haben<br />
Angst, wichtige Dinge zu vergessen,<br />
oder befürchten, dass das<br />
Kind genau zu diesem Zeitpunkt<br />
nicht die Verhaltensweisen zeigt,<br />
die den normalen Alltag bestimmen.<br />
Außerdem werden bei<br />
der Einstufung nur ganz wenige<br />
Bereiche des Lebens berücksichtigt:<br />
Körperpflege, Ernäh-<br />
rung, Aufstehen, Zubettgehen,<br />
An- und Ausziehen oder die<br />
Dauer von Therapiebesuchen.<br />
Dass ein Kind vielleicht rund um<br />
die Uhr auch in anderen Lebensbereichen<br />
Beaufsichtigung<br />
oder Begleitung braucht, wird<br />
bei der Pflegeeinstufung nicht<br />
berücksichtigt. Sehr oft erhalten<br />
„entwicklungsverzögerte Kinder“<br />
keine Pflegeeinstufung, obwohl<br />
sich im Alltag der Familien alles<br />
um ihre Betreuung dreht.<br />
Wenn die Leistungen von Krankenkassen<br />
und Pflegekassen<br />
ausgeschöpft sind, ist es im<br />
Einzelfall möglich, aufstockende<br />
Hilfen durch die Eingliederungshilfe<br />
zu erhalten (siehe S.16).<br />
Auch vor diesem Schritt schrecken<br />
Familien zurück, weil so<br />
ihr Wunsch nach Unterstützung<br />
im Alltag amtlich registriert wird<br />
und der Eindruck entstehen<br />
könnte, dass sie als Eltern versagt<br />
hätten.<br />
In vielen Fällen stellen Eltern<br />
auch keinen Antrag auf einen<br />
Schwerbehindertenausweis,<br />
weil sie die amtliche Registrierung<br />
der Beeinträchtigung ihres<br />
Kindes scheuen. Die Angst vor<br />
späteren Nachteilen bei der<br />
Schulauswahl, der Berufswahl<br />
oder auch Partnerwahl ist groß.<br />
Eltern wollen die Zukunft ihrer<br />
Kinder nicht verbauen. Damit<br />
verzichten sie auf Unterstützung<br />
wie z.B. Freifahrten im öffentlichen<br />
Nahverkehr oder Steuervergünstigungen.<br />
Was, wenn eine Familie für ihr<br />
Kind statt der sonderpädagogischen<br />
Einrichtungen den normalen<br />
Regelkindergarten, die<br />
Regelschule, einen Arbeitsplatz<br />
auf dem freien Arbeitsmarkt,<br />
vielleicht eine eigene Wohnung<br />
will?<br />
In vielen Bereichen des alltäglichen<br />
Lebens gibt es noch<br />
ungenügende Strukturen und<br />
Standards für unterstützende<br />
Hilfen. Viele Familien erkämpfen<br />
sich sehr mühselig ihren selbstverständlichen<br />
Wunsch nach<br />
Normalität und Teilhabe.<br />
Die <strong>Lebenshilfe</strong> möchte sie dabei<br />
unterstützen. Hier können sie<br />
sich mit anderen Eltern austauschen,<br />
Beratung über ihnen zustehende<br />
Hilfen und Entlastung<br />
im Alltag bekommen. Bei Fragen<br />
oder Problemen können sich<br />
Eltern jederzeit an den Familienentlastenden<br />
Dienst wenden.
18 TITELTHEMA<br />
............................................................................................................................................................................................................................................<br />
Unsere Wohnheime bieten auch schwer<br />
behinderten Bewohnern Platz<br />
Unterschiedliche Wohnformen für den individuellen Hilfebedarf<br />
Text: Antonia Romero<br />
Seit 1978 bietet die <strong>Lebenshilfe</strong><br />
<strong>Esslingen</strong> Wohnplätze für<br />
erwachsene Menschen mit<br />
geistiger Behinderung an. Das<br />
Karl-Reiz-Haus, ursprünglich für<br />
15
TITELTHEMA 19<br />
............................................................................................................................................................................................................................................<br />
Haus Flandernstraße die Nächte<br />
mit Bereitschaftsdienst abgesichert<br />
sind, bietet das Wohnhaus<br />
in der Palmstraße auch Nachtdienste<br />
an. In beiden Häusern<br />
kann zusätzlich denjenigen eine<br />
Tagesstruktur außerhalb des<br />
üblichen Wohnalltags angeboten<br />
werden, die aufgrund von Alter<br />
oder Schwere ihrer Behinderung<br />
die Werkstatt oder den Förder-<br />
und Betreuungsbereich nicht<br />
mehr besuchen können.<br />
Mit zunehmender Anzahl von<br />
schwer- und schwerstbehinderten<br />
Bewohnern wurde im<br />
Wohnbereich die berufliche<br />
Qualifikation der Mitarbeiterschaft<br />
angepasst. Während noch<br />
vor zehn Jahren ausschließlich<br />
sozialpädagogisch ausgebildete<br />
Mitarbeiter eingestellt wurden,<br />
arbeiten in den Häusern Palm-<br />
und Flandernstraße inzwischen<br />
auch anerkannte Pflegefachkräfte.<br />
Die multiprofessionelle Besetzung<br />
hat sich bewährt, sodass<br />
sowohl sonderpädagogische als<br />
auch pflegerisch-medizinische<br />
Betreuung rund um die Uhr gewährleistet<br />
ist.<br />
Während in früheren Jahren<br />
die Bewohner der Wohnheime<br />
von eigenen Mitarbeitern zu<br />
Aktivitäten außer Haus begleitet<br />
wurden, müssen aufgrund der<br />
Schwere der Behinderung vieler<br />
Bewohner inzwischen viele Angebote<br />
intern vorgehalten werden.<br />
Damit die Mitarbeiter mehr<br />
Zeit für die Bewohner haben,<br />
wird z.B. das Mittagessen für die<br />
Lisa Fröschle Wohngruppe Flandernstraße<br />
Tagesbetreuung angeliefert. Statt<br />
einem oft mühsamen Besuch<br />
zum Friseur kann der „Hausfriseur“<br />
in Anspruch genommen<br />
werden und das „rollende Kaufhaus“,<br />
das ins Wohnheim kommt,<br />
ermöglicht einzelnen Bewohnern<br />
wieder ein selbstbestimmtes<br />
Einkaufen schöner Kleidung.<br />
Inzwischen hat sich herumgesprochen,<br />
dass die <strong>Lebenshilfe</strong><br />
bereit ist, dem individuellen<br />
Hilfebedarf in unterschiedlichen<br />
Wohnformen gerecht zu werden.<br />
Für die nächsten Jahre liegen<br />
mehrere Anfragen von Mitgliedern<br />
vor, deren Angehörige auf<br />
intensive Betreuung und ständige<br />
Begleitung angewiesen sind.<br />
Dadurch wird sich die Belegung<br />
in den sogenannten stationären<br />
Wohnheimen ändern, denn andererseits<br />
wünschen sich vor allem<br />
jüngere Frauen und Männer mit<br />
leichteren Behinderungen ambu-<br />
lante Wohnformen. Die zunehmende<br />
und intensive Betreuung<br />
von Bewohnern mit schweren<br />
und schwersten Behinderungen<br />
ist von der <strong>Lebenshilfe</strong> nur mit<br />
mehr Fachpersonal zu leisten.<br />
Deshalb müssen zwischen der<br />
<strong>Lebenshilfe</strong> <strong>Esslingen</strong> und dem<br />
Landkreis <strong>Esslingen</strong>, der in den<br />
meisten Fällen die Kosten zu<br />
tragen hat, weitere Vergütungsverhandlungen<br />
geführt werden.<br />
Seit einem Jahr kann die <strong>Lebenshilfe</strong><br />
fast jederzeit Kurzzeitgästen<br />
mit sehr hohem<br />
Hilfebedarf im Wohnheim Flandernstraße<br />
einen Platz anbieten.<br />
Bedauerlicherweise fehlt<br />
jedoch im Landkreis <strong>Esslingen</strong><br />
ein Angebot an Kurzzeit- und<br />
Dauerwohnplätzen für Kinder<br />
und Jugendliche mit schwerer<br />
Behinderung. Diese müssen<br />
nach wie vor in andere Landkreise<br />
vermittelt werden.
20 TITELTHEMA<br />
............................................................................................................................................................................................................................................<br />
Wohnen, wie ich will?<br />
Grenzen der Versorgung – eine juristisch-politische Betrachtung<br />
Text: Elisabeth Bidinger nach einem Text von Vincent Stampehl, Jurist, Landesverband der <strong>Lebenshilfe</strong><br />
Behinderte Menschen können<br />
bis heute nicht selber wählen,<br />
wo, in welcher Lebensform und<br />
mit wem zusammen sie wohnen.<br />
Nach heutiger Praxis ist es eine<br />
Selbstverständlichkeit, dass z. B.<br />
schwerstbehinderte Menschen in<br />
ein Heim ziehen, wenn sie in der<br />
Familie nicht mehr betreut werden<br />
können. Dabei entscheidet<br />
bei der Auswahl der Wohnform<br />
lediglich der Hilfebedarf und<br />
nicht der Wunsch des Betroffenen.<br />
Zwar soll nach heutigem Recht<br />
Wünschen der Leistungsberechtigten<br />
nach der Wohnform<br />
entsprochen werden. Allerdings<br />
nur dann, wenn dieser „angemessen“<br />
ist. Darüber hinaus<br />
„soll der Träger der Sozialhilfe<br />
in der Regel Wünschen nicht<br />
entsprechen, deren Erfüllung mit<br />
unverhältnismäßigen Mehrkosten<br />
verbunden wäre.“<br />
Eine weitere Einschränkung<br />
sieht eine Regelung vor, wonach<br />
der Vorrang ambulanter Leistungen<br />
dann keine Gültigkeit hat,<br />
„wenn eine Leistung für eine<br />
geeignete stationäre Einrichtung<br />
zumutbar und eine ambulante<br />
Leistung mit unverhältnismäßi-<br />
gen Mehrkosten verbunden ist.“<br />
Das Wunsch- und Wahlrecht<br />
behinderter Menschen in Bezug<br />
auf die Gestaltung der Wohnform<br />
findet insoweit eine Begrenzung<br />
und ist damit einer Beurteilung<br />
durch den Sozialhilfeträger unterworfen.<br />
In Artikel 19 Behindertenrechtskonvention<br />
wurde das Recht<br />
festgeschrieben, den Aufenthaltsort<br />
frei zu wählen und zu<br />
entscheiden, wo und mit wem<br />
man leben möchte, und dass<br />
man nicht verpflichtet ist, in besonderen<br />
Wohnformen zu leben.<br />
Damit wurde der Weg in die Unabhängigkeit<br />
der Lebensführung<br />
geebnet und dem heute schon<br />
verfassungsrechtlich verbrieften<br />
Recht auf Freizügigkeit Rechnung<br />
getragen.<br />
Mit dieser Regelung wird behinderten<br />
Menschen unabhängig<br />
von ihrem Hilfebedarf genauso<br />
wie nicht behinderten Menschen<br />
die Möglichkeit eingeräumt, sich<br />
gegen eine „besondere Wohnform“<br />
zu entscheiden und zwar<br />
unabhängig davon, ob sie einen<br />
hohen Wohn-Hilfebedarf haben<br />
oder nicht. Dies gilt selbst dann,<br />
wenn sie nicht in der Lage sind,<br />
außerhalb von „besonderen<br />
Wohnformen“ zu leben. In diesem<br />
Falle könnten sie gemeindenahe<br />
Unterstützungsdienste<br />
zu Hause und in Einrichtungen<br />
sowie persönliche Assistenz<br />
nutzen.<br />
Noch gibt es kaum Erfahrungen,<br />
wie die gesetzlichen Vorgaben<br />
von „Wunsch- und Wahlrecht“<br />
und „Mehrkostenvorbehalt“ in<br />
der Realität umgesetzt werden<br />
können. In welcher Weise<br />
„Selbstbestimmung“ und „Zumutbarkeit“<br />
auf dem Hintergrund<br />
von Hilfebedarf abgewogen<br />
werden, wird vom Einzelfall<br />
abhängen.<br />
Die Justiz und die Sozialverwaltungen<br />
tun sich außerordentlich<br />
schwer mit der unmittelbaren<br />
Anwendbarkeit von Artikel 19 der<br />
Behindertenrechtskonvention.<br />
Zurzeit hat sich die Situation<br />
behinderter Menschen nicht<br />
wesentlich verändert. Es ist daher<br />
Aufgabe der <strong>Lebenshilfe</strong> als<br />
Selbsthilfeorganisation, dass sie<br />
sich über ihre politischen Interessensvertreter<br />
„ohne Wenn und<br />
Aber“ für die Umsetzung der<br />
UN-Behindertenrechtskonvention<br />
einsetzt.
TITELTHEMA 21<br />
............................................................................................................................................................................................................................................<br />
Lust auf Teilnahme am Leben wecken<br />
Die Rohräckerschule <strong>Esslingen</strong> fördert schwerst- und mehrfach<br />
behinderte Menschen auf vielfältige Weise<br />
Text: Irene Traxl-Kümmel und Carola Weber, Lehrerinnen der Rohräckerschule<br />
Schüler mit schwersten körperlichen<br />
und mehrfachen Behinderungen<br />
werden an der Schule<br />
für Körperbehinderte des Rohräckerschulzentrums<br />
nicht nur in<br />
unterschiedlichen altersgemischten<br />
Klassen im so genannten<br />
Mehrfachbehindertenbereich<br />
(„M-Bereich“) unterrichtet,<br />
sondern auch in Klassen der<br />
Hauptstufe wie auch der Berufsschulstufe.<br />
Da das Recht auf schulische Bildung,<br />
Erziehung und Förderung<br />
in gleicher Weise für alle Kinder<br />
besteht, haben Kinder und<br />
Jugendliche mit umfassender<br />
Behinderung ein Recht auf eine<br />
ihrer Begabung entsprechende<br />
Erziehung und Ausbildung. Sie<br />
werden nach dem Bildungsplan<br />
der Schule für Geistigbehinderte<br />
in Baden-Württemberg unterrichtet.<br />
Auftrag und Ziel der Rohräckerschule<br />
ist es, die Bildung und<br />
Entwicklung von Fähigkeiten und<br />
Fertigkeiten zur aktiven Teilhabe<br />
an der Welt zu fördern. Die<br />
Einzigartigkeit eines Schülers<br />
zu sehen ist eine wesentliche<br />
Grundlage unserer pädagogischen<br />
Arbeit. Dazu wird für<br />
Tim mit seiner Stehhilfe
22 TITELTHEMA<br />
............................................................................................................................................................................................................................................<br />
Anne entspannt sich im Snozelenraum<br />
jeden Schüler ein Förderplan<br />
mit individuellen Zielen erstellt.<br />
Der Unterricht ist grundsätzlich<br />
ganzheitlich ausgerichtet und<br />
findet sowohl mit der ganzen<br />
Klasse als auch in Einzelförderung<br />
statt. Er setzt sich aus<br />
verschiedenen Bestandteilen und<br />
Elementen zusammen.<br />
Kommunikation: Auch wer nicht<br />
sprechen kann, hat viel zu sagen.<br />
Unseren Schülern setzen ihre<br />
Beeinträchtigungen enge Grenzen<br />
in ihren Mitteilungsmöglichkeiten.<br />
Um Beziehungen zu anderen<br />
Menschen selbstbewusst<br />
und aktiv mitgestalten zu können,<br />
werden verschiedene Medien<br />
zur „unterstützten Kommunikation“<br />
(wie einfache elektronische<br />
Hilfsmittel, Tasten und elektronische<br />
Sprechgeräte) eingesetzt.<br />
Bewegung: Die Bewegungsförderung<br />
ist ein durchgängiges<br />
Prinzip, welches im Unterricht<br />
als auch in therapeutischen<br />
Einzelfördersituationen integriert<br />
wird. Außerdem ermöglichen<br />
Tim erzählt mit Sprechtaste<br />
speziell ausgestattete Räume<br />
vielfältige Bewegungsmöglichkeiten.<br />
Wahrnehmung: Damit unsere<br />
Schüler Sinneseindrücke<br />
gezielt wahrnehmen können,<br />
ist es wichtig, einzelne Wahrnehmungsbereiche<br />
isoliert zu<br />
fördern. So kann die visuelle<br />
Wahrnehmung z.B. im Dunkelraum<br />
über intensive Licht- und<br />
Farbreize gefördert werden.<br />
Im Snoezelenraum können in<br />
ruhiger Atmosphäre visuelle und<br />
akustische Erfahrungen gemacht
TITELTHEMA 23<br />
............................................................................................................................................................................................................................................<br />
werden. Dies ermöglicht oft auch<br />
sehr unruhigen Schülern zur<br />
inneren Ruhe und Entspannung<br />
zu finden.<br />
Förderpflege: Pflegesituationen,<br />
wie Nahrungsaufnahme und<br />
Körperpflege stellen eine zentrale<br />
Möglichkeit zum Aufbau und<br />
Erhalt zwischenmenschlicher<br />
Beziehungen und Körperwahrnehmung<br />
dar. So bietet speziell<br />
die Nahrungsaufnahme unseren<br />
Schülern oft die Möglichkeit zur<br />
Selbstbestimmung.<br />
Bei der Unterrichtsgestaltung<br />
werden gezielt verschiedene<br />
Hilfsmittel eingesetzt. Dadurch<br />
können die Schüler in eine<br />
gute körperliche Ausgangslage<br />
gebracht werden, die es ihnen<br />
ermöglicht, dem Geschehen<br />
entspannt und aufmerksam zu<br />
folgen. Einzelne Hilfsmittel sind<br />
z.B. individuell angepasste Stehständer<br />
und Lagerungskeile. Zur<br />
Bewegungsförderung werden<br />
etwa spezielle Gehgeräte, Therapiefahrräder<br />
oder Rollbretter<br />
eingesetzt.<br />
An der Rohräckerschule werden<br />
immer mehr Schüler mit schwerer<br />
und mehrfacher Behinderung<br />
eingeschult. Die Überlebensrate<br />
bei frühstgeborenen und verunfallten<br />
Kindern bzw. bei Kindern<br />
mit schwersten Beeinträchtigungen<br />
ist durch den Fortschritt in<br />
der Medizin deutlich gestiegen.<br />
Dadurch lässt sich die wachsende<br />
Schülerzahl erklären. In<br />
den letzten Jahren haben wir<br />
im Mehrfachbehindertenbereich<br />
zunehmend Schüler mit intensivmedizinischemVersorgungs-<br />
Maliko macht das Tonen mit der Töpferscheibe Spaß<br />
bedarf. Für uns bedeutet dies<br />
zunehmend die Zusammenarbeit<br />
mit medizinischem Fachpersonal,<br />
z.B. Kinderkrankenschwestern,<br />
die ein Kind im Schulalltag<br />
begleiten.<br />
Im Zuge der Inklusion könnten<br />
wir uns für unsere Schüler mit<br />
schwerer und mehrfacher Behinderung<br />
noch mehr kooperative<br />
Angebote und Austauschmöglichkeiten<br />
mit einzelnen Klassen<br />
oder Schülern innerhalb der<br />
Schule aus anderen Schulformen<br />
vorstellen. Auch unsere Schüler<br />
wollen am öffentlichen Leben<br />
teilnehmen können. Verbesserung<br />
im öffentlichen Nahverkehr,<br />
wie z.B. durch die Niederflurbusse<br />
vereinfachen schon heute<br />
eine aktivere Teilnahme am<br />
gesellschaftlichen Leben. Dies<br />
gilt es in Zukunft auszubauen<br />
und verstärkt in Anspruch zu<br />
nehmen.<br />
Denn vor allem geht es uns auch<br />
darum, in unseren Schülern die<br />
Lust auf eine aktive Teilnahme<br />
am Leben zu wecken bzw. zu<br />
erhalten!
24 TITELTHEMA<br />
............................................................................................................................................................................................................................................<br />
Sinnvolle Alltagsgestaltung anbieten<br />
Förder- und Betreuungsbereich der WEK setzt auf Wertschätzung<br />
Text: Zaim Sejdic, Förder- und Betreuungsbereich der WEK<br />
Die Werkstätten <strong>Esslingen</strong>-<br />
Kirchheim GmbH (WEK) unterhalten<br />
derzeit drei Einrichtungen<br />
in <strong>Esslingen</strong>-Zell, in Kirchheim<br />
unter Teck und in Ostfildern-Nellingen<br />
und beschäftigen ca. 340<br />
Mitarbeiter mit Behinderung,<br />
die in verschiedenen Bereichen<br />
untergebracht sind: Berufsbildungsbereich,<br />
Arbeitsbereich<br />
(Verpacken, Montage, Schreinerei),<br />
Förder- und Betreuungsbereich<br />
und Hauswirtschaft<br />
(Vesper- und Getränkeservice,<br />
Mittagessen, Reinigungsdienste,<br />
Wäscheservice). Im Förder- und<br />
Betreuungsbereich der WEK<br />
finden erwachsene Menschen<br />
mit schwerst- und mehrfachen<br />
Behinderungen Aufnahme. Jeder<br />
Mensch des Förder- und Betreuungsbereichs<br />
hat ein Recht auf<br />
Arbeit. Wenn er es möchte, muss<br />
ihm eine seinen Fähigkeiten<br />
entsprechende Arbeit angeboten<br />
werden.<br />
In <strong>Esslingen</strong>-Zell werden 32<br />
Menschen mit Behinderung in<br />
fünf Gruppen betreut und begleitet.<br />
Der Förder- und Betreuungsbereich<br />
in Kirchheim besteht aus<br />
drei Gruppen mit insgesamt 17<br />
Menschen mit Behinderung. In<br />
Nellingen befinden sich zwei<br />
weitere Gruppen mit insgesamt<br />
elf Menschen mit Behinderung.<br />
Unsere primäre Aufgabe ist es,<br />
durch eine tragfähige wertschätzende<br />
Beziehung eine sinnvolle<br />
Alltagsgestaltung zu gewährleisten.<br />
Diesen Alltag charakterisieren<br />
viele unterschiedliche Angebote,<br />
wie gemeinsames Kochen,<br />
Einkaufen, Singen, Basteln, Sport<br />
oder Bewegung, Einzelförderung<br />
etc. Solche herausfordernden<br />
Alltagssituationen, mit denen<br />
sich die Menschen mit Behinderung<br />
auseinandersetzen, tragen<br />
dazu bei, dass personelle, soziale<br />
und praktische Kompetenzen<br />
beim Einzelnen erworben und<br />
erhalten werden können. Außerdem<br />
ist es unsere Aufgabe, Probleme<br />
und Schwierigkeiten oder<br />
Beeinträchtigungen der Einzelnen<br />
zu erkennen, zu minimieren<br />
und wenn möglich zu beseitigen.<br />
Die Menschen aus dem Förder-<br />
und Betreuungsbereich, die<br />
arbeiten möchten und können,<br />
haben die Möglichkeit, einige<br />
Arbeiten aus dem Arbeitsbereich<br />
ausführen wie z.B. Pneumatikbauteile<br />
mit Schrauben für die<br />
weitere Montage zu bestücken,
TITELTHEMA 25<br />
............................................................................................................................................................................................................................................<br />
eine Schraube in die Kunststoffsteckergehäuse<br />
zu stecken<br />
oder Kabelbinder mithilfe eines<br />
Zählholzes abzuzählen und<br />
einzutüten.<br />
Außerdem werden im Förder-<br />
und Betreuungsbereich eigene<br />
Produkte erstellt wie z.B.<br />
Postkarten, Kinderschürzen und<br />
Liköre. Täglich wird die Wäsche<br />
zusammengelegt, der Esstisch<br />
der Gruppe vor- und nachbereitet<br />
und der Müll entsorgt etc.<br />
Für die bestmögliche Betreuung<br />
und Förderung der Mitarbeiter<br />
ist eine Zusammenarbeit mit<br />
Angehörigen und Betreuern der<br />
stationären Wohnstätten notwendig.<br />
Dazu dienen persönliche<br />
Kontakte, Informationshefte,<br />
gegenseitige Besuche, gemeinsame<br />
Feste sowie formelle Kontakte<br />
wie Befragungen, Hausbesuche<br />
und Fallgespräche.<br />
Ausflug mit dem Förder- und Betreuungsbereich<br />
Spaß am Arbeitsplatz im Förder- und Betreuungsbereich<br />
Kontakt:<br />
Förderbereich der W.E.K.<br />
<strong>Esslingen</strong><br />
Zaim Sejdic<br />
Tel.: 0711 / 93 08 01-54
26 TITELTHEMA<br />
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Freiheitsentziehende Massnahmen<br />
Ein kurzer Überblick zur rechtlichen Situation<br />
Text: Bernd Seifriz-Geiger, Verein für Betreuungen<br />
Was sind freiheitsentziehende<br />
Maßnahmen?<br />
Als Mittel der Freiheitsentziehung<br />
kommen mechanische<br />
Vorrichtungen, Einsperren, Medikamente<br />
oder sonstige Vorkehrungen<br />
in Betracht, z.B. (Aufzählung<br />
nicht vollständig):<br />
- Bettgitter oder Schutzdecken<br />
um das Verlassen des Bettes zu<br />
verhindern<br />
- Sitzhosen, Anlegen von Sitzgurten<br />
- Abschließen der Zimmertür<br />
- Trickschlösser<br />
- Medikamente, die den Bewohner<br />
am Verlassen der Einrichtung<br />
hindern oder um die Pflege<br />
zu erleichtern<br />
- Arretieren des Rollstuhls<br />
- elektronische Maßnahmen<br />
(strittig)<br />
Rechtliche Situation bei<br />
Erwachsenen<br />
Willigt der einwilligungsfähige<br />
Betroffene in die Maßnahme<br />
selbstständig ein, dann ist keine<br />
Zustimmung des rechtlichen Betreuers<br />
bzw. Vollmachtnehmers<br />
und keine Genehmigung des<br />
Betreuungsgerichts erforderlich.<br />
Eine Genehmigung des Gerichts<br />
ist ebenfalls nicht erforderlich,<br />
wenn der Betreute zu einer<br />
Fortbewegung überhaupt nicht<br />
mehr in der Lage ist. Unabhängig<br />
davon ist die freiheitsentziehende<br />
Maßnahme auch nur dann<br />
genehmigungspflichtig, wenn sie<br />
über einen längeren Zeitraum<br />
oder regelmäßig erfolgt. Ebenfalls<br />
ist die freiheitsentziehende<br />
Maßnahme in der Regel nur<br />
in Einrichtungen und nicht im<br />
häuslichen Bereich genehmigungspflichtig.<br />
Vor der Einwilligung des Betreuers<br />
bzw. Vollmachtnehmers hat<br />
dieser u.a. zu tun und zu prüfen:<br />
- Rücksprache mit dem Betroffenen<br />
- Prüfung der Notwendigkeit und<br />
Geeignetheit<br />
- Prüfung von Alternativen<br />
Rechtliche Situation bei<br />
Minderjährigen<br />
Hier ist in der Regel nur die<br />
Zustimmung der Eltern bzw.<br />
<strong>Sorge</strong>berechtigten und keine Genehmigung<br />
des Familiengerichts<br />
notwendig. Einschränkungen<br />
hierzu sind nur im Falle einer<br />
Gefährdung des Kindeswohls<br />
zulässig.<br />
Es ist in der Rechtsprechung<br />
strittig, ob dies auch dann gilt,<br />
wenn der Minderjährige in einer<br />
stationären Einrichtung lebt (siehe<br />
Rechtsdienst der <strong>Lebenshilfe</strong><br />
04/2011, S. 189-191).<br />
Zusammenfassung<br />
Vor der Durchführung und/oder<br />
der Zustimmung zu freiheitsentziehenden<br />
Maßnahmen sollten<br />
alle Beteiligten immer sehr<br />
genau prüfen, ob es nicht weniger<br />
einschneidende Maßnahmen<br />
gibt. Alle Möglichkeiten der<br />
Prävention und alle Alternativen<br />
sind vorzuziehen. Freiheitsentziehende<br />
Maßnahmen können<br />
immer nur das letzte Mittel sein.<br />
Weitere Informationen können<br />
Sie gerne beim Verein für Betreuungen<br />
e. V. einholen.<br />
Kontakt:<br />
Verein für Betreuungen e. V.<br />
Bernd Seifriz-Geiger<br />
Katharinenstr. 46<br />
73728 <strong>Esslingen</strong><br />
Tel. 0711 882 409-11<br />
seifriz-geiger@verein-fuer-betreuungen.de
TITELTHEMA 27<br />
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Information und Beratung<br />
Eine Auswahl von Anlaufstellen<br />
www.landkreis-esslingen.de Sozialamt, Amt für besondere Hilfen,<br />
Interdisziplinäre Frühförderstelle<br />
www.rohräckerschule.de Sonderpädagogische Beratungsstellen<br />
www.familienratgeber.de Online-Servicestelle<br />
www.lebenshilfe.de Bundesvereinigung <strong>Lebenshilfe</strong><br />
www.lebenshilfe-bw.de Landesverband der <strong>Lebenshilfe</strong> in Stuttgart<br />
www.lebenshilfe-esslingen.de <strong>Lebenshilfe</strong> <strong>Esslingen</strong> e.V.<br />
Falls Sie zu einzelnen Angeboten<br />
und Hilfen weitere Fragen haben,<br />
können Sie sich jederzeit auch an<br />
uns wenden. Werktags von 10 bis<br />
15
28 INTERESSANTES<br />
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Down Syndrom - unzumutbar?<br />
Bluttest zum frühen Erkennen von Trisomie 21<br />
Text: Verena Könekamp, Vorstandsmitglied<br />
Das Down Syndrom werde die<br />
erste Form der Behinderung<br />
sein, die aus der Gesellschaft<br />
verschwindet, nämlich durch<br />
Abtreibung. So warnte Professor<br />
Wolfram Henn, Humangenetiker<br />
und Mitglied des Deutschen<br />
Ethikrats. Ein neuartiger Bluttest<br />
der Konstanzer Biotechnologie-<br />
Firma LifeCodexx soll im zweiten<br />
Quartal 2012 für Schwangere<br />
anwendungsbereit sein. Anders<br />
als die Fruchtwasseruntersuchung<br />
gefährdet der Praena-<br />
TestTM das Leben der Frau und<br />
des Ungeborenen nicht. Es ist<br />
deshalb damit zu rechnen, dass<br />
er weit verbreitet Anwendung<br />
finden wird. Für die Diagnose<br />
genügt die Abnahme des mütterlichen<br />
Bluts.<br />
Dass diese Methode zur Erkennung<br />
von Trisomie 21 vorgesehen<br />
ist, macht nur eine<br />
Minderheit hellhörig. Die gesellschaftlichen<br />
und individuellen<br />
Folgen dieser Untersuchung<br />
bezüglich des Lebensrechts von<br />
Ungeborenen mit Trisomie 21<br />
können in ihrem Umfang bisher<br />
nur erahnt werden. Es ist nach<br />
Ansicht von Experten jedoch<br />
damit zu rechnen, dass durch die<br />
einfachere Diagnosestellung die<br />
Zahl der Abtreibungen steigen<br />
wird. So startete das Deutsche<br />
Down Syndrom InfoCenter eine<br />
Aufklärungs-Kampagne: Die<br />
Postkarte „unzumutbar?“ will<br />
zur öffentlichen Diskussion über<br />
die Pränatal-Diagnostik anregen.<br />
Jule, die junge <strong>Lebenshilfe</strong>, hat<br />
sich der Kampagne angeschlossen.<br />
Der Wunsch der Menschen mit<br />
Trisomie 21 sollte durch den<br />
Welt-Down-Syndrom-Tag 2012<br />
einer breiten Öffentlichkeit nahe<br />
gebracht werden: Nehmt uns<br />
wahr, wir sind da! Wir gehören<br />
dazu – im Kindergarten, in der<br />
Schule, im öffentlichen Raum.<br />
Wir wollen spielen und lernen,<br />
als Erwachsene wollen wir arbeiten,<br />
weil wir vieles können.<br />
Fragt euch nicht nur, wie uns<br />
geholfen werden kann. Wir haben<br />
euch auch etwas zu geben!
AKTUELLES 29<br />
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Gottesdienst und Wellnesstage<br />
Neues aus der Seelsorge für Familien mit behinderten Kindern<br />
Die Seelsorge für Familien mit<br />
behinderten Kindern begleitet<br />
Menschen mit Behinderung und<br />
deren Familien partnerschaftlich,<br />
sie ermutigt zur Begegnung von<br />
Menschen mit und ohne Behinderung<br />
und steht für die Seelsorge<br />
in Schulen für Geistigbehinderte<br />
und Körperbehinderte.<br />
Gerne können Sie regelmäßige<br />
Informationen per Mail erhalten,<br />
melden Sie sich bei Seelsorger<br />
Tobias Haas.<br />
Aktuelle Angebote:<br />
So, 1.Juli, 10.30 Uhr<br />
Inklusiver Familiengottesdienst<br />
in der kath. Kirche St. Josef in<br />
<strong>Esslingen</strong>-Hohenkreuz, Barbarossastr.<br />
5
30 AKTUELLES<br />
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Offen für neue Impulse<br />
Gedanken zum veränderten Erscheinungsbild<br />
Text: Elisabeth Bidinger<br />
Vor über 30 Jahren ließ mich die<br />
Geburt unserer dritten Tochter<br />
das „beschützte Kind“ - so<br />
deutete ich das damalige Logo<br />
der <strong>Lebenshilfe</strong> - wahrnehmen.<br />
Ich war nun selbst betroffen,<br />
suchte Hilfe und fand sie bei der<br />
<strong>Lebenshilfe</strong> <strong>Esslingen</strong>.<br />
Inzwischen hat sich vieles entwickelt,<br />
verändert und die Kinder<br />
von einst und mit ihnen die<br />
<strong>Lebenshilfe</strong> sind immer wieder<br />
„anders“ geworden. Unsere<br />
Gesellschaft, die sozialen Bezüge,<br />
die Ansprüche und damit die<br />
Ziele und Wege dorthin haben<br />
sich sehr verändert.<br />
Viele langjährige Mitglieder werden<br />
manche Bewegungen in der<br />
<strong>Lebenshilfe</strong> kopfschüttelnd und<br />
mit wenig Wohlwollen beobachten,<br />
weil ihnen einiges fremd,<br />
unnötig oder gar falsch erscheint<br />
- auf dem Hintergrund ihrer<br />
bisherigen Erfahrungen. Mir geht<br />
es da nicht anders.<br />
Und doch: Im Schauen auf die<br />
jetzt „modernisierte“ Erscheinungsform<br />
des Logos gingen mir<br />
so einige Gedanken durch den<br />
Kopf. Ich möchte mich nämlich<br />
weiterhin um Offensein, kons-<br />
truktive Kritik und positives<br />
Denken in unserer <strong>Lebenshilfe</strong><br />
bemühen —auch wenn es<br />
manchmal schwierig scheint.<br />
Persönlich ist es mir besonders<br />
wichtig, weder den<br />
„Zeitgeist“ unkritisch zu übernehmen,<br />
noch das Gewohnte<br />
ausschließlich zu verteidigen.<br />
Bewährtes, dem einzelnen<br />
Menschen Angemessenes<br />
und Realisierbares dürfen<br />
nicht aus dem Blick geraten—<br />
besonders wenn Visionen im<br />
Raum stehen, die auf Veränderungen<br />
drängen.<br />
Das Logo in Graffiti-Form<br />
deute ich auf aktuelle Bestrebungen<br />
in der <strong>Lebenshilfe</strong> bezogen<br />
nun so: Der Kern, das Wohl geistig<br />
behinderter Menschen bleibt<br />
wichtig und sofort erkennbar.<br />
Er schließt auch weiterhin die<br />
Angehörigen mit ein.<br />
Im Umfeld sind inzwischen aber<br />
unzählige „Spritzer“, Punkte,<br />
Spuren entstanden. Sie ergänzen,<br />
verwirren, erweitern,…<br />
(Schlagwörter, Bewegungen,<br />
Bedrohung wie z.B. Pränatale<br />
Diagnostik, Integration, Selbstbestimmung,<br />
PID, neuer Bluttest,<br />
Inklusion usw.) Manches „tropft<br />
ab“, trocknet weg, verblasst<br />
wieder.<br />
Ich denke, das veränderte vielgestaltige<br />
Tun in und mit der<br />
<strong>Lebenshilfe</strong> kann in dieser neuen<br />
„Streu“-Form des Logos durchaus<br />
positiv erkannt werden.<br />
Wichtig ist doch, dass der zentrale<br />
Punkt, das Engagement für<br />
die Belange ALLER Menschen<br />
mit geistiger Behinderung, bleibt.<br />
Um ihn herum müssen wir immer<br />
offen sein für neue Bedürfnisse<br />
und Impulse!
31<br />
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Ausstellungseröffnung im CafeéSonne<br />
Anlässlich des Europäischen Protesttages<br />
zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen<br />
Die Fotos in dieser Ausstellung<br />
zeigen Teilnehmer der rund 30<br />
Freizeit- und Sportgruppen<br />
aus dem Bereich Offene Hilfen<br />
der <strong>Lebenshilfe</strong> <strong>Esslingen</strong>.<br />
„Wie jeder andere auch“ wollen<br />
auch Kinder, Jugendliche<br />
und Erwachsene mit Handicaps<br />
gemeinsam Spaß haben, Sport<br />
treiben, Ausflüge machen, künstlerisch<br />
kreativ sein, sich weiterbilden,<br />
Freunde treffen und<br />
„ganz normale Sachen machen“.<br />
Um die Broschüre für die Angebote<br />
der Offenen Hilfen ansprechend<br />
und lebendig zu gestalten<br />
wurden im vergangenen Jahr<br />
die Teilnehmer in Aktion fotografiert.<br />
Einige dieser Fotos sind<br />
auch in unsere Nachrichten.<br />
Die Ausstellung ist noch bis zum<br />
27. 6. 2012 zu sehen.
32<br />
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Vorstand<br />
Mitglieder des Vorstands sind für unterschiedliche Bereiche zuständig<br />
Caroline Habrik<br />
Mitglied im Leitungsteam<br />
des Vorstandes<br />
Ressort Offene Hilfen<br />
Mutter einer schwer mehrfach<br />
behinderten Tochter<br />
Dieter Munk<br />
Mitglied im Leitungsteam<br />
des Vorstandes<br />
Ressort Offene Hilfen<br />
Ressort Wohnen<br />
Dr. Walter Pross<br />
Mitglied im Leiungs<br />
team des Vorstandes<br />
Ressort Finanzen<br />
Ressort Wohnen<br />
Vorsitzender des Vorstandes<br />
Stiftung <strong>Lebenshilfe</strong><br />
<strong>Esslingen</strong><br />
Vertreter der <strong>Lebenshilfe</strong><br />
als Gesellschafter der WEK<br />
Vater eines erwachsenen<br />
behinderten Sohnes<br />
Barbara Bär<br />
Mitglied im Vorstand<br />
Ressort Wohnen<br />
Ressort Arbeit<br />
Lehrerin an der Rohr<br />
äckerschule<br />
Friedrich Beutel<br />
Mitglied im Vorstand<br />
Ressort Arbeit<br />
Verwaltungsratsvorsitzender<br />
der WEK<br />
Vater einer Tochter mit<br />
Down Syndrom<br />
Michael Buck<br />
Mitglied im Vorstand<br />
Ressort Offene Hilfen<br />
Ressort Jule<br />
Vater einer Tochter mit<br />
Down Syndrom<br />
Verena Könekamp<br />
Mitglied im Vorstand<br />
Ressort Offene Hilfen<br />
Ressort Jule<br />
Ressort Öffentlichkeitsarbeit<br />
Mutter eines Sohnes mit<br />
Down Syndrom
33<br />
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Reiten,Backen und Schnitzeljagd<br />
Familienfreizeit auf dem Pfeifferhof im Allgäu<br />
Text: Alena Metzger, Mitarbeiterin der Offene Hilfen<br />
13 Kinder mit und ohne Behinderung<br />
genossen zusammen mit<br />
ihren Familien die Familienfreizeit<br />
der <strong>Lebenshilfe</strong> im Allgäu.<br />
Auf dem Pfeifferhof konnten<br />
sie spielen, basteln, ein riesiges<br />
Lagerfeuer entzünden, eine<br />
Schnitzeljagd an den Bibersee<br />
wie auch einen gemeinsamen<br />
Ausflug zu einem Maimarkt<br />
machen.<br />
Die Dinkelbrötchen, die in einer<br />
gemeinsamen Backaktion<br />
im hauseigenen Backsteinofen<br />
entstanden, gab es am nächsten<br />
Morgen zum Frühstück.<br />
Der Pfeifferhof wird von einer<br />
Familie betrieben, die alle eine<br />
reittherapeutische Ausbildung<br />
haben.<br />
An zwei Tagen konnten die jungen<br />
Teilnehmer der Freizeit auf<br />
den Pferden reiten. Die anfängliche<br />
Scheu war bei allen schnell<br />
überwunden. Selbst die Allerkleinsten<br />
wollten gar nicht mehr<br />
runter vom Pferd.<br />
Vielleicht gibt es im nächsten<br />
Jahr ja eine Fortsetzung.
34<br />
............................................................................................................................................................................................................................................<br />
Impressum<br />
Herausgeber: <strong>Lebenshilfe</strong> <strong>Esslingen</strong> e.V.<br />
Flandernstraße 49, 73732 <strong>Esslingen</strong><br />
Tel. 0711 - 93 78 88 - 0<br />
Fax. 0711 - 93 78 88 - 5
35<br />
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36<br />
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