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Pruden mitten in der Welt: Teil 4 von - Siebenbuerger.de

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Die Heimatortsgeme<strong>in</strong>schaft <strong>Pru<strong>de</strong>n</strong> <strong>in</strong> Deutschland<br />

Fritz Leutner<br />

Nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Kapitulation vom 8. Mai 1945 kommen auch die ersten Prudner nach<br />

Deutschland an. Sie waren entlassene Kriegsgefangene und Flüchtl<strong>in</strong>ge, später Deportierte<br />

aus <strong>de</strong>n sowjetischen Zwangsarbeitslagern, die nicht mehr nach Siebenbürgen<br />

zurückkehrten.Die Siebenbürger Sachsen s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong> traditionsbewusster, <strong>de</strong>utscher<br />

Volksstamm, <strong>de</strong>ssen Heimat Siebenbürgen, ihm durch die Lei<strong>de</strong>n zweier <strong>Welt</strong>kriege<br />

und schwerer Nachkriegsjahre zur Frem<strong>de</strong> wur<strong>de</strong>.Als Folge dieser Umstän<strong>de</strong> setzte<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Exodus, aus <strong><strong>de</strong>r</strong> angestammten Heimat, schon nach <strong>de</strong>m zweiten <strong>Welt</strong>krieg e<strong>in</strong>.<br />

Je<strong><strong>de</strong>r</strong> versuchte, <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> neuen Heimat Fuß zu fassen, was nicht immer leicht war, galt es<br />

doch mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Tatsache fertig zu wer<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>m Vertreibungsdruck, <strong>de</strong>n man <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> alten<br />

Heimat als Deutsche ausgesetzt war. Hatte man <strong>de</strong>m auch nachgegeben, verstand man<br />

nun die <strong>Welt</strong> nicht mehr, <strong>de</strong>nn <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> neuen Heimat wur<strong>de</strong> man als Fremdkörper angesehen<br />

und als Auslän<strong><strong>de</strong>r</strong> e<strong>in</strong>gestuft. Diese Tatsache schmerzte, aber bekanntlich verb<strong>in</strong><strong>de</strong>n<br />

gleiche Gefühle und man suchte und fand Gleichges<strong>in</strong>nte. Zusätzlich verband<br />

alle die Sehnsucht nach <strong><strong>de</strong>r</strong> verlorenen Heimat, so wie man diese im Herzen trug, aber<br />

auch die Sehnsucht nach e<strong>in</strong>er neuen Heimat, die es zu f<strong>in</strong><strong>de</strong>n galt.<br />

Als dann 1949 <strong>in</strong> München <strong><strong>de</strong>r</strong> „Verband <strong><strong>de</strong>r</strong> Siebenbürger Sachsen und Banater<br />

Schwaben“ gegrün<strong>de</strong>t wur<strong>de</strong>, aus <strong>de</strong>m sich im folgen<strong>de</strong>n Jahr die bei<strong>de</strong>n „Landsmannschaften“<br />

herausbil<strong>de</strong>ten, fühlte man sich als <strong>Teil</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> „Landsmannschaft <strong><strong>de</strong>r</strong> Siebenbürger<br />

Sachsen <strong>in</strong> Deutschland“. Die wohl jüngsten E<strong>in</strong>richtungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Siebenbürger<br />

Sachsen <strong>in</strong> Deutschland entstan<strong>de</strong>n ab <strong>de</strong>n 70-er Jahren, zeitgleich mit <strong>de</strong>m Anstieg<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Aussiedlungswelle aus <strong><strong>de</strong>r</strong> angestammten Heimat Siebenbürgen, es s<strong>in</strong>d die<br />

Heimatortsgeme<strong>in</strong>schaften. So entsteht auch die „Heimatortsgeme<strong>in</strong>schaft <strong>Pru<strong>de</strong>n</strong> <strong>in</strong><br />

Deutschland“.<br />

Das erste Prudner Treffen fand am 10./11. Juni 1978 <strong>in</strong> Hei<strong>de</strong>lsheim (Stadt Bruchsal)<br />

statt. Dieses erste Prudner Heimattreffen verdanken wir unserem Landsmann Lothar<br />

Plachta, <strong><strong>de</strong>r</strong> sich schon längere Zeit mit <strong>de</strong>m Gedanken befasste, mit allen <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik<br />

leben<strong>de</strong>n Prudnern e<strong>in</strong> Treffen zu veranstalten. Um <strong>de</strong>n Prudnern die<br />

Er<strong>in</strong>nerungen und die Erlebnisse aus <strong><strong>de</strong>r</strong> alten Heimat aufzufrischen entschied sich<br />

Lothar Plachta die „Prudner Nachrichten“ (Heimatbrief <strong><strong>de</strong>r</strong> Prudner Nachbarschaft)<br />

<strong>in</strong>s Leben zu rufen.<br />

Damit auch allen Lesern die Möglichkeit gegeben wird, sich über <strong>de</strong>n Inhalt und<br />

Entstehung <strong><strong>de</strong>r</strong> „Prudner Nachrichten“ e<strong>in</strong> Bild zu machen, ist <strong>in</strong> unserem Büchle<strong>in</strong><br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> erste Heimatbrief gedruckt.<br />

Das erste Prudner Treffen war e<strong>in</strong> gelungenes Fest und sollte auch nicht das letzte se<strong>in</strong>.<br />

Da die Prudner gerne feiern und sich viel zu erzählen haben, beschlossen sie <strong>von</strong> nun<br />

an sich je<strong>de</strong>s Jahr wie<strong><strong>de</strong>r</strong> zu treffen.<br />

2009 wer<strong>de</strong>n wir unser 25. Jubiläums-Treffen abhalten.<br />

426


Fritz Leutner<br />

Liebe Landsleute aus <strong>Pru<strong>de</strong>n</strong>!<br />

Endlich ist es soweit: Der erste Rundbrief ist geboren. Hier e<strong>in</strong>ige Notizen zu se<strong>in</strong>er<br />

Entstehung:<br />

Als K<strong>in</strong>d und Jugendlicher wusste ich - lei<strong><strong>de</strong>r</strong> - soviel wie nichts <strong>von</strong> Siebenbürgen,<br />

bzw <strong>Pru<strong>de</strong>n</strong>.<br />

Ich wusste nur, dass me<strong>in</strong> Vater <strong>von</strong> „Siebenbürgen“ kommt. Er hat viel <strong>von</strong> se<strong>in</strong>er<br />

K<strong>in</strong>dheit erzählt. (E<strong>in</strong> Erlebnis da<strong>von</strong> wer<strong>de</strong> ich Euch heute schil<strong><strong>de</strong>r</strong>n). Im Jahre1967<br />

war es dann soweit. Ich fuhr mit me<strong>in</strong>er Schwester nach Elisabethstadt, zu unserem Onkel,<br />

<strong>de</strong>m Plachta Misch. Ich wußte nicht e<strong>in</strong>mal genau, ob man dort <strong>de</strong>utsch spricht.<br />

(Ich b<strong>in</strong> hier - im „Reich“ geboren, me<strong>in</strong>e Mutter ist <strong>von</strong> hier). Man sprach dort<br />

<strong>de</strong>utsch. Seit damals gab es noch e<strong>in</strong>ige Besuche und ich lernte Siebenbürgen und die<br />

Landsleute kennen. Mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Zeit haben manche <strong>von</strong> ihnen gemerkt, dass die Prudner so<br />

e<strong>in</strong> zerstreuter Haufen s<strong>in</strong>d. Manche haben dann zu mir gesagt: Du bist noch jung, hast<br />

auch Interesse, sorge dafür, dass das an<strong><strong>de</strong>r</strong>s wird, trommle die Leute zusammen. Jetzt<br />

ist es endlich soweit. Ich will jedoch nicht nur jetzt die Leute zusammentrommeln, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />

<strong>de</strong>n Anstoß zu regelmäßigem Kontakt geben. Wenn es Euch recht ist, soll dieser<br />

Rundbrief - mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Zeit <strong>in</strong> verbesserter Form - zu e<strong>in</strong>er ständigen E<strong>in</strong>richtung wer<strong>de</strong>n.<br />

Wie oft er ersche<strong>in</strong>en soll, steht noch <strong>in</strong> <strong>de</strong>n Sternen. Vielleicht könnte man, (wenn wir<br />

alle zusammen arbeiten) Neuigkeiten und Interessantes aus <strong><strong>de</strong>r</strong> alten Heimat mit h<strong>in</strong>e<strong>in</strong><br />

br<strong>in</strong>gen. Das hängt aber alles nicht nur <strong>von</strong> mir, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n hauptsächlich <strong>von</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitarbeit<br />

aller Landsleute ab. Über nähere E<strong>in</strong>zelheiten <strong>de</strong>s ganzen Vorhabens wer<strong>de</strong>n<br />

wir noch zu re<strong>de</strong>n haben.<br />

Soweit vorerst die Vor<strong>in</strong>formation.<br />

Es grüßt Euch ,<br />

Euer Lothar Plachta<br />

Liebe Prudner Landsleute,<br />

e<strong>in</strong>ige unter uns s<strong>in</strong>d mir fast schon böse, weil ich noch ke<strong>in</strong> Prudner Treffen organisiert<br />

habe. Vor langer Zeit war schon die Re<strong>de</strong> da<strong>von</strong>, jetzt endlich sol1 es Wirklichkeit<br />

wer<strong>de</strong>n.<br />

Term<strong>in</strong>: Samstag/Sonntag, 10./11. Juni 1978. Der Ort <strong><strong>de</strong>r</strong> Veranstaltung ist hier bei uns<br />

(Bruchsal / Hei<strong>de</strong>lsheim), da es sich für mich hier leichter organisieren läßt.<br />

E<strong>in</strong>ige Stichpunkte:<br />

- Alle sollen kommen<br />

- Informiert auch schnellstens diejenigen, die diesen Rundbrief, mangels vorhan<strong>de</strong>ner<br />

Adresse, nicht erhalten haben<br />

427


- Das Treffen soll für je<strong>de</strong>n so billig wie möglich gehalten wer<strong>de</strong>n<br />

-Für Übernachtung wird gesorgt wer<strong>de</strong>n (siehe Antwortkarte)<br />

- Br<strong>in</strong>gt bitte unbed<strong>in</strong>gt alte Bil<strong><strong>de</strong>r</strong>, Dokumente usw. <strong>von</strong> <strong>Pru<strong>de</strong>n</strong> mit, damit ich Duplikate<br />

anfertigen kann<br />

- Samstag, 10. Juni, ist <strong>in</strong> Ba<strong>de</strong>n - Württemberg schulfrei<br />

- Überlegt, ob wir e<strong>in</strong>e „Prudner Nachbarschaft“ grün<strong>de</strong>n sollen<br />

- Filme, Bil<strong><strong>de</strong>r</strong> und Dias aus <strong><strong>de</strong>r</strong> alten<br />

- (und neuen) Heimat sollen gezeigt wer<strong>de</strong>n<br />

- Nähere E<strong>in</strong>zelheiten wer<strong>de</strong>n im zweiten Rundbrief enthalten se<strong>in</strong>, <strong><strong>de</strong>r</strong> noch<br />

vor <strong>de</strong>m Treffen herauskommt<br />

- Vorschläge Hilfen, Anregungen und Adressen <strong>von</strong> Prudnern wer<strong>de</strong>n gerne entgegengenommen<br />

(sogar erwartet)<br />

Das wärs fürs Prudner Treffen, ich erwarte Eure Reaktion! LP.<br />

Als wir e<strong>in</strong>mal die Schule schwänzten <strong>von</strong> Karl Plachta<br />

Als junger Schulbub hatte ich folgen<strong>de</strong>s Erlebnis: In <strong>Pru<strong>de</strong>n</strong> hatten wir e<strong>in</strong>en kle<strong>in</strong>en<br />

Hof mit Haus, Garten, etwas Vieh und natürlich Hühner.<br />

An e<strong>in</strong>em schönen Tag spielte ich mit Freun<strong>de</strong>n im Hof. Wir hatten entkörnte Kukuruzkolben<br />

zur Verfügung, für die wir Verwendung suchten. E<strong>in</strong>er kam auf die I<strong>de</strong>e: Wir<br />

schnitzten daraus Pfer<strong>de</strong>hufen. Nach getaner Arbeit brauchte man zu diesen Hufen<br />

auch Pfer<strong>de</strong>, das waren halt, wir Jungen. Und was machten wir nun als Pfer<strong>de</strong>? Wir ritten<br />

umher, und es kam sogar zu e<strong>in</strong>em Pfer<strong><strong>de</strong>r</strong>ennen. Das Ganze war, wie Ihr Euch <strong>de</strong>nken<br />

könnt, e<strong>in</strong> sehr schönes Erlebnis. Es hatte nur e<strong>in</strong>en Haken: Vergaßen wir dabei die<br />

Schule o<strong><strong>de</strong>r</strong> wollten wir sie vergessen? Ich weiß es heute nicht mehr. Je<strong>de</strong>nfalls kamen<br />

wir nicht rechtzeitig zum Unterricht.<br />

Als wir dort mit großer Verspätung ankamen, fragte uns selbstverständlich <strong><strong>de</strong>r</strong> Lehrer,<br />

wo wir geblieben seien. Auf diese Frage waren wir jedoch schon vorbereitet. Die Antwort<br />

lautete: „Herr Lehrer, wir konnten nicht eher kommen, <strong>de</strong>nn wir waren alle<strong>in</strong> zu<br />

Hause und mussten die Glucke hüten". Der Lehrer war mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Antwort zufrie<strong>de</strong>n, obwohl<br />

er uns nicht glaubte und betrachtete die Angelegenheit als erledigt.<br />

(Für Vollständigkeit dieser Erzählung wird ke<strong>in</strong>e Garantie übernommen. LP.)<br />

Hier noch etwas Werbung<br />

Es ist Ehrenpflicht e<strong>in</strong>es je<strong>de</strong>n Sachsen, Mitglied <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Landsmannschaft zu se<strong>in</strong> o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

zu wer<strong>de</strong>n. Es s<strong>in</strong>d ke<strong>in</strong>e leeren Worte, wenn <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> „Siebenbürgischen Zeitung" steht:<br />

„Nur e<strong>in</strong>e grosse Landsmannschaft ist e<strong>in</strong> starke Landsmannschaft!" Die Su<strong>de</strong>ten<strong>de</strong>utschen<br />

s<strong>in</strong>d größer, die kommen auch mit ihrem Pf<strong>in</strong>gsttreffen im Fernsehen, Rund-<br />

funk und Presse. Dazu s<strong>in</strong>d wir Siebenbürger Sachsen wahrsche<strong>in</strong>lich noch zu kle<strong>in</strong>.<br />

Mit vielen Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>n erreicht man auch politisch mehr (Auswan<strong><strong>de</strong>r</strong>ung „ dort", E<strong>in</strong>glie<strong><strong>de</strong>r</strong>ung<br />

„hier“).<br />

Also: Was hält uns ab ?<br />

Es gibt auch e<strong>in</strong> „Hilfskomitee <strong><strong>de</strong>r</strong> Siebenbürger Sachsen“. Es ist über das Hilfswerk<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Evang. Kirche <strong>in</strong> Deutschland organisiert und hat schon vielen Landsleuten sehr geholfen.<br />

Es arbeitet ohne Mitgliedschaft o<strong><strong>de</strong>r</strong> Beiträge und ist <strong>de</strong>shalb auf unsere Spen<strong>de</strong>n<br />

angewiesen. Spen<strong><strong>de</strong>r</strong> wer<strong>de</strong>n im „Licht <strong><strong>de</strong>r</strong> Heimat“, <strong>de</strong>m Monatsgruß <strong>de</strong>s Komitees,<br />

veröffentlicht.<br />

428


Kenn, Ihr schon <strong>de</strong>n „Arbeitskreis für Siebenbürgische Lan<strong>de</strong>skun<strong>de</strong> e.V.“ ? Dieser<br />

Vere<strong>in</strong> ist hauptsächlich <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Erforschung <strong><strong>de</strong>r</strong> Sächsischen Geschichte tätig. Er unterhält<br />

auch die Siebenbürgische Bibliothek und das Heimatmuseum <strong>in</strong> Gun<strong>de</strong>lsheim /<br />

Neckar.<br />

Der Arbeitskreis ist f<strong>in</strong>anziell <strong>von</strong> se<strong>in</strong>en Mitgliedsbeiträgen abhängig und hat nichts<br />

gegen neue Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>. Jahresbeitrag: m<strong>in</strong><strong>de</strong>stens 20 DM .<br />

Die Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> können die Verröffentlichungen <strong>de</strong>s Arbeitskreises (wertvolle Bücher)<br />

zu stark ermäßigtem Preis erwerben.<br />

Nähere E<strong>in</strong>zelheiten über die Siebenbürgischen E<strong>in</strong>richtungen beim Treffen!<br />

Übrigens:<br />

Alle f<strong>in</strong>anziellen Zuwendungen für die genannten E<strong>in</strong>richtungen (Beiträge, Spen<strong>de</strong>n,<br />

Bücherrechnungen usw. s<strong>in</strong>d steuerlich absetzbar!)<br />

HINWEISE:<br />

Auf <strong><strong>de</strong>r</strong> beiliegen<strong>de</strong>n Antwortkarte möchtet Ihr bitte folgen<strong>de</strong>s vermerken:<br />

1}Eure Anschrift<br />

2)Ob Ihr zum Treffen kommt<br />

a) wieviel Erwachsene?<br />

b) wieviele K<strong>in</strong><strong><strong>de</strong>r</strong> (Alter)?<br />

3) Übernachtet Ihr?<br />

4) Wünscht Ihr Betten o<strong><strong>de</strong>r</strong> Notunterkünfte, wie Luftmatratzen (wichtig wegen Besorgung<br />

und Kosten!)<br />

5) Sonstige Mitteilungen<br />

PRUDEN (Statistik: <strong>de</strong>s Jahres 1930)<br />

E<strong>in</strong>wohner (ges. ) 576<br />

Rumänen 45<br />

Ungarn 4<br />

Deutsche 435<br />

Ju<strong>de</strong>n<br />

Zigeuner 92<br />

Sonstige<br />

Evang. AB 435<br />

E<strong>in</strong>wohner 1966: 544<br />

(Entnommen aus: Ernst Wagner, Historisch-statistisches Ortsnamenbuch für Siebenbürgen;<br />

Böhlau -Verlag Köln -Wien 1977)<br />

Das war <strong><strong>de</strong>r</strong> erste Rundbrief<br />

" Prudner Nachrichten"<br />

Es grüßt Euch Euer<br />

Herausgeber: Lothar Plachta, Ju<strong>de</strong>ngasse 21 D-7520 Bruchsal-7<br />

Tel. 07251/5891 (Bruchsal - 7 Hei<strong>de</strong>lsheim)<br />

429


Prudner Heimattreffen / Fotos: Lukas Ged<strong><strong>de</strong>r</strong>t<br />

Gruppenbild vom ersten Prudner Treffen 1978<br />

Hermann Salmen, Hans Tatter, Lothar Plachta, Dagmar Ged<strong><strong>de</strong>r</strong>t und Frau Plachta v.li.n.r.<br />

430


Treffen 1981<br />

431


Treffen 1981<br />

432


Treffen 1981<br />

433


Der Nachwuchs<br />

434


Gemütliches Beisammense<strong>in</strong> / 1988<br />

Das vierblättrige Kleeblatt / 1988<br />

435


Johann Tatter eröffnet das Prudner Treffen 1989<br />

v.li. Dagmar Ged<strong><strong>de</strong>r</strong>t, Daniel Wolff, Wenke Ged<strong><strong>de</strong>r</strong>t, Elisabeth Kle<strong>in</strong>, Otto Kle<strong>in</strong> und Elisabeth Ged<strong><strong>de</strong>r</strong>t<br />

436


Marta Weprich, Lukas Ged<strong><strong>de</strong>r</strong>t und Johann Weprich (v.l). / 1989<br />

Susanna Löw, Daniel Wolff, Johann Löw, Rebekka Wolff, Dagmar Ged<strong><strong>de</strong>r</strong>t und Gerda Kepp (v.l.).<br />

1989<br />

437


v.l.: Tilli Salmen, Kathar<strong>in</strong>a Leutner, Simon Tatter, Kathar<strong>in</strong>a Weprich<br />

und Franz Geiger<br />

Adolf-Michael Franz und Lukas Keul<br />

438


Treffen 1989<br />

439


Rebekka Tatter und Rebekka Weprich (Mutter und Tochter).<br />

Treffen 1989<br />

Emma Keul, Michael Keul, Michael Wolff, Hans Keul und Lukas Gierscher v.r.n.l.<br />

440


Eröffnunsre<strong>de</strong> vom HOG - Vorsitzen<strong>de</strong>n Horst Leutner<br />

Treffen 2005<br />

441


Treffen 2005<br />

Treffen <strong>in</strong> <strong>Pru<strong>de</strong>n</strong> 2006<br />

442


Treffen <strong>in</strong> <strong>Pru<strong>de</strong>n</strong> 2006<br />

443


Treffen 2007<br />

444


Treffen 2007<br />

445


Die Geschwister Leutner 2007<br />

Treffen 2007<br />

v.l. Rose L<strong>in</strong>gner, Ute Nötzold und Dagmar Ged<strong><strong>de</strong>r</strong>t<br />

446


Lisa und Dr. Doolittle (Toni)<br />

Treffen 2007<br />

Tombola 2007<br />

447<br />

Zukünftige HOG-Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>


Der Heimattag <strong><strong>de</strong>r</strong> Siebenbürger Sachsen<br />

Dem Verband <strong><strong>de</strong>r</strong> Siebenbürger Sachsen <strong>in</strong> Deutschland ist es <strong>in</strong> <strong>de</strong>n Nachkriegsjahren<br />

gelungen, <strong>de</strong>n Keim zu e<strong>in</strong>er neuen Geme<strong>in</strong>schaftsbildung zu legen. Siebenbürger<br />

Sachsen e<strong>in</strong>es Ortes o<strong><strong>de</strong>r</strong> e<strong>in</strong>es Gebietes fan<strong>de</strong>n zue<strong>in</strong>an<strong><strong>de</strong>r</strong> und s<strong>in</strong>d durch e<strong>in</strong> fe<strong>in</strong>es<br />

Netzwerk mit Landsleuten <strong>in</strong> ganz Deutschland verbun<strong>de</strong>n – mit <strong><strong>de</strong>r</strong> „Siebenbürgischen<br />

Zeitung“ als Informations- und Kommunikationsmedium im Zentrum. Deren<br />

Hauptaufgabe war es, so wie sie <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Vere<strong>in</strong>barung vom 28. November 1959 zwischen<br />

<strong>de</strong>n Landsmannschaften <strong><strong>de</strong>r</strong> Siebenbürger Sachsen <strong>in</strong> Deutschland und <strong>in</strong> Österreich<br />

festgehalten wur<strong>de</strong>, „<strong>de</strong>n <strong>in</strong>neren Zusammenhalt und die Bes<strong>in</strong>nung auf die dauern<strong>de</strong>n<br />

Werte unseres Volksstammes zu pflegen und als Nachrichtenblatt <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Landsmannschaften zu dienen“. Für diesen <strong>in</strong>neren Zusammenhalt war <strong><strong>de</strong>r</strong> persönliche<br />

Kontakt entschei<strong>de</strong>nd. Wo aber konnte man Bekannte treffen, wo etwas über Personen<br />

erfahren, die man aus <strong>de</strong>n Augen verloren hatte, wo mit ihnen beisammen se<strong>in</strong>, <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

geme<strong>in</strong>sam verbrachten Tage ge<strong>de</strong>nken o<strong><strong>de</strong>r</strong> Zukunftspläne schmie<strong>de</strong>n?<br />

Es hatte schon vorher Versuche gegeben, größere „Heimattreffen“ zu organisieren. Aber<br />

erst <strong><strong>de</strong>r</strong> überwältigen<strong>de</strong> Erfolg <strong>de</strong>s „Tages <strong><strong>de</strong>r</strong> Heimat“ 1950 <strong>in</strong> Stuttgart und an an<strong><strong>de</strong>r</strong>en<br />

Orten beflügelte die Vertriebenenverbän<strong>de</strong>, und sie beschlossen, alljährlich neben <strong>de</strong>m<br />

Tag <strong><strong>de</strong>r</strong> Heimat auch Bun<strong>de</strong>streffen zu organisieren.<br />

Der erste Heimattag <strong><strong>de</strong>r</strong> Siebenbürger Sachsen – noch als „Bun<strong>de</strong>streffen“ bezeichnet –<br />

fand zu Pf<strong>in</strong>gsten 1951 <strong>in</strong> D<strong>in</strong>kelsbühl statt unter Beteiligung <strong>von</strong> 4.000 Landsleuten<br />

aus Deutschland, Übersee, Österreich, England, Italien, Schwe<strong>de</strong>n und Frankreich. Sie<br />

waren gekommen, angetrieben <strong>von</strong> <strong>de</strong>m Wunsch, Freun<strong>de</strong> und Verwandte nach langen<br />

Jahren wie<strong><strong>de</strong>r</strong> zu treffen, und <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Hoffnung, Orientierung und Hilfe für die nächste<br />

Zukunft zu f<strong>in</strong><strong>de</strong>n. Der Verbandstag, <strong><strong>de</strong>r</strong> im Rahmen dieses Bun<strong>de</strong>streffens stattfand –<br />

durch zahlreiche Gäste zum „Großen Rat“ aufgewertet –, sollte nach e<strong>in</strong>er Lageanalyse<br />

auch Ziele für die Zukunft erarbeiten. Ob man <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> damaligen Zukunftsanalyse wohl<br />

voraussehen konnte, dass <strong><strong>de</strong>r</strong> Heimattag bis heute das sichtbarste Zeichen <strong>de</strong>s<br />

Geme<strong>in</strong>schaftss<strong>in</strong>ns <strong><strong>de</strong>r</strong> weltweit verstreuten Siebenbürger Sachsen geblieben ist?<br />

1990 wur<strong>de</strong> mit 25.000 Personen <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Teil</strong>nehmerrekord erreicht.<br />

Alljährlich f<strong>in</strong><strong>de</strong>t <strong><strong>de</strong>r</strong> Heimattag zu Pf<strong>in</strong>gsten (mit zwei Ausnahmen 1952 und 1953)<br />

und <strong>in</strong> D<strong>in</strong>kelsbühl statt (mit e<strong>in</strong>er Ausnahme 1952 <strong>in</strong> Rothenburg ob <strong><strong>de</strong>r</strong> Tauber). Mit<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> ehemals Freien Reichsstadt D<strong>in</strong>kelsbühl hatte man nicht nur e<strong>in</strong>en<br />

Veranstaltungsort gefun<strong>de</strong>n, <strong><strong>de</strong>r</strong> unweit <strong>de</strong>s damaligen siebenbürgisch-sächsischen<br />

Siedlungsschwerpunktes lag – nach <strong>de</strong>n Umsiedlungen 1951-1952, durch die die Last<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Vertriebenen <strong>von</strong> Bayern, Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>sachsen und Schleswig-Holste<strong>in</strong> gerechter auf die<br />

an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Län<strong><strong>de</strong>r</strong> verteilt wur<strong>de</strong>, verlor dieses Gebiet an Gewicht – und durch Lage und<br />

Stadtbild an die Heimat er<strong>in</strong>nerte. Man war dort auch willkommen, wie die Grußworte<br />

und die E<strong>in</strong>ladungen <strong>de</strong>s Landrates Dr. Küsswetter und <strong>de</strong>s 1. Bürgermeisters Karl Ries<br />

zeigen, <strong>de</strong>nn schließlich war e<strong>in</strong> solches Treffen auch e<strong>in</strong> Wirtschaftsfaktor.<br />

So wie 1951 blau-rote Fahnen, siebenbürgisch-sächsische Tracht und Mundart für drei<br />

Tage das D<strong>in</strong>kelsbühler Stadtbild prägten, so sollte <strong><strong>de</strong>r</strong> Verlauf <strong>de</strong>s ersten Heimattages<br />

prägend für die Zukunft wer<strong>de</strong>n. Es gab <strong>in</strong> <strong>de</strong>n drei Tagen schon: die Kundgebung vor<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Schranne – Festredner auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Großkundgebung war Prof. Dr. Dr. Theodor<br />

Oberlän<strong><strong>de</strong>r</strong>, Bayerischer Staatssekretär für das Flüchtl<strong>in</strong>gswesen und späterer<br />

Vertriebenenm<strong>in</strong>ister –, <strong>de</strong>n Gottesdienst, <strong>de</strong>n Festzug als Trachtenzug, e<strong>in</strong>e<br />

448


Kunstausstellung und verschie<strong>de</strong>ne Möglichkeit <strong>de</strong>s geselligen Beisammense<strong>in</strong>s.<br />

Das Beisammense<strong>in</strong> und die Zusammengehörigkeit wollte man <strong>in</strong> D<strong>in</strong>kelsbühl nicht<br />

nur erleben, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch nach außen h<strong>in</strong> sichtbar machen. Und was für e<strong>in</strong> besseres<br />

Zeichen dafür konnte es geben als die siebenbürgisch-sächsische Tracht, die<br />

Festtagstracht, die <strong>in</strong> Siebenbürgen bis <strong>in</strong> die allerjüngste Vergangenheit zum<br />

lebendigen Brauchtum gehörte, an <strong><strong>de</strong>r</strong> man weiterh<strong>in</strong> festhielt und sie mit berechtigtem<br />

Stolz zeigte, nimmt sie doch <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>utschen Trachtenlandschaft dank ihrer bis <strong>in</strong>s<br />

Mittelalter reichen<strong>de</strong>n Tradition, ihrer Vielfalt und Kostbarkeit e<strong>in</strong>e Son<strong><strong>de</strong>r</strong>stellung e<strong>in</strong>.<br />

Es war daher naheliegend, e<strong>in</strong>en Trachtenzug als visuellen Höhepunkt <strong>de</strong>s Heimattages<br />

zu organisieren. Der Erfolg war schon 1951 überwältigend. Was kann sprechen<strong><strong>de</strong>r</strong> se<strong>in</strong>,<br />

als dass Filmaufnahmen da<strong>von</strong> im Film „Am Brunnen vor <strong>de</strong>m Tore“ mit Sonja<br />

Ziemann <strong>von</strong> 1952 verwen<strong>de</strong>t wur<strong>de</strong>n? Glanzlichter waren damals e<strong>in</strong> Reiterban<strong><strong>de</strong>r</strong>ium<br />

und <strong><strong>de</strong>r</strong> Festwagen <strong><strong>de</strong>r</strong> Deutsch-Zepl<strong>in</strong>ger. Seit <strong>de</strong>n 60er Jahren gibt es ke<strong>in</strong><br />

Reiterban<strong><strong>de</strong>r</strong>ium mehr und nur noch selten e<strong>in</strong>en Festwagen. Dafür nehmen heutzutage<br />

jährlich zwischen 40 und 50 Trachtengruppen und Blaskapellen mit rund 2.000<br />

Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>n am Trachtenzug teil. Und die farbenfrohen Trachten prägen nicht nur<br />

während <strong>de</strong>s Trachtenumzuges und <strong><strong>de</strong>r</strong> anschließen<strong>de</strong>n Kundgebung vor <strong><strong>de</strong>r</strong> Schranne<br />

das Stadtbild.<br />

Geme<strong>in</strong>schaftsbil<strong>de</strong>nd, da das Bewusstse<strong>in</strong> um die eigene Kultur und Tradition stärkend,<br />

sollte <strong><strong>de</strong>r</strong> Heimattag auch dadurch se<strong>in</strong>, dass er auch als kulturelle Veranstaltung<br />

geplant war. Die Brauchtumspflege, die h<strong>in</strong>ter <strong><strong>de</strong>r</strong> I<strong>de</strong>e <strong>de</strong>s Trachtenzuges stand und<br />

auch die hohe Kultur, die 1951 mit e<strong>in</strong>er Kunstausstellung vertreten war, wur<strong>de</strong>n <strong>in</strong> <strong>de</strong>n<br />

folgen<strong>de</strong>n Jahren durch weitere Komponenten bereichert:<br />

- jährlich veranstaltet die Jugend <strong><strong>de</strong>r</strong> Landsmannschaft das Offene und Geme<strong>in</strong>same<br />

Tanzen, an <strong>de</strong>m zwischen 200 und 300 Volkstänzer auch als Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>von</strong><br />

Gastgruppen aus Österreich und Siebenbürgen teilnehmen;<br />

- jährlich gibt es e<strong>in</strong>e Brauchtumsveranstaltung, bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Theaterstücke und S<strong>in</strong>gspiele<br />

<strong>in</strong> Mundart o<strong><strong>de</strong>r</strong> e<strong>in</strong>zelne Bräuche szenisch aufgeführt wer<strong>de</strong>n;<br />

-es gibt Mundartlesungen und auch Kunsthandwerk <strong>in</strong> <strong>de</strong>n Verkaufsausstellungen –<br />

1955 fand die erste „Mustermesse“ siebenbürgisch-sächsischer Unternehmer statt;<br />

-Kul<strong>in</strong>arisches vom „Baumstriezel“ über die „Mici“ bis h<strong>in</strong> zum gekochten<br />

„Kukurutz“ f<strong>in</strong><strong>de</strong>t man an <strong>de</strong>n Stän<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Siebenbürger-Marktes;<br />

- <strong><strong>de</strong>r</strong> Körperkultur widmen sich die Sportveranstaltungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Jugend, die 1963 mit <strong>de</strong>n<br />

Wettspielen <strong><strong>de</strong>r</strong> Jugend e<strong>in</strong>en Höhepunkt erreichten;<br />

-neben Kunst- und Dokumentationsausstellungen gibt es regelmäßig<br />

Musikveranstaltungen <strong>von</strong> Chören und Blasmusikkapellen bis h<strong>in</strong> zu Konzerten<br />

klassischer und mo<strong><strong>de</strong>r</strong>ner Musik, es gibt Dichterlesungen und Buchpräsentationen. Den<br />

Höhepunkt bil<strong>de</strong>t seit 1968 die Verleihung <strong>de</strong>s „Siebenbürgisch-Sächsischen<br />

Kulturpreises“.<br />

Aber nach wie vor ist <strong><strong>de</strong>r</strong> Heimattag weiterh<strong>in</strong> vor allem das größte Treffen <strong>von</strong><br />

Siebenbürger Sachsen, zu <strong>de</strong>m sie aus ganz Deutschland und darüber h<strong>in</strong>aus kommen,<br />

zusammenf<strong>in</strong><strong>de</strong>n und damit <strong>in</strong> bee<strong>in</strong>drucken<strong><strong>de</strong>r</strong> Art und Weise Zeugnis ihres<br />

lebendigen Geme<strong>in</strong>schaftss<strong>in</strong>nes ablegen.<br />

Hans-Werner Schuster<br />

(Aus: „50 Jahre Landsmannschaft <strong><strong>de</strong>r</strong> Siebenbürger Sachsen <strong>in</strong> Deutschland.“<br />

Begleitbroschüre zu <strong><strong>de</strong>r</strong> gleichnamigen Ausstellung, München 1999, Seite 11-14)<br />

449


v.l.: Dr. Christoph Hammer, Dr. Bernd Fabritius und Ehepaar Johannis<br />

D<strong>in</strong>kelsbühler Knabenkapelle<br />

450


Umzug<br />

Besucher Umzug<br />

Umzug<br />

451


Heimattreffen <strong>in</strong> D<strong>in</strong>kelsbühl / 11.05.2008<br />

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I<br />

Neue Heimat<br />

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I<br />

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Prudner Treffen<br />

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Prudner Treffen<br />

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Er<strong>in</strong>nerungen an <strong>Pru<strong>de</strong>n</strong> <strong>von</strong> Michael Bloos „vum Häffel“<br />

In erster L<strong>in</strong>ie bedanke ich mich und freue mich zugleich, dass es noch so viele jüngere<br />

Leute gibt, die sich für die Belange unserer Geme<strong>in</strong>schaft e<strong>in</strong>setzen und für die<br />

Vergangenheit unserer Heimatgeme<strong>in</strong><strong>de</strong> <strong>in</strong>teressieren.<br />

Ich wur<strong>de</strong> am 7. Februar 1920 <strong>in</strong> <strong>Pru<strong>de</strong>n</strong> geboren. Die K<strong>in</strong>dheit verbrachte ich wohl<br />

behütet im schönen <strong>Pru<strong>de</strong>n</strong>. 1927 kam ich <strong>in</strong> die erste Klasse zu Lehrer Ernst Steiger,<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> aus Hermannstadt kam. Er besaß e<strong>in</strong>en großen Wolfshund. Weil ich <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Klasse<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Kräftigste war, durfte ich mit <strong>de</strong>m Wolfshund, <strong>de</strong>m <strong><strong>de</strong>r</strong> Lehrer vorher e<strong>in</strong>en<br />

Maulkorb verpasst hatte, r<strong>in</strong>gen. Außer<strong>de</strong>m hatte unser Lehrer aus <strong>de</strong>m Tiergarten e<strong>in</strong>e<br />

Wölf<strong>in</strong> gebracht, <strong>de</strong>nn er hoffte, es käme zu e<strong>in</strong>er Paarung zwischen Hund und Wolf.<br />

Das Experiment schlug lei<strong><strong>de</strong>r</strong> fehl. Ich durfte täglich mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Wölf<strong>in</strong> an <strong><strong>de</strong>r</strong> Le<strong>in</strong>e<br />

spazieren gehen.<br />

Herr Lehrer Steiger war auch sehr sportlich. Er hatte sich e<strong>in</strong> Motorrad gekauft und<br />

flitzte immer wie<strong><strong>de</strong>r</strong> durch <strong>Pru<strong>de</strong>n</strong>. Er hatte e<strong>in</strong>en Freund, <strong>de</strong>n Pfarrerssohn Hermann<br />

Salmen, mit <strong>de</strong>m er zusammen viele Scherze machte. Hermann besaß e<strong>in</strong> Fahrrad, das<br />

hängten sie an das Motorrad an und fuhren so durch die Geme<strong>in</strong><strong>de</strong>. An e<strong>in</strong>em heißen<br />

Sommertag hatte sich <strong><strong>de</strong>r</strong> Lehrer auf se<strong>in</strong>en Touren erhitzt, trank darauf kaltes Prudner<br />

Wasser. So zog er sich e<strong>in</strong>e Lungenentzündung zu und starb bald danach.<br />

Unser neuer Lehrer hieß Rudolf Höhr. Er ehelichte auch bald e<strong>in</strong>e Prudner<strong>in</strong> namens<br />

Sara Weprich, <strong><strong>de</strong>r</strong>en Elternhaus gegenüber <strong>de</strong>m Rathaus stand. Lehrer Höhr widmete<br />

sich auch <strong><strong>de</strong>r</strong> musischen Unterweisung <strong><strong>de</strong>r</strong> Schüler und lehrte sie verschie<strong>de</strong>ne<br />

Instrumente spielen. Se<strong>in</strong>e Musikschüler waren Julius Bloos, Georg Botschner,<br />

Friedrich Leutner, Andreas Zakel und Michael Bloos (me<strong>in</strong>e Wenigkeit). In <strong>Pru<strong>de</strong>n</strong><br />

gab es drei Nachbarschaften, die zur Fasch<strong>in</strong>gszeit je<strong>de</strong> e<strong>in</strong>e Musik benötigte.<br />

Gewöhnlich spielte <strong>in</strong> unserer Nachbarschaft die Zigeunerkapelle mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Viol<strong>in</strong>e zum<br />

Tanz auf. Bald jedoch verdrängten wir die Streicher und die dritte Nachbarschaft war<br />

sehr stolz auf ihre Blaskapelle, <strong><strong>de</strong>r</strong>en Grün<strong><strong>de</strong>r</strong> unser Herr Lehrer Höhr war.<br />

In <strong>Pru<strong>de</strong>n</strong> gab es zwei Tränken für das Vieh: e<strong>in</strong>e befand sich „of <strong>de</strong>m Plotz“, am „Ronnebronnen“,<br />

die an<strong><strong>de</strong>r</strong>e <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> „Kompestan“, am „Tschorrelbronnen“. Dieser Brunnen<br />

hatte beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s gutes Wasser. Die Dorfbewohner schätzten es sehr, weil es so erfrischend<br />

war und köstlich schmeckte und weil man dar<strong>in</strong> leicht und schnell Bohnen<br />

kochen konnte.<br />

Auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Prudner Gemarkung (Hattert) gab es viele Quellen, <strong><strong>de</strong>r</strong>en Wasser im Sommer<br />

<strong>de</strong>n Bauern Erfrischung brachten. Im Frühl<strong>in</strong>g mussten die Burschen alle diese<br />

Quellen re<strong>in</strong>igen, so dass sie <strong>in</strong> Ordnung waren und man das Wasser tr<strong>in</strong>ken konnte.<br />

Es gab auch e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e Wassermühle, die lag am Prudner Bach etwa drei Kilometer<br />

vom Dorf entfernt. Der Müller hieß Joschka und er holte das Getrei<strong>de</strong> <strong>von</strong> <strong>de</strong>n Leuten<br />

ab und brachte es dann gemahlen wie<strong><strong>de</strong>r</strong> nach Hause. Der Müller hatte zwei K<strong>in</strong><strong><strong>de</strong>r</strong> ,<br />

Rosa und Joschka. Der Sohn war so alt wie ich und er kam <strong>von</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Wassermühle je<strong>de</strong>n<br />

Tag zur Schule.<br />

In <strong>de</strong>n Familien hatten die K<strong>in</strong><strong><strong>de</strong>r</strong> e<strong>in</strong>e Aufgabe: sie mussten immer vor <strong>de</strong>m Essen und<br />

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abends vor <strong>de</strong>m Schlafengehen beten:<br />

„Komm, Herr Jesus, sei unser Gast<br />

und segne, was du uns bescheret hast.“<br />

„Mü<strong>de</strong> b<strong>in</strong> ich, geh zur Ruh,<br />

schließe bei<strong>de</strong> Äugle<strong>in</strong> zu.<br />

Vater, lass die Augen <strong>de</strong><strong>in</strong><br />

Über me<strong>in</strong>em Bette se<strong>in</strong>..<br />

Amen.“<br />

Ich er<strong>in</strong>nere mich, als ob es erst gestern gewesen sei, wie zu Neujahr die K<strong>in</strong><strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>in</strong> <strong>de</strong>n<br />

Garten g<strong>in</strong>gen und riefen: „Freut euch, ihr Bäume, das neue Jahr ist gekommen!“ Im<br />

Spätherbst hatte man aus Stroh Bän<strong><strong>de</strong>r</strong> geflochten und sie um die Baumstämme gewickelt.<br />

Dar<strong>in</strong> suchten schädliche Insekten Schutz vor Kälte im W<strong>in</strong>ter. Im Frühl<strong>in</strong>g<br />

wur<strong>de</strong>n diese Bän<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>von</strong> <strong>de</strong>n Bäumen entfernt und verbrannt. So bekämpfte man die<br />

Schädl<strong>in</strong>ge und das umweltschädliche Spritzen<br />

wur<strong>de</strong> vermie<strong>de</strong>n.<br />

Im Jahre 1939 war ich Rekrut. Zusammen mit zwei<br />

an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Kamera<strong>de</strong>n, Georg Botschner und Friedrich<br />

Leutner, wur<strong>de</strong>n wir gefragt, ob wir bereit seien, <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>er Blaskapelle mitzuwirken. Wir waren darüber<br />

natürlich sehr erfreut. Mit Kamera<strong>de</strong>n aus Scharosch<br />

und Halvelagen bil<strong>de</strong>ten wir e<strong>in</strong>e Kapelle <strong>von</strong> 20<br />

Bläsern. Lei<strong><strong>de</strong>r</strong> konnten wir uns <strong><strong>de</strong>r</strong> Musik nicht<br />

lange erfreuen, <strong>de</strong>nn im Juni g<strong>in</strong>g es an die ungarische<br />

Grenze, <strong>von</strong> da <strong>in</strong> die Bukov<strong>in</strong>a, bis <strong><strong>de</strong>r</strong> große Krieg<br />

mit Russland anf<strong>in</strong>g. Statt <strong>de</strong>s Blas<strong>in</strong>struments bekam<br />

ich nun e<strong>in</strong> Masch<strong>in</strong>engewehr <strong>in</strong> die Hand. Wir befan<strong>de</strong>n<br />

uns <strong>in</strong> <strong>de</strong>n Weiten <strong>de</strong>s Kaukasus. In <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Hafenstadt Batumi f<strong>in</strong>g <strong><strong>de</strong>r</strong> Rückzug <strong><strong>de</strong>r</strong> Truppen<br />

über das Schwarze Meer an. Auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Halb<strong>in</strong>sel Krim<br />

wur<strong>de</strong>n wir noch kurz e<strong>in</strong>gesetzt. Die Russen lan<strong>de</strong>ten<br />

im Dezember 1943 nördlich <strong>von</strong> uns. So waren wir<br />

e<strong>in</strong>gekesselt. Wer <strong>von</strong> Anfang an im Krieg e<strong>in</strong>gesetzt<br />

wor<strong>de</strong>n war, bekam 1944 Heimaturlaub.<br />

Zu Hause angekommen, heiratete ich nach<br />

Großlasseln. Die Prudner waren e<strong>in</strong> freundliches<br />

Völkchen. Das konnte man auch an <strong>de</strong>n Sonntagen<br />

immer wie<strong><strong>de</strong>r</strong> sehen, wenn wir <strong>von</strong> Lasseln nach<br />

Soldat Michael Bloos <strong>Pru<strong>de</strong>n</strong> mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Kutsche <strong>in</strong> <strong>de</strong>n Gottesdienst gefahren<br />

kamen. Nach <strong>de</strong>m Gottesdienst begrüßten uns alle Prudner aufs herzlichste.<br />

Er<strong>in</strong>nerungen zum Hanfanbau<br />

Der Hanf wur<strong>de</strong> dicht gesät, damit er dünn wachse. Je dünner <strong><strong>de</strong>r</strong> Hanf war, <strong>de</strong>sto<br />

wertvoller war er. Wenn er reif war, wur<strong>de</strong> er gepflückt und <strong>in</strong> Bün<strong>de</strong>l (Reist) gefasst.<br />

Dann wur<strong>de</strong> er getrocknet und durch Klopfen <strong>von</strong> se<strong>in</strong>en Blättern befreit. Die Spreu<br />

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verwen<strong>de</strong>te man als Futter für die Schwe<strong>in</strong>e. Die Hanfbün<strong>de</strong>l wur<strong>de</strong>n ihrerseits zu<br />

größeren E<strong>in</strong>heiten (Buißen) zusammengefaßt, und zum Rösten <strong>in</strong> die Kokel geführt.<br />

Der Hanf wur<strong>de</strong> an Pfosten, die man <strong>in</strong> <strong>de</strong>n Bo<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Flusses rammte, befestigt, mit<br />

Stroh und Kies und Er<strong>de</strong> beschwert, bis <strong><strong>de</strong>r</strong> Hanf ganz im Wasser lag. Immer lauerte die<br />

Gefahr, dass Hochwasser die gesamte Hanfernte wegschwemmte. Am 9. Tag wur<strong>de</strong><br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Hanf gewaschen. Dabei stand man <strong>de</strong>n ganzen Tag im Wasser. Wenn es vorkam,<br />

dass gera<strong>de</strong> schlechtes Wetter war und es <strong>de</strong>n ganzen Tag regnete, wusste man, dass<br />

man nach dieser schweren Arbeit krank wur<strong>de</strong>. Der Hanf wur<strong>de</strong> dann, geröstet und<br />

gewaschen, nach Hause gefahren und getrocknet. Anschließend wur<strong>de</strong> er gebrochen,<br />

geschlagen und schließlich durch e<strong>in</strong> Nagelbrett (Hechel) gezogen, so dass nur die<br />

schönen, langen Fasern übrigblieben. Im W<strong>in</strong>ter wur<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Hanf <strong>von</strong> unseren fleißigen<br />

Frauen an <strong>de</strong>n Rocken gebun<strong>de</strong>n und gesponnen. Danach wur<strong>de</strong> das Garn auf <strong>de</strong>n<br />

Webstuhl gespannt. Mit se<strong>in</strong>er Hilfe entstan<strong>de</strong>n daraus Textilien für Unter- und<br />

Bettwäsche, für Hem<strong>de</strong>n, Hosen und Jacken und Säcke.<br />

Waschtag <strong>in</strong> <strong>Pru<strong>de</strong>n</strong><br />

Da es damals noch ke<strong>in</strong>e Waschmasch<strong>in</strong>en gab, wur<strong>de</strong> die schmutzige Wäsche gesammelt<br />

und <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en großen Bottich gelegt, <strong><strong>de</strong>r</strong> auf e<strong>in</strong>em Schragen stand. Zu oberst<br />

befand sich e<strong>in</strong> Le<strong>in</strong>tuch mit Asche. Darüber schüttete man heißes Wasser. Unten<br />

sickerte die Lauge durch <strong>de</strong>n offenen Spund <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en kle<strong>in</strong>eren Holzbottich. E<strong>in</strong>en<br />

ganzen Tag lang wur<strong>de</strong> dieser Kreislauf wie<strong><strong>de</strong>r</strong>holt. Dann karrte man <strong>de</strong>n großen<br />

Bottich mit <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>von</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Lauge durchweichten Wäsche an <strong>de</strong>n Bach, wo die Wäsche auf<br />

e<strong>in</strong>em Waschstuhl geklopft und anschließend im kalten Wasser <strong>de</strong>s Baches reichlich<br />

gespült wur<strong>de</strong>. So sahen damals die Waschtage aus. Immer waren mehrere Frauen am<br />

Werk. An solchen Tagen gab es gewöhnlich weiße geriebene Bohnen mit Speck zum<br />

Mittagessen. Mit e<strong>in</strong>em Gläschen We<strong>in</strong> run<strong>de</strong>te man die Mahlzeit ab. Und das war e<strong>in</strong><br />

erstklassiger We<strong>in</strong>!<br />

Treibjagd<br />

Immer wie<strong><strong>de</strong>r</strong> kamen im Herbst Herrschaften aus Bukarest <strong>in</strong> unsere Gegend und<br />

veranstalteten Treibjag<strong>de</strong>n. So geschah es auch im Herbst <strong>de</strong>s Jahres 1946. Von e<strong>in</strong>er<br />

Seite <strong>de</strong>s Wal<strong>de</strong>s mussten Männer <strong>de</strong>s Dorfes das Wild <strong>de</strong>n Jägern vor die Büchsen<br />

treiben. Dabei musste man darauf achten, dass man sich nicht <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Schussl<strong>in</strong>ie <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Jäger befand. E<strong>in</strong> Zigeuner – Rupa Marzi hieß er – war auch als Treiber beschäftigt.<br />

Se<strong>in</strong>e Nebenabsicht jedoch war, e<strong>in</strong> erlegtes Wild selber nach Hause zu tragen.<br />

Deshalb verschwand er immer wie<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>in</strong> <strong>de</strong>n Büschen, um auf die günstige<br />

Gelegenheit zu warten. Da er sich jedoch <strong>in</strong> <strong>de</strong>m Busch nicht ruhig verhielt und <strong>von</strong><br />

<strong>de</strong>n Treibern ziemlich abgekommen war, vermutete e<strong>in</strong> Jäger, <strong>in</strong> <strong>de</strong>m Busch sei e<strong>in</strong><br />

Eber versteckt, feuerte mehrere Schüsse und tötete Marzi. Es war e<strong>in</strong> großes Elend. Er<br />

h<strong>in</strong>terließ vier K<strong>in</strong><strong><strong>de</strong>r</strong> und <strong><strong>de</strong>r</strong> Jäger wur<strong>de</strong> freigesprochen.<br />

Dieses s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>ige Er<strong>in</strong>nerungen, die ich gerne weitergeben möchte. Wir wan<strong><strong>de</strong>r</strong>ten<br />

1987 <strong>in</strong> die Bun<strong>de</strong>srepublik aus und s<strong>in</strong>d froh, dass wir unseren Lebensabend hier<br />

verbr<strong>in</strong>gen dürfen.<br />

Michael Bloos / Draben<strong><strong>de</strong>r</strong>höhe 2008<br />

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Lieber Herr Ged<strong><strong>de</strong>r</strong>t, 26.01.2009<br />

hier schicke ich Ihnen die versprochenen Filme me<strong>in</strong>es Bru<strong><strong>de</strong>r</strong>s. Ich me<strong>in</strong>e, die<br />

schwarze Kassette müsste die Ihrige se<strong>in</strong>, weil sie an<strong><strong>de</strong>r</strong>s aussieht als die übrigen. Ich<br />

glaube, <strong>in</strong> Hei<strong>de</strong>lsheim s<strong>in</strong>d noch mehr bespielte Filmrollen, weil ich e<strong>in</strong>ige hier vermisse.<br />

Was sie zeigen, weiß ich nicht, vermutlich mehr private D<strong>in</strong>ge. Auf e<strong>in</strong>em Film<br />

s<strong>in</strong>d me<strong>in</strong> vor über 30 Jahren verstorbener Vater und zwei an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Sachsen zu sehen. Im<br />

April b<strong>in</strong> ich <strong>in</strong> Hei<strong>de</strong>lsheim und kann nach <strong>de</strong>n Kassetten sehen. Deshalb möchte ich<br />

nach Ostern gern auf Ihr Angebot zurückkommen, mir daraus CD-Roms brennen zu<br />

lassen. Ich könnte mir gut vorstellen, dass <strong>in</strong> Hei<strong>de</strong>lsheim noch mehr Filme über <strong>Pru<strong>de</strong>n</strong>er<br />

Treffen dabei s<strong>in</strong>d, weil ich Ihnen jetzt nur drei verschie<strong>de</strong>ne Jahre schicken<br />

kann. Me<strong>in</strong> Bru<strong><strong>de</strong>r</strong> hat sicherlich viel mehr gefilmt. Sie erzählten mir, dass im <strong>Pru<strong>de</strong>n</strong>er<br />

Buch etwas <strong>von</strong> me<strong>in</strong>er Tante Ziri dr<strong>in</strong>stehen wird. Ob es wahre Begebenheiten<br />

s<strong>in</strong>d o<strong><strong>de</strong>r</strong> e<strong>in</strong>e Erzählgeschichte, weiß ich nicht. E<strong>in</strong>e ganz kle<strong>in</strong>e wahre Geschichte<br />

<strong>von</strong> und über me<strong>in</strong>en Vater Karl Plachta, geb. 1909, kann ich Ihnen hier erzählen.<br />

Vielleicht ist sie für Sie und das Buch <strong>in</strong>teressant:<br />

E<strong>in</strong>es Tages hatte me<strong>in</strong> Vater ke<strong>in</strong>e Lust, zur Schule zu gehen. Er schwänzte <strong>de</strong>n Unterricht.<br />

Der Lehrer fragte ihn am nächsten Tag, warum er nicht zum Unterricht gekommen<br />

sei. Me<strong>in</strong> Vater sagte ihm ganz selbstbewusst: „Ich hatte ke<strong>in</strong>e Zeit; ich musste die<br />

Glucke hüten.“ O<strong><strong>de</strong>r</strong> me<strong>in</strong> Onkel Misch (Michael Plachta) erzählte mir Mitte <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

siebziger Jahre beim Besichtigen <strong><strong>de</strong>r</strong> Prudner Kirche, dass er e<strong>in</strong>mal e<strong>in</strong>e Braut nach<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Trauung <strong>in</strong> <strong>de</strong>n Kirchturm entführt habe. Dass er sie dort auch noch küsste, hatte<br />

ihn über vierzig Jahre später noch köstlich amüsiert.<br />

Vor mir liegt e<strong>in</strong> Kochbuch aus <strong>de</strong>m Jahr 1900 me<strong>in</strong>er Großmutter Kathar<strong>in</strong>a Plachta,<br />

geb. Ged<strong><strong>de</strong>r</strong>t. Es heißt: „Die Siebenbürgische Küche“. In jener Zeit lebten die Menschen<br />

viel e<strong>in</strong>facher als <strong>in</strong> unserer heutigen mo<strong><strong>de</strong>r</strong>nen „Überflussgesellschaft“. Und<br />

doch stehen <strong>in</strong> <strong>de</strong>m Kochbuch viele außergewöhnliche Gerichte, die heute niemand<br />

mehr kocht und die man zum großen <strong>Teil</strong> <strong>in</strong> normalen Büchern nicht f<strong>in</strong><strong>de</strong>t. In sehr<br />

guten Restaurants kann man sich das e<strong>in</strong>e o<strong><strong>de</strong>r</strong> an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Gericht gelegentlich bestellen.<br />

Unter <strong><strong>de</strong>r</strong> Überschrift „Geflügel und Wildbret, Abstechen und Herrichten“ steht zum<br />

Beispiel: Gefüllte Hühner, Gespickte Gansleber, gefüllter Indian (Truthahn), Auerhahn,<br />

Birkhuhn, Fasan, Rebhühner, Gebratene Schnepfen, gefüllte Tauben, Wachteln,<br />

Bärenfleisch. Das letzte mit <strong>de</strong>m Bärenfleisch f<strong>in</strong><strong>de</strong> ich am lustigsten; <strong>de</strong>nn wer hat so<br />

was schon mal bei uns gegessen!<br />

„Das Bärenfleisch ist grobfaserig und hat e<strong>in</strong>en süßlichen Geschmack. E<strong>in</strong> gut abgehäutetes<br />

Stück wird wie<strong><strong>de</strong>r</strong>holt gründlich gewaschen und mit heißer Beize übergossen.<br />

Die Beize besteht aus blättrig geschnittenem Gemüse, Pfeffer, Wachol<strong><strong>de</strong>r</strong>beeren,<br />

Korian<strong><strong>de</strong>r</strong> und Thymiansamen, 1/4 Liter rotem We<strong>in</strong>, 12 Liter Essig und e<strong>in</strong>em Liter<br />

Wasser. Das wird alles e<strong>in</strong>e halbe Stun<strong>de</strong> gekocht und ausgekühlt über das Fleisch<br />

gegossen, wor<strong>in</strong> es unter täglichem Umwen<strong>de</strong>n mehrere Tage liegen bleiben muss.<br />

Bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Zubereitung wird das Fleisch gesalzen und gepfeffert, <strong>in</strong> heißes Schmalz gelegt<br />

und unter Zuguss <strong>von</strong> Beize weich gedünstet. Man serviert Hagebutten- (Hetschempetsch)<br />

o<strong><strong>de</strong>r</strong> Berberitzen-Sauce dazu und garniert <strong>de</strong>n Braten mit Kartoffelbögen.“<br />

Sicherlich möchte e<strong>in</strong>er Ihrer Leser dieses köstliche Bären-Gericht nachkochen, falls<br />

sich e<strong>in</strong> Jäger f<strong>in</strong><strong>de</strong>t, <strong><strong>de</strong>r</strong> ihm e<strong>in</strong>en Bären schießt.<br />

Mit freundlichen Grüßen Heidrun Schmidt- Plachta / We<strong>de</strong>mark<br />

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Das erste Brot<br />

E<strong>in</strong>mal soll <strong>Pru<strong>de</strong>n</strong> ganz abgebrannt se<strong>in</strong>. Das Feuer war <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitte <strong><strong>de</strong>r</strong> Geme<strong>in</strong><strong>de</strong><br />

ausgebrochen und breitete sich mit W<strong>in</strong><strong>de</strong>seile nach allen Richtungen aus. Bei <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

E<strong>in</strong>fahrt <strong>in</strong> <strong>de</strong>n Ort stand rechts e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>es Haus, <strong>in</strong> <strong>de</strong>m wohnte e<strong>in</strong> altes Ehepaar. Als<br />

die lo<strong><strong>de</strong>r</strong>n<strong>de</strong>n Flammen <strong>von</strong> Dach zu Dach liefen und bereits nach <strong>de</strong>m Häuschen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

alten Leute griffen, stieg <strong><strong>de</strong>r</strong> alte Mann mit e<strong>in</strong>em Brot auf <strong>de</strong>n Dachfirst und gebot<br />

damit <strong>de</strong>m Feuer e<strong>in</strong>zuhalten. Er hob das Brot <strong>in</strong> die Höhe, machte damit e<strong>in</strong><br />

beson<strong><strong>de</strong>r</strong>es Zeichen, worauf die Flammen plötzlich kle<strong>in</strong>er und immer kle<strong>in</strong>er wur<strong>de</strong>n,<br />

bis überall jedwelcher Funke erlosch. Das Brot, das <strong><strong>de</strong>r</strong> Mann aufs Dach<br />

mitgenommen hatte, war jenes, das se<strong>in</strong>e Frau beim Backen als erstes <strong>in</strong> <strong>de</strong>n Backofen<br />

geschoben hatte. Es war bezeichnet, so dass er es gleich erkannt hatte.<br />

Bäuer<strong>in</strong> beim Brot backen aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Bistritzer Gegend<br />

Auch me<strong>in</strong>e Grossmutter kennzeichnete das erste Brot, das sie <strong>in</strong> <strong>de</strong>n Ofen h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>tat.<br />

Mit e<strong>in</strong>em Messer stach sie <strong>in</strong> das aus Teig geformte Brot, das Zeichen, mit <strong>de</strong>m das<br />

erste Brot gezeichnet wur<strong>de</strong>, war e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>faches Kreuz, ehe dies mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Ofenschüssel<br />

<strong>in</strong> <strong>de</strong>n Backofen geschoben wur<strong>de</strong>. Dies Brot wur<strong>de</strong> als letztes angeschnitten und<br />

gegessen.<br />

Je<strong>de</strong>s frische Brot das angeschnitten wur<strong>de</strong>, wur<strong>de</strong> mit <strong>de</strong>m Zeichen <strong>de</strong>s Kreuzes<br />

gesegnet. Es sollte e<strong>in</strong> gesegnetes Brot se<strong>in</strong> und bleiben.<br />

Me<strong>in</strong>e Mutter, die mir diese Begebenheit erzählte, me<strong>in</strong>te, dass die Alten dies Brot<br />

<strong>de</strong>shalb aufbewahrten, um sich damit bei Feuergefahr zu schützen.<br />

(Erzählt im Jahre 1985 <strong>von</strong> Sara Plachta, 72, aus Elisabethstadt)<br />

(gezeichnet <strong>von</strong> Friedrich Schuster)<br />

Aus: „Neuer Weg”, vom 4. Juli 1987<br />

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Kurze Chronik <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>nglischen Verwandtschaft<br />

Michael Dengel<br />

Unsere Verwandtschaft hat drei Wurzeln: e<strong>in</strong>e prudnerische (Keul, Zakel, Ged<strong><strong>de</strong>r</strong>t,<br />

Leutner, Botschner, Weprich, Tatter usw.), die lasslerische (Dengel) und die dunnesdorferische<br />

(B<strong>in</strong><strong><strong>de</strong>r</strong>).<br />

Der geme<strong>in</strong>same Stammvater <strong><strong>de</strong>r</strong> Familien<br />

B<strong>in</strong><strong><strong>de</strong>r</strong> und Weprich (of <strong>de</strong>m Plotz) ist Thomas<br />

Keul, <strong><strong>de</strong>r</strong> während <strong><strong>de</strong>r</strong> Revolutionsjahre <strong>von</strong><br />

1848/49 Bürgermeister <strong>in</strong> <strong>Pru<strong>de</strong>n</strong> war und als<br />

solcher mit <strong>de</strong>n Vertretern <strong>de</strong>s durch <strong>Pru<strong>de</strong>n</strong><br />

ziehen<strong>de</strong>n russischen Heeres verhan<strong>de</strong>lte.<br />

Dieses war gerufen wor<strong>de</strong>n, um die ungarische<br />

Revolution nie<strong><strong>de</strong>r</strong>zuschlagen. Es kam–wie<br />

bekannt-bei Weißkirch / Schäßburg zur<br />

Schlacht, <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> die Freiheitskämpfer besiegt<br />

wur<strong>de</strong>n und <strong><strong>de</strong>r</strong> große ungarische Dichter<br />

Sandor Petöfi (1823-1849) se<strong>in</strong> junges Leben<br />

ließ.<br />

Aus Furcht vor <strong>de</strong>m frem<strong>de</strong>n Heer hielten sich<br />

Frauen und K<strong>in</strong><strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>von</strong> <strong>Pru<strong>de</strong>n</strong> <strong>in</strong> <strong>de</strong>n Wäl<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />

versteckt, auch die Frau und die bei<strong>de</strong>n Töchter<br />

<strong>von</strong> Thomas Keul. Aus <strong>de</strong>m Versteck hatte die<br />

Mutter me<strong>in</strong>er Großmutter, damals e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>es<br />

Mädchen, beobachtet, dass die Pfer<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Soldaten mit schönen bunten Maschen ge-<br />

Thomas Keul<br />

schmückt waren. Ohne ihrer Mutter etwas zu<br />

sagen, lief sie zurück <strong>in</strong>s Dorf zu ihrem Vater,<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> „auf <strong>de</strong>m Plotz“ mit <strong>de</strong>n Offizieren verhan<strong>de</strong>lte. Sie ergriff se<strong>in</strong>e Hand und begann<br />

zu flehen, sie müsse unbed<strong>in</strong>gt so e<strong>in</strong>e Masche für ihren Rocken haben. Ihr Vater soll<br />

vor Schreck fast umgefallen se<strong>in</strong>, als er merkte, dass se<strong>in</strong>e Tochter neben ihm stand.<br />

Der Soldat habe jedoch schnell verstan<strong>de</strong>n, was das Mädchen wollte, und habe ihr die<br />

begehrte Masche geschenkt.<br />

Thomas Keul war e<strong>in</strong> weitgereister und wohlhaben<strong><strong>de</strong>r</strong> Mann. Er besaß mehrere Höfe<br />

und ließ auch das Haus Nr. 6 bauen, das später Hans Keul, <strong><strong>de</strong>r</strong> Müller („Mellner Hans“)<br />

kaufte. Aus se<strong>in</strong>er Ehe mit Sofia Keul, geb. Tatter, g<strong>in</strong>gen zwei Töchter hervor: die<br />

ältere heiratete e<strong>in</strong>en Weprich („of <strong>de</strong>m Plotz“), die an<strong><strong>de</strong>r</strong>e, Sara Keul (1841-1923),<br />

heiratete Mart<strong>in</strong> B<strong>in</strong><strong><strong>de</strong>r</strong> (1837-1889), <strong><strong>de</strong>r</strong> aus Dunnesdorf stammte und sich <strong><strong>de</strong>r</strong> Dezimierung<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> männlichen Bevölkerung <strong>von</strong> Dunnesdorf auf <strong>de</strong>m Ufer <strong><strong>de</strong>r</strong> Kokel durch<br />

die Ungarn (es war e<strong>in</strong> Attentat auf diese verübt wor<strong>de</strong>n) entzogen hatte, <strong>in</strong><strong>de</strong>m er sich<br />

vom Ufer <strong>in</strong> die Kokel hatte fallen lassen. Diese hatte er schwimmend überquert, war<br />

im Dickicht <strong>in</strong> Deckung gegangen und hatte sich nach <strong>Pru<strong>de</strong>n</strong> abgesetzt. Se<strong>in</strong>er Ehe<br />

mit Sara Keul, Tochter <strong>de</strong>s Thomas Keul, entstammt unsere Großmutter, Kathar<strong>in</strong>a<br />

Dengel, geb. B<strong>in</strong><strong><strong>de</strong>r</strong> (1879-1962). Sie erblickte das Licht <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Welt</strong> auf <strong>de</strong>m b<strong>in</strong><strong><strong>de</strong>r</strong>ischen<br />

Hof Nr.2.<br />

Der Stammvater <strong><strong>de</strong>r</strong> Familie Dengel kommt aus Großlasseln. Er hieß Michael Dengel<br />

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(1830-1906) und kam als Kantor nach <strong>Pru<strong>de</strong>n</strong>,<br />

unterrichtete an <strong><strong>de</strong>r</strong> Unterstufe und half <strong>de</strong>m<br />

Pfarrer. Er heiratete e<strong>in</strong>e Prudner<strong>in</strong> namens Sara<br />

Leutner/Leitner (1839-1889).<br />

Dieser Ehe entsprangen drei K<strong>in</strong><strong><strong>de</strong>r</strong>: Sara Dengel<br />

(geb. 1857). (Diese heiratete e<strong>in</strong>en Alischer<br />

namens Michael Paul. Deren K<strong>in</strong><strong><strong>de</strong>r</strong> hießen<br />

Sara, Kathar<strong>in</strong>a und Franz, <strong><strong>de</strong>r</strong> Pfarrer wur<strong>de</strong>.<br />

Die ältere Tochter heiratete e<strong>in</strong>en Lukas Keul<br />

(„Orjenist“). Sie hatten folgen<strong>de</strong> K<strong>in</strong><strong><strong>de</strong>r</strong>: Sara,<br />

Karl, Albert und Lukas. Die zweite Tochter<br />

heiratete e<strong>in</strong>en Alischer namens Franz. Ihrer Ehe<br />

entstammt Michael Franz, genannt „Durleser“),<br />

Kathar<strong>in</strong>a Dengel (1860-1945), verheiratate<br />

Schuller („die Schiller-Gued“) und Michael<br />

Dengel (1870-1946), unser Großvater. Er war<br />

e<strong>in</strong> Spätk<strong>in</strong>d. Da se<strong>in</strong>e Mutter früh erkrankte und<br />

auch bald starb, verbrachte er se<strong>in</strong>e K<strong>in</strong>dheit <strong>in</strong><br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Familie se<strong>in</strong>er Tante mütterlicherseits, die<br />

Michael Dengel<br />

auch e<strong>in</strong>e geborene Leutner war, „die Orjeniste-<br />

Gued“. Hier wuchs er wohlbehütet auf. Der „Orjeniste-Pot“ empfahl me<strong>in</strong>em Großvater,<br />

<strong>in</strong> Kle<strong>in</strong>lasseln das Orgelspielen zu erlernen. Nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Lehre war Michael Dengel<br />

viele Jahre <strong>in</strong> Zen<strong><strong>de</strong>r</strong>sch als Organist tätig. Auch betreute er die Adjuvanten und legte<br />

so <strong>de</strong>n Grundste<strong>in</strong> zu <strong><strong>de</strong>r</strong> so fruchtbaren musikalischen Tradition <strong>in</strong> Zen<strong><strong>de</strong>r</strong>sch, die bis<br />

<strong>in</strong> unsere Tage gereicht hat.<br />

Nach se<strong>in</strong>er so erfolgreichen Zeit im Nachbardorf kehrte er schließlich wie<strong><strong>de</strong>r</strong> nach<br />

<strong>Pru<strong>de</strong>n</strong> zurück und heiratete Kathar<strong>in</strong>a B<strong>in</strong><strong><strong>de</strong>r</strong>, unsere Großmutter (1879-1962). Sie<br />

hatten neun K<strong>in</strong><strong><strong>de</strong>r</strong>: Kathar<strong>in</strong>a (1896-1987), Michael (1898-1985), Ida (1900-1976),<br />

Elisabeth (1902-1991), Sara (1905-1972), Ros<strong>in</strong>a (1906-1975), Albert (1909-2000),<br />

Mart<strong>in</strong> (1911-1985) und Sofia (1914-2001).<br />

Unser Großvater war <strong><strong>de</strong>r</strong> erste Organist <strong><strong>de</strong>r</strong> Orgel <strong>in</strong> unserer neuen Kirche und hat<br />

diesen Dienst viele Jahre h<strong>in</strong>durch versehen. Lei<strong><strong>de</strong>r</strong> habe ich persönlich nie das Vergnügen<br />

gehabt, se<strong>in</strong> Orgelspiel zu hören. Als wir viele Jahre später auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Ferm „äm<br />

Sächler“ arbeiteten, erzählte mir <strong><strong>de</strong>r</strong> „Lange-Pot“ voller Bewun<strong><strong>de</strong>r</strong>ung, wie virtuos<br />

unser Großvater – mit Hän<strong>de</strong>n und Füßen – die Orgel spielte. Se<strong>in</strong> Anspiel zu <strong>de</strong>n<br />

Chorälen und die Musik zum Ausklang <strong>de</strong>s Gottesdienstes seien erhebend und auch für<br />

ihn selber – er war ja Adjuvant - unvergeßlich geblieben. Michael Dengel hat <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em<br />

Leben viele Organisten ausgebil<strong>de</strong>t. An <strong>de</strong>n letzten kann ich mich auch noch er<strong>in</strong>nern:<br />

es war Georg Bell, e<strong>in</strong> Zen<strong><strong>de</strong>r</strong>scher. Außer<strong>de</strong>m beklei<strong>de</strong>te me<strong>in</strong> Großvater viele Jahre<br />

das Amt <strong>de</strong>s Bürgermeisters <strong>von</strong> <strong>Pru<strong>de</strong>n</strong>.<br />

Unsere Großmutter war <strong>in</strong> vielen H<strong>in</strong>sichten e<strong>in</strong>e bemerkenswerte Frau. Sie schreckte<br />

auch vor Männerarbeit nicht zurück. So hat sie sogar die Sense geschwungen, wenn ihr<br />

Mann krank o<strong><strong>de</strong>r</strong> verh<strong>in</strong><strong><strong>de</strong>r</strong>t war. Bei großen Kirchenfesten stand sie <strong><strong>de</strong>r</strong> Küche vor<br />

und sorgte dafür, dass alles wohlschmeckte und je<strong><strong>de</strong>r</strong> satt wur<strong>de</strong>. Nach <strong>de</strong>n vielen<br />

Hochzeiten, die sie für ihre K<strong>in</strong><strong><strong>de</strong>r</strong> ausrichten musste, hatte sie Erfahrung und Augenmaß.<br />

Wie alle unsere Frauen kannte sie die Arbeiten je<strong><strong>de</strong>r</strong> Jahreszeit: die We<strong>in</strong>bergsar-<br />

475


Lukas Keul und Sara Keul, geb. Paul<br />

gar nicht begeistert waren, verließen sie die alte<br />

Heimat mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Hoffnung, <strong>in</strong> Amerika e<strong>in</strong> neues<br />

und besseres Leben aufbauen zu können. Da sie für<br />

die Vere<strong>in</strong>igten Staaten jedoch ke<strong>in</strong> Visum erhielten,<br />

mussten sie mit Mexiko vorlieb nehmen. Die<br />

ersten Jahre waren hart und voller Entbehrungen.<br />

Wie wir wissen, haben sie es später doch zu etwas<br />

gebracht. Ihrer Ehe entsprangen drei K<strong>in</strong><strong><strong>de</strong>r</strong>:<br />

Michael (1929-1999), Frida (geb.1933) und Hilda<br />

beit, das Sp<strong>in</strong>nen und Weben. Wie beschämend ist<br />

unsere heutige E<strong>in</strong>seitigkeit und Unbeholfenheit.<br />

Die Nachkommen unserer Großeltern, Enkelk<strong>in</strong><strong><strong>de</strong>r</strong>,<br />

Urenkel und Ururenkel nahmen am Dengel-Treffen teil.<br />

Es gibt heute <strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen und <strong>de</strong>n amerikanisch/kanadisch/mexikanischen<br />

Zweig <strong><strong>de</strong>r</strong> Dengel-<br />

Nachkommen.<br />

Im Jahre 1923 entschlossen sich Michael und se<strong>in</strong>e Frau<br />

Sara , geb. Keul, (1904-1999), nach Amerika auszuwan<strong><strong>de</strong>r</strong>n,<br />

weil unser Onkel aus <strong>de</strong>m Ersten <strong>Welt</strong>krieg<br />

mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Überzeugung nach Hause gekommen war, dass<br />

<strong>in</strong> Europa immer wie<strong><strong>de</strong>r</strong> Kriege ausbrechen wür<strong>de</strong>n.<br />

Obwohl ihre Eltern<br />

<strong>von</strong> ihren Plänen<br />

Michael Dengel und Sara Dengel, geb. Keul<br />

(geb. 1935). Da <strong>in</strong> <strong>de</strong>n 70er Jahren <strong>de</strong>s vorigen Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>ts <strong>in</strong> Mexiko l<strong>in</strong>ke Regierungen<br />

herrschten und die Sicherheit nicht mehr gewährleistet war, übersie<strong>de</strong>lten Onkel<br />

und Tante nach Kalifornien, wo schon die bei<strong>de</strong>n Töchter, mit Amerikanern verheiratet,<br />

lebten. In Mexiko blieb Sohn Misch und se<strong>in</strong>e Familie zurück. Da Betty, se<strong>in</strong>e<br />

Frau, Mexikaner<strong>in</strong> ist, durfte er e<strong>in</strong>ige se<strong>in</strong>er Farmen behalten. Misch wur<strong>de</strong> wie<strong><strong>de</strong>r</strong>holt<br />

bedroht und schließlich entführt. Sicherlich haben auch die Folgen dieser Entführung<br />

zu se<strong>in</strong>em frühen<br />

Tod beigetragen. Misch<br />

und Betty haben drei<br />

Söhne: Miguel (er hat<br />

se<strong>in</strong>erseits vier K<strong>in</strong><strong><strong>de</strong>r</strong>:<br />

e<strong>in</strong>en Sohn und drei<br />

Töchter), Carlos (er hat<br />

sechs Söhne) und Eric (er<br />

hat vier K<strong>in</strong><strong><strong>de</strong>r</strong>). Frida<br />

und Hilda, unsere bei<strong>de</strong>n<br />

Kus<strong>in</strong>en, haben je vier<br />

K<strong>in</strong><strong><strong>de</strong>r</strong> und <strong>in</strong>zwischen,<br />

wie man auf <strong>de</strong>m Foto<br />

sehen kann, viele Enkelk<strong>in</strong><strong><strong>de</strong>r</strong>.<br />

Gol<strong>de</strong>ne Hochzeit <strong>von</strong> Michael Dengel und Sara Dengel<br />

mit K<strong>in</strong><strong><strong>de</strong>r</strong>n, Enkel- und Urenkelk<strong>in</strong><strong><strong>de</strong>r</strong><br />

476


Vor<strong><strong>de</strong>r</strong>e Reihe v.l.n.r.: Kathar<strong>in</strong>a Dengel mit Sofia, Ros<strong>in</strong>a, Albert, Mart<strong>in</strong>, Sara und Michael Dengel<br />

H<strong>in</strong>tere Reihe v.l.n.r.: Elisabeth, Kathar<strong>in</strong>a, Ida und Michael Dengel<br />

Vor<strong><strong>de</strong>r</strong>e Reihe v.l.n.r.: Christ<strong>in</strong>e Dengel, Ros<strong>in</strong>a Zikeli, Elisabeth Keul, Kathar<strong>in</strong>a Weprich,<br />

Kathar<strong>in</strong>a Dengel, Robert Dengel, Ida Dengel, Sara Zakel und Elfrie<strong>de</strong> Dengel<br />

H<strong>in</strong>tere Reihe v.l.n.r.: Georg Zikeli, Hans Keul, Friedrich Weprich, Michael Dengel,<br />

Mart<strong>in</strong> Dengel, Kathar<strong>in</strong>a Zakel, Sofia Dengel und Sofia Franz<br />

477


v.l.: Betty Keul, Michael Dengel, Frida Keul, Sara Dengel, Betty Keul und Michael Keul<br />

v.l.: Michael Keul, Georg Ged<strong><strong>de</strong>r</strong>t, Hans Keul, Frida Dengel, Martha Ged<strong><strong>de</strong>r</strong>t und Betty Keul<br />

Vom kanadischen Zweig unserer Verwandtschaft nahmen am Treffen nur Betty Keul,<br />

Tochter unseres Vetters Michael Keul, und ihre bei<strong>de</strong>n K<strong>in</strong><strong><strong>de</strong>r</strong> Mike und Jennifer teil.<br />

Obwohl Betty <strong>in</strong> Kanada aufgewachsen ist, hat sie Hans Keul, Sohn e<strong>in</strong>er an<strong><strong>de</strong>r</strong>en<br />

alten Prudner Familie, die <strong><strong>de</strong>r</strong> Krieg nach München verschlagen hat, geheiratet. Sie<br />

lebt immer noch <strong>in</strong> München.<br />

Michael Dengel<br />

478


Das Dengel-Treffen und unsere anschließen<strong>de</strong> Reise nach <strong>Pru<strong>de</strong>n</strong><br />

Michael Dengel<br />

Anlässlich <strong>de</strong>s 70. Geburtstags me<strong>in</strong>es Bru<strong><strong>de</strong>r</strong>s Mart<strong>in</strong> bekun<strong>de</strong>ten mehrere <strong>Teil</strong>nehmer<br />

das Interesse an e<strong>in</strong>em erweiterten Verwandtschaftstreffen, an <strong>de</strong>m möglichst alle<br />

Treffen 2007<br />

Nachkommen unserer Großeltern, Michael und Kathar<strong>in</strong>a Dengel, teilnehmen sollten.<br />

Da auch unsere Verwandten aus Mexiko und Kalifornien schon lange an e<strong>in</strong> solches<br />

Treffen gedacht hatten, wur<strong>de</strong> bald e<strong>in</strong> Term<strong>in</strong> gefun<strong>de</strong>n: 20., 21., 22. Juli 2007. Ort <strong>de</strong>s<br />

Treffens: „Zum Gol<strong>de</strong>nen Ritter“ <strong>in</strong> Vor<strong><strong>de</strong>r</strong>büchelberg, e<strong>in</strong> beschauliches Dorf <strong>in</strong> <strong>de</strong>n<br />

Löwenste<strong>in</strong>er Bergen. In diesem Lokal f<strong>in</strong><strong>de</strong>n viele Siebenbürger Treffen statt. Aus<br />

Amerika reisten me<strong>in</strong>e zwei Kus<strong>in</strong>en Frida und Hilda mit ihren Familien an. Aus Mexiko<br />

kam <strong><strong>de</strong>r</strong> älteste Sohn me<strong>in</strong>es lei<strong><strong>de</strong>r</strong> schon verstorbenen Vetters Misch mit se<strong>in</strong>er Siebenköpfigen<br />

Familie. Die „Deutschen“ waren natürlich <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Überzahl. Bei <strong><strong>de</strong>r</strong> großen<br />

Anzahl <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Teil</strong>nehmer (be<strong>in</strong>ahe hun<strong><strong>de</strong>r</strong>t) fiel es e<strong>in</strong>em nicht leicht, alle Leute e<strong>in</strong>zuordnen.<br />

Die polyglotte Gesellschaft (man sprach <strong>de</strong>utsch, englisch, spanisch, sächsisch<br />

und rumänisch) kam sich schön langsam näher. Die Freu<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Wie<strong><strong>de</strong>r</strong>sehens<br />

und <strong>de</strong>s Kennenlernens war groß. Die „Amerikaner“ erfreuten sich <strong><strong>de</strong>r</strong> idyllischen<br />

Dorflandschaft und alle <strong>Teil</strong>nehmer sprachen <strong>de</strong>m köstlichen Baumstriezel zu, <strong>de</strong>n<br />

Ralph Dengel mit se<strong>in</strong>er Frau Maria und mit se<strong>in</strong>en Eltern vor aller Augen herstellte.<br />

Am Montag, <strong>de</strong>m 23.07., traten die „Amerikaner“ zusammen mit mir, unserem Vetter<br />

Fritz Weprich, me<strong>in</strong>em Bru<strong><strong>de</strong>r</strong> Mart<strong>in</strong> samt se<strong>in</strong>er Familie die Reise nach <strong>Pru<strong>de</strong>n</strong> an.<br />

479


Wir wohnten im „Dracula Hotel“ <strong>in</strong> Dunnesdorf und wir verbrachten lei<strong><strong>de</strong>r</strong> nur e<strong>in</strong>en<br />

Tag <strong>in</strong> unserem geliebten <strong>Pru<strong>de</strong>n</strong>. Wen wun<strong><strong>de</strong>r</strong>t es, dass wir uns längere Zeit <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

schön renovierten Kirche aufhielten! Kareen, Fridas Tochter, spielte mehrere wohlbe-<br />

v. l:. Emilie, Michael, Uwe, Kar<strong>in</strong>, Robert, Elisabeth, Robert, Maria & Ralph Dengel<br />

kannte Choräle ( u.a. „Nun danket alle Gott“) auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Orgel, die unser Großvater so lange<br />

Jahre als Organist gespielt hatte. Anschließend erfolgte <strong><strong>de</strong>r</strong> Gang zum Friedhof, wo<br />

wir auch das Grab unserer Großeltern aufsuchten. Für das leibliche Wohl sorgte das<br />

freundliche Hausmeisterehepaar <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirche und <strong>de</strong>s Pfarrhauses mit wohlschmecken<strong>de</strong>n<br />

Krapfen, Kaffee und gekochtem Mais. Wir durchstreiften das Dorf und blieben immer<br />

wie<strong><strong>de</strong>r</strong> vor Häusern o<strong><strong>de</strong>r</strong> Hofstellen stehen, um <strong>von</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> alten Zeit zu erzählen.<br />

Am nächsten Tag fuhren wir nach Schässburg, Groß-Lasseln (<strong>von</strong> dort stammt unser<br />

Urgroßvater) und Birthälm, wo wir die wun<strong><strong>de</strong>r</strong>schöne Kirchenburg aufsuchten.<br />

Am Freitag, <strong>de</strong>m 27.2007, traten wir schon die Heimreise an und am Nachmittag sahen<br />

wir Hermannstadt, die Europäische Kulturhauptstadt 2007. Auf unserem Reiseplan<br />

stand noch die Besichtigung dreier Hauptstädte: Budapest, Wien und Prag. Nach <strong>de</strong>n<br />

Stadttouren mit kundigen Reiseführern blieb genügend Zeit für <strong>in</strong>dividuelle Unternehmungen.<br />

Dabei kam we<strong><strong>de</strong>r</strong> Kultur noch Unterhaltung zu kurz. Als wir nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Besichtigung<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Prager Burg unseren Bus bestiegen, um nach München zu fahren, hörte ich,<br />

wie me<strong>in</strong>e Kus<strong>in</strong>e sagte: „Es war alles wun<strong><strong>de</strong>r</strong>bar, doch am schönsten war es <strong>in</strong> <strong>Pru<strong>de</strong>n</strong>.“<br />

Wenn das ke<strong>in</strong> Bekenntnis ist!<br />

Michael Dengel<br />

480


Die an<strong><strong>de</strong>r</strong>n wer<strong>de</strong>n älter<br />

Die Menschen me<strong>in</strong>er Altersgruppe haben sich verän<strong><strong>de</strong>r</strong>t. Sie sehen alle viel älter aus<br />

als ich. Kürzlich traf ich e<strong>in</strong>en Schulkamera<strong>de</strong>n, <strong><strong>de</strong>r</strong> so gealtert ist, dass er mich nicht<br />

erkannt hat. Als ich heute morgen me<strong>in</strong>e Haare kämmte, dachte ich an <strong>de</strong>n Ärmsten,<br />

und als ich mich im Spiegel sah, stellte ich fest, dass Spiegel nicht mehr das s<strong>in</strong>d, was<br />

sie e<strong>in</strong>mal waren.<br />

Vieles ist an<strong><strong>de</strong>r</strong>s als früher. Es ist zwei Mal so weit bis zum Park und nun auch noch e<strong>in</strong><br />

Berg dazwischen. Es kommt mir so vor, als wür<strong>de</strong>n sie die Treppen heute steiler machen.<br />

Und ich habe längst aufgegeben, zum Bus zu rennen – <strong><strong>de</strong>r</strong> fährt jetzt schneller<br />

weg als früher.<br />

Zeitungen zu lesen fällt jetzt schwerer, weil sie die Schrift verkle<strong>in</strong>ert haben. Es hat<br />

auch ke<strong>in</strong>en S<strong>in</strong>n, jeman<strong>de</strong>n zu bitten, etwas vorzulesen, <strong>de</strong>nn je<strong><strong>de</strong>r</strong> spricht so leise,<br />

dass man ihn kaum hört.<br />

Die Klamotten s<strong>in</strong>d neuerd<strong>in</strong>gs so eng geschnei<strong><strong>de</strong>r</strong>t, beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s um die Hüften. Es fällt<br />

mir immer schwerer , mich zu bücken, um me<strong>in</strong>e Schuhe zu b<strong>in</strong><strong>de</strong>n.<br />

Auch glaube ich, dass das Jahr nicht mehr, wie früher, 365 Tage hat. Hat <strong><strong>de</strong>r</strong> Tag noch<br />

24 Stun<strong>de</strong>n? E<strong>in</strong> Freund hat se<strong>in</strong>en Rentneralltag e<strong>in</strong>mal so beschrieben: Morgens um<br />

7 Uhr läutet <strong><strong>de</strong>r</strong> Wecker, kurz darauf beg<strong>in</strong>nt die Tagesschau. Wartezimmer beim Arzt<br />

s<strong>in</strong>d mir fast so vertraut wie me<strong>in</strong> Wohnzimmer. Unlängst wollte ich me<strong>in</strong>en Fernseher<br />

anmachen, aber wo <strong><strong>de</strong>r</strong> steht, da saß e<strong>in</strong> an<strong><strong>de</strong>r</strong>er Patient. Vor wenigen Wochen hat e<strong>in</strong><br />

Arzt me<strong>in</strong>em Nachbarn, <strong><strong>de</strong>r</strong> nur zwei Jahre älter ist als ich, gesagt, <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Alter<br />

lohne sich diese Operation nicht mehr.<br />

Ich könnte noch viele D<strong>in</strong>ge aufzählen, wenn sie mir nur e<strong>in</strong>fallen wür<strong>de</strong>n.<br />

Aber e<strong>in</strong>es freut mich und zeigt mir, dass ich doch noch nicht so alt b<strong>in</strong>. Ich b<strong>in</strong> unverän<strong><strong>de</strong>r</strong>t<br />

kontaktfreudig und lerne je<strong>de</strong>n Tag neue Menschen kennen. E<strong>in</strong>ige <strong>von</strong> <strong>de</strong>nen<br />

sagen mir allerd<strong>in</strong>gs, sie wür<strong>de</strong>n mich schon lange kennen?!<br />

Im Laufe <strong><strong>de</strong>r</strong> letzten Jahre habe ich festgestellt, dass Karl Valent<strong>in</strong> recht hat mit se<strong>in</strong>er<br />

Aussage: „Die Zukunft war früher auch besser.“<br />

Aus: Nürnberger Nachrichten, 2008<br />

E<strong>in</strong> gutes Stück Heimat<br />

Rehner Nora<br />

Wenn ich me<strong>in</strong>e Vergangenheit geniessen möchte, dann er<strong>in</strong>nere ich mich an die<br />

Zeiten, die ich <strong>in</strong> <strong>Pru<strong>de</strong>n</strong> verlebte.Ich b<strong>in</strong> 1943 <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Großfamilie <strong>in</strong> Elisabethstadt<br />

geboren, als das sechste K<strong>in</strong>d <strong>von</strong> He<strong>in</strong>rich Rehner und Reg<strong>in</strong>a Rehner, geborene<br />

Keul. Damit ich das letzte K<strong>in</strong>d <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Familie bleibe, wollte me<strong>in</strong> Vater unbed<strong>in</strong>gt, ich<br />

solle auch Reg<strong>in</strong>a heißen, wie die Mutter. Me<strong>in</strong>e Mutter ist e<strong>in</strong>e geborene Prudner<strong>in</strong>.<br />

Ihr Opa, mit Namen Keul, wohnte gegenüber <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirche, wo er die Orgel spielte. Die<br />

Mutter hat me<strong>in</strong>en Vater <strong>in</strong> Bukarest kennengelernt, wo sie Guvernante für <strong>de</strong>utsche<br />

Sprache war. In <strong>Pru<strong>de</strong>n</strong> kaufte sie mit Ihrem Geld e<strong>in</strong> Elternhausteil, wo sie zusammen<br />

mit me<strong>in</strong>em Vater und vier Geschwister wohnte.<br />

481


Me<strong>in</strong> Vater, e<strong>in</strong> gelernter Schmie<strong>de</strong>meister, hatte se<strong>in</strong>e Werkstatt nicht weit <strong>von</strong><br />

unserem Haus. Aus wirtschaftlichen Grün<strong>de</strong>n s<strong>in</strong>d me<strong>in</strong>e Eltern mit <strong>de</strong>n Geschwistern<br />

<strong>von</strong> <strong>Pru<strong>de</strong>n</strong> nach Elisabethstadt umgezogen und haben <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Wohnung als Mieter<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Evangelischen Kirche gelebt.<br />

Familie Rehner 1943<br />

Die Deportation unseres Vaters nach Rußland im Jahre 1945 erschütterte uns alle. Die<br />

große Familie existierte nun nicht mehr. Ich b<strong>in</strong> ohne Vater, ohne Brü<strong><strong>de</strong>r</strong> (die überall<br />

verstreut waren) und ohne e<strong>in</strong>en leben<strong>de</strong>n Opa großgewachsen. Ich hatte aber großes<br />

Glück mit me<strong>in</strong>er „guten Motter“- me<strong>in</strong>er Gruiß - , Fikagued und Ziri und das es<br />

überhaupt e<strong>in</strong> <strong>Pru<strong>de</strong>n</strong> gab (Mutter, Oma, Tante und Cous<strong>in</strong>e).<br />

Hier <strong>in</strong> <strong>Pru<strong>de</strong>n</strong> trank ich das beste Wasser und aß das beste Brot, was es auf dieser <strong>Welt</strong><br />

überhaupt gegeben hat. Und dann die Taufen und Hochzeiten mit Tradition und Tracht ,<br />

mit Geschnitten<strong>de</strong>ichsupp (Suppe mit Teigwaren) und Hanklich (Sächsisch Kuchen).<br />

Ich fragte mich immer als K<strong>in</strong>d, wie die Suppe so gut schmecken könne? Jetzt weiß ich<br />

es: Weil man <strong>von</strong> <strong>de</strong>n vielen freilaufen<strong>de</strong>n Hühnern alles mitkochte, <strong>in</strong>klusiv <strong><strong>de</strong>r</strong> Füße.<br />

Ich aß <strong>in</strong> <strong>Pru<strong>de</strong>n</strong> öfters weisse Bohnen mit Palukes (Maisbrei) und milchsauer<br />

vergorenes Sauerkraut - e<strong>in</strong> hochwertiges Essen, wie ich später <strong>in</strong> Deutschand als<br />

Gesundheitsberater<strong>in</strong> erfahren habe.<br />

Dann erlebte ich <strong>in</strong> <strong>Pru<strong>de</strong>n</strong> so etwas wie e<strong>in</strong>e Erleuchtung. Das kann man nicht so<br />

genau beschreiben, kann es auch nicht mit <strong>de</strong>m Willen steuern. Man erlebt sich als<br />

Ganzheit und fühlt sich verbun<strong>de</strong>n mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Natur und <strong>de</strong>m Universum. Man erlebt e<strong>in</strong><br />

482


unbeschreibliches Glück und fühlt sich als könnte man die ganze <strong>Welt</strong> umarmen ...<br />

Ich war e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d und es war e<strong>in</strong> stiller sommerlicher Abend. Ich saß <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Dämmerung<br />

alle<strong>in</strong> am Tschorlbronnen (Fließen<strong>de</strong>s Quellwasser) und trank mit <strong>de</strong>n Hän<strong>de</strong>n das<br />

kalte herrliche Wasser, mit <strong>de</strong>m ich so vertraut war. Die Kühe kamen auch durstig <strong>von</strong><br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Wei<strong>de</strong> zurück, satt <strong>von</strong> <strong>de</strong>m guten ungiftigen Gras. Sie tranken aus ihren<br />

Holztrögen wie gewohnt mit viel Begeisterung. Es war genug Wasser für alle da. Wir<br />

brauchten nichts mehr um glücklich zu se<strong>in</strong>. Der Tschorlbronnen fließt auch heute<br />

noch ohne Unterbrechung. Das herrliche Wasser kümmert sich um nichts. Es fließt<br />

bloß und wir fließen auch mit <strong>in</strong> dieser <strong>Welt</strong>. Alles fließt und alles ist E<strong>in</strong>s.<br />

Ausklang:<br />

Nütz <strong>de</strong>n Augenblick<br />

Dann hast Du immer Glück!<br />

Mit großem RESPEKT<br />

Der Tschorlbronnen<br />

Es gibt nichts Gutes<br />

Als man tut es!<br />

Er<strong>in</strong>nern und nicht Vergessen<br />

Helmut Höhr<br />

Nora - Reg<strong>in</strong>a Rehner<br />

In <strong><strong>de</strong>r</strong> Adventzeit sieht man die Stadtmitte weihnachtlich geschmückt, die Kauflä<strong>de</strong>n<br />

mit ihren bunten Weihnachtswerbungen und viele Menschen machen ihre Weihnachtse<strong>in</strong>käufe.<br />

Je<strong><strong>de</strong>r</strong> ist bestrebt se<strong>in</strong>e Vorfreu<strong>de</strong> auf Weihnachten <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Art und Weise zu<br />

gestalten. Reichlich wer<strong>de</strong>n Weihnachtsgeschenke gekauft, Christbäume wer<strong>de</strong>n<br />

aufgestellt. Erwartungsvoll wartet man auf <strong>de</strong>n Heiligen Abend, auf das Weihnachtsfest.<br />

Wie freut man sich, wenn zu Weihnachten die Angehörigen <strong><strong>de</strong>r</strong> Familie zusam-<br />

483


men kommen. Wie heißt es im Lied, das wir bei Weihnachtsfeiern gesungen haben?<br />

„Weihnachten, Weihnachten, b<strong>in</strong> ich bei Mutter zu Haus, wenn auch nur im Traum!“<br />

Bei uns Siebenbürger Sachsen nimmt Weihnachten zur Jahreswen<strong>de</strong>, als Fest <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Freu<strong>de</strong>, immer e<strong>in</strong>en beson<strong><strong>de</strong>r</strong>n Platz e<strong>in</strong>. Weihnachten ist auch e<strong>in</strong> Fest, das uns <strong>de</strong>n<br />

Anlass bietet, sich an vergangene Zeiten zu er<strong>in</strong>nern. Unser Mitgefühl gilt vor allem<br />

<strong>de</strong>n vielen Menschen die durch die Naturkatastrophen <strong><strong>de</strong>r</strong> letzten Jahre obdachlos<br />

gewor<strong>de</strong>n s<strong>in</strong>d und <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er erbärmlichen Not leben. Die vielen gesammelten Spen<strong>de</strong>n<br />

wer<strong>de</strong>n bloß helfen, ihre Not e<strong>in</strong> wenig zu l<strong>in</strong><strong><strong>de</strong>r</strong>n. Er<strong>in</strong>nern wir uns, aber auch an die<br />

Tage vom 14. - 16. Januar 1945, <strong>in</strong> <strong>de</strong>nen e<strong>in</strong>e große Not über unser Sachsenvolk<br />

here<strong>in</strong>brach, die auch als Katastrophe bezeichnet wer<strong>de</strong>n kann. Es war nicht e<strong>in</strong>e<br />

Naturkatastrophe, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n <strong>von</strong> Menschen durch <strong>de</strong>n 2.<strong>Welt</strong>krieg und se<strong>in</strong>e Folgen<br />

verursacht. Friedliche Menschen, Jugendliche, Mütter und Männer wur<strong>de</strong>n aus ihren<br />

Häusern herausgeholt und zur Zwangsarbeit nach Russland verschleppt.<br />

Wer <strong>von</strong> uns war nicht betroffen?<br />

Kle<strong>in</strong>e K<strong>in</strong><strong><strong>de</strong>r</strong> blieben bei we<strong>in</strong>en<strong>de</strong>n Großmüttern, Tanten und Nachbarn zurück. Die<br />

Januar - Tage 1945 h<strong>in</strong>terließen unvergessliche Begebenheiten und Spuren, die man<br />

nicht so leicht vergisst. In Maldorf bei Elisabethstadt, vor <strong>de</strong>m Abtransport <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Betroffenen, brachte e<strong>in</strong>e Oma <strong>de</strong>n kle<strong>in</strong>en Fredy zu se<strong>in</strong>er Mutter die ihn noch e<strong>in</strong>mal<br />

stillte. Dieser Fredy war später me<strong>in</strong> Schüler. Se<strong>in</strong>e Eltern sah er erst mit 15 Jahren<br />

wie<strong><strong>de</strong>r</strong>. Es war <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Ortschaft Stolzenburg , berichtet e<strong>in</strong> Heimkehrer. Als sie zum<br />

Abtransport nach Russland auf russische Lastwägen verla<strong>de</strong>n wur<strong>de</strong>n (getrieben<br />

wur<strong>de</strong>n), hielt e<strong>in</strong>e junge Mutter <strong>von</strong> Reußen, ihr e<strong>in</strong>jähriges K<strong>in</strong>d fest an ihrer Brust.<br />

E<strong>in</strong> rumänischer Soldat entriss ihr das K<strong>in</strong>d und warf es <strong>in</strong> die Menge <strong><strong>de</strong>r</strong> herumstehen<strong>de</strong>n<br />

we<strong>in</strong>en<strong>de</strong>n alten Frauen.<br />

Es gab aber auch Fälle, die re<strong>in</strong>e Menschlichkeit zeigten. Als die Betroffenen aus<br />

Johannisdorf sich zu Fuß <strong>in</strong> die Richtung Elisabethstadt, zum Sammellager aufmachten,<br />

liefen neben <strong><strong>de</strong>r</strong> Kolonne 6 we<strong>in</strong>en<strong>de</strong> K<strong>in</strong><strong><strong>de</strong>r</strong>, das älteste 12 und das jüngste nicht 2<br />

Jahre alt und riefen: „Mutter, Mutter!“ Dieser Ruf <strong><strong>de</strong>r</strong> K<strong>in</strong><strong><strong>de</strong>r</strong>, erweichte das Herz e<strong>in</strong>es<br />

russischen Soldaten, <strong><strong>de</strong>r</strong> neben <strong><strong>de</strong>r</strong> Kolonne g<strong>in</strong>g. Er rief die Mutter dieser K<strong>in</strong><strong><strong>de</strong>r</strong><br />

heraus aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Kolonne und sagte : „ Geh zu <strong>de</strong><strong>in</strong>en K<strong>in</strong><strong><strong>de</strong>r</strong>n und sorge auf sie !“<br />

Am Vortag <strong>de</strong>s Abtransports unserer Leute aus Elisabethstadt durften die zuhause<br />

Gebliebenen <strong>von</strong> ihren Angehörigen sich verabschie<strong>de</strong>n. In <strong>de</strong>n Lagerhof, <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

Gymnasium war, ließ man für 15 M<strong>in</strong>uten immer e<strong>in</strong>e Gruppe h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>. Darunter war<br />

me<strong>in</strong> Bru<strong><strong>de</strong>r</strong> (9 Jahre alt) und ich (14 Jahre alt). E<strong>in</strong> russischer Offizier holte unsern<br />

Vater aus <strong>de</strong>m Schulgebäu<strong>de</strong> und gab uns immer wie<strong><strong>de</strong>r</strong> zu verstehen, länger als die 15<br />

M<strong>in</strong>uten zusammen zu bleiben. Beim Abschied, als Dank, bot unser Vater <strong>de</strong>m<br />

russischen Offizier Geld an, was er aber ablehnte. Er gab uns zu verstehen, zu Hause<br />

auch zwei Jungen <strong>in</strong> unserm Alter zu haben.<br />

In Russland angekommen, wohnten und arbeiteten unsere Leute unter unmöglichen<br />

Bed<strong>in</strong>gungen. Von <strong>de</strong>n 30.000 Verschleppten aus Siebenbürgen, starben über 3.000.<br />

Heimweh und Sehnsucht nach ihren Lieben <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Heimat empfan<strong>de</strong>n sie beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s <strong>in</strong><br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Weihnachtszeit 1945, also vor 60 Jahren und haben ihre Gedanken <strong>in</strong> Versform<br />

festgehalten.<br />

484


Pfarrer Andreas Türk (<strong>von</strong> Großkopisch) sammelte se<strong>in</strong>e <strong>in</strong> Russland verfassten<br />

Gedichte <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Büchle<strong>in</strong>: „E<strong>in</strong> Schrei nach Freiheit“. Hören wir e<strong>in</strong>e Strophe aus<br />

<strong>de</strong>m Gedicht:<br />

„ Weihnachten 1945“<br />

Daheim <strong>in</strong> jenem alt vertrauten Raum<br />

erstrahlt vielleicht wie e<strong>in</strong>st <strong><strong>de</strong>r</strong> Weihnachtsbaum.<br />

Doch bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Weihnachtskerzen hellem Licht,<br />

nur e<strong>in</strong>e Frage aus <strong><strong>de</strong>r</strong> K<strong>in</strong><strong><strong>de</strong>r</strong> Augen spricht:<br />

„Er ist nun da <strong><strong>de</strong>r</strong> lang ersehnte Tag,<br />

wo Mutter, Vater nur so lange bleiben mag?“<br />

Hören wir nun weiter wie die Stimmung bei <strong>de</strong>n daheim Gebliebenen war:<br />

„Weihnachten 1945 <strong>in</strong> Botsch“ (Ortschaft bei Sächsisch-Regen <strong>in</strong> Siebenbürgen)<br />

Gedicht <strong>von</strong> Susanne Kräuter, geb. Hartig.<br />

„ Gott sieh gnädig unsere Not,<br />

es fehlt uns unser tägliches Brot.<br />

Das Kriegsjahr hat uns alles zerstört,<br />

wo seid ihr doch alle, die ihr zu uns gehört ?<br />

Verzweifelt fragt man Tag und Nacht,<br />

doch ke<strong>in</strong>e Antwort folgt danach.<br />

E<strong>in</strong> Leitstern hilft uns weiter tragen,<br />

die Hoffnung war es, sonst mussten wir verzagen.<br />

Bedroht, voller Angst <strong>de</strong>nkt man <strong><strong>de</strong>r</strong> Lie<strong><strong>de</strong>r</strong>,<br />

so kehrest du frohe Weihnacht wie<strong><strong>de</strong>r</strong>.<br />

Wie soll man sich freuen, wie wartet man <strong>de</strong><strong>in</strong>?<br />

Wir s<strong>in</strong>d arm wie <strong><strong>de</strong>r</strong> Heiland im Krippele<strong>in</strong>.<br />

Es gab kaum e<strong>in</strong> Kerzle<strong>in</strong> anzuzün<strong>de</strong>n,<br />

wo wer<strong>de</strong>n wir e<strong>in</strong>en Tannenbaum f<strong>in</strong><strong>de</strong>n?“<br />

Die Lebensberichte <strong><strong>de</strong>r</strong> Heimkehrer lassen uns beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s nachfühlen, unter welchen<br />

Bed<strong>in</strong>gungen sie Weihnachten <strong>in</strong> Russland erlebten. Willi Krempels <strong>von</strong> Scharosch bei<br />

Fogarasch berichtet :<br />

Weihnachten <strong>in</strong> Russland war für mich immer die schwerste Zeit. Die Ursache dafür<br />

waren nicht nur Kälte und Hunger, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n jetzt erwachten die alten Er<strong>in</strong>nerungen und<br />

das Heimweh. So entfernte ich mich e<strong>in</strong>mal <strong>von</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Baustelle und g<strong>in</strong>g <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Wald.<br />

Wie ich so <strong>in</strong> Gedanken versunken <strong>de</strong>n Wald durchquerte, hörte ich e<strong>in</strong>e Stimme rufen.<br />

Es war Petro, e<strong>in</strong> gläubiger Russe <strong>von</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Baustelle. Er lud mich e<strong>in</strong>, mit ihm nach<br />

Hause zu gehen. Vor se<strong>in</strong>em Haus ließ er mich warten, g<strong>in</strong>g h<strong>in</strong>e<strong>in</strong> und brachte mir e<strong>in</strong>e<br />

Zuckerrübe. „Ich habe auch nicht viel“ sagte er. Dann wünschte er mir frohe Weihnachten.<br />

Inzwischen war es Abend gewor<strong>de</strong>n. Ich kehrte <strong>in</strong>s Lager zurück und kochte<br />

mir die Rübe. Es wur<strong>de</strong> e<strong>in</strong> schöner Weihnachtsabend.<br />

Frau Kathar<strong>in</strong>a Prediger - Depner aus Galt berichtet:<br />

Am Heiligen Abend kam ich aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Frühschicht, aus <strong>de</strong>m Schacht. Draußen war es<br />

eisig kalt. Trotz<strong>de</strong>m dachte ich an Weihnachten, an die Heimat, an die Lieben alle. Ich<br />

stand und schaute über die verschneiten Fel<strong><strong>de</strong>r</strong>, ob ich nicht etwas zu essen fän<strong>de</strong>.<br />

485


Mit e<strong>in</strong>er Freund<strong>in</strong> ent<strong>de</strong>ckten wir e<strong>in</strong>e Gärtnerei. Hier fan<strong>de</strong>n wir gefrorene Krautblätter,<br />

die das Vieh übrig gelassen hatten. Wir erfuhren auf <strong>de</strong>m Weg zum Lager <strong>von</strong><br />

e<strong>in</strong>em Gottesdienst, aber ganz geheim. Vor Freu<strong>de</strong> verg<strong>in</strong>g uns <strong><strong>de</strong>r</strong> Hunger, <strong>de</strong>nn <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Hunger <strong><strong>de</strong>r</strong> Seele nach <strong>de</strong>m Wort Gottes war größer und wichtiger. Danach kochten wir<br />

die Krautblätter und hatten unser Festessen zu Weihnachten.<br />

Me<strong>in</strong> Vater hat als Verschleppter im Uralgebiet <strong>in</strong> Kungur, so lange er bei Kräften war,<br />

Lehrer <strong>von</strong> Beruf, Gottesdienste gehalten. Am 6. Dezember 1947 starb er <strong>de</strong>n Hungertod.<br />

Er hatte ke<strong>in</strong>en Zutritt zur Außenwelt. Von se<strong>in</strong>em Schlafraum g<strong>in</strong>g er direkt <strong>in</strong> die<br />

Fabrik. Viele unserer Landsleute hatten <strong>in</strong> Russland e<strong>in</strong> ähnliches Schicksal.<br />

Wenn man diese Lebenser<strong>in</strong>nerungen heute hört, stellt man sich die Frage: Soll man<br />

diese Zeiten stillschweigend übersehen und vergessen o<strong><strong>de</strong>r</strong> mit <strong><strong>de</strong>r</strong> jungen Generation<br />

darüber sprechen und h<strong>in</strong>weisen, wie <strong><strong>de</strong>r</strong> Glaube an Gott, unsere Landsleute <strong>in</strong><br />

schweren Zeiten gestärkt hat und ihnen Mut machte um zu überleben?<br />

Allen ist das Kirchenlied: „Von guten Mächten treu und still umgeben“ bekannt. Der<br />

Text wur<strong>de</strong> <strong>von</strong> Dietrich Bonhoeffer auch <strong>in</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er schweren Zeit als Gedicht<br />

verfasst, <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> er auch bösen Mächten ausgesetzt war. Zum Jahreswechsel 1944/45<br />

schrieb er im Gefängnis dieses Gedicht, das <strong>in</strong>zwischen weltberühmt gewor<strong>de</strong>n ist.<br />

Dietrich Bonhoeffer war e<strong>in</strong>er <strong><strong>de</strong>r</strong> be<strong>de</strong>utendsten evangelischen Theologen <strong>de</strong>s 20.<br />

Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>ts. Berühmt wur<strong>de</strong> er vor allem wegen se<strong>in</strong>es entschlossenen kirchlichen<br />

und politischen Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>stands gegen die Nazidiktatur.<br />

Im April 1943 wur<strong>de</strong> er <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> verhaftet und am 9. April 1945, im Alter <strong>von</strong> 39<br />

Jahren <strong>in</strong> Flossenburg h<strong>in</strong>gerichtet.<br />

Dieses Lied ist e<strong>in</strong> ganz e<strong>in</strong>drucksvolles Glaubenszeugnis . Mitten im Triumph <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

bösen Mächten verkün<strong>de</strong>t es <strong><strong>de</strong>r</strong>en klägliches Scheitern. Letztlich s<strong>in</strong>d Gottes Mächte<br />

stärker, sonst wäre dieses Gedicht im Kellergefängnis <strong><strong>de</strong>r</strong> Gestapo (Geheimpolizei)<br />

nicht entstan<strong>de</strong>n. Dietrich Bonhoeffer stand fest im Glauben an Gott, so war ihm das<br />

Leben im Gefängnis erträglicher, obwohl er se<strong>in</strong> En<strong>de</strong> erahnen konnte. Der feste<br />

Glauben an Gott hat auch unseren Leuten <strong>in</strong> Russland geholfen, Unrecht, Leid und<br />

Hunger zu überw<strong>in</strong><strong>de</strong>n. Dieser Glaube wird auch viele aus <strong>de</strong>n Katastrophengebieten<br />

stärken, um <strong>in</strong> ihrer Not zu überleben.<br />

Mit <strong><strong>de</strong>r</strong> letzten Strophe dieses Lie<strong>de</strong>s <strong>von</strong> Dietrich Bonhoeffer möchte ich schließen:<br />

„Von guten Mächten wun<strong><strong>de</strong>r</strong>bar geborgen,<br />

erwarten wir getrost, was kommen mag.<br />

Gott ist mit uns am Abend und am Morgen<br />

und gewiss an je<strong>de</strong>m neuen Tag."<br />

13.Dezember 2005/ Rastatt Helmut Höhr<br />

Anmerkung: Dieser Vortrag wur<strong>de</strong> bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Weihnachtsfeier <strong>de</strong>s Chores <strong><strong>de</strong>r</strong> Kreisgruppe<br />

Rastatt <strong>von</strong> mir gehalten.<br />

Daniel und Sara Wolff<br />

Trotz Entbehrungen - 60 geme<strong>in</strong>same Jahr<br />

Morgen, am ersten Weihnachtsfeiertag, begeht das Ehepaar Daniel Wolff und Frau<br />

Sara, geborene Zakel, <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Bruchsaler Hardtfeldstraße 17, das Fest <strong><strong>de</strong>r</strong> diamantenen<br />

486


Hochzeit. Pfarrer Dr. Helmut Ulshöfer wird beim Weihnachtsgottesdienst <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Paul-<br />

Gerhardt-Kirche <strong>de</strong>m Jubelpaar <strong>de</strong>n Segen geben; bed<strong>in</strong>gt durch e<strong>in</strong>e plötzliche<br />

Operation aber muss Sara Wolff nicht nur Weihnachten, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch das Familienfest<br />

im Krankenhaus verbr<strong>in</strong>gen.<br />

Das Jubelpaar hat e<strong>in</strong> schweres Schicksal h<strong>in</strong>ter sich. Doch ihr Glaube an Gott gab<br />

ihnen immer wie<strong><strong>de</strong>r</strong> die Kraft, alles zu tragen, was ihnen auferlegt wur<strong>de</strong>. Sie s<strong>in</strong>d nach<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> gut überstan<strong>de</strong>nen Operation glücklich, überhaupt an diesem beson<strong><strong>de</strong>r</strong>en<br />

Hochzeitstag zusammen se<strong>in</strong> zu können auch wenn es am Krankenbett se<strong>in</strong> muss.<br />

Familie Wolff 1940<br />

Daniel und Sara Wolff s<strong>in</strong>d Flüchtl<strong>in</strong>ge aus Rumänien „Siebenbürger Sachsen“, <strong><strong>de</strong>r</strong>en<br />

Vorfahren 1246 auswan<strong><strong>de</strong>r</strong>ten, als <strong>in</strong> Deutschland Notzeit herrschte. „Unsere Familie<br />

hat <strong>in</strong> Rumänien trotz allem immer nur <strong>de</strong>utsch empfun<strong>de</strong>n…“, sagen bei<strong>de</strong>. „Die <strong>de</strong>utsche<br />

Sprache war unsere Familiensprache und unser stark ausgeprägtes<br />

Deutschempf<strong>in</strong><strong>de</strong>n brachte unserer Familie <strong>in</strong> Krisenzeiten oft Schwierigkeiten.“ Daniel<br />

Wolff lernte se<strong>in</strong>e Frau durch e<strong>in</strong>en Freund beim „Mart<strong>in</strong>sball“ <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Heimat<br />

kennen. Mit e<strong>in</strong>em versonnenen Lächeln im Gesicht sagt er: „Es war Liebe auf <strong>de</strong>n<br />

ersten Blick und schon e<strong>in</strong>ige Wochen später haben wir geheiratet.“ Bei<strong>de</strong> s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Landwirtschaft aufgewachsen und besaßen e<strong>in</strong>ige Bauernhöfe. Daniel Wolff überließ<br />

se<strong>in</strong>en Hof se<strong>in</strong>en Geschwistern, zog zu se<strong>in</strong>er Frau, die Waise war und bewirtschaftete<br />

mit ihr <strong>de</strong>n <strong>von</strong> ihren Eltern ererbten Bauernhof bis zur Enteignung, als durch <strong>de</strong>n<br />

Zweiten <strong>Welt</strong>krieg ihr Schicksal e<strong>in</strong>e harte Wen<strong>de</strong> nahm.<br />

487


Beim E<strong>in</strong>marsch <strong><strong>de</strong>r</strong> Russen 1945 wur<strong>de</strong>n <strong>in</strong> Siebenbürgen alle <strong>de</strong>utschstämmigen<br />

Arbeiter zur Zwangsarbeit nach Russland verschleppt auch Daniel Wolff. Sara Wolff<br />

wur<strong>de</strong> zur gleichen Zeit nach Russland verschleppt, aus ihrem Zuhause abgeholt, ohne<br />

Rücksicht auf ihre drei kle<strong>in</strong>en K<strong>in</strong><strong><strong>de</strong>r</strong>, die plötzlich ohne die Mutter dastan<strong>de</strong>n. Bei<strong>de</strong><br />

waren an verschie<strong>de</strong>nen Orten <strong>in</strong> Russland zur Zwangsarbeit gefangen: Daniel Wolff<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Kohlebergwerk und Sara Wolff musste <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Ste<strong>in</strong>bruch harte Arbeit<br />

verrichten. E<strong>in</strong>er <strong><strong>de</strong>r</strong> glücklichsten Momente <strong>in</strong> ihrem Leben brachte ihnen jener Tag,<br />

als sie wie<strong><strong>de</strong>r</strong> nach Hause durften und sich plötzlich nach Jahren im Heimkehrerlager<br />

wie<strong><strong>de</strong>r</strong>sahen. Auf <strong>de</strong>m eigenen Hof durften sie nun nur noch e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e Kammer bewohnen<br />

und muss ten für <strong>de</strong>n Staat <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Landwirtschaft arbeiten.<br />

Sara und Daniel Wolff 1988<br />

Als die Zustän<strong>de</strong> für sie immer unerträglicher wur<strong>de</strong>n, flüchteten sie nach Österreich.<br />

Ihre Geschwister, die bereits hier e<strong>in</strong> neues Zuhause gefun<strong>de</strong>n hatten, veranlassten,<br />

dass sie im Zuge <strong><strong>de</strong>r</strong> Familienzusammenführung nach Deutschland kamen.<br />

Seit 1973 lebt das Ehepaar Wolff <strong>in</strong> Bruchsal<br />

Artikel aus „Badische Neueste Nachrichten“, 1988<br />

488


Franz Paul - e<strong>in</strong> Prudner K<strong>in</strong>d<br />

Elke Krempels<br />

Als drittes K<strong>in</strong>d und e<strong>in</strong>ziger Sohn <strong>von</strong> Michael Paul und Sara , geborene Dengel, kam<br />

Franz Paul im Jahr 1886 <strong>in</strong> <strong>Pru<strong>de</strong>n</strong> zur <strong>Welt</strong>.<br />

Se<strong>in</strong> Vater starb sehr früh durch die Folgen e<strong>in</strong>es Unfalls mit <strong>de</strong>m Wagen. Zu <strong><strong>de</strong>r</strong> Zeit<br />

sorgte manch e<strong>in</strong>e Witwe für <strong>de</strong>n Unterhalt <strong><strong>de</strong>r</strong> Familie mit <strong>de</strong>m Verkauf <strong>von</strong> eigenen<br />

Produkten. Se<strong>in</strong>e Mutter g<strong>in</strong>g<br />

zum Markt <strong>in</strong> Elisabethstadt<br />

und verkaufte dort <strong>de</strong>n guten<br />

Büffelrahm.<br />

Franz Paul<br />

Ihr Sohn Franz war e<strong>in</strong> strebsamer<br />

Junge und durfte das ungarische<br />

Gymnasium <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

nächstgelegenen Stadt Elisabethstadt<br />

besuchen. Der<br />

Erzählung nach wur<strong>de</strong> er<br />

unterstützt <strong>von</strong> e<strong>in</strong>er k<strong>in</strong><strong><strong>de</strong>r</strong>losen,<br />

lieben Kantor-Frau.<br />

Danach war er Stipendiat am<br />

Theologischen Sem<strong>in</strong>ar und<br />

konnte zu<strong>de</strong>m e<strong>in</strong>ige Semester<br />

<strong>in</strong> Jena und Weimar studieren.<br />

Dieses Bild zeigt Franz Paul<br />

als Sem<strong>in</strong>arist <strong>in</strong> Hermannstadt.<br />

Als junger Prediger-<br />

Lehrer <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Nachbargeme<strong>in</strong><strong>de</strong><br />

Groß-Alisch grün<strong>de</strong>te er mit<br />

Kathar<strong>in</strong>a Alischer se<strong>in</strong>e Familie,<br />

aus <strong><strong>de</strong>r</strong> fünf K<strong>in</strong><strong><strong>de</strong>r</strong> hervorg<strong>in</strong>gen.<br />

Se<strong>in</strong> beruflicher Weg<br />

führte ihn auch <strong>in</strong> an<strong><strong>de</strong>r</strong>e sächsische<br />

Geme<strong>in</strong><strong>de</strong>n.<br />

Den Lebensabend verbrachte Franz Paul <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Haus <strong>in</strong> Schäßburg und verstarb<br />

dort 81-jährig. Als e<strong>in</strong>e <strong>von</strong> <strong>de</strong>n dreizehn Enkeln, die heute allesamt Bun<strong>de</strong>sbürger<br />

s<strong>in</strong>d, halte ich fest zu <strong>de</strong>n Wurzeln im siebenbürgischen <strong>Pru<strong>de</strong>n</strong>, aus <strong>de</strong>m beachtenswerte<br />

Menschen hervorgegangen s<strong>in</strong>d.<br />

Von Elke Krempels, geb. Paul,<br />

S<strong>in</strong><strong>de</strong>lf<strong>in</strong>gen, Juni 2008<br />

489


Zur Geschichte <strong><strong>de</strong>r</strong> Familie Menn<strong>in</strong>g<br />

Elfi Hartmann, geb. Menn<strong>in</strong>g<br />

Was ich hier berichten möchte, weiß ich aus <strong>de</strong>n Erzählungen me<strong>in</strong>es Vaters Franz<br />

Menn<strong>in</strong>g. Se<strong>in</strong> Vater, also me<strong>in</strong> Großvater, hieß Peter Menn<strong>in</strong>g, geb. 28.06.1856, und<br />

stammte aus Zen<strong><strong>de</strong>r</strong>sch. Se<strong>in</strong>e Frau hieß Sophia Menn<strong>in</strong>g, geb. 25.03.1858, geborene<br />

Keul, verwitwete Tatter, stammte aus Halvelagen.<br />

Me<strong>in</strong> Großvater hat e<strong>in</strong>en Getränkela<strong>de</strong>n (Letchef) betrieben, und zwar auf <strong>de</strong>m späteren<br />

Hof <strong>von</strong> Franz Menn<strong>in</strong>g. Er soll auch die Getränke für das E<strong>in</strong>weihungsfest <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Kirche gespen<strong>de</strong>t haben. Me<strong>in</strong>e Großeltern hatten folgen<strong>de</strong> K<strong>in</strong><strong><strong>de</strong>r</strong>: Franz, Fritz,<br />

Andreas, Philipp und Peter.<br />

Franz, me<strong>in</strong> Vater, behielt das Elternhaus, Fritz und Peter bewirtschafteten die an<strong><strong>de</strong>r</strong>en<br />

bei<strong>de</strong>n benachbarten Höfe. Auf se<strong>in</strong>em Hof betrieb Fritz zeitweilig e<strong>in</strong>en Gemischtwarenla<strong>de</strong>n,<br />

lebte auch <strong>in</strong> Ploiesti, Kronstadt und Hermannstadt, wo er bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Schwedischen<br />

Wegebaugesellschaft beschäftigt war. Peter, Vater <strong>von</strong> Rudolf Menn<strong>in</strong>g, starb<br />

kurz nach <strong>de</strong>m Ersten <strong>Welt</strong>krieg an <strong>de</strong>n Folgen e<strong>in</strong>er Lungenentzündung, die er sich<br />

zugezogen hatte auf e<strong>in</strong>er Fahrt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em offenen Waggon, weil <strong><strong>de</strong>r</strong> Zug zu überfüllt<br />

war.<br />

Großeltern: -Peter Menn<strong>in</strong>g, geb. 28.06.1856 <strong>in</strong> Zen<strong><strong>de</strong>r</strong>sch<br />

-Sophia Menn<strong>in</strong>g, geb. Keul, 25.03.1858 <strong>in</strong> Halvelagen<br />

(Witwe Sophia Tatter)<br />

Söhne <strong>von</strong> l<strong>in</strong>ks: Franz, Fritz, Andreas, Philipp und Peter<br />

Philipp machte e<strong>in</strong>e Lehre <strong>in</strong> Wien, leitete dort e<strong>in</strong>e Eisenhandlung, sammelte dort<br />

Spen<strong>de</strong>n für <strong>de</strong>n Bau unserer Kirche. Er kam immer wie<strong><strong>de</strong>r</strong> gerne nach Hause, auch zur<br />

E<strong>in</strong>weihung <strong><strong>de</strong>r</strong> Prudner Kirche und <strong>von</strong> ihm stammt auch das wohl erste berühmte<br />

Foto <strong><strong>de</strong>r</strong> Prudner Kirche, das er sogar als Postkarte drucken und vervielfältigen ließ.<br />

Onkel Philipp hat auch später im Zweiten <strong>Welt</strong>krieg für Prudner e<strong>in</strong>e wichtige Rolle<br />

gespielt, weil an ihn alle Frontsoldaten schrieben und er diese Nachrichten prompt<br />

weiterleitete, sei es nach <strong>Pru<strong>de</strong>n</strong> o<strong><strong>de</strong>r</strong> an Soldaten, die an an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Fronten stan<strong>de</strong>n.<br />

490<br />

Elfi Hartmann, geb. Menn<strong>in</strong>g


Me<strong>in</strong> ste<strong>in</strong>iger Weg <strong>in</strong> die Freiheit<br />

Helmut Tatter<br />

Ich, Helmut Tatter, b<strong>in</strong> als Siebenbürger Sachse am 18.10.1958 <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Stadt Eisenmarkt<br />

<strong>in</strong> Rumänien geboren und aufgewachsen. Me<strong>in</strong>e Eltern stammen bei<strong>de</strong> aus<br />

Siebenbürgen. Me<strong>in</strong>e Mutter Kathar<strong>in</strong>a aus <strong>de</strong>m Dorf Blutroth bei Karlsburg, me<strong>in</strong><br />

Vater Georg aus <strong>de</strong>m Dorf <strong>Pru<strong>de</strong>n</strong> bei Schäßburg. Me<strong>in</strong>e Gruis hieß Sofia und sie war<br />

e<strong>in</strong>e geborene Keul. Me<strong>in</strong> Gruisvouter hieß Johann (Hans) mit Nachnamen Tatter.<br />

Me<strong>in</strong>e Greis hieß Kathar<strong>in</strong>a und sie war e<strong>in</strong>e geborene Kast. Me<strong>in</strong> Gris hieß Stefan mit<br />

Nachnamen Leister. Je<strong>de</strong>s Dorf hatte se<strong>in</strong>en eigenen, <strong>de</strong>utschen Siebenbürger Dialekt.<br />

Mit me<strong>in</strong>en Eltern sprachen wir e<strong>in</strong>e Mischung <strong><strong>de</strong>r</strong> bei<strong>de</strong>n Dialekte, wobei <strong><strong>de</strong>r</strong> Prudner<br />

Dialekt dom<strong>in</strong>ierte. Der Prudner Dialekt, ist, wie se<strong>in</strong>e Leute, etwas härter (hart aber<br />

herzlich); <strong><strong>de</strong>r</strong> Blutrother ist weicher, melodischer.<br />

Helmut Tatter 1980<br />

Familie Hans Tatter (Gruisvouter)<br />

Die Prudner zeigten selten ihre Gefühle (es sei <strong>de</strong>nn, Mut, Stolz und Zorn ist e<strong>in</strong><br />

Gefühl?). In Blutroth hatte man ke<strong>in</strong> Problem se<strong>in</strong>e Gefühle zu zeigen. Die Blutrother<br />

haben ihre Gefühle quasi schon auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Zunge und sie sparten nie mit Kosenamen wie:<br />

„mä Ruckesken, mänj Hasken, mänj Lawer, mänj Harzken, mä Galdan“ (mä und mänj<br />

bei<strong>de</strong>s Aussprachen für me<strong>in</strong>) (me<strong>in</strong> Täubchen, me<strong>in</strong> Häschen, me<strong>in</strong> Lieber, me<strong>in</strong><br />

Herzchen, me<strong>in</strong> Gol<strong>de</strong>nes). Ich fand das immer sehr lieb, wenn ich so herzlich<br />

angesprochen wur<strong>de</strong> und sogar heute noch durchströmt mich e<strong>in</strong> warmes, zärtliches<br />

Gefühl beim Klang dieser Kosenamen. Weil man <strong>in</strong> Blutroth mit <strong>de</strong>m Vorzeigen se<strong>in</strong>er<br />

Gefühle nicht sparte aber <strong>in</strong> <strong>Pru<strong>de</strong>n</strong> damit geizte, dachte ich als K<strong>in</strong>d, die Prudner<br />

können mich nicht lei<strong>de</strong>n. An<strong><strong>de</strong>r</strong>seits übertrieben es die Blutrother, für me<strong>in</strong>en<br />

Geschmack, und gerne hätte ich so manchem Blutrother mal <strong>de</strong>n Mund zugehalten<br />

(vor allem <strong>de</strong>n Verwandten, die uns immer abknutschen wollten). In Eisenmarkt lernte<br />

ich draußen beim Spielen, <strong>von</strong> <strong>de</strong>n Nachbarsk<strong>in</strong><strong><strong>de</strong>r</strong>n, Rumänisch und auch e<strong>in</strong> paar<br />

Brocken Ungarisch und Griechisch. Ungarisch und Griechisch erkenne ich, auch wenn<br />

ich fast nichts verstehe, e<strong>in</strong>fach am Klang, <strong><strong>de</strong>r</strong> Melodie dieser Sprachen. Hoch<strong>de</strong>utsch<br />

habe ich erst im K<strong>in</strong><strong><strong>de</strong>r</strong>garten und später <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Schule richtig gelernt. Me<strong>in</strong> Bru<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Hans, <strong><strong>de</strong>r</strong> nur e<strong>in</strong> Jahr und zwei Monate älter ist als ich, ist am 11.08.1957 geboren.<br />

Eigentlich hätte er <strong><strong>de</strong>r</strong> Tradition nach, als erster Sohn, Georg wie unser Vater heißen<br />

sollen. Er heißt aber Johann (Hans) wie me<strong>in</strong> Gruisvouter. Ich hätte, nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Regel die<br />

491


ei me<strong>in</strong>em Bru<strong><strong>de</strong>r</strong> angewandt wur<strong>de</strong>, als zweiter Sohn eigentlich Stefan, wie me<strong>in</strong><br />

Gris, heißen sollen aber me<strong>in</strong>e Mutter fand Helmut Georg schöner (man höre und<br />

staune - damals war Helmut mo<strong><strong>de</strong>r</strong>n). Na ja, immerh<strong>in</strong> habe ich noch das „Georg“ <strong>von</strong><br />

me<strong>in</strong>em Vater mitbekommen (das eigentlich me<strong>in</strong>em Bru<strong><strong>de</strong>r</strong> zustand). Ich hätte (aber<br />

mich hat ja ke<strong>in</strong>er gefragt) lieber Stefan geheißen. Ich habe mich zwar nie geschämt<br />

Deutscher zu se<strong>in</strong> aber vor allem als K<strong>in</strong>d möchte man auch zum <strong>in</strong>neren R<strong>in</strong>g gehören<br />

und nicht immer „neamţule“ genannt wer<strong>de</strong>n. Mit Stefan hätten die Rumänen nicht<br />

immer gleich gehört und gemerkt, dass ich Deutscher b<strong>in</strong> (es gibt auch blon<strong>de</strong><br />

Rumänen und <strong>de</strong>n Vornamen Stefan gab's auch im Rumänischen). Der rumänische<br />

Sprecher <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Hallenbad hatte, bei e<strong>in</strong>em Schwimmwettbewerb, aus me<strong>in</strong>em<br />

Tatter, Helmut „Toa<strong><strong>de</strong>r</strong> Mechmed“ gemacht (wahrsche<strong>in</strong>lich hatte er noch nie <strong>de</strong>n<br />

Vornamen Helmut gehört o<strong><strong>de</strong>r</strong> noch wahrsche<strong>in</strong>licher er war Legastheniker). Dafür<br />

wur<strong>de</strong> ich m<strong>in</strong><strong>de</strong>stens e<strong>in</strong>e Woche <strong>von</strong> <strong>de</strong>n an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Jungs ausgelacht und Mechmed<br />

genannt. Aber immerh<strong>in</strong> habe ich heute die Vornamen <strong>von</strong> me<strong>in</strong>em Schwiegervater<br />

Helmut und me<strong>in</strong>em Vater Georg, eben Helmut Georg.<br />

Bei <strong>de</strong>n Großeltern <strong>in</strong> <strong>Pru<strong>de</strong>n</strong> und Blutroth habe ich meistens me<strong>in</strong>e Ferien und <strong>de</strong>n<br />

schönsten <strong>Teil</strong> me<strong>in</strong>er K<strong>in</strong>dheit verbracht. Wenn ich Rumänien als me<strong>in</strong>e Heimat<br />

betrachten wür<strong>de</strong> (was ich aber nicht mache), dann wären es diese wun<strong><strong>de</strong>r</strong>schönen,<br />

idyllischen Dörfer me<strong>in</strong>er Großeltern, die <strong>in</strong> mir so etwas wie Heimatgefühle<br />

hervorrufen. Ich war e<strong>in</strong> eher ängstliches K<strong>in</strong>d. Me<strong>in</strong> Bru<strong><strong>de</strong>r</strong>, <strong><strong>de</strong>r</strong> nie Angst hatte (o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

es nie zeigte) hat mich oft damit aufgezogen. Me<strong>in</strong> Vater (klar e<strong>in</strong> Prudner) hatte auch<br />

nie vor etwas Angst.Ich war e<strong>in</strong> Angsthase, wie me<strong>in</strong>e Mutter und ihr Bru<strong><strong>de</strong>r</strong>, me<strong>in</strong><br />

Onkel Stefan (schöner Name). Ich musste mich oft me<strong>in</strong>en Ängsten stellen und lernen<br />

me<strong>in</strong>e Angst zu überw<strong>in</strong><strong>de</strong>n. Da ich e<strong>in</strong>e extrem blühen<strong>de</strong> Phantasie hatte, musste ich<br />

lernen diese zu zügeln um die Mücke als Mücke zu erkennen, nicht als Elefant, was<br />

me<strong>in</strong>e Phantasie meistens daraus machte. Ich hatte, je älter ich wur<strong>de</strong>, gelernt Phantasiewelt<br />

und Realität besser zu trennen. Ich lernte mich <strong>de</strong>m Elefanten zu stellen, um zu<br />

erkennen, dass es nur e<strong>in</strong>e Mücke ist.<br />

An drei Schlüsselerlebnissen lernte ich, dass man se<strong>in</strong>e Angst vor Etwas verlieren<br />

kann, wenn man sich diesem Etwas stellt. Ich hatte immer panische Angst, alle<strong>in</strong>e<br />

irgendwo im Dunkeln zu se<strong>in</strong>. Als ich etwa 12 Jahre alt war plau<strong><strong>de</strong>r</strong>ten wir, me<strong>in</strong><br />

Bru<strong><strong>de</strong>r</strong> me<strong>in</strong>e Cous<strong>in</strong>e Hanne und noch an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Teenies vor <strong>de</strong>m Tor bei me<strong>in</strong>en<br />

Großeltern <strong>in</strong> <strong>Pru<strong>de</strong>n</strong>. Me<strong>in</strong> Bru<strong><strong>de</strong>r</strong> und ich sollten diesmal <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Scheune im Heu<br />

schlafen. Es war schon dunkel und ich hatte e<strong>in</strong>e wahns<strong>in</strong>nige Angst alle<strong>in</strong>e <strong>in</strong> die<br />

stockf<strong>in</strong>stere Scheune zu gehen. Ich hatte lei<strong><strong>de</strong>r</strong> ke<strong>in</strong>e Taschenlampe, wobei ich<br />

glaube, das hätte me<strong>in</strong>e Angst auch nicht gel<strong>in</strong><strong><strong>de</strong>r</strong>t. Ich wur<strong>de</strong> immer mü<strong><strong>de</strong>r</strong> und mü<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

… aber me<strong>in</strong> Bru<strong><strong>de</strong>r</strong> wollte und wollte … noch nicht schlafen gehen. Als ich ihn bat<br />

mitzugehen, lachte er mich nur aus. Blamiert und da ich mich vor <strong>de</strong>n an<strong><strong>de</strong>r</strong>en<br />

schämte, nahm ich all me<strong>in</strong>en Mut zusammen und g<strong>in</strong>g alle<strong>in</strong>e <strong>in</strong> die Scheune. Ich<br />

kletterte die Leiter zum Heubo<strong>de</strong>n hoch, legte mich h<strong>in</strong>, zog mir die Decke bis unters<br />

K<strong>in</strong>n und starrte, voller Angst, <strong>in</strong> die Dunkelheit. Ich hörte Mäuschen im Heu rascheln,<br />

wahrsche<strong>in</strong>lich hörte ich sogar Flöhe husten aber irgendwann (nach 20 M<strong>in</strong>uten?)<br />

merkte ich - da ist ke<strong>in</strong>er, <strong><strong>de</strong>r</strong> mir was Böses tun will und dann schlief ich halt e<strong>in</strong>. Seit<br />

damals habe ich, wenn ich alle<strong>in</strong>e im Dunkeln b<strong>in</strong>, ke<strong>in</strong>e Angst mehr. Übrigens es gibt<br />

492


Studien die besagen, dass unser Körper so konzipiert ist, dass wir Angst als Dauerstress<br />

nur ca. 20 M<strong>in</strong>uten durchhalten. Danach schaltet unser Körper auf Entspannung (ke<strong>in</strong>e<br />

Angst) um. Me<strong>in</strong> Vater hatte mir mal erzählt wie er mit Gruisvouter bis zur Hütte e<strong>in</strong>es<br />

Schafhirten, <strong><strong>de</strong>r</strong> sehr scharfe Hun<strong>de</strong> hatte, gegangen war. Als die Hun<strong>de</strong> auf sie<br />

zukamen, stellten sie sich Rücken an Rücken, bewegten die ganze Zeit die Arme,<br />

g<strong>in</strong>gen langsam weiter und Gruisvouter re<strong>de</strong>te beruhigend zu <strong>de</strong>n Hun<strong>de</strong>n. Als sie<br />

dann bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Hütte waren, me<strong>in</strong>te <strong><strong>de</strong>r</strong> Schafhirte, an diesen Hun<strong>de</strong>n vorbei, bis zur<br />

Hütte zu kommen, das hätte noch nie jemand geschafft. Ich hatte immer panische<br />

Angst vor bösen, großen Hun<strong>de</strong>n. E<strong>in</strong>mal war ich, mit noch fünf Jungs, <strong>in</strong> <strong>de</strong>n<br />

Karpaten wan<strong><strong>de</strong>r</strong>n. Wir kamen an e<strong>in</strong>er Schafher<strong>de</strong> vorbei und plötzlich stürmten - oh<br />

Schreck- fünf o<strong><strong>de</strong>r</strong> sechs Hun<strong>de</strong>, mit Riesengebell, auf uns los. Was heißt Hun<strong>de</strong>, diese<br />

Hun<strong>de</strong> waren so groß wie Kälber (und das wirklich nicht nur <strong>in</strong> me<strong>in</strong>er Phantasie). Mir<br />

viel sofort Vaters Geschichte e<strong>in</strong>. Auf me<strong>in</strong> Kommando stellten wir uns Rücken an<br />

Rücken und fuchtelten mit unseren Armen (ich glaube für beruhigen<strong>de</strong> Worte an die<br />

Hun<strong>de</strong> hatte ich zuviel Angst). Und ... tatsächlich die Hun<strong>de</strong> griffen uns nicht an. Sie<br />

umkreisten uns, knurrten und bellten aber sie bissen uns nicht. Der Schäfer kam,<br />

schreiend wie e<strong>in</strong>e Furie, se<strong>in</strong>en Hirtenstab schw<strong>in</strong>gend, angerannt. Er wollte uns<br />

offensichtlich vor se<strong>in</strong>en Hun<strong>de</strong>n retten und er staunte nicht schlecht, dass uns die<br />

Hun<strong>de</strong> nicht angegriffen hatten. Nach diesem Erlebnis schienen mir alle an<strong><strong>de</strong>r</strong>en<br />

Hun<strong>de</strong> nur noch Welpen zu se<strong>in</strong> und seit damals habe ich zwar noch Respekt, aber<br />

ke<strong>in</strong>e panische Angst mehr vor Hun<strong>de</strong>n.<br />

Ich hatte zwar im Eisenmarkter Freibad <strong>von</strong> me<strong>in</strong>em Vater Schwimmen gelernt, aber<br />

ich traute mich immer nur höchstens zwei Meter ohne Bo<strong>de</strong>nkontakt zu schwimmen.<br />

Ich trieb mich im Schwimmerbecken immer nur an <strong>de</strong>n Ecken herum, damit ich mich<br />

am Rand schnell festhalten konnte. E<strong>in</strong> Schwimmheld war ich nur da, wo ich mich mit<br />

e<strong>in</strong>em Be<strong>in</strong> am Bo<strong>de</strong>n noch abstoßen konnte und so tat, als könnte ich schwimmen. In<br />

<strong>Pru<strong>de</strong>n</strong> g<strong>in</strong>gen wir immer zur Großen Kokel ba<strong>de</strong>n. E<strong>in</strong> beliebter Platz war <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

gegenüber vom Dorf Lasseln. Auf bei<strong>de</strong>n Seiten stan<strong>de</strong>n schöne, große Bäume. Auf<br />

Prudner Seite war das Ufer ziemlich steil und das Wasser <strong><strong>de</strong>r</strong> Großen Kokel an dieser<br />

Stelle tief und auch die Strömung war beachtlich. Auf Lasselner Seite konnte man<br />

schön flach re<strong>in</strong>gehen (war auch für Nichtschwimmer geeignet). Und außer<strong>de</strong>m war<br />

da e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>er schöner Sandstrand. Man zog sich auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Prudner Seite aus, schwamm<br />

rüber (wenn man es konnte) und sonnte sich o<strong><strong>de</strong>r</strong> planschte, je nach <strong>de</strong>m wie man Lust<br />

hatte, im relativ seichten Wasser. Die meisten Prudner sprangen e<strong>in</strong>fach <strong>in</strong>s Wasser und<br />

schwammen rüber. Die Mutigsten kletterten erst auf e<strong>in</strong>en Baum, köpften und<br />

schwammen dann rüber. Die Nichtschwimmer saßen auf Prudner Seite und schauten<br />

stun<strong>de</strong>nlang zu o<strong><strong>de</strong>r</strong> sie g<strong>in</strong>gen 200 Meter weiter flussabwärts und g<strong>in</strong>gen dann zu Fuß<br />

rüber (hier war die Kokel breit und das Wasser nicht so tief). Dann lief man zum<br />

Lasselner Strand, um sich dort zu sonnen o<strong><strong>de</strong>r</strong> im seichten Wasser zu plantschen um<br />

dann nachher wenn alle g<strong>in</strong>gen, wie<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>n <strong>de</strong>mütigen<strong>de</strong>n Weg <strong>de</strong>s Nichtschwimmers<br />

zum flachen Wasser zurückzugehen.Was macht e<strong>in</strong> Zwölfjähriger <strong><strong>de</strong>r</strong> sich nicht <strong>in</strong> das<br />

tiefe Wasser traut und <strong>de</strong>ssen Bru<strong><strong>de</strong>r</strong> auf die Bäume klettert, köpft und locker lässig<br />

über <strong>de</strong>n Fluss rüber schwimmt? Er sitzt stun<strong>de</strong>nlang da, schaut zu und ärgert sich, dass<br />

er so feige ist, bis ihm irgendwann <strong><strong>de</strong>r</strong> Kragen platzt! Theoretisch konnte ich<br />

schwimmen; praktisch war das Wasser aber dunkel und tief und die Strömung war<br />

493


eachtlich. Da war sie wie<strong><strong>de</strong>r</strong> die Angst, die mich lähmte, die mir alles was<br />

begehrenswert war wegnahm. Me<strong>in</strong>e Freun<strong>de</strong> saßen o<strong><strong>de</strong>r</strong> lagen alle drüben am Strand<br />

<strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Sonne o<strong><strong>de</strong>r</strong> sie planschten lachend und hüpfend vor sich h<strong>in</strong>. Ich saß da … und<br />

sehnte mich schrecklich danach auch da drüben bei <strong>de</strong>n An<strong><strong>de</strong>r</strong>en zu se<strong>in</strong>. Aber<br />

irgendwann stellte ich mich wie<strong><strong>de</strong>r</strong> me<strong>in</strong>er Angst. Ich g<strong>in</strong>g zum Ufer, suchte lange<br />

e<strong>in</strong>en geeigneten Platz, hielt mich an e<strong>in</strong>er Baumwurzel fest, stieg <strong>in</strong>s Wasser, ließ die<br />

Wurzel los und ru<strong><strong>de</strong>r</strong>te wie wild mit me<strong>in</strong>en Armen und Be<strong>in</strong>en und war <strong>in</strong>nerhalb <strong>von</strong><br />

e<strong>in</strong> paar Sekun<strong>de</strong>n auf <strong>de</strong>m an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Ufer. Da war ich nun, lag glücklich im Sand und<br />

planschte und hüpfte nachher im seichten Wasser herum. Hätte ich bloß nicht<br />

irgendwann wie<strong><strong>de</strong>r</strong> zurück gemusst… Zwar hatte ich immer noch Angst aber e<strong>in</strong>mal<br />

hatte ich es ja schon geschafft. Zurück zu schwimmen war eigentlich viel schwieriger,<br />

man musste vom flachen, ruhigen Wasser <strong>in</strong> das tiefe, strömungsstarke Wasser<br />

schwimmen. Auch dieses Mal suchte ich lange e<strong>in</strong>e geeignete Stelle, dann gab ich mir<br />

e<strong>in</strong>en Ruck und schwamm mit kräftigen aber viel ruhigeren Schlägen rüber. Dort<br />

klammerte ich mich an e<strong>in</strong>e Baumwurzel, zog mich hoch ans Ufer und … ich hatte es<br />

geschafft. Seit damals habe ich ke<strong>in</strong>e Angst mehr vor <strong>de</strong>m Schwimmen im tiefen<br />

Wasser. Später mit 16 war ich mehrere Jahre im Eisenmarkter Kajak und Kanadier<br />

Vere<strong>in</strong> und lernte <strong>de</strong>n Stausee, auf <strong>de</strong>m wir immer pad<strong>de</strong>lten, ganz gut kennen. Habe<br />

diesen Stausee an se<strong>in</strong>er breitesten Stelle unzählige Male, ohne e<strong>in</strong> Fünkchen Angst,<br />

durchschwommen. Ich b<strong>in</strong> nicht im christlichen Glauben aufgewachsen o<strong><strong>de</strong>r</strong> erzogen<br />

wor<strong>de</strong>n. Ich wur<strong>de</strong> zwar getauft und auch konfirmiert (evangelisch lutherisch) aber wir<br />

(ich und me<strong>in</strong> Bru<strong><strong>de</strong>r</strong>) g<strong>in</strong>gen, mit unseren Eltern, selten <strong>in</strong> die Kirche. Die<br />

Gottesdienste wur<strong>de</strong>n übrigens immer <strong>in</strong> <strong>de</strong>utscher Sprache abgehalten.Gottesdienste<br />

besuchte ich eigentlich fast ausnahmslos <strong>in</strong> <strong>de</strong>n Ferien, wenn ich bei me<strong>in</strong>en<br />

Großeltern war. Dort lernte ich auch Gebete wie das „Vater unser“ o<strong><strong>de</strong>r</strong> „Ich b<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>,<br />

me<strong>in</strong> Herz ist re<strong>in</strong> …“ und „Mü<strong>de</strong> b<strong>in</strong> ich geh zur Ruh …“<br />

Als Kle<strong>in</strong>k<strong>in</strong>d war es für mich selbstverständlich, dass es Gott gibt und dass er me<strong>in</strong><br />

Leben lenkt. E<strong>in</strong>mal, <strong>in</strong> <strong>de</strong>n Ferien <strong>in</strong> Blutroth, hatte ich an e<strong>in</strong>em Regentag bei e<strong>in</strong>em<br />

Freund im Hof gespielt und hatte me<strong>in</strong>e Klei<strong><strong>de</strong>r</strong> und Schuhe total verschmutzt. Als<br />

me<strong>in</strong>e Greis <strong>de</strong>swegen mit mir schimpfte, sagte ich, voller Überzeugung: „Aber Greis,<br />

wenn es <strong><strong>de</strong>r</strong> liebe Gott so will“. Sie f<strong>in</strong>g an zu lachen und damit war die Sache, für mich<br />

überstan<strong>de</strong>n. Ich g<strong>in</strong>g eigentlich sehr gerne zu <strong>de</strong>n Gottesdiensten. Ich langweilte mich<br />

zwar manchmal, weil mir <strong><strong>de</strong>r</strong> Gottesdienst zu lange dauerte, aber es machte auch Spaß<br />

die Menschen zu beobachten. Die Männer und Frauen hatten fast alle immer die<br />

Sonntags- Kirchentracht an. Sie saßen ernst, feierlich und nach irgen<strong>de</strong><strong>in</strong>em System<br />

(Verheiratet, Unverheiratet, Männer, Frauen) getrennt, an <strong>de</strong>n für sie vorgesehenen<br />

festen Plätzen. Viele Frauen und auch me<strong>in</strong>e Greis hatten im Gesangbuch immer e<strong>in</strong>en<br />

Zweig frischen Basilikum, das roch gut und ich fand das total schick. Ich saß gerne<br />

oben auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Empore. Mir gefiel es, wenn die Geme<strong>in</strong><strong>de</strong> sang und ich bemühte mich<br />

auch mitzus<strong>in</strong>gen. Manchmal durfte ich die Luftpedale seitlich <strong><strong>de</strong>r</strong> Orgel treten, was<br />

ich mit großem Eifer machte (wobei ich aber auch Angst hatte, etwas falsch zu<br />

machen). Die Liturgie, die <strong><strong>de</strong>r</strong> Pfarrer sang, (wie <strong>in</strong> Bayern / Franken) gefiel mir und<br />

übte e<strong>in</strong>en eigentümlichen Zauber auf mich aus. Stolz war ich auf me<strong>in</strong>en Gris, wenn er<br />

mit lautem Tenor se<strong>in</strong>e Stimme <strong>von</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Empore runterschmetterte. So ähnlich wollte<br />

ich auch irgendwann s<strong>in</strong>gen (er sang mir etwas zu laut, ich s<strong>in</strong>ge lieber etwas <strong>de</strong>zenter).<br />

494


Ich war immer froh, wenn endlich das Vater unser gebetet wur<strong>de</strong>, weil wir K<strong>in</strong><strong><strong>de</strong>r</strong><br />

danach raus durften und noch neben <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirche spielen konnten, bis <strong><strong>de</strong>r</strong> Gottesdienst<br />

zu En<strong>de</strong> war und die Erwachsenen raus kamen. Außer<strong>de</strong>m machte die Greis <strong>in</strong> Blutroth<br />

sonntags immer e<strong>in</strong> beson<strong><strong>de</strong>r</strong>es leckeres Mittagsessen und Kroppen (so etwas wie<br />

Krapfen, Kreppel, Berl<strong>in</strong>er). Da <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Schule <strong><strong>de</strong>r</strong> Glaube an Gott systematisch<br />

lächerlich gemacht wur<strong>de</strong>, glaubte ich irgendwann nicht mehr, dass es e<strong>in</strong>en Gott gibt.<br />

Die Menschen die an Gott glaubten schienen mir äußerst naiv und dumm zu se<strong>in</strong>. Wir<br />

hatten ja die Evolutionstheorie durchgenommen. Von wegen Gott <strong><strong>de</strong>r</strong> Schöpfer.<br />

Schließlich hatte ich vieles über Astronomie, viele Science - Fiction und alle Erich<br />

<strong>von</strong> Däniken Romane gelesen. Däniken hatte mich überzeugt, dass das Leben auf<br />

unserem Planeten <strong>von</strong> Außerirdischen abstammte. Ich war stolz darauf Atheist und e<strong>in</strong><br />

so aufgeklärter, cleverer Bursche zu se<strong>in</strong>, bis ich das e<strong>in</strong>mal <strong>in</strong> <strong>Pru<strong>de</strong>n</strong> me<strong>in</strong>er Gruis<br />

und <strong>in</strong> Blutroth me<strong>in</strong>em Gris sagte. Da bei<strong>de</strong> sehr gottesfürchtig waren, waren sie<br />

entsetzt, dass ich nicht mehr an Gott glaube, sagten aber bei<strong>de</strong> s<strong>in</strong>ngemäß: „Natürlich<br />

gibt es Gott und irgendwann wirst du es schon erleben, dass es ihn gibt!“ (Sie sollten<br />

Recht behalten).<br />

Da ich bei<strong>de</strong> sehr liebte, respektierte und <strong>von</strong> ihrem Glauben bee<strong>in</strong>druckt war, dachte<br />

ich: „Was ist, wenn sie Recht haben?“ Ich war nicht e<strong>in</strong>mal 12 Jahre alt als ich am<br />

liebsten mit me<strong>in</strong>er Familie aus Rumänien nach Österreich o<strong><strong>de</strong>r</strong> die BRD<br />

ausgewan<strong><strong>de</strong>r</strong>t wäre. Me<strong>in</strong>e Eltern hatten zwar schon e<strong>in</strong>en Ausreiseantrag gestellt,<br />

erhielten aber e<strong>in</strong>e Absage. Im Nachh<strong>in</strong>e<strong>in</strong> weiß ich, dass e<strong>in</strong>e Ausreise nur durch<br />

Bestechung, an <strong><strong>de</strong>r</strong> richtigen Stelle, genehmigt wur<strong>de</strong>. Ausreiseanträge wur<strong>de</strong>n auch<br />

immer prompt mit Schikanen am Arbeitsplatz und Schule geahn<strong>de</strong>t. Ich kann mich<br />

noch er<strong>in</strong>nern, wie bitter enttäuscht und frustriert ich war, als wir ke<strong>in</strong>e<br />

Ausreisegenehmigung erhielten. Durch diese Absage wuchs bei mir aber schon <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Keim <strong><strong>de</strong>r</strong> Rebellion und <strong><strong>de</strong>r</strong> Flucht. Nach vielen „Gottlosen“ Jahren, schloss ich e<strong>in</strong>en<br />

Bund mit Gott. Ich betete: „ Gott, ich lese <strong>de</strong><strong>in</strong>e Bibel und wenn es dich gibt, dann hilfst<br />

du mir im Gegenzug, dass me<strong>in</strong>e Flucht aus Rumänien gel<strong>in</strong>gt“. Nun ich habe die Bibel<br />

dann gelesen, habe mich sogar durch die Chroniken durchgekämpft. Das Lesen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Bibel verwan<strong>de</strong>lte me<strong>in</strong>en Unglauben <strong>in</strong> Glauben und nach<strong>de</strong>m ich alles gelesen hatte,<br />

wusste ich … es gibt ihn doch diesen Gott, <strong><strong>de</strong>r</strong> me<strong>in</strong> Schöpfer, Herr und Vater ist! Ja<br />

me<strong>in</strong>e Großeltern hatten doch Recht. Da ich me<strong>in</strong>en <strong>Teil</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Abmachung e<strong>in</strong>gehalten<br />

hatte, war ich gespannt ob und wie Gott se<strong>in</strong>en <strong>Teil</strong> e<strong>in</strong>halten wird. Das Deutschland<br />

(BRD) <strong>in</strong> me<strong>in</strong>er Vorstellung war e<strong>in</strong>e heile <strong>Welt</strong> mit viel Wohlstand und Freu<strong>de</strong> am<br />

Leben. Me<strong>in</strong>e Verwandten und Bekannte die uns besuchten, lebten uns das ja vor.<br />

Wenn man ehrlich und tüchtig arbeitete, dann hatte man auch e<strong>in</strong>en anständigen Lohn.<br />

Je<strong><strong>de</strong>r</strong> konnte sich e<strong>in</strong> paar Jeans, Cordhosen, e<strong>in</strong>en Kassettenrecor<strong><strong>de</strong>r</strong>, e<strong>in</strong> Auto leisten.<br />

Als ich 22 Jahre alt war, verdiente ich als Walzwerkarbeiter ca. 2.500 Lei im Monat.<br />

E<strong>in</strong>e Jeans kostete 2.000 Lei. E<strong>in</strong> Kassettenrecor<strong><strong>de</strong>r</strong> (wie ich ihn wollte)10.- bis 15.000<br />

Lei. E<strong>in</strong> Auto ca. 90.000 Lei. Obwohl ich noch bei me<strong>in</strong>en Eltern wohnte, hätte ich mir<br />

<strong>von</strong> me<strong>in</strong>em Lohn nicht e<strong>in</strong>mal e<strong>in</strong> Fahrrad leisten können, wenn me<strong>in</strong>e Mutter mir<br />

nicht ab und zu noch zusätzlich Geld gegeben hätte. Ich hatte ehrlich gesagt, e<strong>in</strong>fach<br />

ke<strong>in</strong>e Lust, jahrelang zu arbeiten, ohne etwas Freu<strong>de</strong> am Leben zu haben.<br />

Nach me<strong>in</strong>em Militärdienst und nach<strong>de</strong>m ich e<strong>in</strong> Jahr im Walzwerk Eisenmarkt<br />

495


gearbeitet hatte, hielt ich es <strong>in</strong> Rumänien nicht mehr aus. Ich hatte es wirklich satt dort<br />

zu leben. Alles langweilte mich, die Stadt Eisenmarkt, me<strong>in</strong>e Arbeit, die Menschen<br />

(vor allem die Vorgesetzten)… Natürlich gab es auch Menschen die ich mochte, aber<br />

ich sah <strong>in</strong> diesem Land ke<strong>in</strong>e vernünftige Zukunft für mich. Es war höchste Eisenbahn<br />

die Zukunft selber <strong>in</strong> die Hand zu nehmen. Ich hatte es satt immer nur das zu tun was<br />

an<strong><strong>de</strong>r</strong>e mir vorschrieben; ich hatte es satt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Land mit Stacheldraht umz<strong>in</strong>gelt zu<br />

leben. Die sozialistische Politik, die Vetternwirtschaft, <strong><strong>de</strong>r</strong> Personenkult um <strong>de</strong>n<br />

Diktator Ceauşescu und se<strong>in</strong>e Frau wi<strong><strong>de</strong>r</strong>te mich an. Was hielt mich eigentlich noch<br />

dort? Me<strong>in</strong>e Eltern, me<strong>in</strong> Bru<strong><strong>de</strong>r</strong>, me<strong>in</strong>e Verwandten, me<strong>in</strong> bester Freund Petre? Ich<br />

dachte damals: „Ne<strong>in</strong>, wenn alles gut geht, sehe ich sie irgendwann ja wie<strong><strong>de</strong>r</strong>.“ Me<strong>in</strong>e<br />

damalige Freund<strong>in</strong> Vica (Viorica)? Ich glaube, sie konnte sich nicht zwischen mir und<br />

ihrem Exfreund entschei<strong>de</strong>n, darum hatte sie mit mir Schluss gemacht.<br />

Me<strong>in</strong>e Gris schrieb mir, als ich noch beim Militär war: „Junge sei tapfer du hast e<strong>in</strong><br />

<strong>de</strong>utsches Herz“. Ich fühlte mich <strong>in</strong> Rumänien nicht wie zuhause, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n wie e<strong>in</strong><br />

Frem<strong><strong>de</strong>r</strong> (Deutscher). Das mag für e<strong>in</strong>ige etwas befrem<strong>de</strong>nd kl<strong>in</strong>gen, <strong>de</strong>nn immerh<strong>in</strong><br />

war ich ja dort geboren und aufgewachsen und me<strong>in</strong>e <strong>de</strong>utschen Vorfahren waren<br />

schon vor 850 Jahren <strong>in</strong> dieses Gebiet e<strong>in</strong>gewan<strong><strong>de</strong>r</strong>t… aber für mich war das so. Ich<br />

hatte immer das Gefühl, das ist nicht me<strong>in</strong> Land. Ich wür<strong>de</strong> sogar so weit gehen zu<br />

sagen, es war nicht me<strong>in</strong>e Heimat. Die Erziehung me<strong>in</strong>er Eltern, Großeltern, die<br />

Volksschule, die Gottesdienste <strong>in</strong> <strong>de</strong>utscher Sprache hatten das <strong>in</strong> me<strong>in</strong>em Herzen<br />

(Anlehnung an Großvaters Spruch) gefestigt. Ich hatte und habe e<strong>in</strong> <strong>de</strong>utsches Herz<br />

und ich b<strong>in</strong> stolz darauf. Nicht etwa weil ich me<strong>in</strong>te, wir Deutsche seien etwas<br />

Besseres. Zweiundzwanzig Jahre <strong>in</strong> Rumänien zusammen mit Rumänen, Ungarn,<br />

Griechen und Serben hatten mich gelehrt, dass wir zwar an<strong><strong>de</strong>r</strong>s aber nicht etwas<br />

Besseres s<strong>in</strong>d. Ne<strong>in</strong>, schlicht und e<strong>in</strong>fach: ich b<strong>in</strong> als Deutscher geboren. Das war auch<br />

e<strong>in</strong>er <strong><strong>de</strong>r</strong> ausschlaggebendsten Grün<strong>de</strong> warum ich nach Deutschland (BRD), <strong>in</strong> das<br />

Land me<strong>in</strong>er Vorfahren wollte. Auch Österreich o<strong><strong>de</strong>r</strong> die <strong>de</strong>utschsprachige Schweiz<br />

wären für mich <strong>in</strong> Frage gekommen. Warum nicht die DDR? Weil mir 22 Jahre h<strong>in</strong>ter<br />

Stacheldraht und e<strong>in</strong>er verlogenen, verblö<strong>de</strong>ten kommunistischen Diktatur schon<br />

reichten. Obwohl <strong><strong>de</strong>r</strong> Wunsch unter Deutschen zu leben so stark war, dass das auch<br />

e<strong>in</strong>e zugegebenermaßen schwächere Alternative für mich gewesen wäre. Ich hörte mit<br />

Ehrfurcht Fluchtgeschichten. Viele hatten es versucht, wur<strong>de</strong>n dabei erwischt und<br />

haben mit Folter, Schläge und Gefängnis dafür bezahlt. Manche wur<strong>de</strong>n zum Krüppel<br />

geschlagen, manche wur<strong>de</strong>n erschossen… aber manche hatten es geschafft. E<strong>in</strong><br />

ehemaliger Nachbar (guter Freund me<strong>in</strong>es Bru<strong><strong>de</strong>r</strong>s) hatte die Flucht über Jugoslawien<br />

gewagt und geschafft. Er lebt heute <strong>in</strong> Kanada.<br />

Die Geschichten <strong>von</strong> gescheiterten Fluchtversuchen verdrängte ich lieber. Natürlich<br />

hatte ich e<strong>in</strong>e Hei<strong>de</strong>nangst bei e<strong>in</strong>em Fluchtversuch erwischt zu wer<strong>de</strong>n aber es gab<br />

die, Geschichten <strong>von</strong> Leuten die es geschafft hatten und ich wollte auch zu <strong>de</strong>nen<br />

gehören die es wagen und es schaffen. Es war wie<strong><strong>de</strong>r</strong> mal soweit. Ich musste mich<br />

wie<strong><strong>de</strong>r</strong> mal me<strong>in</strong>er großen Angst stellen. Dieses Mal hatte ich aber e<strong>in</strong> starkes Rezept<br />

gegen diese Angst gefun<strong>de</strong>n. Ich war eigentlich so überzeugt, dass Gott mir helfen<br />

wür<strong>de</strong>, dass das eigentlich me<strong>in</strong>e große Angst vor <strong><strong>de</strong>r</strong> Flucht aufwiegte. Me<strong>in</strong> Glaube<br />

wur<strong>de</strong> so zu me<strong>in</strong>em starken Rezept gegen die Angst. Ich wusste, dieses Mal muss ich<br />

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mich me<strong>in</strong>er Angst nicht alle<strong>in</strong>e stellen, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n ich habe immer und überall e<strong>in</strong>en sehr<br />

starken Helfer dabei. Ich schöpfte sehr viel Mut und Kraft aus <strong>de</strong>m Gebet. Für mich<br />

stand nach me<strong>in</strong>er Gymnasialzeit fest: nach me<strong>in</strong>em Militärdienst wer<strong>de</strong> ich aus<br />

Rumänien fliehen. Ich hatte <strong>in</strong> me<strong>in</strong>er Militärzeit im Herbst im Banat bei <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Maisernte, ganz <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Nähe <strong><strong>de</strong>r</strong> jugoslawischen Grenze, gearbeitet. Wenn wir im<br />

Laster parallel zur Grenze vorbeifuhren, konnte ich <strong>de</strong>n Stacheldraht und die<br />

Wachtürme <strong><strong>de</strong>r</strong> Grenze sehen. Wenn ich die Augen schloss konnte ich die Freiheit<br />

regelrecht riechen.<br />

Aus <strong>de</strong>m Dorf Grosskomlosch, wo wir <strong>in</strong> dieser Zeit übernachtet hatten, konnte ich<br />

abends die Lichter <strong><strong>de</strong>r</strong> jugoslawischen Dörfer sehen und ich träumte da<strong>von</strong> e<strong>in</strong> Reh, e<strong>in</strong><br />

Hase, e<strong>in</strong>e Maus o<strong><strong>de</strong>r</strong> e<strong>in</strong> Vogel zu se<strong>in</strong>. Ich wünschte mir e<strong>in</strong>fach unbeobachtet die<br />

Grenze zu überw<strong>in</strong><strong>de</strong>n, zu überfliegen. Manchmal traf ich bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeit me<strong>in</strong>en<br />

Freund Hami (Helmut) Dadrich, <strong><strong>de</strong>r</strong> se<strong>in</strong>e Herbstarbeit auch als Soldat im gleichen<br />

Gebiet, nur e<strong>in</strong> paar Dörfer weiter leistete. Er erzählte mir, dass er o<strong><strong>de</strong>r</strong> se<strong>in</strong>e<br />

Kamera<strong>de</strong>n vor e<strong>in</strong> paar Tagen, bei <strong><strong>de</strong>r</strong> We<strong>in</strong>lese, ganz <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Nähe, <strong><strong>de</strong>r</strong> Grenze ja fast<br />

am Stacheldraht arbeiten mussten. Auch er spielte mit <strong>de</strong>m Fluchtgedanken aber die<br />

Angst, als Deserteur erwischt zu wer<strong>de</strong>n, war zu groß.<br />

Ich habe vor me<strong>in</strong>er Flucht und auch noch Jahre danach geträumt wie ich Grenz-<br />

Stacheldrahtzäune ganz <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Nähe <strong>von</strong> We<strong>in</strong>stöcken o<strong><strong>de</strong>r</strong> Maisfel<strong><strong>de</strong>r</strong>n überw<strong>in</strong><strong>de</strong>.<br />

Manchmal war es nur e<strong>in</strong> Graben o<strong><strong>de</strong>r</strong> e<strong>in</strong> Bach <strong>de</strong>n ich überw<strong>in</strong><strong>de</strong>n musste.<br />

Manchmal schwamm ich über die riesige Donau. Meistens kamen <strong>in</strong> diesen Träumen<br />

ganz böse Soldaten vor, die mich verfolgten und nach mir schossen. Me<strong>in</strong> Fluchtplan<br />

war eigentlich e<strong>in</strong>fach. Ich suche Jeman<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> das Militär an <strong><strong>de</strong>r</strong> jugoslawischen<br />

Grenze gemacht hat, spreche ihn an und mit se<strong>in</strong>er Hilfe überw<strong>in</strong><strong>de</strong> ich die Grenze und<br />

fliehe dann über Jugoslawien und Österreich <strong>in</strong> die BRD.<br />

Nach <strong>de</strong>m Militär arbeitete ich im Walzwerk Eisenmarkt. Dort lernte ich e<strong>in</strong>en<br />

Zigeuner - Vasile - kennen und erfuhr, dass er das Militär an <strong><strong>de</strong>r</strong> Grenze gemacht hatte.<br />

Ich beobachtete ihn über mehrere Monate und fragte mich ob das me<strong>in</strong> Mann sei? Er<br />

war auch ungefähr so alt wie ich, kle<strong>in</strong>, dünn, schmächtig, unsportlich und ziemlich<br />

clever. Er log manchmal e<strong>in</strong> bischen (was die Mä<strong>de</strong>ls ang<strong>in</strong>g), um mir zu imponieren<br />

aber ich glaube das tun viele Jungs <strong>in</strong> <strong>de</strong>m Alter. E<strong>in</strong>es Tages als er, im wahrsten S<strong>in</strong>ne<br />

<strong>de</strong>s Wortes, im Schweiße se<strong>in</strong>es Angesichts arbeiten musste und ich ihm zuschaute,<br />

sagte ich zu ihm: „Vasile ich glaube e<strong>in</strong>es Tages kann ich dich gebrauchen“ und ich war<br />

wie <strong>von</strong> Blitz getroffen, als er antwortete: „Ja Helmi (<strong>in</strong> Siebenbürgen übliche<br />

Kurzform <strong>von</strong> Helmut), ich will auch fliehen“. Wir verabre<strong>de</strong>ten uns nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeit.<br />

Er erfuhr, dass ich ihn jetzt schon fast e<strong>in</strong> Jahr beobachtete, um ihn zu fragen, ob er mir<br />

bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Flucht helfen wolle. Er erzählte mir, dass er mich auch schon die ganze Zeit<br />

beobachtet hatte. Er hatte sich sogar <strong>in</strong> me<strong>in</strong>e Schicht versetzen lassen, um Kontakt mit<br />

mir aufzunehmen. Er war auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Suche nach Personen, die zur Flucht entschlossenen<br />

waren. Ich sollte ihm nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Flucht, <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> BRD, durch me<strong>in</strong>e Sprachkenntnisse<br />

helfen. Wir trafen uns <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Park (Corv<strong>in</strong>u) mit noch zwei Jungs, die auch fliehen<br />

wollten. Ich kannte bei<strong>de</strong> <strong>von</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Volksschule. Der e<strong>in</strong>e, auch e<strong>in</strong> Siebenbürger, Re<strong>in</strong>i<br />

(Kurzform <strong>von</strong> Re<strong>in</strong>hold) <strong><strong>de</strong>r</strong> an<strong><strong>de</strong>r</strong>e e<strong>in</strong> Rumäne, hieß Paul. Zusammen wollten wir<br />

497


die Flucht planen. So begannen wir, je<strong><strong>de</strong>r</strong> mit se<strong>in</strong>er Erfahrung, Fluchtpläne zu<br />

schmie<strong>de</strong>n. Me<strong>in</strong>e I<strong>de</strong>e, dass wir irgendwo über die Donau schwimmen, verwarfen wir<br />

lei<strong><strong>de</strong>r</strong> schnell, weil die An<strong><strong>de</strong>r</strong>en Angst vor <strong><strong>de</strong>r</strong> breiten, strömungsstarken Donau hatten.<br />

Tja, nicht je<strong><strong>de</strong>r</strong> hat e<strong>in</strong>e - Kokel Mutprobe - bestan<strong>de</strong>n. Me<strong>in</strong>e zweite I<strong>de</strong>e für <strong>de</strong>n<br />

Fluchtplan war, dass ich uns <strong>in</strong> die Nähe <strong>de</strong>s mir aus <strong>de</strong>m Militär bekannten<br />

Grenzdorfes „Großkomlosch“ br<strong>in</strong>ge und Vasile sollte uns dann, bei Nacht, sicher über<br />

die Grenze lotsen. Den <strong>Teil</strong> mit <strong>de</strong>m Grenzdorf fan<strong>de</strong>n alle gut, aber Vasile hatte<br />

größere Pläne. Er wollte e<strong>in</strong>e ganz große Gruppe, als Saisonarbeiter verklei<strong>de</strong>t, über<br />

die Grenze br<strong>in</strong>gen.<br />

Grenzregion war damals ziemlich gut abgeschottet. Alle Fahrzeuge und Züge wur<strong>de</strong>n<br />

schon Kilometer vor <strong><strong>de</strong>r</strong> Grenze kontrolliert. Wenn man jeman<strong>de</strong>n <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Grenzstadt<br />

o<strong><strong>de</strong>r</strong> -dorf besuchte, musste man e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>ladung <strong>von</strong> <strong>de</strong>mjenigen vorzeigen. Es war<br />

üblich das Saisonarbeiter zu Hun<strong><strong>de</strong>r</strong>ten <strong>in</strong> diesem Gebiet bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Ernte aushalfen.<br />

Darum me<strong>in</strong>te Vasile, das sei die beste Tarnung auf <strong>de</strong>m Weg zur Grenze. Wir sollten,<br />

je<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>von</strong> uns, erst e<strong>in</strong>e große Anzahl <strong>von</strong> Fluchtwilligen rekrutieren. Dieser <strong>Teil</strong> <strong>de</strong>s<br />

Planes barg e<strong>in</strong> sehr großes Risiko. Je mehr Mitwisser wir hatten, umso größer war das<br />

Risiko, dass uns jemand verraten kann. Wenn wir die Leute beisammen hatten, dann<br />

sollten wir uns Bauernklei<strong><strong>de</strong>r</strong> anschaffen, unsere Ausweise fälschen, <strong>in</strong> die<br />

Grenzregion fahren und dann alle <strong>von</strong> Vasile gelotst, über die Grenze fliehen. Ich hatte<br />

noch me<strong>in</strong>en Jahresurlaub vor mir. In dieser Zeit wollte ich alle Vorbereitungen treffen,<br />

um unsere Pläne umzusetzen. Ich besuchte noch me<strong>in</strong>e Verwandten und<br />

verabschie<strong>de</strong>te mich <strong>in</strong> Gedanken <strong>von</strong> je<strong>de</strong>m. Von unserem Fluchtpan erzählte ich<br />

me<strong>in</strong>er Cous<strong>in</strong>e Hanne und ihrem Freund Re<strong>in</strong>i (ich war ja auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Suche nach Leuten<br />

für e<strong>in</strong>e große Gruppe). Eigentlich wollte ich es auch ihrer Schwester Kar<strong>in</strong> erzählen<br />

aber Hanne wollte es nicht. Sie wollte ihre jüngere Schwester nicht <strong>in</strong> Gefahr br<strong>in</strong>gen.<br />

Ich erzählte es me<strong>in</strong>em Freund Petre (rumänische Form <strong>von</strong> Peter) aber er me<strong>in</strong>te nur:<br />

„Helmi, ich b<strong>in</strong> Rumäne, ich will me<strong>in</strong> Land nicht verlassen, aber ich wünsche dir viel<br />

Glück“. Obwohl ich e<strong>in</strong> sehr großes Risiko verraten zu wer<strong>de</strong>n e<strong>in</strong>g<strong>in</strong>g, erzählte ich<br />

auch Vica, was ich vorhatte. Ich glaube ich war verliebt und wollte e<strong>in</strong>fach ehrlich se<strong>in</strong>.<br />

Sie wirkte damals auf mich, als sei sie sehr durche<strong>in</strong>an<strong><strong>de</strong>r</strong>, verwirrt, verletzt (sie hatte<br />

gera<strong>de</strong> e<strong>in</strong> Gespräch mit ihrem Exfreund, <strong><strong>de</strong>r</strong> sie als Hure tituliert und beschimpft<br />

hatte). Sie me<strong>in</strong>te sie will zurzeit nichts mehr <strong>von</strong> Männern hören und bat mich ihre<br />

Wohnung zu verlassen. Ihre Abweisung hat mir sehr wehgetan. Hätte sie gesagt: „Lass<br />

es und bleibe bei mir“ ich hätte alles für sie aufgegeben, aber so konnte ich wenigstens<br />

e<strong>in</strong>en Schlußstrich unter diese Beziehung ziehen und me<strong>in</strong>en Plänen nachgehen.<br />

Me<strong>in</strong>en Bru<strong><strong>de</strong>r</strong> habe ich nicht <strong>in</strong> me<strong>in</strong>e Pläne e<strong>in</strong>geweiht, weil er e<strong>in</strong>e rumänische<br />

Freund<strong>in</strong> hatte und ich die Befürchtung hatte, sie könnte aus Angst um ihn alles<br />

verraten. Ich tra<strong>in</strong>ierte viel <strong>in</strong> diesem Urlaub Joggen, Hochsprung. Ich übte mit <strong>de</strong>m<br />

Nunchaku (Asiatische Kampfwaffe zwei Holzstäbe verbun<strong>de</strong>n mit e<strong>in</strong>er starken<br />

Schnur o<strong><strong>de</strong>r</strong> Kette). Den Nunchaku wollte ich gegen die Wachhun<strong>de</strong> e<strong>in</strong>setzten. Auf<br />

alle Fälle war ich damals topfit. Hatte auch die letzen zwei Jahre Taekwondo tra<strong>in</strong>iert.<br />

Ich mel<strong>de</strong>te me<strong>in</strong>en Personalausweis als verloren, damit ich ihn fälschen konnte. Ich<br />

wollte als Wohnsitz e<strong>in</strong>en Ort aus <strong>de</strong>m meistens die Saisonarbeiter kamen, e<strong>in</strong>tragen.<br />

Ich ließ mir die Haare ganz kurz (so zu sagen pflegeleicht) schnei<strong>de</strong>n.<br />

Ich klaute (mit sehr schlechtem Gewissen) me<strong>in</strong>em Onkel Wolff aus Österreich (<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

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gera<strong>de</strong> im Urlaub bei uns war) e<strong>in</strong>e Europakarte. Darauf konnte ich sehr gut die<br />

geografische Lage me<strong>in</strong>es geplanten Fluchtweges anschauen und mir die rumänischen<br />

und jugoslawischen Grenzorte e<strong>in</strong>prägen. Als wir (Vasile, Re<strong>in</strong>i, Paul und ich) uns<br />

nach me<strong>in</strong>em Urlaub wie<strong><strong>de</strong>r</strong> trafen, hatten wir alle unsere Me<strong>in</strong>ung, was die<br />

Massenflucht betraf, geän<strong><strong>de</strong>r</strong>t. Wir hatten festgestellt, dass die Leute die wir<br />

ansprachen, zwar anfangs <strong>von</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Fluchti<strong>de</strong>e begeistert waren, aber dann alle, doch<br />

Angst hatten erwischt zu wer<strong>de</strong>n und nicht mitmachen wollten. Vielleicht muss so e<strong>in</strong>e<br />

I<strong>de</strong>e <strong>in</strong> <strong>de</strong>n Köpfen <strong><strong>de</strong>r</strong> Leute erst e<strong>in</strong>mal reifen, ehe sie umgesetzt wer<strong>de</strong>n kann. Also<br />

entschlossen wir, die Flucht nur zu viert durchzuführen. Dann tauchte aber das nächste<br />

Problem auf. Vasile wollte, dass wir die Flucht am 23. August (<strong>de</strong>m rumänischen<br />

Nationalfeiertag) durchführen. Er me<strong>in</strong>te an diesem Tag seien die meisten<br />

Grenzsoldaten besoffen und so wäre die Flucht für uns leichter durchführbar. Ich hatte<br />

aber nur bis zum 10.08.1981 Urlaub und absolut ke<strong>in</strong>e Lust wie<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>in</strong> das<br />

St<strong>in</strong>kwalzwerk arbeiten zu gehen. Nach e<strong>in</strong> paar Tagen trafen wir uns wie<strong><strong>de</strong>r</strong> und ich<br />

fieberte dieser Flucht <strong><strong>de</strong>r</strong>maßen entgegen, dass ich je<strong>de</strong> Nacht nur noch <strong>von</strong><br />

Fluchtversuchen träumte. So war <strong>in</strong> mir <strong><strong>de</strong>r</strong> Entschluss, noch vor <strong>de</strong>m 10.08.1981 zu<br />

fliehen, herangereift. Ich stellte <strong>de</strong>n an<strong><strong>de</strong>r</strong>en e<strong>in</strong> Ultimatum: „Entwe<strong><strong>de</strong>r</strong> jetzt mit mir<br />

o<strong><strong>de</strong>r</strong> ich gehe alle<strong>in</strong>e“. Jetzt merkte ich das Vasile e<strong>in</strong> Großmaul war und se<strong>in</strong>e<br />

Selbstsicherheit nur vorgetäuscht war. Zum<strong>in</strong><strong>de</strong>st so wirkte es damals auf mich. Er<br />

wollte, zum<strong>in</strong><strong>de</strong>st zu <strong>de</strong>m Zeitpunkt, nicht mehr mit. Die an<strong><strong>de</strong>r</strong>en bei<strong>de</strong> waren noch<br />

unentschlossen. Als ich darauf bestand, dass ich spätestens am 09.08.1981<br />

(Samstagabend) <strong>in</strong> Richtung Grenze wegfahren will, entschlossen sie sich mit mir<br />

mitzukommen. Vasile me<strong>in</strong>te er hätte noch Term<strong>in</strong>e beim Zahnarzt und er wolle sich<br />

die Zähne noch vor <strong><strong>de</strong>r</strong> Flucht richten lassen, darum käme er jetzt nicht mit und er<br />

wünschte uns noch viel Glück. Noch an <strong>de</strong>m Abend 08.08.1981 kaufte ich, zusammen<br />

mit Paul, <strong>in</strong> Eisenmarkt am Bahnhof die Tickets für Temeschburg. Zuhause (ich und<br />

me<strong>in</strong> Bru<strong><strong>de</strong>r</strong> wohnten noch bei unseren Eltern) hatte ich ke<strong>in</strong>em etwas <strong>von</strong> me<strong>in</strong>en<br />

Fluchtplänen gesagt. Offiziell sollte ich mit e<strong>in</strong> paar Freun<strong>de</strong>n am Strei (e<strong>in</strong> Fluss)<br />

noch für e<strong>in</strong> paar Tage Urlaub machen. Me<strong>in</strong>e Eltern hätten durchgedreht vor Angst,<br />

wenn sie etwas gewusst hätten. Da die Flucht ja nachts stattf<strong>in</strong><strong>de</strong>n sollte, brauchte ich<br />

die geeignete Tarnkleidung.<br />

Ich hatte noch e<strong>in</strong>e alte Hose me<strong>in</strong>es Vaters (als für me<strong>in</strong>e Flucht geeignet)<br />

aufgestöbert und ich präparierte diese noch, <strong>in</strong><strong>de</strong>m ich e<strong>in</strong> paar Metallschnallen und<br />

<strong>de</strong>n Gürtel wegmachte. Die Hose war schwarz, am Oberschenkel weit und unten an <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Wa<strong>de</strong> eng, gut geeignet zum Laufen und Spr<strong>in</strong>gen. E<strong>in</strong> kakifarbenes Hemd me<strong>in</strong>es<br />

Bru<strong><strong>de</strong>r</strong>s musste auch herhalten. An <strong>de</strong>m Hemd trennte ich das rumänische Wappen<br />

vom Ärmel. Darüber zog ich noch e<strong>in</strong>en dunkelblauen Pullover. Ich steckte noch die<br />

Europakarte, me<strong>in</strong> Nunchaku, etwas Bargeld und me<strong>in</strong> Ticket e<strong>in</strong>. Ich habe mich nie<br />

wie<strong><strong>de</strong>r</strong> so ballastfrei gefühlt. Am nächsten Morgen stand ich schon um sechs Uhr auf.<br />

Me<strong>in</strong> Vater und me<strong>in</strong> Bru<strong><strong>de</strong>r</strong> machten sich für die Arbeit fertig. Ich verabschie<strong>de</strong>te<br />

mich flüchtig, <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Hoffnung, ke<strong>in</strong>er merkt was ich anhabe. Me<strong>in</strong>e Seele we<strong>in</strong>te, als<br />

ich mich lautlos <strong>von</strong> allen verabschie<strong>de</strong>te. Me<strong>in</strong> letzter Blick viel auf me<strong>in</strong>e schlafen<strong>de</strong><br />

Mutter. Ich sah sie an, me<strong>in</strong> Herz drohte me<strong>in</strong>e Brust zu durchschlagen… mit Tränen <strong>in</strong><br />

<strong>de</strong>n Augen dachte ich; „Leb wohl, liebe Mama, hoffentlich sehen wir uns wie<strong><strong>de</strong>r</strong>“!<br />

Dann g<strong>in</strong>g ich entschlossen, fluchtartig zur Tür raus. Ich traf mich mit Paul und wir<br />

499


g<strong>in</strong>gen sprachlos zum Bahnhof, je<strong><strong>de</strong>r</strong> mit se<strong>in</strong>en Gedanken, Hoffnungen und Sorgen.<br />

Re<strong>in</strong>i wollte erst um 15 Uhr <strong>in</strong> Temeschburg am Hauptbahnhof zu uns stoßen. Man hat<br />

e<strong>in</strong> komisches Gefühl, wenn man etwas Verbotenes im Schil<strong>de</strong> führt. Wir sahen uns<br />

alles wie zum Abschied an - <strong>de</strong>n Bahnhof, die Gebäu<strong>de</strong>, die Leute <strong>in</strong> unserem Abteil.<br />

Ich fühlte aber ke<strong>in</strong>e Trauer, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n nur e<strong>in</strong>e große Hoffnung auf etwas Prickeln<strong>de</strong>s,<br />

Neues. Als <strong><strong>de</strong>r</strong> Zug abfuhr, waren wir auf e<strong>in</strong>mal heiter und unbekümmert. Wir lachten,<br />

schmie<strong>de</strong>ten Pläne und träumten mit offenen Augen. Ab und zu schickte ich, <strong>in</strong><br />

Gedanken, e<strong>in</strong> Gebet zum Himmel und bat Gott, me<strong>in</strong>en himmlischen Vater, um Hilfe.<br />

In Temeschburg angekommen, g<strong>in</strong>gen wir zum Busbahnhof und wir mussten lei<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

feststellen, dass unser Plan nicht so e<strong>in</strong>fach umzusetzen war, wie wir dachten.<br />

Eigentlich wollten wir mit <strong>de</strong>m Bus o<strong><strong>de</strong>r</strong> Taxi nach Grabatz fahren, <strong>von</strong> dort zu Fuß bis<br />

zum Grenzgebiet zwischen Großkomlosch und Ostern gehen und dann wollten wir<br />

uns Nachts vorsichtig über die Grenze schleichen. Als wir uns nach <strong>de</strong>m Bus<br />

erkundigten, erfuhren wir, dass es schon vor Grabatz Ausweiskontrollen gab. Auch e<strong>in</strong><br />

befragter Taxifahrer machte uns auf diesen Zustand aufmerksam. Wir me<strong>in</strong>ten, das<br />

wäre für uns überhaupt ke<strong>in</strong> Problem, da wir ja auf die Hochzeit e<strong>in</strong>es Freun<strong>de</strong>s<br />

e<strong>in</strong>gela<strong>de</strong>n seien und wir taten dann so, als wäre uns <strong><strong>de</strong>r</strong> Fahrpreis viel zu teuer. Ja was<br />

nun? Umkehren? Auf Re<strong>in</strong>i warten, auch wenn er sich verspätete? Zu Fuß <strong>in</strong> Richtung<br />

Grenze losziehen? Re<strong>in</strong>i kam um 15:05 am Busbahnhof an. Er hatte <strong>de</strong>n Zug verpasst<br />

und war per Anhalter doch noch zu uns gestoßen. Da es fast unerträglich heiß war (es<br />

war e<strong>in</strong> heißer August), kühlten wir uns erstmal mit e<strong>in</strong>em leckeren Eis ab und<br />

besprachen, was wir jetzt weitermachen sollten. Wir waren sehr froh, dass Re<strong>in</strong>i (so<br />

richtig mit Mut und Schwung) gekommen war, weil wir ja sonst nur zu zweit gewesen<br />

wären. Ehrlich gesagt war mir und Paul <strong><strong>de</strong>r</strong> Mut etwas <strong>in</strong> die Hose gerutscht und ich<br />

war froh, dass Re<strong>in</strong>i uns wie<strong><strong>de</strong>r</strong> Mut machte und auf alle Fälle mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Flucht weiter<br />

machen wollte. Wir entschlossen uns zu Fuß <strong>in</strong> Richtung Grenze loszugehen und<br />

g<strong>in</strong>gen auch entschlossen los.<br />

Im ersten Dorf tranken wir, da es immer noch so heiß war und wir Durst hatten, an e<strong>in</strong>er<br />

Wasserpumpe Wasser und g<strong>in</strong>gen dann zum nächsten Dorf weiter. Im zweiten Dorf<br />

sahen wir <strong>de</strong>n Dorfpolizisten auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Hauptstraße herumschlen<strong><strong>de</strong>r</strong>n. Wir wichen ihm<br />

auf e<strong>in</strong>em Feldweg aus und wollten über e<strong>in</strong>en Umweg nachher wie<strong><strong>de</strong>r</strong> auf die<br />

Hauptstraße. Wir kamen an e<strong>in</strong>em Fluss vorbei. Über enge Stege und Gestrüpp g<strong>in</strong>gen<br />

wir an e<strong>in</strong> paar st<strong>in</strong>ken<strong>de</strong>n Tümpeln vorbei. Dann kamen wir an e<strong>in</strong>er Schwe<strong>in</strong>efarm<br />

vorbei (ich glaube <strong>in</strong> <strong>de</strong>m Ort Beregsăul-Mare gab es diese Farm). Hier passten wir<br />

auf, dass uns ke<strong>in</strong>er sieht und dann kamen wir wie<strong><strong>de</strong>r</strong> an die Hauptstraße. Daneben<br />

verliefen jetzt die Eisenbahnschienen und da gera<strong>de</strong> e<strong>in</strong> Zug angefahren kam,<br />

hechteten wir <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Gebüsch und versteckten uns, damit uns ke<strong>in</strong>er aus <strong>de</strong>m Zug sieht<br />

(<strong>de</strong>nn wir vermuteten ja, dass Grenzsoldaten <strong>in</strong> <strong>de</strong>m Zug waren und<br />

Ausweiskontrollen machten). Als wir weiterg<strong>in</strong>gen und uns <strong>de</strong>m nächsten Dorf<br />

näherten, wichen wir <strong>in</strong> das mannshohe Maisfeld aus. Es wur<strong>de</strong> Abend und erschöpft<br />

legten wir uns neben e<strong>in</strong> Hanffeld, zogen Strümpfe, Schuhe und Hosen aus, um uns e<strong>in</strong><br />

bisschen auszuruhen. Wir waren schon fast e<strong>in</strong>gedöst, als e<strong>in</strong> Motorgeräusch auf uns<br />

zukam. Wir sammelten unsere Sachen, hechteten alle fast gleichzeitig <strong>in</strong> <strong>de</strong>n Hanf und<br />

es fuhr e<strong>in</strong> Traktor an uns vorbei. Wir machten uns auf, wollten jetzt das Dorf<br />

irgendwie umgehen und über e<strong>in</strong>en Feldweg lan<strong>de</strong>ten wir <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Dorf. Da es<br />

500


mittlerweile dunkel gewor<strong>de</strong>n war und im ganzen Dorf ke<strong>in</strong> Licht brannte, wussten wir<br />

nicht wo wir s<strong>in</strong>d. Me<strong>in</strong>e Freun<strong>de</strong> plagte jetzt Hunger und Durst. Me<strong>in</strong> Magen war über<br />

die ganze Aufregung wie zugeschnürt, daher hatte ich nur Durst. Auf e<strong>in</strong>em<br />

Kollektivhof (LPG) tranken wir aus e<strong>in</strong>em Brunnen Wasser. Wir trafen e<strong>in</strong> paar<br />

Jugendliche, die <strong>von</strong> e<strong>in</strong>er Party kamen und Re<strong>in</strong>i fragte sie wo wir <strong>de</strong>nn seien, wir<br />

hätten uns verirrt und wollten nach Grabatz. Wir tischten immer e<strong>in</strong>e Geschichte auf:<br />

<strong>von</strong> e<strong>in</strong>em Freund <strong><strong>de</strong>r</strong> dort wohnt und wir seien auf <strong>de</strong>ssen Hochzeit e<strong>in</strong>gela<strong>de</strong>n.<br />

Ansche<strong>in</strong>end nahmen sie uns die Geschichte nicht ab, <strong>de</strong>nn sie gaben uns <strong>de</strong>n netten<br />

H<strong>in</strong>weis, dass <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Dorfmitte e<strong>in</strong> Wachposten <strong><strong>de</strong>r</strong> Grenzsoldaten sei. Aber sie<br />

erklärten uns, wo wir seien und wie wir weitergehen müssen.Wir g<strong>in</strong>gen durch das<br />

stockf<strong>in</strong>stere Dorf, ohne e<strong>in</strong>e Menschenseele zu treffen. Da wo <strong><strong>de</strong>r</strong> Wachposten se<strong>in</strong><br />

sollte, g<strong>in</strong>gen wir ganz vorsichtig, aber da war auch ke<strong>in</strong>e Menschenseele. Am<br />

Dorfrand kam uns e<strong>in</strong> Mann (man sah, er hatte etwas <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Hand) mit se<strong>in</strong>em Hund<br />

entgegen. - Wir waren wie gelähmt. In me<strong>in</strong>er Phantasie wur<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Mann gleich zum<br />

Soldaten und das Etwas <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Hand wur<strong>de</strong> zum Gewehr. Zu unserer Erleichterung<br />

war es nur e<strong>in</strong> alter Mann mit se<strong>in</strong>em Hund und e<strong>in</strong>em Stock <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Hand. Als wir ihn<br />

aber nach <strong>de</strong>m Weg fragten, reagierte er ganz komisch und wusste angeblich nicht, wo<br />

es langg<strong>in</strong>g. Wir verließen dann das Dorf (<strong>von</strong> <strong>de</strong>m ich bis heute ke<strong>in</strong>e Ahnung habe<br />

wie es hieß) und wir legten uns im Maisfeld unter e<strong>in</strong> paar Pflaumenbäume zum<br />

Schlafen h<strong>in</strong>. Das war <strong><strong>de</strong>r</strong> erste Fluchttag, <strong><strong>de</strong>r</strong> eigentlich gar nicht so abgelaufen war,<br />

wie wir uns das vorgestellt hatten. Als wir am Morgen aufstan<strong>de</strong>n, aßen wir e<strong>in</strong> paar<br />

Kekse, e<strong>in</strong> paar Pflaumen und dann machten wir uns <strong>in</strong> die Richtung auf, <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> wir das<br />

gesuchte Dorf erhofften.<br />

Wir behielten unsere Taktik, g<strong>in</strong>gen immer nur über Feldwege und wenn wir glaubten<br />

jemand kann uns sehen, versteckten wir uns und g<strong>in</strong>gen durch das neben uns<br />

wachsen<strong>de</strong> Mais-, Sonnenblumen- o<strong><strong>de</strong>r</strong> Rappsfeld. Re<strong>in</strong>i war e<strong>in</strong> sehr guter<br />

Handballspieler. Ich glaube er spielte sogar <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> rumänischen Nationalmannschaft.<br />

Er musste sich oft bücken, um nicht gesehen zu wer<strong>de</strong>n. Mit se<strong>in</strong>en fast zwei Metern<br />

ragte er oft aus <strong>de</strong>m Feld heraus. Ich mit me<strong>in</strong>en 1,68 und Paul mit se<strong>in</strong>en höchstens<br />

1,80 hatten da ke<strong>in</strong> Problem. Re<strong>in</strong>i und ich waren topfit. Er durch se<strong>in</strong><br />

Handballtra<strong>in</strong><strong>in</strong>g, ich dadurch, dass ich die letzten zwei Jahre Taekwondo tra<strong>in</strong>iert<br />

hatte. Paul hatte, was wir bald feststellen sollten, da etwas Konditionsprobleme. Es<br />

wur<strong>de</strong> wie<strong><strong>de</strong>r</strong> e<strong>in</strong> sehr heißer Tag. Nach stun<strong>de</strong>nlangem Marsch quälte uns wie<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Durst. Ich träumte vor mich h<strong>in</strong> <strong>von</strong> zuhause, <strong>von</strong> e<strong>in</strong>em Wasserhahn aus <strong>de</strong>m ich<br />

je<strong><strong>de</strong>r</strong>zeit Wasser tr<strong>in</strong>ken kann, <strong>von</strong> e<strong>in</strong>em vollen Kühlschrank, <strong>von</strong> Ruhe und<br />

Sicherheit. G<strong>in</strong>g es mir wie <strong>de</strong>n Israeliten <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Wüste, als sie sich nach Ägypten<br />

zurücksehnten?<br />

Wir stießen auf e<strong>in</strong>en breiten Wasserkanal mit schlammigem (zum Tr<strong>in</strong>ken lei<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

ungenießbarem) Wasser. Da wir h<strong>in</strong>über wollten, suchten und fan<strong>de</strong>n wir e<strong>in</strong>e<br />

seichtere Stelle. Ich zog Schuhe und Strümpfe aus, warf sie rüber und sprang ans<br />

an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Ufer. Die an<strong><strong>de</strong>r</strong>en folgten me<strong>in</strong>em Beispiel. Wir kamen an e<strong>in</strong>em<br />

Brombeerstrauch vorbei und aßen e<strong>in</strong> paar Brombeeren. Wir sahen e<strong>in</strong> paar Leute im<br />

Mais arbeiten und hockten uns nie<strong><strong>de</strong>r</strong> und warteten. Hier hatten wir e<strong>in</strong>en kle<strong>in</strong>en<br />

Streit. Re<strong>in</strong>i hatte so furchtbaren Hunger, dass er e<strong>in</strong> verschimmeltes Wurststück aus<br />

501


se<strong>in</strong>er Tüte essen wollte. Ich riss es ihm aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Hand und warf es weg, aber er holte<br />

sich's wie<strong><strong>de</strong>r</strong> und aß es. Er aß sogar e<strong>in</strong> Stück <strong>von</strong> se<strong>in</strong>er Plastiktüte, um se<strong>in</strong>en Hunger<br />

etwas zu stillen. Paul litt auch sehr an Hunger. Ich hatte ke<strong>in</strong>en Hunger, me<strong>in</strong> Magen<br />

war, <strong>in</strong> ängstlicher Erwartung, immer noch wie zugeschnürt. Als die Leute weg waren,<br />

g<strong>in</strong>gen wir weiter. Es war unerträglich heiß, ke<strong>in</strong> Lüftchen g<strong>in</strong>g um uns wenigstens e<strong>in</strong><br />

bisschen zu erfrischen. Die trockenen Maisblätter schnitten uns <strong>in</strong> die Hän<strong>de</strong>… Dann<br />

sahen wir endlich e<strong>in</strong> Dorf und hofften es sei Grabatz. Me<strong>in</strong>e Kumpanen waren<br />

ziemlich am En<strong>de</strong> mit ihren Kräften und ich trieb sie voran. Ich glaube es war die erste<br />

Fata Morgana <strong>in</strong> ihrem Leben, ihnen schien das Dorf e<strong>in</strong>fach nicht näher kommen zu<br />

wollen. Vor allem Paul setzte sich h<strong>in</strong> und wollte irgendwann e<strong>in</strong>fach nicht mehr<br />

weiter. Wir mussten ihm gut zure<strong>de</strong>n und Mut machen, bis er aufstand und weiterg<strong>in</strong>g.<br />

Dann ereichten wir endlich das Dorf. In e<strong>in</strong>em Hof baten wir e<strong>in</strong>e Frau uns <strong>von</strong> Ihrer<br />

Pumpe Wasser tr<strong>in</strong>ken zu lassen und wir durften tr<strong>in</strong>ken. Das Wasser war kühl und<br />

erfrischend. Ich merkte aber, dass mir langsam übel wur<strong>de</strong> und hörte mit <strong>de</strong>m Tr<strong>in</strong>ken<br />

auf. Paul trank aber zu viel und zu gierig und musste sich gleich übergeben. Paul fragte<br />

die Frau ob das Dorf immer noch so wie vor <strong>de</strong>m Krieg heißt und die Frau sagte: „Ja, es<br />

heißt immer noch Grabatz“. So wussten wir, dass wir endlich auf <strong>de</strong>m richtigen Weg<br />

seien. Die Frau sagte uns <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Dorfmitte sei e<strong>in</strong>e Pumpe mit besserem Wasser<br />

(vielleicht weil Paul gebrochen hatte?). Wir g<strong>in</strong>gen dah<strong>in</strong> und tranken wie<strong><strong>de</strong>r</strong> Wasser.<br />

Wir kauften uns e<strong>in</strong> paar leere Flaschen und füllten diese mit Wasser. Re<strong>in</strong>i und Paul<br />

hatten je e<strong>in</strong>e Tüte mit und taten die Flaschen <strong>in</strong> ihre Tüten. Als wir da saßen, kamen<br />

verschie<strong>de</strong>ne Leute vorbei und fragten uns wer wir seien. Wir logen tapfer, wir seien<br />

Saisonarbeiter aus Maramureş die e<strong>in</strong>en Freund besuchen. E<strong>in</strong>er wollte es genauer<br />

wissen und fragte Paul aus welchem Dorf wir s<strong>in</strong>d. Da Paul ke<strong>in</strong>e Ahnung hatte, wie<br />

die Dörfer <strong>in</strong> Maramureş hießen, drehte er <strong>de</strong>m Mann e<strong>in</strong>fach <strong>de</strong>n Rücken zu, als hätte<br />

er die Frage nicht gehört und flüsterte uns die Frage zu. Ich und Re<strong>in</strong>i versuchten die<br />

Situation zu retten und erzählten <strong>de</strong>m Mann etwas <strong>von</strong> e<strong>in</strong>em Dorf am See Firisa <strong>in</strong><br />

Maramureş, aber ich glaube <strong><strong>de</strong>r</strong> Mann merkte das wir logen.<br />

Da die Angst, <strong><strong>de</strong>r</strong> Mann könnte uns verraten, groß war, machten wir uns dann<br />

schleunigst auf <strong>de</strong>n Weg um das Dorf zu verlassen. Zu unserem großen Glück trafen<br />

wir e<strong>in</strong>en Mann, mit e<strong>in</strong>er Kutsche, <strong><strong>de</strong>r</strong> verkaufte uns drei Melonen. Zwei aßen wir<br />

sofort, die Dritte hoben wir uns für später auf. Wir trafen dann noch e<strong>in</strong>en Mann mit<br />

kle<strong>in</strong>en K<strong>in</strong><strong><strong>de</strong>r</strong>n, <strong><strong>de</strong>r</strong> uns die Melone abkaufen wollte, aber wir behielten sie, obwohl<br />

uns die K<strong>in</strong><strong><strong>de</strong>r</strong> sehr Leid taten. Dann g<strong>in</strong>gen wir, wie ich glaubte, <strong>in</strong> Richtung<br />

Großkomlosch, aber es war e<strong>in</strong> Irrtum <strong><strong>de</strong>r</strong> uns noch e<strong>in</strong>en Tag kostete. Statt westlich,<br />

liefen wir nördlich. Eigentlich hätten wir es an <strong>de</strong>m Sonnenstand merken müssen, aber<br />

ich verließ mich auf me<strong>in</strong> Gefühl und das war diesmal falsch. Wir hatten uns ca. 15 km<br />

verlaufen und waren fast bis zum Ort Lovr<strong>in</strong> gelaufen. Es wur<strong>de</strong> wie<strong><strong>de</strong>r</strong> Dunkel und<br />

wir trafen e<strong>in</strong>en Schäfer mit se<strong>in</strong>er Schafher<strong>de</strong>. Wir fragten ihn, wo wir <strong>de</strong>nn seien,<br />

aber er ignorierte uns e<strong>in</strong>fach und gab uns ke<strong>in</strong>e Antwort. Wollte er ke<strong>in</strong> Verräter<br />

wer<strong>de</strong>n, wenn er uns half? War es etwa e<strong>in</strong> Ungar, <strong><strong>de</strong>r</strong> ke<strong>in</strong> rumänisch verstand? Ke<strong>in</strong>e<br />

Ahnung, was <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Kopf vor sich g<strong>in</strong>g. Da es dunkel war und <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Ferne e<strong>in</strong><br />

Gewitter aufzog, legten wir uns <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Hanffeld, neben e<strong>in</strong> paar landwirtschaftliche<br />

Geräte, die dort abgestellt waren, schlafen. Zum Glück regnete es nicht und wir<br />

schliefen bis zum Morgengrauen. Dieses Mal achteten wir auf die Sonne und liefen erst<br />

502


Richtung Sü<strong>de</strong>n und stießen auf das Dorf Gottlob (lauter Banater Schwaben - Dörfer <strong>in</strong><br />

dieser Region). Hier tranken wir wie<strong><strong>de</strong>r</strong> Wasser, liefen dann weiter südwärts, wie<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

fast bis nach Grabatz. Dann sahen wir endlich im Westen das Dorf Großkomlosch (ich<br />

erkannte es an <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirche, die man <strong>von</strong> weitem sah) und wir marschierten diesmal auf<br />

das richtige Dorf zu. Wir sahen sicher wie e<strong>in</strong> Häufchen Elend aus: zerrissene<br />

Schuhe, verschwitzt, verdreckt. Immer noch brannte die Sonne unerbärmlich runter<br />

aber wir marschierten e<strong>in</strong>fach weiter und weiter. Wir verstecken uns immer wie<strong><strong>de</strong>r</strong>,<br />

wenn jemand vorbeikam, mal e<strong>in</strong> Mofa, mal e<strong>in</strong> Fahrrad. Wir waren erschöpft aber<br />

auch e<strong>in</strong>e freudige Erwartung machte sich breit. Das Dorf kam immer näher und näher.<br />

Wir konnten schon die Wachtürme an <strong><strong>de</strong>r</strong> Grenze sehen und wir wussten - <strong>in</strong> dieser<br />

Nacht wird es sehr ernst. In <strong>de</strong>m Dorf tranken wir wie<strong><strong>de</strong>r</strong> Wasser. Wir wollten uns auch<br />

etwas zu essen kaufen aber je<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>n wir fragten, hatte nichts zu verkaufen. Der<br />

Dorfla<strong>de</strong>n, me<strong>in</strong>ten sie, öffnet erst am Abend und selbst dort könnte man nur mit<br />

Lebensmittelbons etwas kriegen. Re<strong>in</strong>i und Paul wollten auf alle Fälle warten, bis <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

La<strong>de</strong>n öffnet, um etwas Essbares zu kaufen. Während wir da saßen und warteten, kam<br />

e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>er Junge vorbei. Auch ihm erzählten wir unser Märchen mit Saisonarbeiter aus<br />

Maramuresch. Er erzählte uns, was er so <strong>de</strong>n ganzen Tag macht und dass se<strong>in</strong>e Freun<strong>de</strong><br />

die Grenzsoldaten immer abends vorbei kämen und ihn je<strong>de</strong>s Mal fragen, ob er Frem<strong>de</strong><br />

gesehen hätte. Er dürfte dann immer auf ihrem Pferd reiten… Mag se<strong>in</strong>, dass wir <strong>de</strong>n<br />

Jungen mit unserer Geschichte h<strong>in</strong>ters Licht führen konnten aber die Soldaten hätten<br />

sich sicher die Sache näher angeschaut, wenn sie am Abend mit <strong>de</strong>m Jungen geplau<strong><strong>de</strong>r</strong>t<br />

hätten. Ich überzeugte die An<strong><strong>de</strong>r</strong>en, dass wir das Dorf schon jetzt unbed<strong>in</strong>gt verlassen<br />

müssen.<br />

Wir g<strong>in</strong>gen erst südlich entlang <strong><strong>de</strong>r</strong> Landstraße die parallel zur Grenze führte und als<br />

wir me<strong>in</strong>ten jetzt sieht uns ke<strong>in</strong>er, schlüpften wir <strong>in</strong>s Maisfeld <strong>in</strong> Richtung Grenze.<br />

Nach etwa zweihun<strong><strong>de</strong>r</strong>t Meter war das Feld zu En<strong>de</strong> und uns bot sich folgen<strong>de</strong>s Bild:<br />

unmittelbar und parallel zum Maisfeld und zur Grenze verlief e<strong>in</strong> ca. e<strong>in</strong> Meter tiefer<br />

Graben. Nach l<strong>in</strong>ks verlief <strong><strong>de</strong>r</strong> Graben ca. 300 Meter parallel zum Maisfeld. Nach<br />

rechts machte er nach etwa 100 Meter e<strong>in</strong>en ca. 100 Grad Knick und verlief weiter <strong>in</strong><br />

Richtung Grenze. Zwischen uns und <strong><strong>de</strong>r</strong> Grenze sah man nur noch Acker und dann <strong>in</strong><br />

ca. zwei km Entfernung sah man die Wachtürme und dort <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Nähe erst wie<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

irgendwelche Mais- o<strong><strong>de</strong>r</strong> Sonnenblumenfel<strong><strong>de</strong>r</strong>. Wir konnten auf alle Fälle nicht mehr<br />

unbeobachtet weiterlaufen und wollten jetzt erstmal die Dunkelheit abwarten. Ich<br />

wollte noch <strong>in</strong> <strong>de</strong>n Graben runtergehen und dann durch <strong>de</strong>n Graben e<strong>in</strong> Stück nach<br />

rechts laufen. Zum Glück überre<strong>de</strong>ten mich die An<strong><strong>de</strong>r</strong>en, das zu lassen. Wir legten uns<br />

am Ran<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Maisfel<strong>de</strong>s h<strong>in</strong> und warteten, dass es dunkel wer<strong>de</strong>. Me<strong>in</strong>e Kumpels<br />

waren erschöpft e<strong>in</strong>geschlafen. Ich lag auf <strong>de</strong>m Bauch, schaute angestrengt zur<br />

Grenze, <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Hoffnung irgen<strong>de</strong><strong>in</strong>e Bewegung zu registrieren, aber es tat sich nichts.<br />

Dann betete ich sehr <strong>in</strong>tensiv und bat Gott noch mal unsere Abmachung e<strong>in</strong>zuhalten.<br />

Ich wandte me<strong>in</strong>en Blick nach rechts und - me<strong>in</strong> Herz blieb mir fast stehen. Da kam e<strong>in</strong><br />

Offizier mit se<strong>in</strong>em Hund durch <strong>de</strong>n Graben genau auf uns zu. Ich weckte me<strong>in</strong>e<br />

Kumpels und wir krochen, so wie wir lagen, rückwärts, ohne uns zu drehen, bemüht<br />

<strong>de</strong>n Mais nicht zu berühren, ca. 10 Meter vom Graben weg und blieben dann ganz still<br />

liegen. Ich konnte <strong>de</strong>n Hund schnüffeln hören und für mehrere Sekun<strong>de</strong>n dachte ich,<br />

das war's, jetzt haben sie uns. Ich dachte auch gleich: „Me<strong>in</strong> Gott erhörst du nicht me<strong>in</strong><br />

503


Gebet?“. Nach fünfzehn M<strong>in</strong>uten (<strong>in</strong> <strong>de</strong>nen sich nichts tat und die mir wie e<strong>in</strong>e<br />

Ewigkeit vorkamen) kroch ich wie<strong><strong>de</strong>r</strong> zum Feldrand und sah <strong>de</strong>n Offizier jetzt l<strong>in</strong>ks <strong>in</strong><br />

ca. 80 Metern Entfernung weitergehen. Er und vor allem se<strong>in</strong> Hund hatten uns nicht<br />

ent<strong>de</strong>ckt. Ich sah ihre Spuren <strong>in</strong> <strong>de</strong>m Graben und war froh, dass ich vorh<strong>in</strong> nicht <strong>in</strong> <strong>de</strong>n<br />

Graben gegangen war. Wir trafen die letzen Vorbereitungen. Wir tranken unser Wasser<br />

aus und ließen alles zurück was wir nicht brauchten. Paul und Re<strong>in</strong>i gaben mir bei<strong>de</strong><br />

Ihr Geld, ich versteckte es <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Loch an me<strong>in</strong>em Gürtel, dort hatte ich auch die<br />

Europakarte. Die e<strong>in</strong>e Flasche schlug ich an Re<strong>in</strong>is Gürtelschnalle kaputt. Paul, <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

e<strong>in</strong>e panische Angst vor Hun<strong>de</strong>n hatte, sollte sich mit <strong>de</strong>m abgebrochenen<br />

Flaschenhals vor <strong>de</strong>n Hun<strong>de</strong>n wehren. Jetzt stellte ich auch fest, dass ich me<strong>in</strong>en<br />

Nunchaku schon längst irgendwo verloren hatte. Wir trafen auch die Vere<strong>in</strong>barung,<br />

dass je<strong><strong>de</strong>r</strong> auf sich selbst gestellt sei, wenn wir an <strong><strong>de</strong>r</strong> eigentlichen Grenze s<strong>in</strong>d und<br />

je<strong><strong>de</strong>r</strong> selber zusehen muss, wie er se<strong>in</strong>e Haut rettet. Ich hatte jetzt e<strong>in</strong> Gottvertrauen wie<br />

noch nie <strong>in</strong> me<strong>in</strong>em Leben. Ich hatte das Gefühl als ob ich fast mit ihm re<strong>de</strong>n könnte. Es<br />

wur<strong>de</strong> dunkel und es f<strong>in</strong>g plötzlich an zu regnen. Ich dankte Gott für <strong>de</strong>n Regen, weil<br />

dieser je<strong>de</strong>s an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Geräusch verschluckte. Lei<strong><strong>de</strong>r</strong> hörte <strong><strong>de</strong>r</strong> Regen so schnell wie<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

auf, wie er gekommen war. Wir g<strong>in</strong>gen <strong>in</strong> <strong>de</strong>m Graben nach rechts und dann als er <strong>in</strong><br />

Richtung Grenze knickte, folgten wir ca. 200 m se<strong>in</strong>em Verlauf. Dann g<strong>in</strong>gen wir raus<br />

und robbten schön e<strong>in</strong>er nach <strong>de</strong>m an<strong><strong>de</strong>r</strong>en auf <strong>de</strong>m Acker. Wir wechselten uns an <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Spitze ab. Der Erste sollte sich immer genau vortasten und darauf achten, dass er ke<strong>in</strong>e<br />

Signalanlage o<strong><strong>de</strong>r</strong> etwas Ähnliches berührt. Wir kamen ganz schön <strong>in</strong>s Schwitzen und<br />

es war sehr anstrengend, da uns mittlerweile tausen<strong>de</strong> Stechmücken umschwirrten.<br />

Nach ca. e<strong>in</strong>em km stan<strong>de</strong>n wir vor e<strong>in</strong>em dichten Stacheldrahtzaun. 1,5 m hoch verlief<br />

dieser parallel zur Grenze. Erst wollten wir drüber spr<strong>in</strong>gen aber dann machte es sich<br />

bezahlt, dass wir <strong>de</strong>n Flaschenhals dabei hatten. Wir gruben e<strong>in</strong> Loch unter <strong>de</strong>m Zaun<br />

und krochen dann durch. Nach <strong>de</strong>m Zaun war e<strong>in</strong> schmaler Weg, entlang <strong>de</strong>s Zaunes<br />

g<strong>in</strong>g und dann kam wie<strong><strong>de</strong>r</strong> Stacheldraht. Dieses Mal war er zyl<strong>in</strong><strong><strong>de</strong>r</strong>förmig aufgezogen<br />

und <strong>in</strong> kle<strong>in</strong>en Abstän<strong>de</strong>n h<strong>in</strong>gen Dosen mit Ste<strong>in</strong>chen dran. Das hätte e<strong>in</strong><br />

Klappergeräusch geben sollen, wenn man dran geschüttelt hätte. Es war aber alles <strong>von</strong><br />

Unkraut so überwuchert, das die Dosen total fest im Unkraut steckten. Wir hielten uns,<br />

wegen <strong>de</strong>m Gleichgewicht, an <strong>de</strong>n Hän<strong>de</strong>n und schritten auch über dieses<br />

Stacheldrahth<strong>in</strong><strong><strong>de</strong>r</strong>nis. Dann stan<strong>de</strong>n wir (zu me<strong>in</strong>er Überraschung) <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

Kleefeld. Ich dachte „wieso kommt jetzt e<strong>in</strong> Kleefeld eigentlich hätte ich jetzt die<br />

Grenze erwartet“. Mittlerweile, etwas übermütig gewor<strong>de</strong>n, g<strong>in</strong>gen wir nur etwas<br />

geduckt weiter. In Richtung Grenze sahen wir jetzt <strong>de</strong>utlich zwei große<br />

Lichtansammlungen; es waren Dörfer auf jugoslawischer Seite. Wir f<strong>in</strong>gen an leise zu<br />

streiten. Re<strong>in</strong>i wollte, dass wir zu <strong>de</strong>m l<strong>in</strong>ken Licht gehen, ich wollte zum rechten<br />

Licht. E<strong>in</strong> plötzliches Kl<strong>in</strong>geln been<strong>de</strong>te unseren Streit. Paul hatte mit se<strong>in</strong>em Be<strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>e Signalanlage ausgelöst. E<strong>in</strong> über <strong>de</strong>m Bo<strong>de</strong>n gespannter Draht, <strong><strong>de</strong>r</strong> e<strong>in</strong>e, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

großen (Panzergeschoss) Patronenhülse, gespannte Fe<strong><strong>de</strong>r</strong> löst. An dieser Fe<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

bef<strong>in</strong><strong>de</strong>t sich e<strong>in</strong>e Kette. Wenn die Fe<strong><strong>de</strong>r</strong> sich entspannt dreht sie diese Kette, die<br />

schlägt gegen die Patronenhülse und das ergibt das Kl<strong>in</strong>geln (kannte ich <strong>von</strong> me<strong>in</strong>em<br />

Wacheschieben im Militärdienst). Da sich aber nichts rührte, g<strong>in</strong>gen wir weiter.<br />

Wir kamen zu e<strong>in</strong>em Kohlfeld. Wie<strong><strong>de</strong>r</strong> dachte ich: „Was soll dass, ich <strong>de</strong>nke wir s<strong>in</strong>d<br />

bald an <strong><strong>de</strong>r</strong> Grenze“. Dann sahen wir <strong>in</strong> etwa 50 m l<strong>in</strong>ks vor uns, e<strong>in</strong>en Soldaten mit<br />

se<strong>in</strong>er Laterne gehen. Wir wichen e<strong>in</strong> paar Meter nach rechts aus und da stan<strong>de</strong>n uns<br />

504


plötzlich zwei Soldaten, die <strong>von</strong> rechts kamen, gegenüber. Mir viel das Herz<br />

buchstäblich wie<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>in</strong> die Hose. Ich dachte wie<strong><strong>de</strong>r</strong>: „Tja, das war's“. Ich sah mich nach<br />

e<strong>in</strong>em Hund um, sah aber ke<strong>in</strong>en. Ich hatte e<strong>in</strong>en Ste<strong>in</strong> gefun<strong>de</strong>n und wollte ihn gegen<br />

die Hun<strong>de</strong> e<strong>in</strong>setzen, aber dazu kam es ja nicht. Die Soldaten me<strong>in</strong>ten wir seien ihre<br />

Kamera<strong>de</strong>n (wahrsche<strong>in</strong>lich waren wir gera<strong>de</strong> <strong>in</strong> die Wachablösung geplatzt). Mir kam<br />

das komisch vor, ich konnte ganz genau ihre Kleidung, die Gewehre, ja fast ihren<br />

Gesichtsausdruck erkennen. Der e<strong>in</strong>e fragte: „Hei wer seid ihr?“ Re<strong>in</strong>i sagte: „Wer ist<br />

das mit <strong>de</strong>m Licht?“ Der Soldat wie<strong><strong>de</strong>r</strong>: „Hei wer seid ihr?“. Re<strong>in</strong>i wie<strong><strong>de</strong>r</strong>: „Wer ist das<br />

mit <strong>de</strong>m Licht?“ Dann merkten die Soldaten, dass wir nicht ihre Ablösung waren. Sie<br />

sprangen, voller Panik, <strong>von</strong> uns weg. Ich hätte es nie geglaubt, dass jemand aus <strong>de</strong>m<br />

Stand so e<strong>in</strong>en Riesensatz nach h<strong>in</strong>ten machen kann. Re<strong>in</strong>i, <strong><strong>de</strong>r</strong> immer e<strong>in</strong>en kühlen<br />

Kopf behalten hatte, me<strong>in</strong>te wir hätten viel Geld und er bot es ihnen an, wenn sie uns<br />

laufen ließen.Was dann passierte, lief für mich wie <strong>in</strong> Zeitlupe ab. Ich b<strong>in</strong> überzeugt das<br />

Gott <strong>in</strong> allem was dann geschah e<strong>in</strong>gegriffen hat. Me<strong>in</strong> Sehen, Denken und Han<strong>de</strong>ln<br />

funktionierte wie e<strong>in</strong> Blitz. Der e<strong>in</strong>e Soldat schrie: „Stehen bleiben o<strong><strong>de</strong>r</strong> ich schieße.“<br />

Er entsicherte se<strong>in</strong>, an e<strong>in</strong>em Gurt auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Schulter hängen<strong>de</strong>s Masch<strong>in</strong>engewehr und<br />

schoss e<strong>in</strong>e Salve <strong>in</strong> <strong>de</strong>n Bo<strong>de</strong>n. Ich dachte und schrie es auch laut: „Das s<strong>in</strong>d doch<br />

Platzpatronen“. Ich sah noch das hass - o<strong><strong>de</strong>r</strong> angstverzerrte Gesicht e<strong>in</strong>es Soldaten und<br />

rannte <strong>in</strong> Richtung Grenze los. Erst waren sie ganz verblüfft, aber dann schoss e<strong>in</strong><br />

Soldat nach mir. Ich spürte <strong>de</strong>n Luftsog <strong>von</strong> vier, fünf Kugeln und dachte: „Doch ke<strong>in</strong>e<br />

Platzpatronen“. Unwillkürlich duckte ich mich, drehte <strong>de</strong>n Kopf im Laufen nach<br />

h<strong>in</strong>ten, es blitzte und ich sah im Blitzlicht, wie me<strong>in</strong>e Kumpels wie Salzsäulen da<br />

stan<strong>de</strong>n. Ich sah die Wachtürme und dachte: „ Aha, die Grenze ist nicht mehr weit.“ Ich<br />

lief im Zickzack weiter. Obwohl ich durch e<strong>in</strong> Feld voller Kohlköpfe Slalom lief,<br />

berührte ich ke<strong>in</strong>en und stürzte auch nicht. Ich sah wie <strong><strong>de</strong>r</strong> Soldat (100 m vorne l<strong>in</strong>ks)<br />

erst total zusammenzuckte. Dann wollte er mir nachrennen, überlegte es sich aber<br />

an<strong><strong>de</strong>r</strong>s und zielte auf mich. Ich rannte um me<strong>in</strong> Leben. Es zischten noch mal e<strong>in</strong> paar<br />

Kugeln über mich h<strong>in</strong>weg. Dann lief ich über e<strong>in</strong> Stück ganz fe<strong>in</strong>en Acker, im<br />

Grenzjargon „<strong><strong>de</strong>r</strong> Streifen“genannt. Das ist e<strong>in</strong>, zwei bis drei Meter breiter Streifen,<br />

direkt an <strong><strong>de</strong>r</strong> Grenze. Dar<strong>in</strong> können die Soldaten täglich Spuren überprüfen. Mir schoss<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Gedanke durch <strong>de</strong>n Kopf: „Der Streifen“. Dann stürzte ich fast kopfüber <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en<br />

tiefen Graben, f<strong>in</strong>g <strong>de</strong>n Sturz mit <strong>de</strong>n Armen auf, rannte sofort aus <strong>de</strong>m Graben raus,<br />

h<strong>in</strong>e<strong>in</strong> <strong>in</strong> das vor mir stehen<strong>de</strong> Maisfeld. Ich dachte noch: „Was ist das für e<strong>in</strong>e<br />

Riesenzüchtung?“ Der war m<strong>in</strong><strong>de</strong>stens zwei Meter hoch. Ich war natürlich froh, dass<br />

mich das Maisfeld regelrecht verschluckte. Ich rannte durch dieses Maisfeld, dann<br />

durch e<strong>in</strong> Sonnenblumenfeld, dann wie<strong><strong>de</strong>r</strong> e<strong>in</strong> Maisfeld und wie<strong><strong>de</strong>r</strong> e<strong>in</strong>... Ich hörte<br />

immer noch, ganz <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Ferne Schüsse und „stehen bleiben o<strong><strong>de</strong>r</strong> ich schieße“. Mir war<br />

klar, dass das schon nicht mehr mir galt, ich war schon zu weit weg. Ich weiß nicht<br />

mehr wie viele Fel<strong><strong>de</strong>r</strong> ich durchlief… Irgendwann blieb ich stehen und lauschte... es<br />

war nichts mehr zu hören. Jetzt musste ich mich orientieren und musste aufpassen, dass<br />

ich nicht aus Versehen wie<strong><strong>de</strong>r</strong> nach Rumänien zurücklaufe. Ich brach mir e<strong>in</strong>en<br />

Maiskolben, er war noch weich und milchig, ich saugte dran, das stillte etwas me<strong>in</strong>en<br />

Durst. Dann ent<strong>de</strong>ckte ich e<strong>in</strong>en Plastiksack und las im Mondsche<strong>in</strong> irgen<strong>de</strong>twas<br />

jugoslawisches: „Панчево/Pančevo“. Me<strong>in</strong> Herz tat e<strong>in</strong>en freudigen Sprung. Ich fiel<br />

auf die Knie und begriff, dass ich es geschafft hatte. Mich durchströmten e<strong>in</strong> Glück und<br />

e<strong>in</strong>e Kraft, wie ich sie noch nie <strong>in</strong> me<strong>in</strong>em Leben erlebt hatte. Ich dachte, ich platze<br />

505


gleich vor Glück. Ich dankte Gott mit Glückstränen <strong>in</strong> <strong>de</strong>n Augen. Nie habe ich mich so<br />

nahe an me<strong>in</strong>em Gott gefühlt. Ich dachte: „Wenn jetzt <strong><strong>de</strong>r</strong> Teufel käme, ich wür<strong>de</strong> ihn<br />

auslachen.“ Auf jugoslawischer Seite war ke<strong>in</strong> Stacheldraht, ke<strong>in</strong> Soldat, nichts. Ich<br />

g<strong>in</strong>g weiter und kam erst an e<strong>in</strong>e Landstraße. Mittlerweile nieselte es. Als e<strong>in</strong> Auto<br />

vorbeifuhr, versteckte ich mich wie<strong><strong>de</strong>r</strong>, sah aber das jugoslawische Nummernschild<br />

und wie<strong><strong>de</strong>r</strong> durchströmte mich e<strong>in</strong> totales Glücksgefühl. Ich wollte etwas Wasser aus<br />

e<strong>in</strong>er Pfütze tr<strong>in</strong>ken. Das Wasser schmeckte aber nach Asphalt, also spuckte ich's<br />

wie<strong><strong>de</strong>r</strong> aus. Dann g<strong>in</strong>g ich auf das Licht (Dorf) vor mir zu. Erst kam ich an e<strong>in</strong>er LPG<br />

vorbei, g<strong>in</strong>g aber weiter und kam <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Dorf. Es war e<strong>in</strong> sehr komisches Gefühl alle<strong>in</strong>e,<br />

nachts <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em frem<strong>de</strong>n Land, e<strong>in</strong>em serbischen Dorf herumzulaufen. E<strong>in</strong> Gefühl <strong>von</strong><br />

Freiheit aber auch etwas Unsicherheit. Erst traf ich zwei Mä<strong>de</strong>l (schätzte sie auf 16 bis<br />

18 Jahre alt). Ich fragte erst auf Deutsch, dann auf Rumänisch und dann auf Englisch<br />

wo ich <strong>de</strong>nn sei und wie ich nach Kik<strong>in</strong>da käme. Sie konnten nur schlecht Englisch,<br />

aber ich verstand, dass das Dorf Banatsko Veliko Selo hieß (gehört zum Bezirk<br />

Kik<strong>in</strong>da). Sie erklärten mir auch das Kik<strong>in</strong>da <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Richtung lag, aus <strong><strong>de</strong>r</strong> ich<br />

gekommen war. Ich fragte sie noch ob ich mich irgendwo waschen könnte, etwas essen<br />

und tr<strong>in</strong>ken könnte. Sie hatten aber Angst mir zu helfen. Sie gaben mir zu verstehen,<br />

dass sie mich nicht verraten wür<strong>de</strong>n, aber <strong><strong>de</strong>r</strong> Bru<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>von</strong> e<strong>in</strong>er sei… ich komb<strong>in</strong>ierte…<br />

entwe<strong><strong>de</strong>r</strong> Soldat o<strong><strong>de</strong>r</strong> Polizist. Ich verabschie<strong>de</strong>te mich und kehrte um. Ich kam an<br />

e<strong>in</strong>em Hof <strong><strong>de</strong>r</strong> verlassenen aussah vorbei, g<strong>in</strong>g re<strong>in</strong>, wusch mich an <strong><strong>de</strong>r</strong> Wasserpumpe<br />

und trank mich satt. Ich sah dort e<strong>in</strong> Fahrrad stehen und spielte kurz mit <strong>de</strong>m Gedanken<br />

me<strong>in</strong>en Weg damit fortzusetzen, verwarf aber <strong>de</strong>n Gedanken. Ich dachte: „Wenn Gott<br />

dir bis her geholfen hat, musst du nicht stehlen, um weiterzukommen.“ Dann kam ich<br />

an e<strong>in</strong>em Haus vorbei und traf auf e<strong>in</strong>e Gruppe plau<strong><strong>de</strong>r</strong>n<strong><strong>de</strong>r</strong> Jugendliche. E<strong>in</strong> Mä<strong>de</strong>l<br />

und zwei Jungs stan<strong>de</strong>n im Fenstersims <strong>de</strong>s Hauses und zwei Jungs stan<strong>de</strong>n davor. Ich<br />

sprach auch diese Gruppe erst auf Englisch dann auf Rumänisch und zuletzt auf<br />

Deutsch an. Zu me<strong>in</strong>er Verblüffung konnte das Mä<strong>de</strong>l sehr gut <strong>de</strong>utsch. Sie erklärte<br />

mir, dass sie <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> BRD mit ihren Eltern lebt und jetzt gera<strong>de</strong> <strong>in</strong> Serbien Ferien mache.<br />

Sie waren alle sehr nett und stellten mir je<strong>de</strong> Menge Fragen. Ich musste erzählen wer<br />

ich sei, <strong>von</strong> wo ich komme, wieso ich ke<strong>in</strong> Soldat sei, obwohl ich so aussehe (mit<br />

me<strong>in</strong>em kakifarbenen Hemd und <strong>de</strong>n kurzen Haaren). Ich antwortete auf alles fröhlich<br />

und entspannt und das Mä<strong>de</strong>l übersetzte. Ich bat auch hier um etwas zu essen und zu<br />

tr<strong>in</strong>ken (ansche<strong>in</strong>end war ich völlig <strong>de</strong>hydriert). Sie holten mich <strong>in</strong> <strong>de</strong>n Hof und<br />

brachten mir je<strong>de</strong> Menge Brötchen, Butter, Tomaten und Leberpastete. Ich konnte gar<br />

nicht so viel essen. Sie packten mir noch e<strong>in</strong>e Tüte voll Essen. Ich wusch mich wie<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

und trank Wasser. Sie gaben mir auch e<strong>in</strong>e alte Hose zum anziehen, weil me<strong>in</strong>e völlig<br />

nass war. Ich bat sie noch e<strong>in</strong>e Postkarte an me<strong>in</strong>e Eltern zu schicken und schrieb ihnen<br />

<strong>de</strong>n Text und die Adresse auf. Der Text lautete „B<strong>in</strong> glücklich <strong>in</strong> Jugoslawien<br />

angekommen, Helmut“. Das war ihnen unangenehm. Ich spürte ihre Angst, bei dieser<br />

Bitte. Im Nachh<strong>in</strong>e<strong>in</strong> weiß ich, e<strong>in</strong>e Postkarte wur<strong>de</strong> nie verschickt. Als wir uns noch<br />

auf <strong>de</strong>m Hof unterhielten, g<strong>in</strong>g e<strong>in</strong> Mann über <strong>de</strong>n Hof. Er sah mich irgendwie komisch<br />

(sehr fe<strong>in</strong>dselig) an, g<strong>in</strong>g aber wortlos weiter. Ich bedankte mich und verabschie<strong>de</strong>te<br />

mich mit Handschlag, <strong>von</strong> <strong>de</strong>n Jugendlichen. Ich verließ <strong>de</strong>n Hof und g<strong>in</strong>g <strong>in</strong> Richtung<br />

Kik<strong>in</strong>da. Ich dachte, ich gehe dort durch die Stadt und wenn ich e<strong>in</strong> Auto mit<br />

<strong>de</strong>utschem Kennzeichen sehe, spreche ich <strong>de</strong>njenigen an, ob er mich bis zur<br />

österreichischen Grenze br<strong>in</strong>gen könne. Ich war zwar mü<strong>de</strong> und hätte mich am liebsten<br />

506


<strong>in</strong> e<strong>in</strong> Maisfeld zum Schlafen h<strong>in</strong>gelegt, aber da es mittlerweile regnete, g<strong>in</strong>g ich<br />

weiter. Da man mir ansche<strong>in</strong>end nicht so richtig abnahm, dass ich ke<strong>in</strong> rumänischer<br />

Soldat sei, warf ich das Hemd das ich anhatte, <strong>in</strong>s Maisfeld. Ich hatte die Stadt schon<br />

fast erreicht und sah die ersten Häuser, da holte mich e<strong>in</strong> Auto e<strong>in</strong>. Am Steuer saß <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Mann <strong><strong>de</strong>r</strong> mich auf <strong>de</strong>m Hof so komisch angeschaut hatte. Er hielt an, kurbelte se<strong>in</strong><br />

Fenster runter und bot mir an, mich für 500 Lei nach Belgrad zu br<strong>in</strong>gen. Obwohl ich<br />

e<strong>in</strong> komisches Gefühl dabei hatte, stieg ich e<strong>in</strong> und dachte: „Prima, was Besseres kann<br />

mir gar nicht passieren. Dort ist die Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit noch größer, e<strong>in</strong> Auto mit<br />

<strong>de</strong>utschen Kennzeichen anzutreffen.“ Ich versuchte mich auf rumänisch, englisch,<br />

<strong>de</strong>utsch verständlich zu machen, aber er schien nichts zu verstehen. Ich versuchte ihm<br />

klarzumachen, me<strong>in</strong> Vater sei <strong>in</strong> Frankfurt und ich wolle zu ihm. (Eigentlich war es<br />

me<strong>in</strong> Onkel aber wie sagt man Onkel auf Serbisch?) Ich sagte so etwas wie: „Moi tata<br />

Frankfurt“ und zeigte ich wolle zu me<strong>in</strong>em `tata`. Er nickte, als wür<strong>de</strong> er verstehen,<br />

aber dann merkte ich wie er die Hauptstraße verließ und über kle<strong>in</strong>e Seitenstraßen fuhr.<br />

Das machte mich schon etwas skeptisch und ich dachte noch: „Na… <strong><strong>de</strong>r</strong> wird doch<br />

nicht zur Polizei fahren?“ Aber schon hielt er vor e<strong>in</strong>er Polizeistation, wo ich<br />

offensichtlich schon erwartet wur<strong>de</strong>, da schon zwei Mann draußen warteten. Wir<br />

stiegen aus und <strong><strong>de</strong>r</strong> Fahrer hielt mich gleich am Arm fest und wollte mich <strong>de</strong>n<br />

Polizisten übergeben. Ich riss me<strong>in</strong>en Arm frei und sagte auf <strong>de</strong>utsch: „Was soll das,<br />

ich b<strong>in</strong> doch ke<strong>in</strong> Dieb“ machte das Zeichen für Ne<strong>in</strong> und Stehlen mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Hand und<br />

g<strong>in</strong>g friedlich zu <strong>de</strong>n Polizisten. Die führten mich re<strong>in</strong>, durchsuchten me<strong>in</strong>e Sachen<br />

und nahmen mir alles bis auf die Kleidung ab. Die Schnürsenkel musste ich auch<br />

abmachen und abgeben. Als sie mich zur Zelle führten fiel mir noch auf; „Mann, ist das<br />

hier aber alles total sauber“. Sie sperrten mich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Zelle, mit nur e<strong>in</strong>em Holzbett<br />

und e<strong>in</strong>er Decke. Da Kik<strong>in</strong>da quasi gegenüber <strong>von</strong> Hatzfeld ganz <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Nähe <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

rumänischen Grenze liegt, kam die Angst <strong>in</strong> mir wie<strong><strong>de</strong>r</strong> hoch. Ich dachte: „Was ist,<br />

wenn die mich jetzt e<strong>in</strong>fach wie<strong><strong>de</strong>r</strong> abschieben?“ Ich betete wie<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>in</strong>tensiv und<br />

schil<strong><strong>de</strong>r</strong>te Gott me<strong>in</strong>e Angst. Nachher schaute ich mich im Raum um und fand h<strong>in</strong>ter<br />

<strong>de</strong>m Heizkörper Spuren <strong>von</strong> rumänischen Gefangenen. E<strong>in</strong>e rumänische Münze und<br />

e<strong>in</strong> paar Kritzeleien <strong>in</strong> rumänischer Sprache, Schwe<strong>in</strong>ere<strong>in</strong> und obszöne Sachen über<br />

das rumänische Ceauşescu Paar. Dann zog ich me<strong>in</strong>en Pulli und die Schuhe aus, legte<br />

mich aufs Bett und schlief e<strong>in</strong>. Nach e<strong>in</strong> paar Stun<strong>de</strong>n wachte ich auf als das Schloss<br />

zur Zelle aufgeschlossen wur<strong>de</strong>. Ich zog me<strong>in</strong>en Pulli und die Schuhe an. Here<strong>in</strong> kam<br />

e<strong>in</strong> sympathischer junger Mann, gab mir e<strong>in</strong>e Tüte mit etwas Essbarem und g<strong>in</strong>g<br />

wie<strong><strong>de</strong>r</strong>. In <strong><strong>de</strong>r</strong> Tüte waren zwei riesige, belegte Brötchen (das dreifache e<strong>in</strong>es<br />

Hamburgers). Die Brötchen waren mit Käse, Wurst und Gurken belegt. Ich aß e<strong>in</strong>es<br />

da<strong>von</strong>, mehr konnte ich nicht. Nach e<strong>in</strong>igen M<strong>in</strong>uten kam <strong><strong>de</strong>r</strong> Mann wie<strong><strong>de</strong>r</strong> und nahm<br />

mich mit <strong>in</strong> se<strong>in</strong> Büro im ersten Stock <strong>de</strong>s Gebäu<strong>de</strong>s. Auch hier fiel mir auf wie sauber<br />

alles war. Im Büro wartete e<strong>in</strong>e junge, schlanke, dunkelhaarige Schönheit, die sich als<br />

Dolmetscher<strong>in</strong> für rumänisch serbisch entpuppte, auf uns. Ich wur<strong>de</strong> über alle<br />

E<strong>in</strong>zelheiten und Motive me<strong>in</strong>er Flucht ausgefragt und gab bereitwillig über alles<br />

Auskunft. Ich weiß noch wie <strong><strong>de</strong>r</strong> Mann sich wun<strong><strong>de</strong>r</strong>te, als ich erzählte, dass die<br />

rumänischen Soldaten auf mich schossen, obwohl ich schon fast auf jugoslawischer<br />

Seite war. Wun<strong><strong>de</strong>r</strong>te er sich, dass die rumänischen Soldaten <strong>in</strong> Richtung Jugoslawien<br />

geschossen hatten? Sie hätten ja, wären jugoslawische Soldaten da gewesen, diese<br />

verletzen, ja sogar töten können. O<strong><strong>de</strong>r</strong> hatte er sich nur gewun<strong><strong>de</strong>r</strong>t, dass ich obwohl auf<br />

507


mich geschossen wur<strong>de</strong>, e<strong>in</strong>fach weitergelaufen war? Nach <strong>de</strong>m Verhör wur<strong>de</strong> ich <strong>in</strong><br />

die Zelle zurückgebracht und nach e<strong>in</strong> paar M<strong>in</strong>uten wur<strong>de</strong> ich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e viel kle<strong>in</strong>ere<br />

Zelle gebracht. Dann holten sie mich wie<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>in</strong> <strong>de</strong>n zweiten Stock. Sie machten Fotos<br />

<strong>von</strong> mir (so richtig mit e<strong>in</strong>em Nummernblock) <strong>von</strong> vorne, <strong>von</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Seite. Dann nahmen<br />

sie me<strong>in</strong>e F<strong>in</strong>gerabdrücke. Da ich mich eigentlich unschuldig fühlte, war das e<strong>in</strong><br />

komisches Gefühl, wie e<strong>in</strong> Verbrecher behan<strong>de</strong>lt zu wer<strong>de</strong>n. Anschließend brachten<br />

sie mich <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Gebäu<strong>de</strong> gegenüber. Dort wur<strong>de</strong> ich <strong>von</strong> e<strong>in</strong>em Richter (die hübsche<br />

Dolmetscher<strong>in</strong> war auch da und übersetzte wie<strong><strong>de</strong>r</strong> alles) zu zwanzig Tagen Haft<br />

verurteilt. Der Richter me<strong>in</strong>te, das sei die M<strong>in</strong><strong>de</strong>ststrafe für jeman<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Jugoslawien<br />

illegal betreten hätte. Danach wur<strong>de</strong> ich <strong>von</strong> zwei Riesen so an die 1,90 (na ja ich b<strong>in</strong><br />

nur 1,68 groß) abgeholt. Der e<strong>in</strong>e schwang se<strong>in</strong>en Schlagstock und sagte lachend:<br />

„Ceauşescu, Ceauşescu“. Was ich aber nicht sehr amüsant fand. E<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>er,<br />

gemütlicher, etwas rundlicher Polizist, <strong><strong>de</strong>r</strong> ihnen me<strong>in</strong>e Sachen übergab, musste wohl<br />

me<strong>in</strong>e Angst bemerkt haben, er sagte väterlich, beruhigend: „Nema Ceauşescu, nema<br />

Ceauşescu“ was soviel wie: „Ne<strong>in</strong> Ceauşescu, ne<strong>in</strong> Ceauşescu“ be<strong>de</strong>utete. Ich wur<strong>de</strong><br />

zu e<strong>in</strong>em Auto gebracht und weiß noch wie <strong><strong>de</strong>r</strong> e<strong>in</strong>e mich <strong>von</strong> oben bis unten taxierte<br />

und die Handschellen, die er mir anlegen wollte, wie<strong><strong>de</strong>r</strong> wegsteckte. Als wir losfuhren<br />

betrachtete ich ängstlich die Gegend. Gedanken wie: „Fahren wir jetzt <strong>in</strong> Richtung<br />

Rumänien? Wer<strong>de</strong> ich doch abgeschoben?“ schossen mir durch <strong>de</strong>n Kopf. Als ich<br />

anhand <strong>von</strong> Schil<strong><strong>de</strong>r</strong>n sah, dass wir <strong>in</strong> Richtung Belgrad fahren, durchschoss mich<br />

wie<strong><strong>de</strong>r</strong> e<strong>in</strong> Glücksgefühl. In Richtung Belgrad zu fahren, be<strong>de</strong>utete doch, dass wir <strong>von</strong><br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> rumänischen Grenze weg fuhren. Sie brachten mich <strong>in</strong> das Gefängnis <strong>von</strong><br />

Zrenjan<strong>in</strong>. Dort wur<strong>de</strong> ich an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Polizisten (Wärtern) übergeben und e<strong>in</strong> an<strong><strong>de</strong>r</strong>er,<br />

verängstigter, älterer Mann, wur<strong>de</strong> abgeführt. Man nahm mir wie<strong><strong>de</strong>r</strong> alles ab (Uhr,<br />

Geld, Schnürsenkel) und ich wur<strong>de</strong> zum Duschen aufgefor<strong><strong>de</strong>r</strong>t. Dann wur<strong>de</strong> ich, über<br />

eiserne Treppenstufen, zu e<strong>in</strong>em älteren Arzt gebracht, <strong><strong>de</strong>r</strong> mich untersuchte. Danach<br />

wur<strong>de</strong> ich <strong>in</strong> <strong>de</strong>n zweiten Stock zu e<strong>in</strong>er Zelle geführt. Im vorbeigehen sah ich noch,<br />

wie die e<strong>in</strong>zelnen Etagen, <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitte mit Fangnetzen getrennt waren. Dann wur<strong>de</strong><br />

e<strong>in</strong>e Zelltür aufgeschlossen und ich trat <strong>in</strong> die Zelle. Da stan<strong>de</strong>n an die zwanzig Mann,<br />

lauter f<strong>in</strong>stere Gestalten, schön <strong>in</strong> zwei Reihen aufgestellt und sahen mich an. Ich hatte<br />

echt Angst, dass man mich jetzt zusammenschlägt und vergewaltigt. Ich grüßte auf<br />

rumänisch: „Bună“ (was soviel wie guten heißt). Zu me<strong>in</strong>er Verblüffung und<br />

Erleichterung (ich hatte eigentlich lauter Jugoslawen erwartet) grüßten fast alle<br />

rumänisch: „Bună ziua“ (guten Tag) zurück. E<strong>in</strong>er hatte <strong>de</strong>utsch zurückgegrüßt. Als<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Wärter g<strong>in</strong>g, stürzten alle auf mich zu und überhäuften mich mit Fragen. Wer ich<br />

sei, ob ich Zigaretten hätte, <strong>von</strong> wo ich käme usw. Ich beantwortete <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Hektik,<br />

soweit es g<strong>in</strong>g, alles und dann stellte ich auch me<strong>in</strong>e Fragen. Als erstes fragte ich ob e<strong>in</strong><br />

Deutscher dabei sei, ich hätte doch e<strong>in</strong>en <strong>de</strong>utschen Gruß gehört. Und tatsächlich es<br />

waren zwei dabei. E<strong>in</strong> Banater Schwabe und e<strong>in</strong> Mann aus Ost-Berl<strong>in</strong>. Der Mann aus<br />

Ost-Berl<strong>in</strong> hieß Wolfgang, das habe ich mir gemerkt weil die Rumänen immer<br />

Wolfram zu ihm sagten. Kurz danach hörte man wie<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>n Schlüssel an <strong><strong>de</strong>r</strong> Zellentür<br />

und alle stellten sich schnell wie<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>in</strong> Reihen auf. E<strong>in</strong> Wärter kam re<strong>in</strong> und brachte mir<br />

etwas zu essen. Als ich nicht essen wollte, stopfte er mir, se<strong>in</strong>en Schlagstock<br />

schw<strong>in</strong>gend, e<strong>in</strong> Stück Fleisch <strong>in</strong> <strong>de</strong>n Mund. Ich lachte, aß und alle an<strong><strong>de</strong>r</strong>en lachten<br />

mit. Als er g<strong>in</strong>g, verteilte ich das Essen an die An<strong><strong>de</strong>r</strong>en, die es gierig aufaßen. Jetzt<br />

konnte ich <strong>in</strong> Ruhe nachzählen, es waren 21 Mann <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Zelle. Die meisten 25 bis 35<br />

508


Jahre alt. Zwei waren über 60. Am gleichen Tag wur<strong>de</strong> noch e<strong>in</strong> junger Mann <strong>in</strong> unsere<br />

Zelle gebracht. Die Zelle war sehr spartanisch e<strong>in</strong>gerichtet. Auf <strong>de</strong>m Bo<strong>de</strong>n lagen für<br />

je<strong>de</strong>n je zwei Matratzen übere<strong>in</strong>an<strong><strong>de</strong>r</strong> und Decken. Für die Notdurft gab es e<strong>in</strong> mit<br />

e<strong>in</strong>em Holz<strong>de</strong>ckel zuge<strong>de</strong>cktes Fass. Zum Waschen gab es auf e<strong>in</strong>er Bank e<strong>in</strong>e<br />

Schüssel. Dann gab es noch zwei Eimer mit Wasser und e<strong>in</strong>e Tasse zum Tr<strong>in</strong>ken.<br />

P<strong>in</strong>keln konnte man je<strong><strong>de</strong>r</strong>zeit aber das große Geschäft sollte man, aus Rücksicht auf die<br />

An<strong><strong>de</strong>r</strong>en, bitte erst nachts erledigen. Morgens wur<strong>de</strong> die Zellentür aufgemacht und<br />

zwei <strong>von</strong> uns mussten sich mel<strong>de</strong>n und durften dann, im Eiltempo, im Bad nebenan das<br />

Wasser <strong>in</strong> <strong>de</strong>n Eimern frisch nachfüllen, das Fass leer machen und sauber spülen.<br />

Dieser Dienst war sehr begehrt und mich wun<strong><strong>de</strong>r</strong>te, warum alle an<strong><strong>de</strong>r</strong>en so scharf<br />

darauf waren, die Exkremente <strong><strong>de</strong>r</strong> an<strong><strong>de</strong>r</strong>en wegzuspülen? Erst als mir e<strong>in</strong>er erklärte<br />

man könnte sich im Bad schnell mit frischem Wasser <strong>de</strong>n Oberkörper abwaschen, was<br />

bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Hitze sehr angenehm war, wur<strong>de</strong> dieser Dienst auch für mich sehr<br />

erstrebenswert.<br />

Wir mussten uns immer absprechen, wer ihn als nächster machen darf. Später als<br />

genug Zeit und Ruhe dafür da war, erfuhr ich je<strong>de</strong> e<strong>in</strong>zelne Fluchtgeschichte me<strong>in</strong>er<br />

Zell<strong>in</strong>sassen. Wolfgang war zusammen mit se<strong>in</strong>er Frau Mart<strong>in</strong>a über Ungarn erst nach<br />

Rumänien geflohen und hatte e<strong>in</strong>e Nacht <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Hotel geschlafen. Am nächsten Tag<br />

wur<strong>de</strong>n sie <strong>von</strong> e<strong>in</strong>em <strong>de</strong>utschen Urlauber, <strong>de</strong>n sie e<strong>in</strong>fach angesprochen hatten, mit<br />

<strong>de</strong>m Auto <strong>in</strong> Richtung Grenze mitgenommen und wur<strong>de</strong>n dann bei e<strong>in</strong>em Maisfeld<br />

raus gelassen. Von dort s<strong>in</strong>d sie dann e<strong>in</strong>fach nach Jugoslawien geflohen. Er me<strong>in</strong>te im<br />

Vergleich zur <strong>in</strong>ner<strong>de</strong>utschen Grenze seien diese Grenzen fast lächerlich e<strong>in</strong>fach zu<br />

überw<strong>in</strong><strong>de</strong>n. Se<strong>in</strong>e Frau war im selben Gefängnis, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Frauenzelle untergebracht.<br />

Dabei wollten sie eigentlich nur <strong>von</strong> Ost-Berl<strong>in</strong> nach West-Berl<strong>in</strong> (was für e<strong>in</strong><br />

Umweg). Wolfgang hatte auch e<strong>in</strong> schönes Veilchen an e<strong>in</strong>em Auge. Er wur<strong>de</strong> beim<br />

serbischen Verhör zusammengeschlagen, weil er immer wie<strong><strong>de</strong>r</strong> behauptet hatte, er sei<br />

e<strong>in</strong> west<strong>de</strong>utscher Tourist. Erst als sie ihm drohten auch se<strong>in</strong>e Frau<br />

zusammenzuschlagen, gab er zu, e<strong>in</strong> Ostberl<strong>in</strong>er zu se<strong>in</strong>.<br />

Der junge Mann <strong><strong>de</strong>r</strong> am gleichen Tag wie ich e<strong>in</strong>geliefert wur<strong>de</strong> hatte se<strong>in</strong>en<br />

Militärdienst an <strong><strong>de</strong>r</strong> Grenze gemacht. Nach <strong>de</strong>m Militärdienst wollte er mit zwei<br />

Kumpels genau an <strong><strong>de</strong>r</strong> Stelle über die Grenze an <strong><strong>de</strong>r</strong> er se<strong>in</strong>en Dienst geleistet hatte. Zu<br />

se<strong>in</strong>er Verblüffung hatte man mittlerweile vieles geän<strong><strong>de</strong>r</strong>t und die Zäune versetzt. Als<br />

sie dann plötzlich und unerwartet Soldaten gegenüberstan<strong>de</strong>n, war er e<strong>in</strong>fach geflohen<br />

und wusste, wie ich bei me<strong>in</strong>er Flucht, nicht was mit se<strong>in</strong>en Kumpels geschehen ist.<br />

Zwei Sechzehnjährige hatten bei e<strong>in</strong>er Fete mit ihren Kumpels gewettet, dass sie <strong>de</strong>n<br />

Mut haben über die Grenze zu gehen. Nach<strong>de</strong>m sie sich noch etwas Mut angesoffen<br />

hatten, waren sie e<strong>in</strong>fach über die Grenze marschiert. Als sie dann realisierten was sie<br />

gera<strong>de</strong> gemacht hatten, wären sie am liebsten wie<strong><strong>de</strong>r</strong> zurück. Aber da sie nun mal da<br />

waren, wollten sie jetzt nach Australien o<strong><strong>de</strong>r</strong> Kanada. Zwei Vierundzwanzigjährige<br />

hatten auch zu viel gesoffen, waren dann grölend und s<strong>in</strong>gend über die Grenze<br />

marschiert. Sie hatten sogar noch am Stacheldrahtzaun gerüttelt und hatten<br />

ausgelassen herumgebrüllt, aber es war ke<strong>in</strong> Soldat da und so waren sie e<strong>in</strong>fach<br />

weitergegangen. Bei e<strong>in</strong>er an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Gruppe waren die Männer mit ihren Taschen auf<br />

<strong>de</strong>m Kopf und <strong>de</strong>m Wasser bis zum Hals durch e<strong>in</strong>en Kanal gegangen und hatten auch<br />

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noch e<strong>in</strong>en Stacheldrahtzaun mit Selbstschussanlagen überwun<strong>de</strong>n. Es waren etliche<br />

dabei die schon mehrere Fluchtversuche und Gefängnisaufenthalte h<strong>in</strong>ter sich hatten.<br />

Da sie aber als Vorbestrafte ke<strong>in</strong>e Zukunftsperspektive <strong>in</strong> Rumänien hatten, versuchten<br />

sie immer wie<strong><strong>de</strong>r</strong> zu fliehen. Zwei da<strong>von</strong> waren sogar schon über sechzig. Ich hatte<br />

immer gedacht sie seien achtzig, aber ich glaube mit me<strong>in</strong>en zweiundzwanzig<br />

schienen mir sechzigjährige e<strong>in</strong>fach schon sehr, sehr alt zu se<strong>in</strong>.<br />

Es waren auch e<strong>in</strong>ige Baptisten dabei, die wegen ihrem zu offen gelebten Glauben <strong>in</strong><br />

Rumänien verspottet und <strong>in</strong>haftiert wur<strong>de</strong>n. Sie waren dann aus lauter Frust geflohen<br />

und wollten ihren Glauben im Westen frei ausüben. Sie erzählten nur sehr verhalten<br />

<strong>von</strong> ihrem Glauben und es tut mir Leid, dass ich mich damals gescheut habe sie mehr<br />

über ihren Glauben auszufragen. E<strong>in</strong>er <strong>von</strong> ihnen spielte fantastisch Schach. Ke<strong>in</strong>er<br />

konnte ihn schlagen und er hatte mir e<strong>in</strong> paar Tricks beigebracht. Me<strong>in</strong>e Zell<strong>in</strong>sassen<br />

waren fast ausnahmslos sehr nette Burschen. Wir spielten Schach, g<strong>in</strong>gen <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Zelle<br />

auf und ab und erzählten uns alles Mögliche aus unserem Leben. Man träumte mit<br />

offenen Augen und schmie<strong>de</strong>te Zukunftspläne. Die mit Familien machten sich Sorgen<br />

um Frau und K<strong>in</strong><strong><strong>de</strong>r</strong>. Zweimal am Tag wur<strong>de</strong>n wir <strong>in</strong> <strong>de</strong>n bewachten Gefängnishof<br />

gebracht und durften dort unsere Run<strong>de</strong>n drehen. Ich nutzte diese Zeit <strong>in</strong><strong>de</strong>m ich sehr<br />

<strong>in</strong>tensiv betete. Ich war sehr gespannt, wie Gott weiter <strong>in</strong> me<strong>in</strong>em Leben wirken wird.<br />

Was hatte er mit mir vor? Wie g<strong>in</strong>g es weiter? Die Raucher unter uns sammelten die<br />

Zigarettenstumpen auf, um sie später auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Zelle zu rauchen. Es waren e<strong>in</strong> paar Jungs<br />

dabei, die schon <strong>in</strong> Rumänien, Gefängniserfahrung gemacht hatten. Ich schätze mal,<br />

die wussten wie man Sachen beschafft und <strong>in</strong> die Zelle schmuggelt. Auf alle Fälle gab<br />

es Na<strong>de</strong>l und Fa<strong>de</strong>n, Streichhölzer, e<strong>in</strong> Schachspiel, Seife zum Waschen <strong><strong>de</strong>r</strong> Kleidung.<br />

Am Wochenen<strong>de</strong> durften wir alle duschen und uns rasieren. Die Wärter waren ziemlich<br />

nett, wenn auch sehr streng. Man musste sich immer schnell <strong>in</strong> Reihen aufstellen, wenn<br />

e<strong>in</strong>er die Tür aufschloss o<strong><strong>de</strong>r</strong> auch nur durch die Türklappe schaute.<br />

Morgens mussten wir die Matratzen auf <strong>de</strong>nen wir geschlafen hatten aufe<strong>in</strong>an<strong><strong>de</strong>r</strong> legen<br />

und die Decke gefaltet drauflegen. Liegen durften wir tagsüber nicht mehr und wehe<br />

man wur<strong>de</strong> dabei erwischt. Wenn man nicht schnell spurtete gab es Schläge mit <strong>de</strong>m<br />

Schlagstock. E<strong>in</strong> Wärter konnte rumänisch (war ansche<strong>in</strong>end e<strong>in</strong> serbischer Rumäne),<br />

aber ausgerechnet dieser war meistens total unfreundlich. Ich glaube se<strong>in</strong>e Kollegen<br />

zogen ihn wegen se<strong>in</strong>en rumänischen Landsleuten auf und da er sich schämte, ließ er<br />

se<strong>in</strong>en Frust an uns aus. Das Essen kriegten wir portionsweise durch e<strong>in</strong>e Klappe <strong>in</strong><br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Zellentür. Es war nicht schlecht aber sehr kalorienarm. Nach e<strong>in</strong> paar Tagen hatte<br />

ich bereits e<strong>in</strong>en Riesenhunger und sehnte je<strong>de</strong> Mahlzeit herbei. Jetzt hätte ich das<br />

Essen <strong>von</strong> me<strong>in</strong>em Ankunftstag auch so gierig, wie die An<strong><strong>de</strong>r</strong>en damals, verschlungen.<br />

Nachmittags gab es immer K<strong>in</strong>o. Es lief immer <strong><strong>de</strong>r</strong> gleiche Film: „Die Bäckerei“ o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

„Das Hörnchen“. Die Sonne schien ab e<strong>in</strong>er gewissen Uhrzeit durch das Zellenfenster.<br />

Der Schatten <strong>de</strong>s Zellfenstergitters auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Wand, sah wie e<strong>in</strong> sich verän<strong><strong>de</strong>r</strong>n<strong>de</strong>s<br />

Hörnchen o<strong><strong>de</strong>r</strong> Baguette aus. Je<strong>de</strong>n Nachmittag sah das Hörnchen e<strong>in</strong> bisschen an<strong><strong>de</strong>r</strong>s<br />

als am Vortag aus und wir stierten auf die Wand und hatten wirklich unseren Spaß<br />

daran. So verg<strong>in</strong>gen die Tage. Wer se<strong>in</strong>e zwanzig Tage abgesessen hatte kam raus und<br />

neu erwischte Flüchtl<strong>in</strong>ge kamen re<strong>in</strong>. Wenn man „e<strong>in</strong> alter Hase“ war, merkte man<br />

wie e<strong>in</strong>geschüchtert die „Neuen“ erst waren. Genau so hatte ich mich sicher am Anfang<br />

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auch verhalten. Ich war immer sehr bemüht <strong>de</strong>n „Neuen“ die Angst zu nehmen und<br />

erklärte ihnen freundlich wie <strong><strong>de</strong>r</strong> Hase läuft. Ich sah genau wie sie am Anfang ihre<br />

Mühe beim P<strong>in</strong>keln hatten. Genau so war es auch mir ergangen. Man hatte das Gefühl<br />

alle schauen e<strong>in</strong>em zu und konnte trotz Riesendruck auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Blase, e<strong>in</strong>fach nicht<br />

p<strong>in</strong>keln. Erst nachts im Dunkeln als die meisten schliefen, klappte es. Nach zwei, drei<br />

Tagen war das ke<strong>in</strong> Thema mehr. Was mich verblüffte, war wie gut <strong>in</strong>formiert alle<br />

Rumänen waren. Die wussten genau wie es mit uns weitergeht. Und zwar kamen wir<br />

nach diesem Gefängnis <strong>in</strong> e<strong>in</strong> an<strong><strong>de</strong>r</strong>es „Warte-Gefängnis“. Dort warteten die<br />

Rumänen, dass sie nach Triest o<strong><strong>de</strong>r</strong> e<strong>in</strong> Lager <strong>in</strong> Österreich überführt wur<strong>de</strong>n, wo sie<br />

dann Sprachen ihrer Wahl lernen konnten und darauf warteten, dass das Land, wo sie<br />

h<strong>in</strong>wollten (Kanada, Australien), sie annimmt. Wir Deutsche konnten, mit Hilfe <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

<strong>de</strong>utschen Botschaft, <strong>in</strong> die BRD e<strong>in</strong>reisen.<br />

Als <strong><strong>de</strong>r</strong> 23. August nahte hatten wir dann doch Angst, die Serben könnten <strong>de</strong>n<br />

Rumänen zu ihrem Nationalfeiertag e<strong>in</strong> Geschenk machen, <strong>in</strong><strong>de</strong>m sie uns abschieben.<br />

Wir waren sehr erleichtert als <strong><strong>de</strong>r</strong> Tag rum war und sich nichts <strong><strong>de</strong>r</strong>artiges getan hatte. In<br />

Rumänien wur<strong>de</strong>n oft an diesem Feiertag sehr viele Häftl<strong>in</strong>ge begnadigt. Ich hätte nie<br />

geglaubt das zwanzig Tage so lang se<strong>in</strong> können. Manchmal hatte ich das Gefühl ich<br />

zähle je<strong>de</strong> Sekun<strong>de</strong> und die Zeit bleibt e<strong>in</strong>fach stehen. Dann waren me<strong>in</strong>e zwanzig<br />

Tage endlich auch rum. Ich und <strong><strong>de</strong>r</strong> An<strong><strong>de</strong>r</strong>e, <strong><strong>de</strong>r</strong> am gleichen Tag e<strong>in</strong>gesperrt wur<strong>de</strong>,<br />

wur<strong>de</strong>n abgeholt. Wir erhielten all unsere Sachen und die gleichen Wärter, die mich<br />

aus Kik<strong>in</strong>da e<strong>in</strong>geliefert hatten, brachten uns mit e<strong>in</strong>em Pkw <strong>in</strong> e<strong>in</strong> an<strong><strong>de</strong>r</strong>es Gefängnis<br />

neben Belgrad. Hier brachte man uns <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e große Zelle <strong>in</strong> welcher m<strong>in</strong><strong>de</strong>stens 250<br />

Personen, Männer und Frauen, waren. Hier traf ich alle wie<strong><strong>de</strong>r</strong>, die vor uns aus<br />

Zrenjan<strong>in</strong> entlassen wur<strong>de</strong>n. Hier war alles, was <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> letzten Zeit nach Jugoslawien<br />

geflohen war, <strong>in</strong>haftiert. Ich machte mir etwas Sorgen um die handvoll Frauen die<br />

dabei waren, war aber entschlossen ihnen zu helfen, falls ihnen jemand was antun<br />

wollte. Es waren ca. 100 Etagenbetten <strong>in</strong> <strong>de</strong>m Raum (ich fragte mich schon, wie wir<br />

<strong>de</strong>nn alle schlafen sollten). An <strong>de</strong>n Wän<strong>de</strong>n hatten viele ihren Frust mit total obszönen<br />

Sprüchen und Karikaturen h<strong>in</strong>terlassen. Die Familie Ceauşescu spielte dabei meistens<br />

die Hauptrolle. Ich erfuhr, dass die Zelle vor e<strong>in</strong>igen Tagen noch offen gewesen war<br />

und man freien Zugang zum Hof hatte. Aber nach e<strong>in</strong>er Schlägerei mit <strong>de</strong>n<br />

jugoslawischen Gefängnis<strong>in</strong>sassen bei e<strong>in</strong>em Fußballspiel hatte man die Rumänen,<br />

um Eskalationen zu vermei<strong>de</strong>n, <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Zelle e<strong>in</strong>gesperrt.<br />

Die jugoslawischen Häftl<strong>in</strong>ge konnte man jetzt durchs Fenster im Hof beim<br />

Fußballspiel beobachten. Auch hier wur<strong>de</strong>n mir viele Fluchterlebnisse geschil<strong><strong>de</strong>r</strong>t.<br />

E<strong>in</strong>e Gruppe Banater Schwaben hatte alles m<strong>in</strong>uziös geplant. Mit Kompass und e<strong>in</strong>er<br />

Militärkarte, <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> je<strong><strong>de</strong>r</strong> Strauch, je<strong><strong>de</strong>r</strong> Graben und Hügel e<strong>in</strong>gezeichnet war, waren<br />

sie bela<strong>de</strong>n mit Koffer und Rucksäcken, <strong>von</strong> ihrem Anführer sicher gelotst<br />

rübermarschiert. Hier erfuhr ich auch, dass die Banater Schwaben <strong>in</strong> Kik<strong>in</strong>da <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Zelle nebenan gesessen hatten und dass sie e<strong>in</strong>e Zelle mit fließen<strong>de</strong>m Wasser und Klo<br />

hatten. Warum war ich und Wolfgang <strong>in</strong> die: „rumänische Zelle“ gekommen? War die:<br />

„<strong>de</strong>utsche Zelle“ überfüllt o<strong><strong>de</strong>r</strong> wur<strong>de</strong>n wir als beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s gefährlich e<strong>in</strong>gestuft? E<strong>in</strong><br />

junges Mä<strong>de</strong>l erzählte mir vom spannendsten Moment ihrer Flucht. Sie und e<strong>in</strong> paar<br />

Jungs waren schon bis zum Knie <strong>in</strong> die Donau gegangen, als e<strong>in</strong> Grenzsoldat<br />

511


auftauchte. Er leuchtete mit se<strong>in</strong>er Taschenlampe je<strong>de</strong>m <strong>in</strong>s Gesicht, schaltete die<br />

Lampe aus und g<strong>in</strong>g ohne e<strong>in</strong> Wort zu sagen weiter. Sie waren dann e<strong>in</strong>fach rüber<br />

geschwommen. Wobei e<strong>in</strong>fach untertrieben ist, daß die Donau fast im ganzen<br />

Grenzverlauf e<strong>in</strong>e sehr starke Strömung hat. E<strong>in</strong> älterer Bulgare (damals erschien mir<br />

alles was über vierzig war älter zu se<strong>in</strong>) erzählte mir auf Englisch <strong>von</strong> se<strong>in</strong>er Flucht. Er<br />

hatte, wenn man die Donauströmung be<strong>de</strong>nkt, e<strong>in</strong>e spitzen Schwimmleistung<br />

vollbracht. Er war an e<strong>in</strong>em Stück, wo die Donau Bulgarien und Rumänien trennt, nach<br />

Rumänien geschwommen, war e<strong>in</strong> Stück bis dah<strong>in</strong> gelaufen wo die Donau Rumänien<br />

und Jugoslawien trennt, um nachher wie<strong><strong>de</strong>r</strong> über die Donau nach Jugoslawien zu<br />

schwimmen. Ihm folgte, als er ent<strong>de</strong>ckt wur<strong>de</strong>, <strong>von</strong> rumänischer Seite e<strong>in</strong><br />

Patrouillenboot. Er wur<strong>de</strong> aber auch <strong>von</strong> e<strong>in</strong>em gera<strong>de</strong> vorbeifahren<strong>de</strong>n Schlepper<br />

ent<strong>de</strong>ckt. Dieser schob sich zwischen ihn und das Patrouillenboot, so dass er genug<br />

Zeit zum rüber schwimmen hatte. Er wollte zu se<strong>in</strong>em Sohn nach Australien. E<strong>in</strong><br />

Zigeuner hatte auf e<strong>in</strong>er rumänischen Hochzeit mit se<strong>in</strong>em Saxophon Musik gemacht<br />

und hatte sich anschließend samt Saxophon auf e<strong>in</strong>en Lkw-Schlauch h<strong>in</strong>gelegt und<br />

sich <strong>von</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Donau treiben lassen. Die Strömung trug ihn, ehe er sich versah, auf die<br />

jugoslawische Seite. Eigentlich hatte er nie e<strong>in</strong>e Flucht geplant, aber als er dann<br />

plötzlich <strong>in</strong> Jugoslawien stand, spielte er vor Freu<strong>de</strong> auf se<strong>in</strong>em Saxophon, bis er <strong>von</strong><br />

Jugoslawen abgeführt wur<strong>de</strong>. E<strong>in</strong> Banater Schwaben Lehrerehepaar aus Gottlob (o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Grabatz?) wun<strong><strong>de</strong>r</strong>te sich, dass ich zwischen Ostern und Großkomlosch geflohen war.<br />

Sie me<strong>in</strong>ten sie kennen die Offiziere die dort Dienst hatten; die seien extrem brutal und<br />

gehässig, darum hätten sie e<strong>in</strong>e Flucht dort nie gewagt.<br />

Na ja, je länger ich über me<strong>in</strong>e und manch an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Fluchtgeschichte nach<strong>de</strong>nke, umso<br />

mehr erhärtet sich me<strong>in</strong> E<strong>in</strong>druck, dass bei vielen Fluchtgeschichten Gebete und das<br />

E<strong>in</strong>greifen Gottes e<strong>in</strong>e große Rolle gespielt haben. Im Laufe <strong>de</strong>s Tages wur<strong>de</strong>n zwei<br />

Männer aus Erfurt <strong>in</strong> die Zelle gebracht. Ich sah schon wie<strong><strong>de</strong>r</strong> diese Angst die<br />

Ungewissheit (was geschieht jetzt mit mir) <strong>in</strong> ihren Gesichtern. Als sie <strong>de</strong>utsch<br />

grüßten, grüßten wir (alle Deutschen hatten sich mittlerweile zu e<strong>in</strong>er Gruppe<br />

zusammengefun<strong>de</strong>n) <strong>de</strong>utsch zurück. Sie stürzten sofort mit leuchten<strong>de</strong>n Augen auf<br />

uns zu und überhäuften uns mit Fragen. Als wir ihnen erklärten wie es weitergeht,<br />

konnte man richtig sehen, wie sich ihre Gesichter entspannten. Da sie bis jetzt immer<br />

nur mit Rumänen <strong>in</strong>haftiert waren und kaum Englisch konnten, hatten sie nie erfahren<br />

wie es weitergeht. Den e<strong>in</strong>en, verstand ich mit se<strong>in</strong>em thür<strong>in</strong>gischen Dialekt nur sehr<br />

mühsam. Der an<strong><strong>de</strong>r</strong>e, e<strong>in</strong> Taxifahrer, sprach e<strong>in</strong> schönes, verständliches Hoch<strong>de</strong>utsch.<br />

Sie waren mir sofort sehr sympathisch aber lei<strong><strong>de</strong>r</strong> kann ich mich an ihre Namen nicht<br />

mehr er<strong>in</strong>nern. Die Zwei hatten Urlaub <strong>in</strong> Ungarn gemacht. Hatten Auto und fast alles<br />

was sie dabei hatten zurückgelassen und waren <strong>von</strong> Ungarn über die Grenze nach<br />

Jugoslawien geflohen. Der E<strong>in</strong>e hatte nur noch e<strong>in</strong>e Le<strong><strong>de</strong>r</strong>jacke über se<strong>in</strong>em nackten<br />

Oberkörper an. Alles an<strong><strong>de</strong>r</strong>e hatte er auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Flucht verloren. Irgendwann im Laufe <strong>de</strong>s<br />

Tages wur<strong>de</strong> e<strong>in</strong> Riesenbottich mit etwas Essbarem und Brot re<strong>in</strong> gebracht, aber ke<strong>in</strong>er<br />

<strong>in</strong>teressierte sich so recht dafür. Obwohl es mittlerweile sehr spät gewor<strong>de</strong>n war, legte<br />

sich ke<strong>in</strong>er h<strong>in</strong>. Wie <strong>de</strong>nn auch? Für ca. 250 Menschen waren nur ca. 100 Betten<br />

vorhan<strong>de</strong>n. Es hatten sich lauter Gruppen gebil<strong>de</strong>t und es wur<strong>de</strong> rege erzählt,<br />

geplau<strong><strong>de</strong>r</strong>t und gelacht. In <strong><strong>de</strong>r</strong> ersten Nacht wur<strong>de</strong>n alle Nicht<strong>de</strong>utschen aufgerufen<br />

und aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Zelle weggeführt. E<strong>in</strong>er, <strong><strong>de</strong>r</strong> nicht aufgerufen wur<strong>de</strong>, we<strong>in</strong>te und wollte<br />

512


unbed<strong>in</strong>gt mit se<strong>in</strong>en Freun<strong>de</strong>n mit. Des Rätsels Lösung war, dass er e<strong>in</strong>en <strong>de</strong>utschen<br />

Großvater hatte und darum nicht mit <strong>de</strong>n Rumänen aufgerufen wur<strong>de</strong>. Er durfte aber<br />

am nächsten Tag nach langen Aufklärungsgesprächen zu se<strong>in</strong>en rumänischen<br />

Freun<strong>de</strong>n. Am nächsten Tag kam e<strong>in</strong> UNO-Angestellter aus Belgrad, um die schon<br />

registrierten Deutschen nach Belgrad mitzunehmen. Er registrierte dann auch die noch<br />

übrig gebliebenen Deutschen. Da er ke<strong>in</strong> Deutsch aber gut Englisch sprach, machte ich<br />

für alle <strong>de</strong>n Dolmetscher. Am nächsten Tag holte uns <strong><strong>de</strong>r</strong> UNO-Angestellte mit e<strong>in</strong>em<br />

Kle<strong>in</strong>bus ab. Er brachte uns nach Belgrad zu e<strong>in</strong>em UNO-Büro. Ich war etwas irritiert,<br />

weil auch die schöne Dolmetscher<strong>in</strong> aus Kik<strong>in</strong>da plötzlich <strong>in</strong> <strong>de</strong>m Büro auftauchte und<br />

ich ihr Auftauchen nicht so recht zuordnen konnte. Ansche<strong>in</strong>end arbeitete sie auch für<br />

das UNO-Büro. Dann machte man mit e<strong>in</strong>er Polaroidkamera Passfotos <strong>von</strong> uns und<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Mann rief die <strong>de</strong>utsche Botschaft an, um unseren Besuch anzumel<strong>de</strong>n. Er zeigte<br />

uns auf e<strong>in</strong>em Stadtplan unseren Standort und erklärte uns <strong>de</strong>n Weg zur Botschaft. Wir<br />

wur<strong>de</strong>n darauf h<strong>in</strong>gewiesen, dass wir nachher wie<strong><strong>de</strong>r</strong> beim UNO-Büro vorbei<br />

müssten, weil alle weiteren Formalitäten vom UNO-Büro erledigt wer<strong>de</strong>n mussten<br />

(Ausreisevisa Jugoslawien, E<strong>in</strong>reisevisa Österreich, Hotelbuchung für e<strong>in</strong>e Nacht und<br />

Ticketkauf für die Bahnreise).<br />

Als wir das Büro verließen, wäre ich vor Freu<strong>de</strong> am liebsten nur noch herumgehüpft.<br />

Ich konnte es kaum fassen, dass wir uns endlich frei bewegen konnten. Wir liefen zur<br />

<strong>de</strong>utschen Botschaft und waren froh, dass man uns dort schon erwartete und e<strong>in</strong><br />

freundlicher Uniformierter uns re<strong>in</strong>w<strong>in</strong>kte. Wir wur<strong>de</strong>n zu e<strong>in</strong>em Büro gebracht, wo<br />

e<strong>in</strong> Angestellter und se<strong>in</strong>e Sekretär<strong>in</strong> uns erst freundlich begrüßten. Danach rümpfte er<br />

aber die Nase und me<strong>in</strong>te, ohne beleidigend zu wirken, wir sähen furchtbar aus und<br />

wür<strong>de</strong>n auch erbärmlich st<strong>in</strong>ken. Wir erklärten ihm, dass wir durch unseren<br />

Gefängnisaufenthalt lei<strong><strong>de</strong>r</strong> nichts dafür könnten. Er bat die Sekretär<strong>in</strong> (<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em sehr<br />

tuntigen Ton) etwas Laven<strong>de</strong>l zu br<strong>in</strong>gen und als diese e<strong>in</strong>e Sprühflasche brachte,<br />

versprühte er <strong>von</strong> <strong>de</strong>m Inhalt <strong>in</strong> <strong>de</strong>m Raum. Wenn wir nachher <strong>von</strong> ihm sprachen,<br />

nannten wir ihn nur noch „Laven<strong>de</strong>l“. Er ließ dann auch für unseren „Le<strong><strong>de</strong>r</strong>jacken“-<br />

Erfurter e<strong>in</strong> T-Shirt br<strong>in</strong>gen, weil er ja nur mit Le<strong><strong>de</strong>r</strong>jacke auf nacktem Oberkörper<br />

skandalös aussähe. Es herrschte e<strong>in</strong>e lustige, ausgelassene Stimmung.<br />

Er nahm alle unsere Daten auf und mir fiel auf, dass <strong>de</strong>m Großvater väterlicherseits<br />

e<strong>in</strong>e beson<strong><strong>de</strong>r</strong>e Rolle bei dieser Datenerfassung zukam. Danach erhielten die Erfurter<br />

<strong>de</strong>n grünen Bun<strong>de</strong>s<strong>de</strong>utschen Pass. Das Banater Ehepaar und ich bekamen e<strong>in</strong>en<br />

grauen Frem<strong>de</strong>n-Reisepass. Je<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>von</strong> uns erhielt e<strong>in</strong>en Geldbetrag (150 DM?) mit<br />

<strong>de</strong>m H<strong>in</strong>weis, dass wir ihn eventuell <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> BRD zurückzahlen müssten. Wir bedankten<br />

uns, verabschie<strong>de</strong>ten uns und liefen zum UNO-Büro. Dort wur<strong>de</strong>n uns die Pässe für<br />

das Erledigen <strong><strong>de</strong>r</strong> Visa -Formalitäten abgenommen. Der Uno-Angestellte brachte uns<br />

zu e<strong>in</strong>em Hotel <strong>in</strong> Bahnhofnähe. Dort bekamen wir zwei Zimmer. E<strong>in</strong>s für das Banater<br />

Ehepaar und e<strong>in</strong>s für die Erfurter und mich. Nach<strong>de</strong>m wir alle geba<strong>de</strong>t hatten, g<strong>in</strong>gen<br />

wir <strong>in</strong> Belgrad spazieren. Das Freiheitsgefühl verlieh uns regelrecht Flügel, wir<br />

schwebten mehr als wir g<strong>in</strong>gen und blieben staunend an so manchem Schaufenster<br />

stehen. Am Bahnhof schauten wir uns die Züge an und freuten uns, dass wir am<br />

nächsten Tag <strong>von</strong> dort losfahren wür<strong>de</strong>n. Später im Hotel, es war schon dunkel<br />

gewor<strong>de</strong>n und wir konnten nicht e<strong>in</strong>schlafen, g<strong>in</strong>g ich mit <strong>de</strong>m Erfurter Taxifahrer<br />

513


wie<strong><strong>de</strong>r</strong> zum Bahnhof. Er sagte immer wie<strong><strong>de</strong>r</strong> zu mir: „Helmut, schau dir das an, -<br />

Deutsche Bun<strong>de</strong>sbahn - schau dir diese schönen Züge an“. Wir schauten uns glücklich<br />

die Züge mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Aufschrift „Deutsche Bun<strong>de</strong>sbahn“ an und wir fieberten <strong><strong>de</strong>r</strong> Abfahrt<br />

entgegen. Am nächsten Tag erhielten wir unsere Pässe und die Fahrkarten und<br />

marschierten zum gegebenen Zeitpunkt zum Bahnhof und stiegen <strong>in</strong> unseren Zug e<strong>in</strong>.<br />

Wir hatten e<strong>in</strong> Abteil für uns. Ab <strong>de</strong>m Zeitpunkt wo <strong><strong>de</strong>r</strong> Zug losfuhr, klebte ich fast nur<br />

noch am Fenster und konnte mich gar nicht an allem satt sehen. Mir fiel auf, dass es<br />

irgendwie immer schöner wur<strong>de</strong>. In Kroatien war schon alles sauberer, gepflegter und<br />

es brannten auch mehr Lichter als <strong>in</strong> Serbien. Wobei Serbien schon e<strong>in</strong>e riesige<br />

Steigerung zu Rumänien gewesen war. Ich sah auch Reklame und K<strong>in</strong>oanzeigen mit<br />

e<strong>in</strong><strong>de</strong>utig erotischer Botschaft. Ich kam aus <strong>de</strong>m Staunen nicht raus, so viel<br />

Freizügigkeit hatte ich noch nie gesehen. Irgendwann, vor <strong><strong>de</strong>r</strong> österreichischen<br />

Grenze, wur<strong>de</strong>n unsere Pässe <strong>von</strong> zwei Beamten kontrolliert. Bei <strong>de</strong>n grünen BRD<br />

Pässen sagten sie nichts aber als sie unsere grauen Pässe durchschauten schimpfte e<strong>in</strong><br />

Beamter wie e<strong>in</strong> Rohrspatz auf Jugoslawisch und er drohte uns mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Faust. Wir<br />

verstan<strong>de</strong>n ke<strong>in</strong> Wort und er ignorierte unsere <strong>de</strong>utschen und englischen<br />

Klärungsbemühungen. Er warf unsere Pässe auf <strong>de</strong>n Bo<strong>de</strong>n, drohte uns wie<strong><strong>de</strong>r</strong> mit <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Faust und sie g<strong>in</strong>gen weg. Ansche<strong>in</strong>end passte es ihm nicht, dass wir ke<strong>in</strong><br />

E<strong>in</strong>reisevisum für Jugoslawien hatten (woher <strong>de</strong>nn auch, wir waren ja illegal<br />

e<strong>in</strong>gereist). Bei uns kam die Angst hoch, man könnte uns doch noch so kurz vor <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Grenze aus <strong>de</strong>m Zug rausholen. Danach kamen die österreichischen Beamten und die<br />

hatten bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Passkontrolle gar nichts zu beanstan<strong>de</strong>n. Als <strong><strong>de</strong>r</strong> Zug dann die Grenze<br />

passierte, jubelten wir alle glücklich. Endlich waren wir wirklich frei.<br />

Der beklemmen<strong>de</strong> Eiserne Vorhang h<strong>in</strong>ter uns zum Osten schloss sich und <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

strahlen<strong>de</strong> Vorhang vor uns zum Westen g<strong>in</strong>g auf. Mir war als könnte ich die Freiheit<br />

endlich betasten und schmecken. Es war mittlerweile dunkel gewor<strong>de</strong>n aber ich klebte<br />

immer noch am Fenster und fand alles was ich sehen konnte e<strong>in</strong>fach toll. Wir fuhren an<br />

wun<strong><strong>de</strong>r</strong>schönen Tannen vorbei. Dann die beleuchteten Dörfer und Städte, die<br />

Bahnhöfe, die tollen Autos die vorbeifuhren. Ich kam mir wie <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Märchen, <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>em Traum vor. Die An<strong><strong>de</strong>r</strong>en waren mittlerweile e<strong>in</strong>geschlafen aber ich fand immer<br />

noch alles so aufregend, dass ich weiterh<strong>in</strong> die ganze Nacht staunend am Fenster<br />

klebte. Als wir dann die Grenze zur BRD überschritten, waren wir wie<strong><strong>de</strong>r</strong> freudig<br />

überrascht wie locker die Grenzbeamten mit uns umg<strong>in</strong>gen und lachten herzhaft bei<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Frage ob wir was zum verzollen hätten. Wir hatten nur unsere Klei<strong><strong>de</strong>r</strong> am Leibe,<br />

waren aber glücklich und frei. Am Münchener Hauptbahnhof mussten unsere zwei<br />

Erfurter umsteigen. Nach e<strong>in</strong>er herzlichen Verabschiedung, bei <strong><strong>de</strong>r</strong> auch e<strong>in</strong> paar<br />

Tränen flossen, fuhren sie mit e<strong>in</strong>em an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Zug <strong>in</strong> Richtung Gött<strong>in</strong>gen. Ihr Ziel war<br />

das Flüchtl<strong>in</strong>gslager Friedland. Ich habe sie lei<strong><strong>de</strong>r</strong> nie mehr gesehen und da ich mir ihre<br />

Namen nicht aufgeschrieben und auch nicht gemerkt habe kann ich sie auch nicht<br />

suchen. Das Banater Ehepaar und ich fuhren weiter nach Nürnberg. Unser Ziel war das<br />

Flüchtl<strong>in</strong>gslager Nürnberg. Auch hier wur<strong>de</strong>n wir erst registriert, dann erhielten wir<br />

neue Kleidung und e<strong>in</strong>e Sammelunterkunft. Wir wur<strong>de</strong>n <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Zimmer mit sechs<br />

Betten untergebracht, Männer und Frauen zusammen. Me<strong>in</strong> sehr nettes Banater<br />

Ehepaar bekam gleich Besuch und dieser nahm sie gleich mit. Auch sie hab ich nie<br />

wie<strong><strong>de</strong>r</strong> gesehen und ihre Namen weiß ich lei<strong><strong>de</strong>r</strong> auch nicht mehr. Da auch die An<strong><strong>de</strong>r</strong>en,<br />

514


die <strong>in</strong> diesem Zimmer untergebracht waren, jeman<strong>de</strong>n besuchten, blieb ich <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

ersten Nacht alle<strong>in</strong>e mit e<strong>in</strong>er Ärzt<strong>in</strong> im Zimmer. Wir hatten die ganze Zeit <strong>de</strong>utsch<br />

gesprochen. Als es dunkel wur<strong>de</strong> und wir <strong>in</strong> unseren Betten lagen, merkte ich, dass sie<br />

Angst bekam weil sie mit mir alle<strong>in</strong>e im Zimmer war. Sie re<strong>de</strong>te plötzlich Siebenbürger<br />

Sächsisch mit mir und ihre Stimme zitterte leicht. Bei <strong>de</strong>m Klang me<strong>in</strong>er<br />

Muttersprache wur<strong>de</strong> mir ganz warm ums Herz und ich dachte: „Me<strong>in</strong> Gott, warum<br />

hast du vor mir Angst, nie, nie wür<strong>de</strong> ich dir was antun, im Gegenteil, ich wür<strong>de</strong> dich<br />

wie e<strong>in</strong> Löwe beschützen“. Nach e<strong>in</strong> paar Tagen, als alle Formalitäten erledigt waren,<br />

fuhr ich weiter nach Offenbach. In Offenbach wur<strong>de</strong> ich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Flüchtl<strong>in</strong>gslager im<br />

Stadtteil Bürgel untergebracht. Hier teilte ich mir e<strong>in</strong> Zimmer mit drei Polen<strong>de</strong>utschen<br />

<strong>von</strong> <strong>de</strong>nen aber nur e<strong>in</strong>er Deutsch sprach. Die Küche und das Bad wur<strong>de</strong>n noch <strong>von</strong><br />

zwei an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Zimmern mitbenutzt. Da ich kaum mit jeman<strong>de</strong>m re<strong>de</strong>n konnte und<br />

ausgerechnet <strong><strong>de</strong>r</strong> Mann <strong><strong>de</strong>r</strong> Deutsch konnte fast immer besoffen war, unter mir schlief<br />

und sich zu allem Überdruss oft <strong>in</strong> die Hose machte, hielt es mich nicht lange <strong>in</strong><br />

Offenbach. Ich g<strong>in</strong>g ab und zu vorbei und holte me<strong>in</strong>e Post ab aber eigentlich war ich<br />

die meiste Zeit <strong>in</strong> Frankfurt bei me<strong>in</strong>er Patentante Agnetha und me<strong>in</strong>er Cous<strong>in</strong>e Erika<br />

und ihrem Mann Dor<strong>in</strong> (er hat auch am 11. August Geburtstag). Oft war ich auch bei<br />

me<strong>in</strong>em Onkel Stefan. Ich machte erst me<strong>in</strong>en Führersche<strong>in</strong>, dann begann ich mit<br />

me<strong>in</strong>er Ausbildung zum Straßenbahnfahrer bei <strong>de</strong>n Stadtwerken Frankfurt und fand<br />

e<strong>in</strong>e Wohnung <strong>in</strong> Frankfurt Seckbach.<br />

Endlich war ich am Ziel me<strong>in</strong>er Träume angekommen. Erst <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> BRD erfuhr ich, dass<br />

Re<strong>in</strong>i die Flucht auch gelungen war. Er war an <strong><strong>de</strong>r</strong> Grenze erst zum Stacheldrahtzaun<br />

zurück gerannt. Hatte sich dort auf <strong>de</strong>n Bauch h<strong>in</strong>gelegt und ruhig gewartet bis alle<br />

Soldaten weg waren. Danach ist er <strong>in</strong> Richtung Jugoslawien weiter gerannt. Er kam zu<br />

e<strong>in</strong>em an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Ort als ich. Wie die Motten zum Licht war er zum l<strong>in</strong>ken Licht (Ort)<br />

gerannt, ich zum rechten Licht (Ort). Er traf aber auf Leute die ihn davor warnten, dass<br />

man <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Grenzregion gerne verpfiffen wird, wenn man als Flüchtl<strong>in</strong>g erkannt wird.<br />

Er schlief e<strong>in</strong>e Nacht bei <strong>de</strong>n Leuten. Die kauften ihm e<strong>in</strong>e Busfahrkarte nach Belgrad.<br />

Er stieg, ohne e<strong>in</strong> Wort zu jeman<strong>de</strong>m zu sagen, <strong>in</strong> <strong>de</strong>n Bus, fuhr nach Belgrad, schlief<br />

e<strong>in</strong>e Nacht auf e<strong>in</strong>er Bank <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Park <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Nähe <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>utschen Botschaft, g<strong>in</strong>g<br />

dann zur Botschaft, bekam se<strong>in</strong>en Pass und fuhr mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Bahn anschließend <strong>in</strong> die<br />

BRD. Als ich quasi noch im Gefängnis schmorte, war er schon <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> BRD<br />

angekommen. Er ist verheiratet, hat zwei Söhne und lebt bei München. Von Paul weiß<br />

ich nur, dass sie ihn an <strong><strong>de</strong>r</strong> Grenze geschnappt hatten. Es gibt zwei Versionen se<strong>in</strong>er<br />

Gefangennahme: e<strong>in</strong> Wachhund hätte ihn damals an <strong><strong>de</strong>r</strong> Grenze am Be<strong>in</strong> gepackt und<br />

man hätte ihn dann gefangen genommen. Die zweite Version ist: er sei e<strong>in</strong>fach vor <strong>de</strong>n<br />

Soldaten zusammengebrochen und habe nur noch: „Mutter, Mutter“ gerufen bis sie ihn<br />

abgeführt hätten. Ich glaube die zweite Version stimmt. Erstens hatte ich und Re<strong>in</strong>i<br />

ke<strong>in</strong>en Hund gesehen und zweitens weiß ich, dass Paul fix und fertig <strong>von</strong> <strong>de</strong>m ganzen<br />

Fluchtstress und <strong>de</strong>n -strapazen war. Auf alle Fälle wur<strong>de</strong> er gefangen genommen und<br />

brutal zusammengeschlagen. Ihm wur<strong>de</strong>n mehrere Zähne ausgeschlagen und er kam<br />

<strong>in</strong>s Gefängnis. E<strong>in</strong> paar Tage später am 23. August wur<strong>de</strong> er schon begnadigt. Ich habe<br />

ihn nie mehr gesehen. Me<strong>in</strong>e Eltern und me<strong>in</strong> Bru<strong><strong>de</strong>r</strong> durften, vier Jahre nach me<strong>in</strong>er<br />

Flucht, problemlos ausreisen. Sie wohnen seit damals auch, wie ich, <strong>in</strong> Frankfurt. In<br />

Rumänien gibt es fast ke<strong>in</strong>e <strong>de</strong>utschstämmigen Leute mehr. Nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Revolution<br />

515


1989, Sturz <strong>de</strong>s kommunistischen Regimes, s<strong>in</strong>d fast alle Deutschen ausgereist. Der<br />

11. August ist seit me<strong>in</strong>er Flucht nicht nur <strong><strong>de</strong>r</strong> Geburtstag me<strong>in</strong>es Bru<strong><strong>de</strong>r</strong>s son<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />

auch <strong><strong>de</strong>r</strong> Tag me<strong>in</strong>es Starts <strong>in</strong> e<strong>in</strong> neues Leben.<br />

Ich danke <strong>de</strong>n Banater Schwaben, dass sie ihren Dörfern so schöne Namen wie<br />

Blumenthal, Gottlob und Ostern gegeben haben. Ich danke me<strong>in</strong>em Herrn Jesus, dass<br />

mir am 11. August bei <strong>de</strong>m Dorf Ostern die Flucht <strong>in</strong> e<strong>in</strong> neues Leben gelungen ist.<br />

Simon, Helmut, Sophia, Gabi und Laura Tatter 2007<br />

Ich danke me<strong>in</strong>em Herrn Jesus, dass er an Ostern <strong>von</strong> <strong>de</strong>n Toten auferstan<strong>de</strong>n ist und<br />

<strong>de</strong>n Tod besiegt hat. Habe ich jetzt Angst vor <strong>de</strong>m Tod? Eigentlich nicht, eher vor <strong>de</strong>m<br />

Schmerz und <strong>de</strong>m Sterben. E<strong>in</strong>mal wer<strong>de</strong> ich mich auch dieser Angst stellen müssen<br />

aber ich b<strong>in</strong> vorbereitet. Ich weiß auch diesen Weg muss ich nicht alle<strong>in</strong>e gehen. Me<strong>in</strong><br />

Herr (me<strong>in</strong> starker Begleiter) ist diesen Weg schon an Karfreitag und Ostern gegangen.<br />

Er kennt <strong>de</strong>n Weg. Es ist schon alles vorbereitet.<br />

Ich freue mich auf me<strong>in</strong> nächstes Ostern.<br />

Wer<strong>de</strong> ich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Blumenthal aufwachen und Gott loben?<br />

Helmut Tatter<br />

Anmerkung <strong><strong>de</strong>r</strong> Redaktion:<br />

Helmut Tatter arbeitete <strong>von</strong> 1982 bis 1986 als Straßenbahn-und U-Bahnfahrer bei <strong>de</strong>n<br />

Stadtwerken Frankfurt. Im November 1986 hatte er e<strong>in</strong>en sehr schweren Autounfall<br />

(beim ersten Rumänienurlaub). Lag bis Februar 1987 <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Unikl<strong>in</strong>ik Frankfurt, wo<br />

er se<strong>in</strong>e Frau Gabriele (Gabi) <strong>von</strong> Beruf Physiotherapeut<strong>in</strong>), kennen lernte.Umschulung<br />

zum Datenverarbeitungskaufmann (zwei Jahre) <strong>in</strong> Regenstauf bei<br />

Regensburg. 12. Mai 1989 - Heirat. Er war zwei Jahre <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Software Firma<br />

beschäftigt, dann Rückkehr zu <strong>de</strong>n Stadtwerken Franfurt als kaufmännischer<br />

Angestellter mittlerweile Ma<strong>in</strong>ova AG berufsbegleiten<strong>de</strong>s Studium BWL.<br />

516


Friedrich Menn<strong>in</strong>g – E<strong>in</strong> Leben für die Geme<strong>in</strong>schaft<br />

Dagmar-Herta Ged<strong><strong>de</strong>r</strong>t<br />

Geboren wur<strong>de</strong> Herr Menn<strong>in</strong>g am 30. April 1920 <strong>in</strong> <strong>Pru<strong>de</strong>n</strong> bei Schäßburg. Zunächst<br />

besuchte er das Bischof-Teutsch-Gymnasium <strong>in</strong> Schäßburg und been<strong>de</strong>te im Alter <strong>von</strong><br />

20 Jahren das Lehrersem<strong>in</strong>ar <strong>in</strong> Hermannstadt. 1941 unterrichtete er an <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>utschen<br />

Schule <strong>in</strong> Keisd, <strong>von</strong> wo er zum Militärdienst e<strong>in</strong>berufen wur<strong>de</strong>. 1944 heiratete er die<br />

Lehrer<strong>in</strong> Marianne, geborene Bo<strong>de</strong>ndorfer, aus Keisd. Aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Ehe g<strong>in</strong>gen zwei K<strong>in</strong><strong><strong>de</strong>r</strong><br />

hervor.<br />

Von 1954 bis 1974 war Friedrich Menn<strong>in</strong>g<br />

als Lehrer <strong>in</strong> Marienburg bei Kronstadt,<br />

Schulleiter <strong>in</strong> Peschendorf, Lehrer an <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Bergschule <strong>in</strong> Schäßburg, Schulrat im<br />

Kreis Schäßburg, Schulleiter und Lehrer an<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Deutschen Pädagogischen Lehreranstalt<br />

ebenfalls <strong>in</strong> Schäßburg, Schulleiter<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> dortigen Allgeme<strong>in</strong>schule Nr. 1, Studienrat<br />

für das Unterrichtsfach Deutsch am<br />

Lyzeum Nr. 2 und <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Allgeme<strong>in</strong>schule<br />

Nr. 3 ebendort tätig. Nach e<strong>in</strong>em siebenjährigen<br />

Fernstudium erwarb er 1960 <strong>de</strong>n<br />

Rang e<strong>in</strong>es Professors für das Unterrichtsfach<br />

Deutsch.<br />

An dieser Stelle möchte ich mich bei Herrn<br />

Menn<strong>in</strong>g ganz herzlich bedanken für die<br />

schönen und spannen<strong>de</strong>n Deutschstun<strong>de</strong>n<br />

am Gymnasium <strong>in</strong> Schäßburg. Herr Menn<strong>in</strong>g<br />

hat es verstan<strong>de</strong>n <strong>de</strong>n Schülern bleiben<strong>de</strong><br />

Werte zu vermitteln, die wie<strong><strong>de</strong>r</strong>um<br />

an die nachfolgen<strong>de</strong>n Generationen weitergegeben<br />

wur<strong>de</strong>n.<br />

Rektor <strong><strong>de</strong>r</strong> Bergschule Schäßburg<br />

1974 sie<strong>de</strong>lte die Familie nach Deutschland<br />

aus, wo Herr Menn<strong>in</strong>g bis 1983 als Lehrer an <strong><strong>de</strong>r</strong> Schönbe<strong>in</strong>-Realschule <strong>in</strong> Metz<strong>in</strong>gen<br />

die Fächer Deutsch, Musik und Religion unterrichtete.<br />

1983 grün<strong>de</strong>te die Kreisgruppe Metz<strong>in</strong>gen e<strong>in</strong>en gemischten Siebenbürger Chor und<br />

bot Herrn Menn<strong>in</strong>g die Mitarbeit als Chorleiter an, die er sofort zusagte. Das Wissen –<br />

e<strong>in</strong>en Chor zu leiten – sammelte er zum <strong>Teil</strong> noch <strong>in</strong> Siebenbürgen, als Mitglied <strong>de</strong>s<br />

Symphonischen Orchesters zu Schäßburg. Mit viel Können und Geduld hat er Volks-<br />

und auch anspruchsvolle Lie<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>in</strong> sächsischer Mundart und <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Hochsprache e<strong>in</strong>studiert<br />

und bei vielen Auftritten dirigiert.<br />

Mit <strong>de</strong>m Keis<strong><strong>de</strong>r</strong> Heimatbuch „Keisd – e<strong>in</strong>e Marktgeme<strong>in</strong><strong>de</strong> <strong>in</strong> Siebenbürgen – im<br />

517


Ehemalige Lehrkräfte, v.l.n.r.: Dagmar Ged<strong><strong>de</strong>r</strong>t, Friedrich Menn<strong>in</strong>g, Marianne Menn<strong>in</strong>g,<br />

Michael und Emilie Dengel<br />

Trachtenpuppen gefertigt <strong>von</strong> Marianne Menn<strong>in</strong>g<br />

518


Wan<strong>de</strong>l <strong><strong>de</strong>r</strong> Zeit“ das Friedrich Menn<strong>in</strong>g mit beispielhaftem Fleiß <strong>in</strong> oft mühevoller Arbeit,<br />

mit viel Ausdauer zusammengestellt und herausgegeben hat, entstand e<strong>in</strong>e <strong><strong>de</strong>r</strong> besten<br />

siebenbürgischen Ortsmonographien – für je<strong>de</strong>n Siebenbürger e<strong>in</strong> Geschenk <strong>von</strong><br />

unschätzbarem Wert.<br />

Die Geme<strong>in</strong>schaft wird auch <strong>von</strong> Menn<strong>in</strong>gs Frau Marianne voll unterstützt. Sie befürwortet<br />

nicht nur das Auftreten <strong>in</strong> sächsischen Trachten, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n för<strong><strong>de</strong>r</strong>t es auch mit Rat<br />

und Tat als Leiter<strong>in</strong> <strong>de</strong>s Handarbeitskreises, <strong><strong>de</strong>r</strong> Trachten für die Chormitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> herstellt.<br />

In Würdigung se<strong>in</strong>er Verdienste um die Pflege und Bewahrung siebenbürgischsächsischer<br />

Tradition <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Kreisgruppe Metz<strong>in</strong>gen wur<strong>de</strong> Herrn Menn<strong>in</strong>g 1993 das<br />

Silberne Ehrenwappen <strong><strong>de</strong>r</strong> Landsmannschaft verliehen.<br />

2006 wur<strong>de</strong> Herrn Friedrich Menn<strong>in</strong>g sogar das Gol<strong>de</strong>ne Ehrenwappen <strong><strong>de</strong>r</strong> Landsmannschaft<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Siebenbürger Sachsen verliehen für se<strong>in</strong>e ehrenamtliche, über 20jährige<br />

Tätigkeit als Chorleiter <strong>in</strong> Metz<strong>in</strong>gen. In se<strong>in</strong>er Laudatio würdigte Ernst Michael<br />

Herberth <strong>de</strong>n langjährigen Chorleiter „ als Vorbild an Diszipl<strong>in</strong>, Pünktlichkeit,<br />

Geduld, Beharrlichkeit und E<strong>in</strong>fühlungsvermögen. Mit Können und Liebe zum <strong>de</strong>utschen<br />

Liedgut hat er <strong>de</strong>n Chor geformt, gestärkt und zu <strong>de</strong>m gemacht, was er heute ist,<br />

e<strong>in</strong>e gern gesehene und gehörte S<strong>in</strong>ggeme<strong>in</strong>schaft. Auch mit Hilfe se<strong>in</strong>er Gatt<strong>in</strong> Marianne<br />

Menn<strong>in</strong>g, unter <strong><strong>de</strong>r</strong>en fachlicher Anleitung Trachten genäht wur<strong>de</strong>n, ist <strong><strong>de</strong>r</strong> Chor<br />

zu e<strong>in</strong>er gefestigten siebenbürgisch-sächsischen Kultur- und Trachtengruppe zusammengewachsen.<br />

Unter Menn<strong>in</strong>gs Leitung bestritt <strong><strong>de</strong>r</strong> Chor erfolgreiche Auftritte bei<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Lan<strong>de</strong>sgartenschau <strong>in</strong> Reutl<strong>in</strong>gen, <strong>in</strong> Luxemburg, <strong>in</strong> Leuthenberg/Thür<strong>in</strong>gen, zu<br />

Ehren <strong>de</strong>s Raumfahrtforschers Hermann Oberth <strong>in</strong> Feucht, <strong>in</strong> D<strong>in</strong>kelsbühl, bei <strong>de</strong>n Heimattagen<br />

Ba<strong>de</strong>n-Württemberg <strong>in</strong> Bad Urach und Nürt<strong>in</strong>gen, bei Festen <strong>in</strong> Sachsenheim,<br />

Ludwigsburg, Tüb<strong>in</strong>gen, um nur e<strong>in</strong>ige zu nennen“ (Zitat aus:“Siebenbürgische<br />

Zeitung“ vom 20. Juni 2006).<br />

Friedrich Menn<strong>in</strong>g er<strong>in</strong>nerte an die drei großen Ziele, die er <strong>in</strong>s Auge gefasst hatte, als<br />

er die Chorleitung <strong>in</strong> Metz<strong>in</strong>gen übernahm:<br />

„1. Er wollte, dass wir Siebenbürger Sachsen uns <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> neuen Heimat <strong>in</strong> glücklicher<br />

Geme<strong>in</strong>schaft wie<strong><strong>de</strong>r</strong> f<strong>in</strong><strong>de</strong>n, so wie wir es <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> alten Heimat gewohnt waren. Denn<br />

unserem Geme<strong>in</strong>schaftsleben sei es zu verdanken, dass wir unsere <strong>de</strong>utsche I<strong>de</strong>ntität<br />

jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>telang weit weg vom Mutterland bewahren konnten.<br />

2. Die Pflege siebenbürgischen und e<strong>in</strong>heimischen Liedgutes, das man <strong>in</strong> froher Run<strong>de</strong><br />

mite<strong>in</strong>an<strong><strong>de</strong>r</strong> s<strong>in</strong>gt.<br />

3. Menn<strong>in</strong>g wollte, dass wir uns durch unsere Auftritte <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Öffentlichkeit, bei Feiern,<br />

beim S<strong>in</strong>gen, bei Unterhaltungen usw. unserer hiesigen e<strong>in</strong>heimischen Bevölkerung<br />

als <strong>de</strong>utsche Kulturgruppe darstellen“ (Zitat: ebenda).<br />

Se<strong>in</strong>er Nachfolger<strong>in</strong> Ilse Abraham wünschen wir alles Gute, damit sie diese drei Ziele<br />

auch weiterh<strong>in</strong> verfolgen möge.<br />

Dagmar-Herta Ged<strong><strong>de</strong>r</strong>t<br />

Nürnberg, 2009<br />

519


Direktor <strong><strong>de</strong>r</strong> Bergschule i.R.<br />

Hermann Baier wur<strong>de</strong> 75<br />

Als Persönlichkeit, die sich jahrzehntelang um die Belange <strong>von</strong> Schäßburg und se<strong>in</strong>er<br />

Menschen und darüber h<strong>in</strong>aus im weiteren Umkreis e<strong>in</strong>gesetzt hat, wird Hermann<br />

Baier allgeme<strong>in</strong> geschätzt und geehrt. 1997 wur<strong>de</strong><br />

ihm als e<strong>in</strong>em Schäßburger "Urgeste<strong>in</strong>" die<br />

Ehrenbürgerschaft <strong><strong>de</strong>r</strong> Stadt verliehen.<br />

Hermann Andreas Baier wur<strong>de</strong> am 7. Mai 1930 <strong>in</strong><br />

Dunnesdorf bei Schäßburg geboren, wo er auch die<br />

Volksschule besuchte. Se<strong>in</strong>e Eltern waren Bauern mit<br />

e<strong>in</strong>er mittelgroßen Wirtschaft, die es ermöglichte, daß<br />

e<strong>in</strong>es <strong><strong>de</strong>r</strong> fünf K<strong>in</strong><strong><strong>de</strong>r</strong> studieren konnte. Diese knappen<br />

materiellen Möglichkeiten wur<strong>de</strong>n noch be<strong>de</strong>utend<br />

e<strong>in</strong>geschränkt, nach<strong>de</strong>m die Familie nach politischen<br />

Verän<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen vom 23. August 1944 enteignet<br />

wur<strong>de</strong> und <strong><strong>de</strong>r</strong> Vater bei e<strong>in</strong>em Eisenbahnunfall ums<br />

Leben kam. Ab 1940 lebte H. Baier <strong>in</strong> Schäßburg, vor-<br />

Hermann Baier<br />

erst als Internatsschüler <strong>de</strong>s Bischof-Teutsch-<br />

Gymnasiums, dann nach Auflösung durch die<br />

Schulreform 1948 dieser Anstalt als Schüler <strong><strong>de</strong>r</strong> neu gegrün<strong>de</strong>ten Pädagogischen<br />

Schule <strong><strong>de</strong>r</strong> Stadt. 1949-1950 war er als Lehrer an <strong><strong>de</strong>r</strong> Übungsschule tätig und konnte<br />

dort wertvolle praktische Erfahrungen sammeln. Es folgte e<strong>in</strong> dreijähriges<br />

Mathematikstudium <strong>in</strong> Temeschwar. Se<strong>in</strong> nachfolgen<strong><strong>de</strong>r</strong> Wer<strong>de</strong>gang ist bei se<strong>in</strong>er äußersten<br />

Vielseitigkeit nur schwer kurz zu schil<strong><strong>de</strong>r</strong>n und wäre vielleicht am besten tabellarisch<br />

darzustellen. Hier bloß e<strong>in</strong>e flüchtige, auch nicht genau chronologische<br />

Übersicht: Mathematiklehrer an verschie<strong>de</strong>nen Tages- und Abendschulen,<br />

Schuldirektor, Kreisschul<strong>in</strong>spektor, Leiter <strong><strong>de</strong>r</strong> Unterrichtsabteilung <strong>de</strong>s Schäßburger<br />

Kreisvolksrats, Abgeordneter im Stadt-, später auch im Kreisvolksrat und Mitglied im<br />

Exekutivkomitee, Vorsitzen<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>s Kreisrats <strong><strong>de</strong>r</strong> Werktätigen Deutscher Nationalität,<br />

Direktor an <strong><strong>de</strong>r</strong> Bergschule (1978 - 1987 und 1990 - 1997), mit 18 Dienstjahren nach<br />

Daniel Höhr (27 Jahre) und Johann Wolff (22 Jahre) e<strong>in</strong>er <strong><strong>de</strong>r</strong> langzeitdienen<strong>de</strong>n<br />

Direktoren dieser ehrwürdigen Schule.<br />

Auch nach se<strong>in</strong>er Pensionierung war H. Baier bis 1997 Direktor <strong>de</strong>s „Josef-Haltrich-<br />

Lyzeums“ und unterrichtete auch weiter Mathematik. Außer <strong><strong>de</strong>r</strong> breit gefächerten beruflichen<br />

und politischen Arbeit, die wir hier nur lückenhaft geschil<strong><strong>de</strong>r</strong>t haben, entfaltete<br />

Baier auch e<strong>in</strong>e reiche Kulturtätigkeit: im Symphonieorchester <strong>de</strong>s Kulturhauses,<br />

als langjähriger Leiter <strong>de</strong>s Kammerchors, Nachbarvater und Kurator <strong>de</strong>s Schäßburger<br />

Kirchenbezirks und Presbyter <strong><strong>de</strong>r</strong> Evangelischen Kirchengeme<strong>in</strong><strong>de</strong>.<br />

Hermann Baier schreibt <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er biografischen Skizze, er habe <strong>de</strong>n E<strong>in</strong>druck, er sei bei<br />

all diesen Tätigkeiten auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Sonnenseite <strong>de</strong>s Lebens gestan<strong>de</strong>n. Seit 1954 mit Wiltrud<br />

Wagner, K<strong>in</strong><strong><strong>de</strong>r</strong>gärtner<strong>in</strong>, verheiratet, führt er mit ihr und <strong>de</strong>n drei Töchtern und<br />

Enkeln e<strong>in</strong> harmonisches Familienleben. Baier sagt, er habe nie das Bedürfnis gespürt<br />

auszuwan<strong><strong>de</strong>r</strong>n und immer das Bewusstse<strong>in</strong> gehabt, <strong>in</strong> Schäßburg gebraucht zu wer<strong>de</strong>n<br />

- was ja durchaus richtig ist.<br />

520


Herausgeber, Mitarbeiter und Leser <strong><strong>de</strong>r</strong> „Schäßburger Nachrichten“ wünschen <strong>de</strong>m<br />

75-Jährigen auch für die kommen<strong>de</strong>n Jahre Gesundheit und Kraft für die Arbeit im<br />

Dienst <strong><strong>de</strong>r</strong> Geme<strong>in</strong>schaft.<br />

Bergschule <strong>in</strong> Schäßburg 2008 Foto: Lukas Ged<strong><strong>de</strong>r</strong>t<br />

Der Stundturm (67 m) / Foto: Lukas Ged<strong><strong>de</strong>r</strong>t<br />

Walter Roth (Dortmund)<br />

Aus: „Schäßburger Nachrichten“ Nr. 24, 12. Jahrgang vom 30.12. 2005<br />

521


Lehrer Michael Dengel<br />

Michael Dengel, als zweiter Sohn <strong>von</strong> Mart<strong>in</strong> und Elisabeth Dengel, geb. Botschner,<br />

wur<strong>de</strong> ich am 15.1.38 <strong>in</strong> <strong>Pru<strong>de</strong>n</strong> geboren.<br />

Ich verbrachte e<strong>in</strong>e heitere, unbeschwerte K<strong>in</strong>dheit, obwohl me<strong>in</strong> Vater auch schon vor<br />

<strong>de</strong>m Krieg ständig zum Heer e<strong>in</strong>berufen wur<strong>de</strong>. Als me<strong>in</strong>e Mutter wie viele an<strong><strong>de</strong>r</strong>e<br />

Prudner<strong>in</strong>nen und Prudner nach Russland verschleppt wur<strong>de</strong>, blieben wir drei Brü<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

bei unseren Großeltern, die schon neun eigene K<strong>in</strong><strong><strong>de</strong>r</strong> großgezogen hatten. Me<strong>in</strong> Vater<br />

machte <strong>de</strong>n Russlandfeldzug als rumänischer Soldat mit und wur<strong>de</strong>, weil er Deutscher<br />

war, auch nach Russland zur Zwangsarbeit geschickt. Er hat 10 Jahre se<strong>in</strong>es jungen<br />

Lebens unter Waffen gestan<strong>de</strong>n und <strong>in</strong> russischen Bergwerken gearbeitet.<br />

Me<strong>in</strong>e Dengel-Großmutter war wie auch ihren eigenen K<strong>in</strong><strong><strong>de</strong>r</strong>n gegenüber streng mit<br />

uns. Wir mussten früh <strong>de</strong>n Ernst <strong>de</strong>s Lebens kennen lernen. In <strong><strong>de</strong>r</strong> Großfamilie, wo<br />

Tanten, Vettern und Kus<strong>in</strong>en mehr o<strong><strong>de</strong>r</strong> weniger zusammenlebten, waren auch wir<br />

Waisen gut aufgehoben. In dieser Geme<strong>in</strong>schaft lernten wir Solidarität, Fleiß, Freu<strong>de</strong><br />

am Gesang und an <strong><strong>de</strong>r</strong> Vergangenheit <strong>von</strong> <strong>Pru<strong>de</strong>n</strong> und <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Welt</strong>. Was ich später <strong>in</strong><br />

me<strong>in</strong>em Englischstudium <strong>in</strong> Shakespears Dramen an Konflikten <strong>in</strong> tragischem und<br />

komischem S<strong>in</strong>ne kennen lernte, hatte ich <strong>in</strong> unendlichen Erzählungen schon <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Prudner Geme<strong>in</strong>schaft erfahren. Diesen Wurzeln verdanke ich me<strong>in</strong>e Wissensfreu<strong>de</strong>,<br />

die mich auch <strong>in</strong> me<strong>in</strong>er Pensionszeit nicht verlässt.<br />

Me<strong>in</strong> Bildungsweg<br />

September 1944 bis Juni 1953: Schüler <strong>in</strong> <strong>Pru<strong>de</strong>n</strong> und Grossalisch. Schon <strong>in</strong> <strong>Pru<strong>de</strong>n</strong><br />

wur<strong>de</strong>n me<strong>in</strong>e Begabungen für gewisse Fächer geweckt und geför<strong><strong>de</strong>r</strong>t (Geschichte,<br />

Erdkun<strong>de</strong>); <strong>in</strong> Alisch kam das Interesse für Literatur und Sprache h<strong>in</strong>zu. Die Leistungen<br />

unserer Lehrer <strong>in</strong> Alisch - <strong>in</strong> Schule und<br />

Internat - bewun<strong><strong>de</strong>r</strong>e ich heute noch.<br />

September 1953 bis Juni 1957 Schüler <strong>de</strong>s<br />

<strong>de</strong>utschen Lyzeums <strong>in</strong> Schäßburg.<br />

Diese Schule war zunächst die Pädagogische<br />

Schule. Dort wollte ich Grundschullehrer wer<strong>de</strong>n.<br />

Da diese Schule nach <strong>de</strong>m ersten Schuljahr jedoch<br />

aufgelöst wur<strong>de</strong> und wir dieselbe Klasse nun im<br />

Lyzeum wie<strong><strong>de</strong>r</strong>holen mussten und sie für mich zu<br />

teuer war, weil me<strong>in</strong> Vater als „Großbauer“ für die<br />

Schule bezahlen musste, konnte ich nicht weiter <strong>in</strong><br />

die Schule gehen. Das war für mich schrecklich,<br />

weil me<strong>in</strong>e Zukunft ganz und gar unsicher war. In<br />

<strong>de</strong>m Jahr g<strong>in</strong>g ich <strong>de</strong>n bäuerlichen Arbeiten nach;<br />

me<strong>in</strong>e Gedanken weilten jedoch immer <strong>in</strong> Schäßburg.<br />

Im Mai <strong>de</strong>s nächsten Jahres entschloss ich<br />

Michael Dengel 1982<br />

mich, mit me<strong>in</strong>em ehemaligen Klassenlehrer zu<br />

sprechen, was ich machen könnte, um wie<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>in</strong> me<strong>in</strong>e Klasse zurückkehren zu<br />

können. Wir richteten e<strong>in</strong> Gesuch an das Unterrichtsm<strong>in</strong>isterium. Man war mit me<strong>in</strong>er<br />

Rückkehr <strong>in</strong> die Klasse e<strong>in</strong>verstan<strong>de</strong>n, wenn ich mich <strong>in</strong> allen Hauptfächern e<strong>in</strong>er<br />

Prüfung zu unterziehen bereit wäre. Der Lernstoff war mir bekannt, weil ich <strong>in</strong> me<strong>in</strong>er<br />

522


arbeitsfreien Zeit immer über me<strong>in</strong>en Büchern gesessen hatte. Französisch hatte ich<br />

nie gelernt; trotz<strong>de</strong>m durfte ich <strong>in</strong> me<strong>in</strong>e alte Klasse zurückkehren. Die Schulgebühren<br />

waren nach wie vor hoch. Da jedoch Mart<strong>in</strong>, me<strong>in</strong> älterer Bru<strong><strong>de</strong>r</strong>, nun als Zimmermann<br />

arbeitete, stellt er das nötige Geld für mich bereit. So schloss ich das Lyzeum ab. Die<br />

Aufnahmeprüfung <strong>in</strong> Temeswar bestand ich im Herbst nicht, weil me<strong>in</strong> Vater sich<br />

weigerte, Mitglied <strong><strong>de</strong>r</strong> LPG zu wer<strong>de</strong>n. Im Januar 1958 bis En<strong>de</strong> Mai vertrat ich die<br />

Lehrer<strong>in</strong> Rose L<strong>in</strong>gner an <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundschule <strong>in</strong> <strong>Pru<strong>de</strong>n</strong>. Im Herbst gelang mir die<br />

Aufnahmeprüfung an <strong><strong>de</strong>r</strong> Hochschule <strong>in</strong> Klausenburg. Ich studierte nun Germanistik<br />

und Romanistik (Deutsch und Rumänisch).<br />

Hochschulstudium an <strong><strong>de</strong>r</strong> Universität „Babes-Bolyai“ <strong>in</strong> Klausenburg <strong>von</strong> Herbst<br />

1958 bis Juli 1963. In diesen Jahren bezog ich e<strong>in</strong> Stipendium und durch Privatstudium<br />

<strong>in</strong> Deutsch sicherte ich mir das Taschengeld. In allen Ferien arbeitete ich sowohl auf<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Farm als auch <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> LPG <strong>in</strong> <strong>Pru<strong>de</strong>n</strong>, um mir Geld für <strong>de</strong>n Kauf <strong><strong>de</strong>r</strong> nötigen Klei<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

und Bücher zu verdienen. Ich freute mich je<strong>de</strong>s Mal, wenn <strong><strong>de</strong>r</strong> Herbst kam und ich<br />

wie<strong><strong>de</strong>r</strong> zur Uni zurückfahren konnte.<br />

Berufliche Tätigkeit<br />

Von 1963 bis 1966 Lehrer an <strong><strong>de</strong>r</strong> Allgeme<strong>in</strong>schule <strong>in</strong> Großlasseln.<br />

Von 1966 bis 1967 Lehrer an <strong><strong>de</strong>r</strong> Allgeme<strong>in</strong>schule <strong>in</strong> Elisabethstadt.<br />

Von 1967 bis zu me<strong>in</strong>er Ausreise nach Deutschland am 9.11.1969 Lehrer an <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Allgeme<strong>in</strong>schule Nr. 7 <strong>von</strong> Eisenmarkt (Hunedoara).<br />

Zu me<strong>in</strong>er unterrichtlichen Tätigkeit <strong>in</strong> Rumänien:<br />

Ich war <strong>von</strong> Anfang an e<strong>in</strong> begeisterter Lehrer und hatte viel Erfolg <strong>in</strong> me<strong>in</strong>er Arbeit.<br />

Ich unterrichtete auch <strong>in</strong> rumänischen Klassen mit vielen Zigeunerk<strong>in</strong><strong><strong>de</strong>r</strong>n. Sie<br />

stan<strong>de</strong>n zu mir, auch nach<strong>de</strong>m ich <strong>de</strong>n Antrag auf Ausreise gestellt hatte und die<br />

Kommunisten oft me<strong>in</strong>e Stun<strong>de</strong>n unterbrachen, um mich zu schikanieren. Man<br />

wollte mich auch daran h<strong>in</strong><strong><strong>de</strong>r</strong>n, das Def<strong>in</strong>itivat zu machen. Durch e<strong>in</strong> Versehen,<br />

konnte ich es dann doch ablegen. Da <strong><strong>de</strong>r</strong> Druck aus Schäßburg immer größer wur<strong>de</strong>,<br />

verließ ich Elisabethstadt und begann <strong>in</strong> Eisenmarkt. Dort – so schien es – hatte ich<br />

me<strong>in</strong>e Fe<strong>in</strong><strong>de</strong> abgeschüttelt: die Arbeitszeit als Hilfslehrer <strong>in</strong> <strong>Pru<strong>de</strong>n</strong> wur<strong>de</strong> mir<br />

zusammen mit <strong>de</strong>n 5 Studienjahren als Dienstzeit anerkannt, was mir <strong>in</strong> Schäßburg<br />

hartnäckig verweigert wur<strong>de</strong>, obwohl es gesetzlich klar war. Auch sonst g<strong>in</strong>g es mir <strong>in</strong><br />

Hunedoara sehr gut, da ich mit Privatstun<strong>de</strong>n ausgezeichnet verdiente. Ich erhielt dort<br />

<strong>de</strong>n Besuchspass zu me<strong>in</strong>er Mutter weil die nationalistischen Kommunisten unsere<br />

<strong>de</strong>utsche Abteilung, die hervorragend lief, schwächen o<strong><strong>de</strong>r</strong> möglichst vernichten<br />

wollten. Dieses Muster hat sich später viele Male wie<strong><strong>de</strong>r</strong>holt. Dass ich, damals noch<br />

unverheiratet, <strong>de</strong>n Pass erhielt, bereitete mir große Angst und Sorgen. Der Grenzübergang<br />

erfolgte jedoch reibungslos. In Deutschland entschloss ich mich auf Anraten<br />

e<strong>in</strong>es guten Freun<strong>de</strong>s zum Studium <strong>de</strong>s Englischen an <strong><strong>de</strong>r</strong> Universität München.<br />

Im Herbst 1970 heiratete ich Emilie Rausch aus Rosenau/Burzenland. Sie hatte auch <strong>in</strong><br />

Klausenburg Mathematik und Physik studiert, war aus Jugoslawien schwarz über die<br />

Grenze nach Deutschland geflohen.<br />

Als ich me<strong>in</strong> Englischstudium begann, war ich 32 Jahre alt. Es war e<strong>in</strong>e rechte Herausfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ung<br />

für mich, <strong>in</strong> diesem Alter e<strong>in</strong>e Fremdsprache zu studieren. Me<strong>in</strong> Entschluss<br />

stand jedoch fest: wer im Westen lebt, muss Englisch können. Es war nicht leicht für<br />

mich, da <strong>in</strong> Deutschland das Niveau sehr hoch ist. Im Jahre 1973 legte ich das Staats-<br />

523


examen ab und begann im Herbst das Referendariat <strong>in</strong> Stuttgart, <strong>de</strong>nn me<strong>in</strong>e Frau<br />

unterrichtete <strong>in</strong> Leonberg an e<strong>in</strong>er Realschule.Von 1973 bis 1981 unterrichtete ich am<br />

Gymnasium Gerl<strong>in</strong>gen bei Stuttgart. Inzwischen war ich - wie me<strong>in</strong>e Frau - Beamter<br />

gewor<strong>de</strong>n. Unsere bei<strong>de</strong>n Söhne, Michael Karsten und Ralph, g<strong>in</strong>gen <strong>in</strong> Leonberg zur<br />

Schule.<br />

Vom Dezember 1981 bis Dezember 1986 unterrichtete ich das Fach Deutsch an <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Deutschen Schule Hermannsburg <strong>in</strong><br />

Südafrika. Ich bewarb mich dazu beim<br />

Bun<strong>de</strong>sverwaltungsamt <strong>in</strong> Köln und<br />

g<strong>in</strong>g für 5 Jahre <strong>in</strong> <strong>de</strong>n Auslandsschuldienst.<br />

Wir wollten schon immer <strong>in</strong>s<br />

Ausland gehen, weil wir <strong>von</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Welt</strong><br />

noch viel zu wenig kannten. Vor allem<br />

träumten wir <strong>von</strong> Südamerika. Die<br />

Wahl war jedoch auf Südafrika<br />

gefallen. Es han<strong>de</strong>lte sich <strong>in</strong> Hermannsburg<br />

um e<strong>in</strong>e südafrikanische<br />

kirchliche Privatschule für K<strong>in</strong><strong><strong>de</strong>r</strong><br />

<strong>de</strong>utscher Siedler, <strong><strong>de</strong>r</strong>en es <strong>in</strong> diesem<br />

Ralph, Emilie, Michael und Karsten Dengel<br />

Kapstadt 1982<br />

<strong>Teil</strong> Südafrikas seit etwa 1850 gibt.<br />

S<strong>in</strong>gen, Religion und Deutsch wur<strong>de</strong>n<br />

<strong>in</strong> <strong>de</strong>utscher Sprache unterrichtet; Englisch war die Unterrichtssprache. Als offizielle<br />

Sprache wur<strong>de</strong> auch Afrikaans, die Sprache <strong><strong>de</strong>r</strong> Buren, gelehrt. Südafrika ist e<strong>in</strong> Tier-<br />

und Pflanzenparadies. In <strong>de</strong>n Ferien konnten wir viel reisen und sahen die großen<br />

Städte Johannesburg, Pretoria, Kapstadt und Durban; wir bereisten Namibia, Sambia,<br />

Simbabwe, Botswana und Lesotho, Nachbarlän<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>von</strong> Südafrika. Politisch gesehen,<br />

spitzte sich <strong>in</strong> unserer Zeit die Krise zu, die bald darauf zum Zusammenbruch <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Apartheidpolitik führte.<br />

Von 1987 bis zu me<strong>in</strong>er Pensionierung im Jahre 2002 unterrichtete ich am Johannes-<br />

Kepler-Gymnasium Leonberg, <strong>in</strong>zwischen unsere Heimatstadt. Zuständig war ich für<br />

die Fächer Deutsch und Englisch. Ich lehrte diese <strong>von</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Klasse 5 bis 13. Da me<strong>in</strong>e<br />

Schule e<strong>in</strong>e Partnerschaft mit e<strong>in</strong>er russischen Schule <strong>in</strong> St. Petersburg pflegte,<br />

bereitete ich unsere Schüler für diesen Austausch sprachlich vor und begleitete sie<br />

auch mehrere Male <strong>in</strong> diese wun<strong><strong>de</strong>r</strong>schöne Stadt.Unsere Söhne sprechen bei<strong>de</strong> gut<br />

Englisch. Karsten ist nach <strong>de</strong>m Chemiestudium noch Arzt/Neurologe gewor<strong>de</strong>n und<br />

hat e<strong>in</strong>e Amerikaner<strong>in</strong> geheiratet, die auch Neurologie studiert. Sie haben zwei<br />

Töchter. Ralph lebt <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>, ist Psychologe und macht zur Zeit die Ausbildung zum<br />

Psychotherapeuten. Se<strong>in</strong>e Frau ist Russ<strong>in</strong>, die mit <strong>de</strong>m BWL-Studium beschäftigt ist.<br />

Ralph betrachtet das Herstellen und Verkaufen <strong>von</strong> Baumstriezel als se<strong>in</strong> zweites<br />

Standbe<strong>in</strong>. Solang er das macht, bleiben wir „Alten“ im aktiven Ruhestand, da wir ihm<br />

immer wie<strong><strong>de</strong>r</strong> beim Backen helfen.<br />

Nach me<strong>in</strong>er Pensionierung studierte ich an <strong><strong>de</strong>r</strong> Uni Stuttgart noch Italienisch und habe<br />

mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Zwischenprüfung abgeschlossen. Zur Zeit b<strong>in</strong> ich Gasthörer und getreu <strong>de</strong>m<br />

Wahlspruch „lebenslanges Lernen“ perfektioniere ich me<strong>in</strong>e Sprachkenntnisse <strong>in</strong><br />

Italienisch, Spanisch und Portugiesisch weiter.<br />

524


Die Schulen im Fokus<br />

DINKELSBÜHL - Lukas Ged<strong><strong>de</strong>r</strong>t, Siebenbürger Sachse, gebürtiger Schäßburger und<br />

somit D<strong>in</strong>kelsbühl eng verbun<strong>de</strong>n, lebt heute <strong>in</strong> Fürth und ist dort nicht nur beruflich<br />

erfolgreich, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n stets auch <strong>de</strong>m Geme<strong>in</strong>wohl verpflichtet und sozial engagiert.<br />

Se<strong>in</strong> Metier ist die Fotografie. Nach <strong>de</strong>m Heimattag <strong><strong>de</strong>r</strong> Siebenbürger Sachsen an<br />

Pf<strong>in</strong>gsten 2008 kam Ged<strong><strong>de</strong>r</strong>t aus freien Stücken auf Oberbürgermeister Dr. Christoph<br />

Hammer mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Frage zu, was er Gutes für die Stadt tun könne, die ihrerseits so eng<br />

mit Siebenbürgen verbun<strong>de</strong>n sei. Ged<strong><strong>de</strong>r</strong>t unterstützt bereits das Deutsche Forum <strong>in</strong><br />

Schäßburg und mehrere Schulen mit Kameras, PCs und Scannern, Kopiergeräten und<br />

Druckern. So lag es nahe, dass er<br />

nun auch für D<strong>in</strong>kelsbühler Schulen<br />

digitale Fotogeräte zur Verfügung<br />

stellte.<br />

▲Foto: Pressestelle D<strong>in</strong>kelsbühl ▼<br />

525<br />

Das Foto zeigt Ged<strong><strong>de</strong>r</strong>t und se<strong>in</strong>e Frau<br />

Dagmar mit OB Dr. Hammer bei <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Übergabe <strong>von</strong> zehn Kameras. Der<br />

Rathauschef wertete die Spen<strong>de</strong> als Zeugnis<br />

siebenbürgisch-sächsischen Geme<strong>in</strong>schaftsbewusstse<strong>in</strong>s,<br />

das Lukas Ged<strong><strong>de</strong>r</strong>t<br />

nun auch auf die Partnerstadt D<strong>in</strong>kelsbühl<br />

ausweitete.<br />

Der 1940 <strong>in</strong> <strong>Pru<strong>de</strong>n</strong> geborene, heute<br />

<strong>in</strong> Nürnberg leben<strong>de</strong> Unternehmer<br />

hat bereits verschie<strong>de</strong>ne soziale und<br />

kulturelle E<strong>in</strong>richtungen <strong>in</strong> Schäßburg<br />

mit Kameras, PCs und<br />

Scannern, Kopiergeräten und Druckern<br />

ausgestattet. Das siebenbürgisch-sächsischeGeme<strong>in</strong>schaftsbewusstse<strong>in</strong><br />

bewegt Ged<strong><strong>de</strong>r</strong>t immer<br />

wie<strong><strong>de</strong>r</strong>, als Sponsor zu wirken. So<br />

auch beim diesjährigen Heimattag.<br />

Für <strong>de</strong>n Siebenbürgisch-Sächsischen<br />

Jugendpreis 2008 und die drei<br />

Sportturniere <strong>in</strong> D<strong>in</strong>kelsbühl stiftete<br />

er jeweils e<strong>in</strong>e Digitalkamera.<br />

CS Fränkische Lan<strong>de</strong>szeitung,<br />

16. Juni 2008<br />

Spen<strong>de</strong>nübergabe für D<strong>in</strong>kelsbühler K<strong>in</strong><strong><strong>de</strong>r</strong>gärten, <strong>von</strong> l<strong>in</strong>ks nach rechts: Bezirks- und Kreisrat<br />

Alexan<strong><strong>de</strong>r</strong> Küßwetter, Lukas und Dagmar Ged<strong><strong>de</strong>r</strong>t, Oberbürgermeister Dr. Christoph Hammer und<br />

Gerhard Wägemann, MdL.


Lukas Ged<strong><strong>de</strong>r</strong>t: <strong>de</strong>m Geme<strong>in</strong>wohl verpflichtet<br />

Horst Göbbel, Siegbert Bruss<br />

Erlauben Sie e<strong>in</strong>em Begleiter <strong>von</strong> Lukas Ged<strong><strong>de</strong>r</strong>t aus <strong>de</strong>n letzten etwa e<strong>in</strong>e<strong>in</strong>halb Jahren,<br />

erlauben Sie mir, Horst Göbbel, Lehrer <strong>in</strong> Nürnberg und langjähriger aktiver För<strong><strong>de</strong>r</strong>er<br />

<strong>de</strong>s Siebenbürgisch-Sächsischen, e<strong>in</strong>ige e<strong>in</strong>führen<strong>de</strong> Sätze zu Lukas Ged<strong><strong>de</strong>r</strong>t.<br />

Diese Überschrift „Lukas Ged<strong><strong>de</strong>r</strong>t: Dem Geme<strong>in</strong>wohl verpflichtet“ <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Ausgabe<br />

vom 15. Mai 2008 <strong><strong>de</strong>r</strong> „Siebenbürgischen Zeitung“ ließ se<strong>in</strong>erzeit aufhorchen. Der ihr<br />

folgen<strong>de</strong> Text, <strong><strong>de</strong>r</strong> hier abgeduckt ist, beschreibt die Verdienste e<strong>in</strong>es aufrechten Siebenbürger<br />

Sachsen, <strong><strong>de</strong>r</strong> sich weit über<br />

se<strong>in</strong> privates, weit über se<strong>in</strong> persönliches<br />

Interesse h<strong>in</strong>aus unserer siebenbürgisch-sächsischen<br />

Geme<strong>in</strong>schaft<br />

und <strong>in</strong>nerhalb dieser beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s <strong><strong>de</strong>r</strong> Heimatortsgeme<strong>in</strong>schaft<br />

<strong>Pru<strong>de</strong>n</strong> mit Hand<br />

und Herz, mit Geist und Gefühl segensreich<br />

widmet. Klar, Arbeit ist für ihn, da<br />

wäre er ke<strong>in</strong> echter Siebenbürger Sachse,<br />

im wahrsten S<strong>in</strong>ne <strong>de</strong>s Wortes auch<br />

Lebenselixier. Diesbezüglich kann man,<br />

wenn man mit Köpfchen dabei ist, auch<br />

e<strong>in</strong>iges an Geld verdienen. Und es danach<br />

anlegen, sich dafür Beson<strong><strong>de</strong>r</strong>es<br />

leisten usw. usf. Lukas Ged<strong><strong>de</strong>r</strong>t leistet<br />

sich e<strong>in</strong> wirklich kostspieliges Hobby:<br />

Er schenkt nicht nur beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s begehrte<br />

technische Artikel - und <strong>de</strong>nkt dabei<br />

nicht nur an <strong>de</strong>n re<strong>in</strong> siebenbürgischsächsischen<br />

Kreis - ne<strong>in</strong>, er schenkt seit<br />

Jahren mehreren Menschen Arbeit für<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong>en Lebensunterhalt, er schenkt se<strong>in</strong>en<br />

Prudner Landsleuten und <strong><strong>de</strong>r</strong>en<br />

Freun<strong>de</strong>n Zeit, Engagement und hier nun auch e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>maliges Buch. Natürlich nicht<br />

umsonst: Die Herstellung <strong>de</strong>s Buches kostet Geld, nicht wenig, das Lukas Ged<strong><strong>de</strong>r</strong>t mal<br />

h<strong>in</strong>legt, dieses Buch kostet <strong>von</strong> <strong>de</strong>m Gedanken, es zu erstellen, bis zu se<strong>in</strong>er Umsetzung<br />

<strong>in</strong> dieser prächtigen Form jedoch viel mehr als Geld, viel mehr als Zeit, Können, Ausdauer.<br />

Das Buch kostet auch Zuwendung durch die Leser. Lukas Ged<strong><strong>de</strong>r</strong>t freut sich<br />

über je<strong>de</strong>n, <strong><strong>de</strong>r</strong> dieses Buch erwirbt, es an se<strong>in</strong>e K<strong>in</strong><strong><strong>de</strong>r</strong> und K<strong>in</strong><strong>de</strong>sk<strong>in</strong><strong><strong>de</strong>r</strong> weitergibt,<br />

er freut sich über je<strong>de</strong>n, <strong><strong>de</strong>r</strong> sich mit se<strong>in</strong>em Inhalt, mit se<strong>in</strong>em großartigen Bil<strong><strong>de</strong>r</strong>reichtum<br />

ause<strong>in</strong>an<strong><strong>de</strong>r</strong>setzt, se<strong>in</strong>e siebenbürgisch-sächsische I<strong>de</strong>ntität <strong>in</strong> diesem Buch<br />

erkennt. Lukas Ged<strong><strong>de</strong>r</strong>t hat sich mit diesem Buch möglicherweise auch e<strong>in</strong>en Traum erfüllt,<br />

er hat es jedoch <strong>in</strong> beson<strong><strong>de</strong>r</strong>em Maße gewagt, mit e<strong>in</strong>em außergewöhnlichen<br />

Buch se<strong>in</strong>e Prudner Landsleute zu erfreuen. Dies alles ganz im S<strong>in</strong>ne <strong>de</strong>ssen, was er<br />

ist: e<strong>in</strong> beschei<strong>de</strong>ner, e<strong>in</strong> zuverlässiger, e<strong>in</strong> lobenswerter Siebenbürger Sachse mit nobler<br />

Persönlichkeitsstruktur: Ich mag - könnte er sagen - ich mag als e<strong>in</strong> Mensch e<strong>in</strong>geschätzt<br />

wer<strong>de</strong>n, <strong><strong>de</strong>r</strong> es im Leben zu etwas gebracht hat, aber ich b<strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong>, <strong><strong>de</strong>r</strong> ich b<strong>in</strong>, <strong>in</strong><br />

526


e<strong>de</strong>uten<strong>de</strong>n Maße, weil ich solche Vorfahren, solche Eltern, solche Lehrer, solche<br />

Pfarrer, solche Landsleute, e<strong>in</strong>e solche Ehegatt<strong>in</strong>, e<strong>in</strong>e solche Tochter, solche Mitstreiter,<br />

solche S<strong>in</strong>nverwandte, solche Freun<strong>de</strong> habe. Lukas Ged<strong><strong>de</strong>r</strong>t jammert nicht, Lukas<br />

Ged<strong><strong>de</strong>r</strong>t schreckt vor <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeit nicht zurück, Lukas Ged<strong><strong>de</strong>r</strong>t wen<strong>de</strong>t sich nicht ab,<br />

Lukas Ged<strong><strong>de</strong>r</strong>t packt an, Lukas Ged<strong><strong>de</strong>r</strong>t macht ke<strong>in</strong>e halben Sachen, Lukas Ged<strong><strong>de</strong>r</strong>t ist<br />

e<strong>in</strong> Mann <strong>de</strong>s Wortes und <strong><strong>de</strong>r</strong> Tat. Was er verspricht, das hält er. Diesmal ist es dieses<br />

ke<strong>in</strong>eswegs alltägliche Buch. Danke, Herr Ged<strong><strong>de</strong>r</strong>t!<br />

Nürnberg, im März 2009<br />

Horst Göbbel, Studiendirektor<br />

Er steht <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Tradition siebenbürgisch-sächsischer Unternehmer, die nicht nur<br />

beruflich außeror<strong>de</strong>ntlich erfolgreich s<strong>in</strong>d, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n sich auch <strong>de</strong>m Geme<strong>in</strong>wohl<br />

verpflichtet fühlen und sozial engagieren. Lukas Ged<strong><strong>de</strong>r</strong>t ist <strong>in</strong> Fachkreisen als<br />

Geschäftsführen<strong><strong>de</strong>r</strong> Gesellschafter <strong><strong>de</strong>r</strong> Zentralen Reparaturservice-Ged<strong><strong>de</strong>r</strong>t (ZRS) <strong>in</strong><br />

Fürth bestens bekannt, ebenso als ehrenamtlich Aktiver: als Mitglied <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Heimatortsgeme<strong>in</strong>schaften Schäßburg und Groß-Alisch sowie als Vorsitzen<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

HOG <strong>Pru<strong>de</strong>n</strong> und <strong><strong>de</strong>r</strong> HOG-Regionalgruppe Schäßburger Raum.<br />

Im Mai 2007 übernahm Ged<strong><strong>de</strong>r</strong>t <strong>de</strong>n Vorsitz <strong><strong>de</strong>r</strong> HOG <strong>Pru<strong>de</strong>n</strong> und br<strong>in</strong>gt seither e<strong>in</strong> 20<br />

Jahre altes Vorhaben <strong>in</strong> großen Schritten voran: das Heimatbuch <strong>Pru<strong>de</strong>n</strong>. In <strong><strong>de</strong>r</strong> Siebenbürgischen<br />

Zeitung rief er im letzten Herbst nochmals alle Landsleute auf, ihm dazu<br />

passen<strong>de</strong>s Material wie Bil<strong><strong>de</strong>r</strong>, Erzählungen und an<strong><strong>de</strong>r</strong>es mehr zu sen<strong>de</strong>n. Der ehrgeizige<br />

Unternehmer wird auch dieses Vorhaben, das er anpackt, zu e<strong>in</strong>em guten En<strong>de</strong> führen.<br />

E<strong>in</strong>e große Hilfe ist die Tochter Wenke, die, obwohl im englischen York lebend,<br />

am Heimatbuch mitwirkt.Beim 25. Treffen <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Pru<strong>de</strong>n</strong>er, e<strong>in</strong>er Jubiläumsveranstaltung,<br />

am 2. Mai 2009 <strong>in</strong> Nürnberg, wird das umfangreiche Werk fertig se<strong>in</strong>. Das Heimatbuch<br />

sei beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s wichtig für die jüngere Generation, betont Ged<strong><strong>de</strong>r</strong>t: „Sie muss<br />

Bescheid wissen, wo die Wiege ihrer Vorfahren war.“ <strong>Pru<strong>de</strong>n</strong> sei zwar e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>es Dorf<br />

gewesen, „aber im Grun<strong>de</strong> genommen e<strong>in</strong>e große Familie“.<br />

Der Unternehmer Lukas Ged<strong><strong>de</strong>r</strong>t engagiert sich auch als Sponsor <strong><strong>de</strong>r</strong> Jugendarbeit.<br />

Am 15. Juli 1940 <strong>in</strong> <strong>Pru<strong>de</strong>n</strong> geboren, besuchte er die dortige Grundschule, <strong>in</strong> Groß-<br />

Alisch dann die Oberstufe und <strong>in</strong> Schäßburg die dreijährige Berufsschule, die er als<br />

Betriebsschlosser been<strong>de</strong>te. Später absolvierte er das Abend-Gymnasium <strong>in</strong><br />

Schäßburg und die Technikerschule für Fernmel<strong>de</strong>technik <strong>in</strong> Temeswar. In diesem<br />

Beruf arbeitete er als Abteilungsleiter für Fernmel<strong>de</strong>wesen bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Oberpostdirektion<br />

<strong>in</strong> Kronstadt und dann <strong>in</strong> Mediasch. Zwei berufliche Etappen hatte Ged<strong><strong>de</strong>r</strong>t <strong>in</strong><br />

Rumänien also durchlaufen, bevor er 1977 <strong>in</strong> die Bun<strong>de</strong>srepublik aussie<strong>de</strong>lte. In<br />

Nürnberg begann er als Servicetechniker bei Foto Quelle und wur<strong>de</strong> nach dreijähriger<br />

Abend-Meisterschule Elektromechanikermeister. Seit 1979 baute er e<strong>in</strong>en Kun<strong>de</strong>ndienst<br />

im Rahmen <strong><strong>de</strong>r</strong> R<strong>in</strong>gfoto-Zentrale, <strong>de</strong>m größten Fotoverbund Europas, auf.<br />

1984 erwarb er <strong>de</strong>n zum eigenständigen Betrieb ausgebauten Kun<strong>de</strong>ndienst und ist<br />

seither Unternehmer.<br />

Wie wichtig Bildung und gute technische Ausstattung s<strong>in</strong>d, weiß Ged<strong><strong>de</strong>r</strong>t schon seit<br />

langem. 1968 heiratete er Dagmar Weisskopf aus Schäßburg, die Deutsch- und<br />

527


Englischlehrer<strong>in</strong> <strong>in</strong> Großprobstdorf bei Mediasch war. Anfang <strong><strong>de</strong>r</strong> siebziger Jahre<br />

gelang <strong>de</strong>m Ehepaar e<strong>in</strong>e technische Sensation für die damaligen Verhältnisse. Die<br />

bei<strong>de</strong>n entwickelten und bauten mit Unterstützung engagierter Eltern und Kollegen<br />

das erste Sprachlabor für audiovisuellen Unterricht im Kreis Hermannstadt und e<strong>in</strong>es<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> ersten überhaupt <strong>in</strong> Rumänien auf. Der begabte Fernmel<strong>de</strong>techniker leistete dabei<br />

ehrenamtlich über tausend Arbeitsstun<strong>de</strong>n – die rumänischen Medien berichteten<br />

ausführlich.<br />

Das siebenbürgisch-sächsische Geme<strong>in</strong>schaftsbewusstse<strong>in</strong> bewegt Lukas Ged<strong><strong>de</strong>r</strong>t immer<br />

wie<strong><strong>de</strong>r</strong>, sich mildtätig zu engagieren. Er wird zum großzügigen Sponsor für<br />

siebenbürgische Vere<strong>in</strong>e sowie für soziale und kulturelle E<strong>in</strong>richtungen <strong>in</strong> Schäßburg.<br />

Wertvolle Sachspen<strong>de</strong>n stiftet er für Tombolas bei landsmannschaftlichen<br />

Veranstaltungen und Heimatortsgeme<strong>in</strong>schaften. In Fürth stehen zurzeit wie<strong><strong>de</strong>r</strong> teure<br />

Geräte abholbereit für das <strong>de</strong>utsche Forum <strong>in</strong> Schäßburg: e<strong>in</strong>e größere Menge <strong>von</strong><br />

digitalen und analogen Fotoapparaten, 14 PCs, Scanner, Kopiergeräte und Drucker.<br />

En<strong>de</strong> April wird er selbst 50 weitere digitale Kameras für die Bergschule und das<br />

rumänische Lyzeum nach Schäßburg überbr<strong>in</strong>gen.<br />

Sponsor <strong>de</strong>s Jugendpreises und <strong><strong>de</strong>r</strong> Sportturniere <strong>in</strong> D<strong>in</strong>kelsbühl<br />

Auch die Jugendarbeit <strong>in</strong> Deutschland för<strong><strong>de</strong>r</strong>t Ged<strong><strong>de</strong>r</strong>t: Für <strong>de</strong>n Siebenbürgisch-<br />

Sächsischen Jugendpreis 2008 und die drei Sportturniere <strong>in</strong> D<strong>in</strong>kelsbühl stiftet er je e<strong>in</strong>e<br />

Digitalkamera.Inzwischen im gesetzlichen Rentenalter, will <strong><strong>de</strong>r</strong> Unternehmer noch<br />

ke<strong>in</strong>en Schlussstrich ziehen. „Ich mache noch weiter, solange es mir Spaß macht. Manche<br />

arbeiten, um zu leben. Ich aber lebe, um zu arbeiten.“ Er will se<strong>in</strong>e Firma weiterentwickeln,<br />

folgt <strong>de</strong>n Marktentwicklungen und <strong>de</strong>nkt sogar darübernach, neue Produkte<br />

und Dienstleistungen anzubieten. Se<strong>in</strong> Reparaturbetrieb <strong>in</strong> Fürth ist bei <strong>in</strong>- und<br />

ausländischen Kun<strong>de</strong>n geschätzt für die ausgezeichneten Serviceleistungen im Bereich<br />

Fotoausrüstungen, Multimediageräte und Computer. Der Schwerpunkt liegt bei<br />

<strong>de</strong>n Marken Voigtlän<strong><strong>de</strong>r</strong> und Samsung.<br />

Dreizehn Angestellte beschäftigt Ged<strong><strong>de</strong>r</strong>t, darunter zwei Siebenbürger Sachsen, die immer<br />

wie<strong><strong>de</strong>r</strong> bei <strong>de</strong>n Herstellern geschult wer<strong>de</strong>n und auf <strong>de</strong>m letzten Wissensstand s<strong>in</strong>d.<br />

Bei allem beruflichen und ehrenamtlichen E<strong>in</strong>satz vergisst Lukas Ged<strong><strong>de</strong>r</strong>t jedoch nicht<br />

zu leben. Unter Landsleuten gilt er als „gesellig und hilfsbereit“, schreibt Hermann<br />

Theil <strong>in</strong> <strong>de</strong>n „Schäßburger Nachrichten“. Se<strong>in</strong>e Hobbys wie Reisen, Fotografieren und<br />

Motorradfahren kommen nicht zu kurz.<br />

Siebenbürgische Zeitung, vom 30. April 2008<br />

528<br />

Siegbert Bruss


Georg Gutt<br />

Wissenschaftlicher Wer<strong>de</strong>gang<br />

Me<strong>in</strong> Name ist Georg Gutt, geboren am 21.09.1950 <strong>in</strong> <strong>Pru<strong>de</strong>n</strong> - Siebenbürgen -<br />

Rumänien. Ab 1969 besuchte ich 5 Jahre die Chemie Fakultät, Abteilung Anorganísche<br />

Chemie, Fachbereich Elektrochemie, <strong>de</strong>s Politechnischen Institutes Jassy. Nach<br />

<strong>de</strong>m Studienabschluss arbeitete ich <strong>in</strong> zwei Werken. Seit 1980 b<strong>in</strong> ich Inhaber <strong>de</strong>s<br />

Lehrstuhls für Werkstoffkun<strong>de</strong> an <strong><strong>de</strong>r</strong> Universität Suceava tätig. Ab1998 betreue ich<br />

als Doktorvater Doktoran<strong>de</strong>n im Bereich Werkstoffwissenschaft. Von 1991 bis 2000<br />

war ich wissenschaftlicher Sekretär <strong><strong>de</strong>r</strong> Universität Suceava.<br />

Schon als Stu<strong>de</strong>nt nahm ich an Forschungsarbeiten im Bereich <strong><strong>de</strong>r</strong> angewandten<br />

Georg Gutt / Universität 1984<br />

Elektrochemie teil. Die Diplomarbeit war aus <strong>de</strong>m Zweig – Galvanotechnik. Aus<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong>selben Zeit stammen auch me<strong>in</strong>e ersten Beschäftigungen bezüglich <strong><strong>de</strong>r</strong> Entwicklung<br />

und <strong>de</strong>s Baus <strong>von</strong> Geräten und Masch<strong>in</strong>en zur Materialprüfung, <strong>in</strong>sbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e für<br />

Oberflächenbeschichtung. Im Jahre 1986 promovierte ich mit me<strong>in</strong>er Doktorarbeit<br />

„E<strong>in</strong>fluss <strong>de</strong>s Ultraschalles auf galvanische Nickelnie<strong><strong>de</strong>r</strong>schläge“. An<strong><strong>de</strong>r</strong>e Beschäftigungen<br />

im Bereich <strong><strong>de</strong>r</strong> Elektrochemie s<strong>in</strong>d Forschungen bezüglich <strong><strong>de</strong>r</strong> kontrollierten<br />

elektrochemischen Abtragung (elektrochemisches Senken und elektrochemisches<br />

Schleifen). Hier wur<strong>de</strong> auf unserer Universität viel geforscht; das Resultat waren neue<br />

Masch<strong>in</strong>en und Vorrichtungen für die Industrie, die meisten durch Patente geschützt.<br />

Die neue Orientierung <strong><strong>de</strong>r</strong> Mechanikfakultät nach <strong>de</strong>m Jahr 1989 führte mich zu e<strong>in</strong>er<br />

<strong>in</strong>tensiven Forschung im Bereich neuer Materialprüfverfahren und Materialprüfmasch<strong>in</strong>en.<br />

In diesem S<strong>in</strong>ne hatte ich schon e<strong>in</strong>e gewisse Grundlage; dazu kam auch noch<br />

529


me<strong>in</strong>e praktische Erfahrung, die ich als Leiter <strong><strong>de</strong>r</strong> Zweigstelle Suceava <strong>de</strong>s Unternehmens<br />

für Forschungsapparaturbau Bukarest (1987-1991) bekam. Seit mehreren Jahren<br />

b<strong>in</strong> ich beeidigter technischer Gutachter für Problematik <strong><strong>de</strong>r</strong> Werkstoffe. Me<strong>in</strong>e<br />

wissenschaftliche Aktivität ist durch 210 veröffentlichte Arbeiten, 64 Patente, 32<br />

Patentvorschläge und 8 Bücher dokumentiert.<br />

In Rumänien gehöre ich folgen<strong>de</strong>n Gremien an:<br />

Georg Gutt, zweite Reihe, dritter <strong>von</strong> l<strong>in</strong>ks / <strong>Pru<strong>de</strong>n</strong> 1964<br />

Georg Gutt<br />

- Vere<strong>in</strong> Rumänischer Ingenieure<br />

- Mitglied <strong><strong>de</strong>r</strong> Nationalen Standardisierungskommission<br />

- Mitglied <strong><strong>de</strong>r</strong> Nationalen Universitären Akkreditierungskommission<br />

- Vorsitzen<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Zweigstelle Suceava <strong><strong>de</strong>r</strong> rumänischen Aka<strong>de</strong>mie für unkonventionelle<br />

Technologien<br />

Im Ausland vervollständigte ich me<strong>in</strong> technisches Wissen <strong>in</strong> folgen<strong>de</strong>n Zeiträumen:<br />

-1991 - 3 Monate Wolpert-Werke, Ludwigshafen, Entwicklung<br />

-1994 - 2 Monate Gastprofessor FH Aalen, Fachbereich Oberflächentechnik<br />

und Werkstoffkun<strong>de</strong><br />

-1995 - 2 Monate Gastprofessor TU München<br />

-1997 - 3 Monate FH Aalen, Fachbereich Oberflächentechnik,<br />

-2003, 2004, 2006, 2007 – Vorlesungen „Zerstörungsfreie Werkstückprüfung“<br />

Fachbereich Oberflächentechnik und Werkstoffkun<strong>de</strong>, Fachhochschule Aalen<br />

Ich b<strong>in</strong> verheiratet und habe zwei Söhne. Me<strong>in</strong>e Frau Sonia Gutt ist Unversitätsprofessor<br />

, Dekan <strong><strong>de</strong>r</strong> Fakultät für Lebensmittelwesen <strong><strong>de</strong>r</strong> Universität Suceava.<br />

E<strong>in</strong>er me<strong>in</strong>er bei<strong>de</strong>n Söhne , Alexan<strong><strong>de</strong>r</strong>, 31Jahre, ist Beamter <strong>de</strong>s Bezirkstages<br />

Suceava und <strong><strong>de</strong>r</strong> an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Sohn, Andreas, 22 Jahre , ist Stu<strong>de</strong>nt.<br />

530


Lehrer Helmut Höhr<br />

Ich Helmut Höhr, b<strong>in</strong> am 23. 10. 1930 <strong>in</strong> Kleipropbstdorf geboren, me<strong>in</strong> Vater war dort<br />

Lehrer.<br />

- Im Jahre 1936 kamen me<strong>in</strong>e Eltern nach <strong>Pru<strong>de</strong>n</strong> wie<strong><strong>de</strong>r</strong> zurück, so verbrachte ich<br />

dort me<strong>in</strong>e K<strong>in</strong>dheit und Jugend.<br />

- Nach 5 Gymnasialklassen <strong>von</strong> 1942 bis 1948 <strong>in</strong> Mediasch und Elisabethstadt, kam<br />

ich an die Pädagogische Schule nach Schäßburg, die ich im Juni 1951 mit e<strong>in</strong>em<br />

Lehrerdiplom absolvierte.<br />

- Gleich nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Abgangsprüfung, kam ich am 1. Juli 1951 zum Militär auf Arbeit und<br />

blieb bis 28. Februar 1954.<br />

- Vom März 1954 bis Februar 1956 hatte ich die LehrersteIle <strong>in</strong> Irmesch und unterrichtete<br />

Mathematik und an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Fächer bei <strong>de</strong>n Klassen 5-7.<br />

- Bei <strong>de</strong>n Wahlen für die Volksräte im Februar 1956, wur<strong>de</strong> ich zum Sekretär für <strong>de</strong>n<br />

Lehrer und Schüler, Absolventen <strong><strong>de</strong>r</strong> 8. Klasse, Schuljahr 1976/1977 Mediasch<br />

Helmut Höhr erste Reihe, vierter <strong>von</strong> l<strong>in</strong>ks<br />

Volksrat <strong>von</strong> Waldhütten gewählt. In <strong><strong>de</strong>r</strong> gleichen Situation waren auch an<strong><strong>de</strong>r</strong>e<br />

<strong>de</strong>utsche Lehrer. Die Wahlen stan<strong>de</strong>n <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung mit e<strong>in</strong>em Gesetz, dass <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

<strong>de</strong>utschen Bevölkerung ihre Bürgerrechte nach 12 Jahren wie<strong><strong>de</strong>r</strong> gab.<br />

- Schon im September 1957; konnte ich wie<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>in</strong> <strong>de</strong>n Schuldienst zurückgehen und<br />

blieb als Lehrer <strong>in</strong> Waldhütten bis August 1961. In dieser Zeit, 1958 heiratete ich me<strong>in</strong>e<br />

Frau Ida Ungar, die Tochter vom Pfarrer Karl Ungar aus Waldhütten, sie war Lehrer<strong>in</strong>.<br />

- Vom September 1961 bis August 1969 waren wir bei<strong>de</strong> mit me<strong>in</strong>er Frau an <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Allgeme<strong>in</strong>schule <strong>in</strong> Kle<strong>in</strong>schelken tätig, me<strong>in</strong>e Frau <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundschule und ich bei<br />

531


<strong>de</strong>n Klassen 5-8 mit Mathematik und Physik. Während <strong><strong>de</strong>r</strong> Dienstzeit <strong>in</strong> Kle<strong>in</strong>schelken,<br />

über Fernkurs besuchte ich das „ 3-jährige Institut für Mathematik und Physik“ <strong>in</strong><br />

Tg. Muresch, erwarb mir das Diplom „ Professor II Mathematik und Physik“; mit <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Lehrbefähigung für die Klassen 5- 10 an Allgeme<strong>in</strong>schulen und Gymnasien. Von 1966<br />

bis 1969 war ich <strong>in</strong> Kle<strong>in</strong>schelken auch Schulleiter.<br />

- Im September 1969 kamen wir bei<strong>de</strong> mit me<strong>in</strong>er Frau an die Allgeme<strong>in</strong>schule nach<br />

Durles. Hier war ich auch zweiter Schulleiter.<br />

- Im Oktober 1975 zogen wir um nach Mediasch. Me<strong>in</strong>e Frau kam <strong>in</strong> <strong>de</strong>n „K<strong>in</strong><strong><strong>de</strong>r</strong>garten<br />

Nr.l“ als K<strong>in</strong><strong><strong>de</strong>r</strong>gärtner<strong>in</strong>, da ke<strong>in</strong>e LehrersteIlen frei waren und ich an die<br />

„Allgeme<strong>in</strong>schule Nr. 4“ für Mathematik und als zweiter Schulleiter.<br />

Die „Friedrich Voith - Schule“ <strong>in</strong> Hei<strong>de</strong>nheim an <strong><strong>de</strong>r</strong> Brenz mit Lehrerkollegium 1986,<br />

Helmut Höhr rechts<br />

Als Schulleiter blieb ich nur kurze Zeit, da wir <strong>de</strong>n Antrag für Ausreise nach Deutschland<br />

gestellt hatten. Im November 1981 wur<strong>de</strong>n wir wegen <strong>de</strong>s Antrags aus <strong>de</strong>m<br />

Schuldienst entlassen. Danach arbeitete ich <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> „Relais- Fabrik“ <strong>in</strong> Mediasch bis<br />

zur Ausreise am14. Juli 1982.<br />

- In Deutschland wur<strong>de</strong> ich auf me<strong>in</strong> Verlangen, als Lehrer mit <strong>de</strong>n Fächer Mathematik-Physik<br />

und Chemie an e<strong>in</strong>er Hauptschule <strong>in</strong> Hei<strong>de</strong>nheim angestellt. Im August<br />

1995 g<strong>in</strong>g ich nach 40 Dienstjahren im Schuldienst, <strong>in</strong> <strong>de</strong>n wohlverdienten Ruhestand.<br />

Seither genießen wir mit me<strong>in</strong>er Frau die Rentenzeit und wohnen zusammen mit <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Familie unserer Tochter, Ingrid Loeb die auch Lehrer<strong>in</strong> ist, mit ihren zwei K<strong>in</strong><strong><strong>de</strong>r</strong>n, <strong>in</strong><br />

Rastatt, im eigenen Haus. In Mathematik wetteifere ich noch mit me<strong>in</strong>en Enkelk<strong>in</strong><strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />

(8.Kl. u.12.Kl. Gymnasium).<br />

-Wir haben auch e<strong>in</strong>en Sohn, Helmut Christian Höhr ; verheiratet und ohne K<strong>in</strong><strong><strong>de</strong>r</strong>;<br />

<strong>von</strong> Beruf Elektro<strong>in</strong>genieur-Experte fürs Internet.<br />

In <strong><strong>de</strong>r</strong> ganzen Zeit <strong>in</strong> Deutschland, war ich im Vorstand <strong><strong>de</strong>r</strong> Siebenbürger Kreisgruppen<br />

Crailsheim, Hei<strong>de</strong>nheim an <strong><strong>de</strong>r</strong> Brenz und Rastatt tätig.<br />

Rastatt, <strong>de</strong>n 12. April 2008<br />

532


Anneliese Kudlimay (geb. Roth)<br />

Ich wur<strong>de</strong> im Jahre 1938 <strong>in</strong> Großlasseln geboren. Da me<strong>in</strong>e Mutter sehr früh verstarb<br />

(mit 27 Jahren), kam ich nach <strong>Pru<strong>de</strong>n</strong> zu me<strong>in</strong>er Großmutter. In <strong>Pru<strong>de</strong>n</strong> hatte ich e<strong>in</strong>e<br />

glückliche K<strong>in</strong>dheit. Die Grundlage für me<strong>in</strong>e sportliche Karriere wur<strong>de</strong> da gelegt.<br />

Alles wur<strong>de</strong> zu Fuß zurückgelegt. Es war e<strong>in</strong>e gute Geme<strong>in</strong>schaft. Man hat Völkerball<br />

gespielt und ist <strong>in</strong> die Kokel zum Schwimmen gegangen. Im W<strong>in</strong>ter ist man Schlitten<br />

gefahren und auf <strong>de</strong>m Eis gerutscht. Die Ferien verbrachte ich immer <strong>in</strong> <strong>Pru<strong>de</strong>n</strong> und<br />

freute mich immer sehr darauf.<br />

Mit elf Jahren kam ich nach Agnetheln zur Tante Zira <strong>in</strong> die 5. Klasse. Sie brachte mich<br />

dann aufs Sportgymnasium nach Kronstadt und nachher nach Bukarest zur Sporthochschule.<br />

Ich spielte acht Jahre Handball <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Lan<strong>de</strong>sliga.<br />

1960 heiratete ich und zog <strong>in</strong>s Banat. Dort habe ich 17 Jahre an e<strong>in</strong>em rumänischen<br />

Gymnasium unterrichtet.<br />

Mit me<strong>in</strong>en zwei Söhnen fuhr ich je<strong>de</strong>n Sommer zur „Groß“ nach <strong>Pru<strong>de</strong>n</strong>. Es war<br />

me<strong>in</strong> Zuhause. 1977 kamen wir endlich nach Deutschland nach e<strong>in</strong>em siebenjährigen<br />

Kampf.<br />

In Marktoberdorf habe ich 20 Jahre am Gymnasium Sport unterrichtet, und habe die<br />

Ausbildung me<strong>in</strong>er Söhne geför<strong><strong>de</strong>r</strong>t. E<strong>in</strong>er ist Arzt gewor<strong>de</strong>n, <strong><strong>de</strong>r</strong> an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Elektrotechniker.<br />

Sie haben Familien gegrün<strong>de</strong>t und mir fünf liebe Enkeln geschenkt. Ziratante<br />

war vier Jahre <strong>in</strong> Marktoberdorf im Altersheim und ich habe mich täglich um sie<br />

gekümmert.<br />

Zur sportlichen Laufbahn <strong>von</strong> Anneliese Kudlimay, geb. Roth<br />

Nach<strong>de</strong>m ich die Aufnahmeprüfung am Sportgymnasium <strong>in</strong> Kronstadt geschafft hatte<br />

(1952), wur<strong>de</strong> dort nach me<strong>in</strong>er „orig<strong>in</strong>e sanatoasa“ (= gesun<strong>de</strong>n Herkunft) gefragt.<br />

Aus Lasseln kam dann <strong><strong>de</strong>r</strong> Bescheid, dass me<strong>in</strong> Vater „chiabur“ (= Großgrundbesitzer<br />

und damit Ausbeuter) gewesen sei.<br />

Da ich unter diesen Umstän<strong>de</strong>n nicht am<br />

Gymnasium aufgenommen wor<strong>de</strong>n wäre,<br />

wandte sich me<strong>in</strong>e Tante an <strong>de</strong>n Bürgermeister<br />

Gheorghe <strong>von</strong> Großlasseln, <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

früher bei me<strong>in</strong>em Vater gearbeitet hatte. Er<br />

sagte zu ihr: „Ziri n<strong>in</strong>a, ich habe Annelieses<br />

Vater sehr geschätzt, schreib, was du willst,<br />

ich wer<strong>de</strong> es unterschreiben!“<br />

Daraufh<strong>in</strong> holte sie sich Rat beim Herrn<br />

Pfarrer und sie schrieben, dass <strong><strong>de</strong>r</strong> Vater <strong>in</strong><br />

<strong>de</strong>n Krieg gezogen und nicht mehr zurückgekehrt,<br />

also verschollen, sei. Dann wur<strong>de</strong><br />

auch noch me<strong>in</strong> Bru<strong><strong>de</strong>r</strong> zum Direktor <strong>de</strong>s<br />

Sportgymnasiums gerufen und befragt. Er<br />

sagte aus, dass er „e<strong>in</strong>facher Arbeiter“ sei.<br />

So erhielt ich die Erlaubnis zum E<strong>in</strong>tritt <strong>in</strong><br />

das Sportgymnasium. Die Angst aber hat<br />

mich nie verlassen.<br />

Junge Sportlehrer<strong>in</strong><br />

533


Später wur<strong>de</strong> ich dank <strong>de</strong>s beständigen Völkerballspiels <strong>in</strong> <strong>Pru<strong>de</strong>n</strong> für die Handballmannschaft<br />

ausgesucht. Wir tra<strong>in</strong>ierten zusammen mit <strong>de</strong>n Nationalspieler<strong>in</strong>nen Mora<br />

W<strong>in</strong>dt-Mart<strong>in</strong>i, Anna Stark, Maria Scheip-Constant<strong>in</strong>escu und A. Bal<strong>in</strong>t unter <strong>de</strong>m<br />

Nationaltra<strong>in</strong>er Colibas.<br />

Nach zwei Jahren kam ich <strong>in</strong> die Jugendnationalmannschaft. Im Juli 1956 holte die<br />

Frauenmannschaft <strong>in</strong> Deutschland <strong>de</strong>n <strong>Welt</strong>meistertitel im Feldhandball unter <strong>de</strong>m<br />

Tra<strong>in</strong>er Colibas.<br />

Nach vier Jahren am Sportgymnasium fuhr ich 1956 nach Bukarest zur Aufnahmeprüfung<br />

an die Sporthochschule. Me<strong>in</strong>e Tante schickte mich mit e<strong>in</strong>em Brief zu mir unbekannten<br />

Verwandten mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Bitte, mir für die Prüfungszeit Quartier und Verpflegung<br />

zu geben. Ich spielte dann Handball <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> I.C.F-Mannschaft und auch <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Oberliga.<br />

Nach weiteren zwei Jahren wur<strong>de</strong> ich sogar <strong>in</strong> die rumänische Nationalmannschaft<br />

berufen und sollte <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gslager mitfahren. Da wur<strong>de</strong> ich zum Direktor gerufen,<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> sagte: „Mädchen, wenn du das Studium erfolgreich abschließen willst, fahr lieber<br />

erst noch zur „munca patriotica“ (= Vaterlandsdienst).“ Und so war me<strong>in</strong> Traum,<br />

me<strong>in</strong>en Vater irgendwo im Ausland zu treffen, dah<strong>in</strong>.<br />

Me<strong>in</strong> Vater schickte mir manchmal Geschenke, zum Beispiel e<strong>in</strong>mal e<strong>in</strong>e Skiausrüstung.<br />

Aber anstatt sie zu benützen, musste ich sie bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Großmutter verstecken, aus<br />

Angst, ent<strong>de</strong>ckt zu wer<strong>de</strong>n.<br />

Erläuterungen für die Nachkommen<br />

In Rumänien durften <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> kommunistischen Zeit nur K<strong>in</strong><strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>von</strong> Arbeitern, Bauern<br />

und Angestellten auf höhere Schulen gehen. Man war sehr arm und hatte nicht das Geld<br />

für die Aufnahmeprüfung <strong>in</strong> Bukarest. Im Studium bekam man „bursa“(= Stipendium)<br />

und e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>es Taschengeld vom Staat, wenn die Noten stimmten.<br />

Anneliese Kudlimay mit ihren Enkelk<strong>in</strong><strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />

534<br />

Privat durfte man<br />

nicht <strong>in</strong> <strong>de</strong>n Westen<br />

reisen, außer z.B. mit<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Nationalmannschaft.<br />

Aus diesem<br />

Grund war me<strong>in</strong>e<br />

ständige Bemühung,<br />

<strong>in</strong> die rumänische<br />

Handballnationalmannschaft<br />

zu kommen,<br />

um bei e<strong>in</strong>em<br />

Auslandsspiel me<strong>in</strong>en<br />

Vater treffen zu können.


Lehrer<strong>in</strong> Rosemarie L<strong>in</strong>gner<br />

Rosemarie L<strong>in</strong>gner wur<strong>de</strong> 1928 als drittes <strong><strong>de</strong>r</strong> fünf K<strong>in</strong><strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>s Rechstanwalts<br />

Dr. Alfred Leonhardt <strong>in</strong> Schäßburg und se<strong>in</strong>er Frau Wilhelm<strong>in</strong>e (geb. Teutsch) geboren.<br />

Dort besuchte sie die <strong>de</strong>utsche Schule bis zur Quarta. Nach e<strong>in</strong>em weiteren Schul-<br />

Lehrer<strong>in</strong> Rosemarie L<strong>in</strong>gner<br />

jahr <strong>in</strong> Bukarest begann sie 1944 ihre Ausbildung zur Lehrer<strong>in</strong> an <strong><strong>de</strong>r</strong> Lehrer<strong>in</strong>nenbildungsanstalt<br />

<strong>in</strong> Schäßburg, die sie 1947 abschloss.<br />

Kurz danach trat sie ihre erste Stelle an <strong><strong>de</strong>r</strong> damals noch kirchlichen Schule <strong>in</strong> Bekokten<br />

an. Im Sommer 1948 nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Verstaatlichung <strong><strong>de</strong>r</strong> Schulen kam sie nach <strong>Pru<strong>de</strong>n</strong>,<br />

wo sie 13 Jahre lang nicht nur unterrichtete, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch die <strong>de</strong>utsche Schule - die<br />

zeitweise 'kle<strong>in</strong>ste Schule <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Welt</strong>' - leitete. Zu ihren weiteren Aufgaben gehörte neben<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Jugendarbeit, <strong>de</strong>m E<strong>in</strong>studieren <strong>von</strong> Theaterstücken, Chören und <strong><strong>de</strong>r</strong> Leitung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Blasmusik auch noch die 'Erwachsenenbildung'. Dies be<strong>de</strong>utete damals <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie<br />

die Alphabetisierung <strong><strong>de</strong>r</strong> neu zugezogenen Dorfbevölkerung, die Unterweisung dieser<br />

Neubauern <strong>in</strong> landwirtschaftlichen Fragen, aber auch die Überprüfung <strong><strong>de</strong>r</strong> Wirksamkeit<br />

dieser erzieherischen Maßnahmen.<br />

1955 heiratete sie Andreas L<strong>in</strong>gner, <strong>de</strong>n Sohn <strong>de</strong>s Prudner Pfarrers, und übersie<strong>de</strong>lte<br />

1961 wie<strong><strong>de</strong>r</strong> nach Schäßburg. Nach e<strong>in</strong>igen Jahren, <strong>in</strong> <strong>de</strong>nen sie hauptberuflich Mutter<br />

ihrer vier K<strong>in</strong><strong><strong>de</strong>r</strong> war, nahm sie die Tätigkeit als Lehrer<strong>in</strong> wie<strong><strong>de</strong>r</strong> auf. 1978 wan<strong><strong>de</strong>r</strong>te<br />

sie <strong>in</strong> die Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland aus, wo sie - nach erfolgreich abgelegter Lehrbefähigungsprüfung<br />

- weitere elf Jahre bis zur Rente unterrichtete. Seit 1981 lebt sie<br />

<strong>in</strong> Rat<strong>in</strong>gen bei Düsseldorf.<br />

535


Lehrer<strong>in</strong> Sara Zenn<br />

„De Zenne Fra Liehreran vum Plotz“ (16.12.1912 - 25.01.2008)<br />

So nannte man Sara Zenn – unsere Tante – die Schwester unserer Mutter Elisabeth.<br />

Geboren wur<strong>de</strong> sie zwar <strong>in</strong> Großlasseln, kam aber bereits als Kle<strong>in</strong>k<strong>in</strong>d mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Familie<br />

nach <strong>Pru<strong>de</strong>n</strong> auf <strong>de</strong>n keulischen Hof „vum Plotz“.<br />

Nach<strong>de</strong>m ihre Mutter, die „Zennegued“, später<br />

alle<strong>in</strong>erziehend war, sollte es die kle<strong>in</strong>e Tochter<br />

besser haben und so wur<strong>de</strong> sie nach Schäßburg <strong>in</strong><br />

die Lehrer<strong>in</strong>nenbildungsanstalt - „das Sem<strong>in</strong>ar“ –<br />

geschickt. Ihre Mutter hat alles auf sich genommen,<br />

um ihrer Tochter dieses Studium zu ermöglichen.<br />

Damals musste man die Unterkunft <strong>in</strong> Naturalien<br />

bezahlen. E<strong>in</strong>mal fuhr unsere „Gruis“ mit vollbepacktem<br />

Pfer<strong>de</strong>wagen nach Schäßburg. Um rechtzeitig<br />

anzukommen, fuhr sie bereits <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Nacht los,<br />

was nicht ungefährlich war. Bereits unter <strong>de</strong>n We<strong>in</strong>gärten<br />

angekommen, überfiel e<strong>in</strong> Wolf das Pferd.<br />

Sie rettete sich, <strong>in</strong><strong>de</strong>m sie auf das Pferd kräftig<br />

Elisabeth, Zira und Sara Zenn v. li.<br />

e<strong>in</strong>drosch, und entkam so <strong><strong>de</strong>r</strong> Gefahr.<br />

In Schäßburg angekommen, fragten die Verwandten<br />

(Familie Tierarzt Dr. Karl Keul), bei <strong>de</strong>nen Zira<br />

wohnte, warum sie das Kopftuch so hoch trage. Sie hatte nicht bemerkt , daß ihr vor<br />

Angst die Haare zu Berge stan<strong>de</strong>n.<br />

Um 1934 kam Zira als junge Lehrer<strong>in</strong> nach <strong>Pru<strong>de</strong>n</strong>. In <strong>Pru<strong>de</strong>n</strong> war sie e<strong>in</strong>e beliebte,<br />

aber etwas strenge Lehrer<strong>in</strong>. Sofort nach ihrer Anstellung kümmerte sie sich um die<br />

Dorfjugend ( z.B. Handarbeiten, Theaterspielen und vieles mehr).<br />

Bereits 1938 wechselte sie an die fortschrittliche und mo<strong><strong>de</strong>r</strong>ne Schule nach Agnetheln.<br />

Bei ihrem Abschied <strong>von</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Prudner Jugend und <strong><strong>de</strong>r</strong> ganzen Geme<strong>in</strong><strong>de</strong> feierte<br />

man e<strong>in</strong> großes Fest. Es waren anwesend <strong><strong>de</strong>r</strong> Bürgermeister,<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Pfarrer und alles, was Rang und Namen<br />

hatte. Es wur<strong>de</strong>n Re<strong>de</strong>n gehalten, Adjuvanten spielten,<br />

die Schüler aus ihrer letzten Klasse sollen Tränen <strong>in</strong> <strong>de</strong>n<br />

Augen gehabt haben, laut Bericht <strong>von</strong> Lisi Löw.<br />

Hier e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e Anmerkung: Bevor sie mit <strong><strong>de</strong>r</strong> geschmückten<br />

Kutsche abfuhr, hielt sie noch e<strong>in</strong>e Re<strong>de</strong>.<br />

Dafür übte sie <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> h<strong>in</strong>teren Scheune, das Publikum<br />

war <strong><strong>de</strong>r</strong> 5-6-jährige „Gang“, genannt Sucki.<br />

Von Agnetheln aus machte sie auch schöne Studienreisen<br />

nach Österreich und Deutschland, was <strong>in</strong> <strong>de</strong>n 30er<br />

und 40er Jahren e<strong>in</strong>e Beson<strong><strong>de</strong>r</strong>heit war.<br />

Der verlorene Krieg und die Entrechtung <strong><strong>de</strong>r</strong> Sachsen<br />

taten e<strong>in</strong> Übriges, sie musste Agnetheln verlassen. Von<br />

da aus kam sie zuerst an die Schule nach Großalisch,<br />

536<br />

Berl<strong>in</strong> 1938 Zira rechts


dann Elisabethstadt, Großlasseln und zuletzt nach Schäßburg. Von hier aus kam sie<br />

1972 zu ihrem Neffen Richard Roth nach Karlsfeld / Deutschland. Sie erhielt <strong>in</strong> Taufkirchen<br />

bei München e<strong>in</strong>e Wohnung, wo sie viele Jahre glücklich lebte. Von hier aus<br />

pen<strong>de</strong>lte sie jahrelang nach Marktoberdorf zu ihrer Nichte Anneliese, die am dortigen<br />

Gymnasium Sportlehrer<strong>in</strong> war, um ihre Söhne Dieter und Uwe zu betreuen.<br />

Berl<strong>in</strong> 1938 Zira dritte <strong>von</strong> rechts<br />

Zira am 90. Geburtstag mit Anneliese und Rik Roth<br />

Wir haben sie sehr geschätzt, hat sie uns doch <strong>de</strong>n Weg <strong>in</strong>s Leben gezeigt.<br />

Gerne besuchte sie<br />

<strong>in</strong> München am<br />

Gasteig symphonis<br />

c h e K o n z e r t e .<br />

Auch weite Reisen,<br />

w i e z . B . n a c h<br />

F<strong>in</strong>nland, Russland,<br />

Marokko, waren ihre<br />

Ziele und gestalteten<br />

ihr Leben abwechslungsreich.<br />

2004 entschloss sie<br />

sich nach Marktoberdorf<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong> sehr<br />

schönes Altersheim<br />

zu übersie<strong>de</strong>ln.<br />

Die letzten Jahre<br />

hatte sie das große<br />

Glück noch mit 5<br />

Urenkeln gesegnet<br />

zu wer<strong>de</strong>n. Sie<br />

freute sich sehr, sie<br />

heranwachsen zu<br />

sehen. Außer<strong>de</strong>m<br />

besuchte sie ihre<br />

Nichte Anneliese<br />

täglich, g<strong>in</strong>g sogar<br />

noch schwimmen<br />

mit ihr.<br />

Nach kurzer Krankheit<br />

verstarb sie am<br />

25. 01. 2008.<br />

Richard Roth, Anneliese Kudlimay, geb. Roth<br />

537


Sicht e<strong>in</strong>es Auswärtigen<br />

Julius Henn<strong>in</strong>g<br />

538


Michael Bloss<br />

539


Die Mundart <strong>von</strong> <strong>Pru<strong>de</strong>n</strong> <strong>in</strong> phonetischen und dialektgeographischen Bezügen<br />

Dagmar - Herta Ged<strong><strong>de</strong>r</strong>t<br />

Polytechnisches Institut Klausenburg<br />

Abteilung Philologie und Geschichte Hermannstadt<br />

Fachgebiet Deutsch-Rumänisch<br />

Wissenschaftlicher Leiter: Mundartforscher Anneliese Thudt<br />

Lektor Dr. Gerhard Konnerth<br />

Kandidat: Brigitte Anneliese Schnei<strong><strong>de</strong>r</strong> / Juni 1987<br />

Die Diplomarbeit <strong>von</strong> Brigitte Anneliese Schnei<strong><strong>de</strong>r</strong> umfasst 109 Seiten und ist <strong>in</strong> drei<br />

Abschnitte geglie<strong><strong>de</strong>r</strong>t.<br />

I. E<strong>in</strong>leitung<br />

In diesem Abschnitt begrün<strong>de</strong>t Brigitte Anneliese Schnei<strong><strong>de</strong>r</strong> ihre Absicht dieser<br />

wissenschaftlichen Arbeit. Weiterh<strong>in</strong> beschreibt sie <strong>de</strong>n Forschungsstand; die<br />

Ortschaft – <strong>Pru<strong>de</strong>n</strong> -; Bemerkungen zur Metho<strong>de</strong> und Arbeitsweise ihrer Diplomarbeit.<br />

II. Systematische Materialsammlung und ihre sprachliche Verarbeitung<br />

Hier bearbeitet die Autor<strong>in</strong> <strong>de</strong>n Vokalismus und Konsonantismus <strong><strong>de</strong>r</strong> Mundart <strong>von</strong><br />

<strong>Pru<strong>de</strong>n</strong>. Sie vergleicht die Direktaufnahmen mit <strong>de</strong>nen <strong><strong>de</strong>r</strong> Siebenbürgisch-<br />

Deutschen Sprachatlanten (SDSA, SDWA).<br />

III. Zusammenfassen<strong>de</strong> Schlussfolgerungen<br />

Im letzten <strong>Teil</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Diplomarbeit fasst sie noch e<strong>in</strong>mal alles zusammen und notiert<br />

die Fußnoten.<br />

Nun möchte ich e<strong>in</strong>en Auszug <strong><strong>de</strong>r</strong> Diplomarbeit wie<strong><strong>de</strong>r</strong>geben:<br />

E<strong>in</strong>leitung<br />

Absicht und Begründung <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeit<br />

Die vorliegen<strong>de</strong> Arbeit versucht, e<strong>in</strong>en kle<strong>in</strong>en Beitrag zur siebenbürgischsächsischen<br />

Mundartforschung zu br<strong>in</strong>gen, <strong>in</strong><strong>de</strong>m sie das Lautsystem <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

siebenbürgisch-sächsischen Dorfmundart, <strong>Pru<strong>de</strong>n</strong> (Prod), darstellt.<br />

Bisher wur<strong>de</strong> <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Fachliteratur e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>zige Dorfmundart, die <strong>von</strong> Burgberg, als<br />

Dissertation publiziert. Doch um die Gesetzmässigkeit <strong>de</strong>s siebenbürgischsächsischen<br />

Dialekts als Struktur zu erkennen, s<strong>in</strong>d Lautdarstellungen <strong>von</strong> möglichst<br />

vielen Ortsmundarten notwendig, umso mehr als sie im Vergleich zu <strong>de</strong>n<br />

Stadtmundarten oft ursprünglichere, ältere Mundartverhältnisse aufweist. Es gibt e<strong>in</strong>e<br />

Reihe <strong>von</strong> Diplomarbeiten über Dorfmundarten, die im Rahmen <strong><strong>de</strong>r</strong> Sektion für<br />

Gesellschaftswissenschaften <strong><strong>de</strong>r</strong> Aka<strong>de</strong>mie unter <strong><strong>de</strong>r</strong> Anleitung siebenbürgischsächsischen<br />

Wörterbuchs erarbeitet wur<strong>de</strong>n, <strong><strong>de</strong>r</strong>en Auswertung aber noch aussteht, da<br />

die Belegdichte <strong><strong>de</strong>r</strong> Orte noch zu kle<strong>in</strong> ist.<br />

540


Wir versuchen sodann, die untersuchte Mundart dialekt-geographisch <strong>in</strong> <strong>de</strong>n<br />

größeren Zusammenhang <strong><strong>de</strong>r</strong> südsiebenbürgischen Mundart e<strong>in</strong>zuglie<strong><strong>de</strong>r</strong>n, <strong>in</strong><strong>de</strong>m<br />

wir die <strong>von</strong> A. Maurer und <strong>de</strong>m Siebenbürgisch-Deutschen Sprachatlas (SDSA) bzw.<br />

Siebenbürgisch-Deutsche Wortatlas (SDWA) gewonnenen Erkenntnisse zum<br />

Vergleich heranziehen.<br />

Wir wählten gera<strong>de</strong> diese Dorfmundart, da sie vom Aussterben bedroht ist und ihre<br />

phonetischen Eigentümlichkeiten <strong>in</strong> ihrer Gesamtheit bis zur Zeit noch nicht<br />

festgehalten wor<strong>de</strong>n s<strong>in</strong>d. Zu<strong>de</strong>m ist uns die Mundart nicht unbekannt, da e<strong>in</strong><br />

Elternteil, die Mutter, aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Ortschaft stammt.<br />

Stand <strong><strong>de</strong>r</strong> Forschung<br />

Die siebenbürgisch-sächsische Sprachlandschaft ist <strong>von</strong> e<strong>in</strong>heimischen<br />

Sprachforschern unter verschie<strong>de</strong>nen Aspekten untersucht wor<strong>de</strong>n. Die ersten<br />

Forschungen stan<strong>de</strong>n im Zeichen <strong><strong>de</strong>r</strong> Herkunft <strong><strong>de</strong>r</strong> Kolonisten. Die<br />

sprachvergleichen<strong>de</strong>n Arbeiten setzten sich zum Ziel, die Verwandtschaft <strong>de</strong>s<br />

siebenbürgisch-sächsischen Dialekts mit b<strong>in</strong>nen<strong>de</strong>utschen, meist rhe<strong>in</strong>ischen<br />

Dialekten zu beweisen. Der Hauptvertreter dieser Richtung, Gustav Kirsch, sah das<br />

Moselfränkisch-Luxemburgische als Urheimat <strong><strong>de</strong>r</strong> siebenbürgischen Kolonisten an. F.<br />

Marienburg ent<strong>de</strong>ckte diese Verwandtschaft <strong>de</strong>s Südsiebenbürgischen mit <strong>de</strong>n<br />

nie<strong><strong>de</strong>r</strong>fränkischen Mundarten.<br />

Erst A. Sche<strong>in</strong>er brach mit dieser Forschungsrichtung und führte die<br />

Mundartforschung auf e<strong>in</strong>e „beachtliche Höhe“. Die Forschungen legten die<br />

Eigenheiten unserer Mundarten auch unter lautlichem und morphologischem<br />

Gesichtspunkt fest. Am häufigsten s<strong>in</strong>d die Analysen <strong>de</strong>s Lautstan<strong>de</strong>s. A. Sche<strong>in</strong>er<br />

schrieb die erste grundlegen<strong>de</strong> Arbeit darüber: „Die Mundart <strong><strong>de</strong>r</strong> Siebenbürger<br />

Sachsen“. Arbeiten, die Morphologie betreffend, s<strong>in</strong>d seltener, die Syntax wur<strong>de</strong> nicht<br />

untersucht.<br />

Vernachlässigt wur<strong>de</strong> <strong>von</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Forschung <strong>de</strong>sgleichen die dialektgeographische<br />

Seite <strong><strong>de</strong>r</strong> Mundart, die Glie<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong><strong>de</strong>r</strong> Mundartlandschaft <strong>in</strong> Untermundarten,<br />

nach<strong>de</strong>m A. Sche<strong>in</strong>er <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> „Mundart <strong><strong>de</strong>r</strong> Burzenlän<strong><strong>de</strong>r</strong> Sachsen“ zum Schluss<br />

gekommen war, dass sich im Siebenbürgischen ke<strong>in</strong>e wesentliche mundarttrennen<strong>de</strong>n<br />

Eigentümlichkeiten, und zwar Burzenländischen gegenüber „altländischen<br />

Mundarten“, f<strong>in</strong><strong>de</strong>n liessen. Der SDSA hat <strong>in</strong>zwischen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>igen Fällen das Gegenteil<br />

bewiesen.<br />

Als Mangel empf<strong>in</strong><strong>de</strong>t die Forschung das Fehlen <strong>von</strong> Behandlungen lokal<br />

gebun<strong>de</strong>ner Lautsysteme. Bis heute s<strong>in</strong>d hauptsächlich siebenbürgisch-sächsische<br />

Stadtmundarten und e<strong>in</strong>e Dorfmundart systematisch bearbeitet und publiziert wor<strong>de</strong>n.<br />

A. Sche<strong>in</strong>er „Die Mundart <strong><strong>de</strong>r</strong> Sachsen <strong>von</strong> Hermannstadt“ sowie „Die Mediascher<br />

Mundart“, e<strong>in</strong>e Untersuchung <strong>von</strong> Sche<strong>in</strong>ers eigener Mundart.<br />

Robert Bruch wählte sich „Die Mundart <strong>von</strong> Schässburg aus Siebenbürgen“ als<br />

Sem<strong>in</strong>ararbeit. Georg Ke<strong>in</strong>tzel: „Lautlehre <strong><strong>de</strong>r</strong> Mundart <strong>von</strong> Bistritz und Sächsisch-<br />

541


Regen“.<br />

Die e<strong>in</strong>zige uns zugängliche Ortsmonographie, auf <strong><strong>de</strong>r</strong> wir unsere<br />

Lautuntersuchungen für die Erarbeitung <strong>de</strong>s phonetischen Systems aufbauen ist Artur<br />

Maurers: „Mundart <strong>von</strong> Burgberg“.<br />

Zur Ortschaft<br />

Die Ortschaft <strong>Pru<strong>de</strong>n</strong> gehörte verwaltungsmäßig <strong>de</strong>m e<strong>in</strong>stigen Bogeschdorfer Kapitel<br />

an, das ursprünglich 24 Geme<strong>in</strong><strong>de</strong>n umfasste (nach 1788 aber bloß 23, da Ehrgang bald<br />

unterg<strong>in</strong>g), und zwar <strong><strong>de</strong>r</strong> oberen Abteilung <strong>de</strong>s Bogeschdorfer Kapitels.<br />

Die zwischenkokler Ansiedlungen s<strong>in</strong>d jüngere mittelalterliche Siedlungen,<br />

die durch Innenkolonisation entstan<strong>de</strong>n s<strong>in</strong>d und wohl schon im 14. Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>t<br />

bestan<strong>de</strong>n haben.<br />

Zum Bogeschdorfer Kapitel gehörten nicht nur grundherrliche Geme<strong>in</strong><strong>de</strong>n<br />

<strong>de</strong>s Kokelburger Comitates, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch freie Geme<strong>in</strong><strong>de</strong>n <strong>de</strong>s späteren Schäßburger<br />

Stuhls. Dazu zählte außer Großalisch und Halwelagen auch <strong>Pru<strong>de</strong>n</strong>. Anfang <strong>de</strong>s 14.<br />

Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>ts musste <strong>Pru<strong>de</strong>n</strong> schon als Ortschaft bestan<strong>de</strong>n haben, doch erst im Jahre<br />

1393 ersche<strong>in</strong>t es sicher als freie Geme<strong>in</strong><strong>de</strong> <strong>de</strong>s Schäßburger Stuhls.<br />

<strong>Pru<strong>de</strong>n</strong> ist e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e Geme<strong>in</strong><strong>de</strong>. Die Siedlung liegt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Tal und ist<br />

r<strong>in</strong>gsum <strong>von</strong> Bergen und Wäl<strong><strong>de</strong>r</strong>n umgeben. Die Lage ermöglichte <strong>de</strong>n E<strong>in</strong>wohnern,<br />

We<strong>in</strong>bau und Viehzucht zu treiben. Außer<strong>de</strong>m bauten sie auch Hanf und Flachs an.<br />

Die E<strong>in</strong>wohnerzahl betrug bei <strong><strong>de</strong>r</strong> letzten Volkszählung: 500 Rumänen und 60<br />

Sachsen.<br />

Die Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> dort ansässigen sächsischen Familien s<strong>in</strong>d vorwiegend <strong>in</strong><br />

fortgeschrittenem Alter, die jüngere und junge Generation, dort wenig vertreten,<br />

pen<strong>de</strong>ln als Arbeiter <strong>in</strong> die nahe liegen<strong>de</strong>n Städte (Mediasch, Elisabethstadt und<br />

Schäßburg). Der Großteil <strong><strong>de</strong>r</strong> sächsischen Mundartsprecher lebt heute <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Stadt.<br />

Bemerkungen zur Metho<strong>de</strong> und Arbeitsweise<br />

Da die Erforschung <strong><strong>de</strong>r</strong> Mundart für uns e<strong>in</strong> völlig neues Arbeitsgebiet ist, stützen wir<br />

uns bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Aufnahme <strong>de</strong>s Lautmaterials für die Erarbeitung <strong>de</strong>s phonetischen Systems<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Ortsmundart auf die Arbeit <strong>von</strong> Artur Maurer: „Die Mundart <strong>von</strong> Burgberg“.<br />

Se<strong>in</strong>er Arbeit liegt das Westgermanische als Lautsystem zugrun<strong>de</strong>.<br />

Das Lautmaterial wur<strong>de</strong> synchron untersucht, d.h. bloß <strong><strong>de</strong>r</strong> jetzige Lautstand.<br />

Dabei benutzten wir die <strong>de</strong>skriptive und historisch-komparative Metho<strong>de</strong>. Ergaben<br />

sich Unterschie<strong>de</strong> <strong>in</strong> Wortschatz und <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Wortbe<strong>de</strong>utung, so wur<strong>de</strong>n diese<br />

herausgearbeitet und erläutert.<br />

Das Sammeln <strong>de</strong>s Lautmaterials geschah durch Befragung mehrerer<br />

Mundartsprecher verschie<strong>de</strong>ner Altersgruppen. Die Gewährsleute waren:<br />

542


Anneliese Schnei<strong><strong>de</strong>r</strong> (54)<br />

Kathar<strong>in</strong>a Zakel (68)<br />

Ekater<strong>in</strong>a Keul (65)<br />

Elisabeth Löw (83)<br />

Johann Lang (86).<br />

Als Ausgangspunkt <strong><strong>de</strong>r</strong> historisch-vergleichen<strong>de</strong>n Untersuchungen nehmen wir<br />

nicht das Mittelhoch<strong>de</strong>utsche, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n das Westgermanische, bzw. <strong>in</strong> e<strong>in</strong>zelnen Fällen<br />

das Althoch<strong>de</strong>utsche als Bezugssystem, weil das Mittelhoch<strong>de</strong>utsche e<strong>in</strong> schon<br />

fortgeschrittenes Stadium <strong><strong>de</strong>r</strong> sprachlichen Entwicklung zeigt und verschie<strong>de</strong>ne<br />

Lautverän<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen, beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s im Konsonantismus, <strong>de</strong>s Siebenbürgisch-Sächsischen<br />

daraus nicht mehr erklärt wer<strong>de</strong>n können. Zu <strong>de</strong>m s<strong>in</strong>d alle älteren und neueren<br />

siebenbürgisch-sächsischen Lautuntersuchungen auf dieses Bezugssystem<br />

ausgerichtet, was e<strong>in</strong>e Vergleichsmöglichkeit erleichtert.<br />

Der <strong>de</strong>skriptive, analytische <strong>Teil</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeit wird ergänzt durch die<br />

Schlussfolgerungen, <strong>in</strong> <strong>de</strong>nen die gewonnenen Erkenntnisse zusammengefasst<br />

wer<strong>de</strong>n.<br />

Zur Lautschrift<br />

Die Lautschrift richtet sich <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Anwendung <strong>von</strong> beson<strong><strong>de</strong>r</strong>en Lautzeichen<br />

(Diakritika) im allgeme<strong>in</strong>en nach <strong>de</strong>m „Siebenbürgisch-Sächsischen Wörterbuch“.<br />

Weil unser Text mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Schreibmasch<strong>in</strong>e geschrieben wer<strong>de</strong>n wird, verzichten wir<br />

weitgehend auf Diakritika und geben unsere Lautungen mit Hilfe <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>utschen<br />

Schriftzeichen wie<strong><strong>de</strong>r</strong>.<br />

Für Konsonanten verwen<strong>de</strong>n wir folgen<strong>de</strong> Schreibung:<br />

ch - stimmloser Ich-Laut<br />

j - stimmhafter Ich-Laut<br />

x - stimmloser Ach-Laut<br />

g - stimmhafter Ach-Laut<br />

sz - stimmloser s-Laut<br />

s - stimmhafter s-Laut<br />

sch - stimmloser sch-Laut<br />

sch - stimmhafter sch-Laut<br />

tch - Dentalaffrikata, <strong>in</strong>lautend dj, mit leichtem<br />

Expirationsausstoß<br />

ng - steht für Velarnasal<br />

nj - steht für palatalisiertes n<br />

Für Vokale:<br />

a - dunkles a (wie madjarisch a)<br />

e - Murmel-e<br />

543


ei - e + i<br />

ie - i + e<br />

î - leicht nasaler Mittelgaumenlaut ohne<br />

Lippenrundung (wie rumänisch î)<br />

: - Länge <strong><strong>de</strong>r</strong> Vokale<br />

Kürze wird nicht bezeichnet.<br />

Wir haben versucht, e<strong>in</strong>e möglichst gute Wie<strong><strong>de</strong>r</strong>gabe <strong><strong>de</strong>r</strong> Mundart zu geben, s<strong>in</strong>d<br />

uns aber <strong>de</strong>ssen bewusst, dass sie viel genauer se<strong>in</strong> könnte.<br />

Kurze Vokale<br />

Westgermanisch: a<br />

Vokalismus <strong><strong>de</strong>r</strong> Mundart<br />

Wg. a > a vor p, d<br />

fa<strong>de</strong>m (Fa<strong>de</strong>n, Zwirn); fla<strong>de</strong>n (Fla<strong>de</strong>n); gefater (Gevatter); gefa<strong><strong>de</strong>r</strong> (Gevatter<strong>in</strong>): ga<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

(Gatter); lat (La<strong>de</strong>, Sarg); la<strong>de</strong>n (la<strong>de</strong>n); mat (Ma<strong>de</strong>, Wurm); ka<strong><strong>de</strong>r</strong> (Kater); scha<strong>de</strong>n<br />

(Scha<strong>de</strong>n); sarel (Sattel); sat (satt).<br />

Ausnahme: cha (Bejahungspartikel : ja).<br />

Wg. a > eu vor l, r, s, b, d.h. vor mundartlich stimmhaftem Dauerlaut<br />

bezeulen (bezahlen); zeul (Zahl); scheu(e)l (Schale); schmeu(e)l (schmal); meulen<br />

(mahlen); keu(e)l (kahl); weu(e)l (Wahl); neusz (Nase); heusen (Hase); gleusz (Glas,<br />

Fensterscheibe); greuwen (graben, Graben); heuwer (Hafer); a:ch<strong>de</strong>ux (acht Tage,<br />

mundartliche Bezeichnung für Woche); îi<strong>de</strong>ux (vor Tagesanbruch); meugen (Magen);<br />

meuger (mager); kneugen (nagen), jeugen (jagen); jeuxt (Jagd); feusnicht (Fastnacht);<br />

und die Partizipien <strong><strong>de</strong>r</strong> Verba <strong><strong>de</strong>r</strong> 6. Ablautreihe: gefeuren (gefahren); gegreuwen<br />

(gegraben); geheuwen (gehoben); gemeulen (gemahlen); geweuszen (gewachsen).<br />

Wg. a > u vor m und n<br />

Humer (Hammer); kumer (Kammer); lum (lahm); muntchener (mancher); numen<br />

(Name); rum (Rahmen); schumen (schämen); zesumen (zusammen); sumeln<br />

(sammeln); sumet (Samt); fun (<strong>von</strong>); grunen (Schnurrbart); hunen (Hahn,<br />

Abziehvorrichtung am Gewehr); munen (Mähne); munen (mahnen); hun (haben); un<br />

(an); untrich (Enterich); wun (wenn); wunen (wohnen).<br />

Wg. a > eu vor r + Konsonant<br />

beu(e)rt (Bart); eu(e)rsch (Arsch); eu(e)rt (Art); feu(e)rt (Fahrt, Reise); geuren (Garn,<br />

Hanf); eurem (arm); geu(e)rten (Garten); meu(e)rk (Mark); schweu(e)rt (Schwarte);<br />

weurem (warm); weu(e)rz (Warze); weu(e)r<strong>de</strong>n (warten).<br />

Ausnahme: harz (Harz)<br />

Wg. a > a: vor ursprünglich doppeltem Verschlusslaut<br />

a:k (Ecke); ba:k (Bäcker); a:ker (Buch-, Eich- usw. Ecker); da:k (Decke), ra:ken<br />

544


(recken); schtra:ken (strecken); schna:kerhîuren (Schnecke, Schneckenhorn).<br />

Wg. u > a<br />

gang (Junge, jung); lang (Lunge); hanger (Hunger); hangrich (hungrig); zang (Zunge);<br />

fanjdjen (gefun<strong>de</strong>n); schtanjtch (Stun<strong>de</strong>), gebanjdjen (gebun<strong>de</strong>n); wanjdjer (Wun<strong><strong>de</strong>r</strong>);<br />

anjdjen (unten); ferhangern (verhungern); gesangen (gesungen); geklangen<br />

(geklungen); geschprangen (gesprungen); gezwangen (gezwungen).<br />

Wg. u > o<br />

Bromen (brummen); gebrom (Gebrumm); brom (Brummpfeife, aus Wei<strong>de</strong>n<br />

hergestellt).<br />

Wg. u > Umlaut ä vor l + Konsonant<br />

gäl<strong>de</strong>n (gol<strong>de</strong>n); gäl<strong>de</strong>n (Gul<strong>de</strong>n); fälen (füllen); gedäldich (geduldig); schäldig<br />

(schuldig).<br />

Wg. u > Umlaut i vor l, r, b mit folgen<strong>de</strong>m i<br />

dir (Türe) (ahd. turi); iwel (Übel, übel) (ahd. ubil), iwrich (übrig) (mhd. überic); mil<br />

(Mühle) (ahd. muli); pil (Polster) (ahd. pfuliwi); schnirch (Schwiegertochter) (ahd.<br />

snurihha);<br />

Dazu kommen:<br />

bisz (Büchse, Gewehr) (ahd. buhsa); kim (Kümmel) (ahd. chumil); bit (Bottich).<br />

Westgermanisch: b<br />

Konsonantismus <strong><strong>de</strong>r</strong> Mundart<br />

Wg. b ist im Anlaut als stimmhafte bilabiale Laute erhalten:<br />

baken (backen); balen (fem. E<strong>in</strong>gewei<strong>de</strong>); bäter (bitter); bibel (Bibel); bisz (Gewehr,<br />

Büchse); blänjtch (bl<strong>in</strong>d); blaiwen (bleiben); bla(e)n (blühen); blä(o)m (Blume);<br />

be(i)sz (böse); bîi<strong>de</strong>n (beten); beicher (Becher);brä(o)<strong><strong>de</strong>r</strong> (Bru<strong><strong>de</strong>r</strong>); brutch (Brot);<br />

bretch (breit); breichen (brechen); beu<strong>de</strong>n (ba<strong>de</strong>n) usw. usw.<br />

Zusammenfassen<strong>de</strong> Schlussfolgerungen<br />

Die konsonantische Palatalisierung ist e<strong>in</strong>e Spezialität <strong>de</strong>s Siebenbürgisch-<br />

Sächsischen. Der Begriff wur<strong>de</strong> <strong>von</strong> Schirmunsk e<strong>in</strong>geführt, jedoch nur für vokalische<br />

Ersche<strong>in</strong>ungen; nicht auch für konsonantische. Da die Palatalisierungsersche<strong>in</strong>ungen<br />

e<strong>in</strong>e Schei<strong>de</strong>wand zwischen <strong>de</strong>m Südsiebenbürgischen und <strong>de</strong>m<br />

Nordsiebenbürgischen bil<strong>de</strong>n: kommen ihnen umso größere Be<strong>de</strong>utung zu.<br />

<strong>Pru<strong>de</strong>n</strong> liegt im östlichen <strong>Teil</strong> <strong>de</strong>s Mundartgebietes, <strong>de</strong>ssen Mundarten durch<br />

Palatalisierung <strong><strong>de</strong>r</strong> Konsonanten t, d, n, l gekennzeichnet ist, während im Westen die<br />

Gutturalisierungen vorherrschen. Mit dieser für <strong>de</strong>n siebenbürgischen<br />

Konsonantismus so be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong>n Ersche<strong>in</strong>ung hat sich <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Dissertation<br />

beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s e<strong>in</strong>gehend B. Capesius beschäftigt. Sie führt <strong>de</strong>n Titel „Die Vertreter <strong>de</strong>s<br />

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alten î, û, ü, îi im Siebenbürgisch-Sächsischen“. Capesius geht <strong>de</strong>n genannten<br />

Engelauten nach, die bei <strong>de</strong>n benachbarten Konsonanten e<strong>in</strong>e Verän<strong><strong>de</strong>r</strong>ung bewirken.<br />

Die Verän<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen treten nach Wörtern im Mundartgebiet <strong>in</strong> verschie<strong>de</strong>ner<br />

Komb<strong>in</strong>ation auf: z.B. lekt - brokt (Hermannstadt), lietch – briokt (Alzen), lotch –<br />

brotch (<strong>Pru<strong>de</strong>n</strong>). Damit zeichnet sich <strong><strong>de</strong>r</strong> Umgang vom Gutturalisierungs- zum<br />

Palatalisierungsgebiet ab. <strong>Pru<strong>de</strong>n</strong> kennt – außer ger<strong>in</strong>gen Ausnahmen – die<br />

gutturalisierte Aussprache nur <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Verb<strong>in</strong>dung ng, nk. Sie ist während unserer<br />

Untersuchung <strong>in</strong> <strong>de</strong>n Wörtern: mängksz, me(u)ngkel (Milz, Mantel), me(o)kt (Maut,<br />

Abgabe) zu Tage getreten.<br />

Unsere Aufstellung über die palatalisierten Konsonanten zeigt außer <strong>de</strong>n bekannten<br />

und verbreiteten Palatalisierungen nach altem i, u, ü auch solche, die verhältnismäßig<br />

selten auftreten, und zwar nach altem Diphthong ai <strong>in</strong> e(i)djem (Eidam), kle(i)tch<br />

(Kleid) usw. sowie nach au, Umlaut <strong>von</strong> au wie dutch (tot, Tod), ne(i)djich (nötig).<br />

Palatalisierte Dental ersche<strong>in</strong>t <strong>in</strong> manchen Fällen <strong>in</strong> <strong>Pru<strong>de</strong>n</strong> geme<strong>in</strong>sam mit zu i<br />

vokalisiertem l, und zwar <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dungen -ilt (wild) wa(i)tch, -elt (selten) sa(i)djen<br />

und Umlaut <strong>von</strong> wg. a <strong>in</strong>: a(i)djer (älter, Eltern). A. Sche<strong>in</strong>er verzeichnet die<br />

„lautlichen Verstärkungen“ <strong><strong>de</strong>r</strong> Dentale und ergänzt dabei die Angaben F.<br />

Marienburgs.<br />

Der Nasal n wird <strong>in</strong> bestimmten alten Verb<strong>in</strong>dungen außer im Anlaut, <strong>in</strong>- und<br />

auslautend palatalisiert. Die vokalisch-konsonantischen Verb<strong>in</strong>dungen s<strong>in</strong>d im<br />

Wesentlichen die gleichen, unter <strong>de</strong>nen sich die Palatalisierung <strong><strong>de</strong>r</strong> Dentale vollzieht,<br />

außer <strong>de</strong>nen mit altem au (ahd. o:) <strong>in</strong> schunj (schon), krunj (Krone), lunj (Lohn). A.<br />

Sche<strong>in</strong>er hat e<strong>in</strong>zelne Palatalisierungen <strong>de</strong>s n im b<strong>in</strong>nen<strong>de</strong>utschen Sprachraum<br />

nachgewiesen. Es s<strong>in</strong>d känjtch (K<strong>in</strong>d); änj (immer); onjtch (En<strong>de</strong>). Auch dieser<br />

Lautwan<strong>de</strong>l sche<strong>in</strong>t sich bis heute nur im Siebenbürgisch-Sächsischen geschlossen<br />

erhalten zu haben. Es fehlen uns b<strong>in</strong>nen<strong>de</strong>utsche Angaben dazu.<br />

Über die i-Vokalisation <strong>in</strong> <strong>de</strong>n südsiebenbürgischen Ortsmundarten sagt er<br />

h<strong>in</strong>gegen folgen<strong>de</strong>s: „… l ersche<strong>in</strong>t entwe<strong><strong>de</strong>r</strong> mouilliert als l',…(nie als i!) o<strong><strong>de</strong>r</strong> stark<br />

vokalisch anschwellend (ge<strong>de</strong>hnt?). Ersteres außerhalb <strong>de</strong>s stark mouillierten<br />

Burzenlan<strong>de</strong>s wohl häufiger im Osten …“<br />

Trotz<strong>de</strong>m ist sie <strong>in</strong> vielen östlichen Mundarten vorhan<strong>de</strong>n, so auch <strong>in</strong> <strong>Pru<strong>de</strong>n</strong> als<br />

Übergang <strong>de</strong>s palatalisierten l = lj zu i. Die Lautentwicklung tritt generationsgebun<strong>de</strong>n<br />

als lj bei älteren und bei jüngeren Sprechern auf.<br />

Die Labialisierung <strong>de</strong>s n > m, ebenfalls e<strong>in</strong> Kennzeichen <strong><strong>de</strong>r</strong> meisten östlichen<br />

Ortsmundarten, hat auch <strong>Pru<strong>de</strong>n</strong> erfasst; es gilt für die Verb<strong>in</strong>dungen Land, Sand usw.<br />

als lemt, semt, auch (Mann) mem sowie <strong>in</strong>: (tanzen) <strong>de</strong>mzen, (ganz) gemz; nach wg. u:<br />

<strong>in</strong> (Alaun) alom. Auch dieser Lautwan<strong>de</strong>l <strong>in</strong> unserer Stellung wird <strong>von</strong> Schirmunski<br />

nicht vermerkt.<br />

„n“ ersche<strong>in</strong>t sowohl nach e als auch nach o als m - burzenländisch n <strong>in</strong> vielen<br />

546


Mundarten <strong>de</strong>s (östlichen?) Altlan<strong>de</strong>s -, <strong>in</strong> Honigberg als ngm; als ögm ersche<strong>in</strong>t es<br />

nur nach o o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>ssen Spaltung oe o, <strong>in</strong> brûn, zûn – bronj, zonj“. Während sonst<br />

Gleichheit herrscht, f<strong>in</strong><strong>de</strong>t man nach wg. u: alom (Alaun).<br />

Im Vergleich zur Burgberger, beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s aber zu <strong><strong>de</strong>r</strong> Hermannstädter Mundart<br />

zeigt <strong>Pru<strong>de</strong>n</strong> <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung mit wg. ai, au, Umlaut au erhebliche vokalische<br />

Quantitätsunterschie<strong>de</strong>, und zwar Kürzer. Bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Verb<strong>in</strong>dung mit Dental sowie Nasal<br />

n sie sich zu konsonantischen, Verstärkungen, wie tch, <strong>in</strong>lautend dj.Wg. ai <strong>Pru<strong>de</strong>n</strong> e(i);<br />

bre(i)tch (breit); e(i)njz (e<strong>in</strong>s); e(i)chel (Eichel); ge(i)szel (Geissel, Peitsche).<br />

Vor Frikativen f, w wird <strong><strong>de</strong>r</strong> schwach artikulierte Gleitlaut (i) wie er für wg. ai steht<br />

(bre(i)tch ‚breit') ausgestoßen und es heißt <strong>de</strong>f (taub), glewen (Glauben), vor Ach-<br />

Laut jedoch re(u)x (Rauch) mit kurzem u-Nachschlag, während <strong>in</strong> ‚Traum', ‚Baum'<br />

kurzes u gesprochen wird, das e<strong>in</strong>e größere Verbreitung hat.<br />

Diese Kürzung <strong><strong>de</strong>r</strong> alten Diphthonge steht lautlich e<strong>in</strong>er Verstärkung <strong>von</strong><br />

Konsonanten <strong>in</strong> engstem Zusammenhang und ist im westsiebenbürgischen<br />

Velarisierungsgebiet als Ersche<strong>in</strong>ung häufiger zu beobachten, wo sie zum Unterschied<br />

<strong>von</strong> <strong>Pru<strong>de</strong>n</strong> als „velare Verstärkung“ bruik (Brot), el<strong>in</strong>g (alle<strong>in</strong>) <strong>in</strong> Petersdorf<br />

(Mühlbach) ersche<strong>in</strong>t. Dort und vor allem <strong>in</strong> Urwegen wer<strong>de</strong>n jedoch weit mehr<br />

Lautverb<strong>in</strong>dungen <strong>von</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Kürzung erfasst, z. B. <strong><strong>de</strong>r</strong> Nexus – aid, fliksch (Fleisch),<br />

gikszel (Geissel, Peitsche) <strong>in</strong> Urwegen, <strong>in</strong> <strong>Pru<strong>de</strong>n</strong> jedoch fle(i)sch (Fleisch), ge(i)szel<br />

(Geissel, Peitsche), sowie <strong>in</strong> Umlaut wg. au mit Reibelaut: gligwen (glauben) aber<br />

gle(i)wen (glauben) für <strong>Pru<strong>de</strong>n</strong>.<br />

In <strong>de</strong>n südsiebenbürgischen Stadtmundarten wer<strong>de</strong>n anstatt Kürzen Längen<br />

gesprochen wie ni:dich (nötig); schi:<strong>in</strong> (dünn); eli:n (alle<strong>in</strong>); bri:t (Brot) o<strong><strong>de</strong>r</strong> gli:wen<br />

(glauben), kni:fel (Knopf); di:t (tot) sowie dru:m (Traum); bu:m (Baum).<br />

Vokalkürzungen fehlen auch <strong>in</strong> briut (Brot), liun (Lohn) (Mediasch); bru:t (Brot), lu:n<br />

(Lohn) (Kronstadt).<br />

Dialektgeographisch gehört die Ortsmundart <strong>von</strong> <strong>Pru<strong>de</strong>n</strong> <strong>de</strong>n östlichen<br />

Mundarttypen an. Als Mundart <strong>de</strong>s Kokelgebietes ist sie gleichzeitig durch Merkmale<br />

gekennzeichnet, die sich im Südsiebenbürgischen nur <strong>in</strong> diesem Gebiet f<strong>in</strong><strong>de</strong>n, also<br />

letzten En<strong>de</strong>s als e<strong>in</strong>e östliche Kokelmundart zu klassifizieren.<br />

Die Eigentümlichkeiten, die sich als östliche Palatalisierungsmundart ausweist,<br />

gehen aus <strong>de</strong>m dargebotenen Lautmaterial und se<strong>in</strong>er Verarbeitung reichlich hervor.<br />

Sie können ebenso an <strong>de</strong>n im SDSA angeführten Lautkarten nachgewiesen wer<strong>de</strong>n,<br />

und zwar <strong>in</strong> konsonantischer H<strong>in</strong>sicht Palatalisierung <strong><strong>de</strong>r</strong> Dentale t, d – und <strong>de</strong>s Nasals<br />

n <strong>in</strong> Hund (I. 23), Pfund (I. 38), h<strong>in</strong>ter (I. 18), braun (II. 73) neun (II. 122) heute (II.<br />

103), W<strong>in</strong>ter (II. 145) usw. sowie Labialisierung <strong>de</strong>s n > m <strong>in</strong> ganz (II. 89), an<strong><strong>de</strong>r</strong>s (II.<br />

64 a), Mann (II. 144).<br />

Im Vokalismus treten als hauptsächlichsten Kennzeichen hervor:<br />

a) <strong><strong>de</strong>r</strong> Vokal o <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung mit palatalisiertem Ach-Laut wie ‚gedrocht' (getrocknet),<br />

547


och (euch), im Unterwald gedrokt (II. 135).<br />

b) o (wg. eu) <strong>in</strong> ‚och' (euch), ‚lotch' (Leute), ‚hotch' (heute) aber auch vor<br />

palatalisierten n > nj <strong>in</strong> nonj (neun); bronj (braun) (II. 73 bzw. II. 122) im Gegensatz zu<br />

westlichem ‚ech' (ich), ‚lekt' (Leute), ‚hekt' (heute) bzw. neng, brong.<br />

c) Das vor allem für die östlichen Mundarten charakteristische oi, das dort für mehrere<br />

alte Vokale und Diphthonge steht, reich geographisch allerd<strong>in</strong>gs mit Stolzenburg<br />

‚loirer', ‚hoisch' (Lehrer, schön) bis an Hermannstadt heran; im Atlas ist es durch<br />

‚Scheuer' (II. 125) ‚Feuer' (II. 83) vertreten.<br />

E<strong>in</strong> weiterer Vokal, <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Pru<strong>de</strong>n</strong> <strong>de</strong>m Osten <strong>de</strong>s Mundartgebietes zuweist, ist e als<br />

haupttoniger Vokal. (wg. au) <strong>in</strong> ‚<strong>de</strong>f' (taub), ‚kef' (Kauf), ‚lef' (Laub), ‚schtef' (Staub),<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> im Repser Gebiet vorkommt, im Westen h<strong>in</strong>gegen fehlt; e <strong>in</strong> ‚em<strong><strong>de</strong>r</strong>sch' (an<strong><strong>de</strong>r</strong>s);<br />

‚gemz' (ganz) hat ebnfalls unter <strong>de</strong>n östlichen Ortsmundarten se<strong>in</strong>e Parallelen. Die zu e<br />

geschwächte Entsprechung <strong>de</strong>s wg. ai steht sodann <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Verb<strong>in</strong>dung mit verstärkten<br />

Konsonanten: gemenj (Geme<strong>in</strong><strong>de</strong>), klenj (kle<strong>in</strong>) o<strong><strong>de</strong>r</strong> kletch (Kleid), ledjen (leiten);<br />

vor s, sch, m führt es e<strong>in</strong>en kaum feststellbaren Gleitlaut i mit sich, <strong><strong>de</strong>r</strong> diphthongische<br />

Vokal ist <strong>von</strong> äusserster Kürze; z.B. fle(i)sch (Fleisch); he(i)met (Heimat) usw.<br />

Der Reduktionsvokal e <strong>in</strong> Zusammensetzung mit –tag, mundartlich –<strong>de</strong>x bil<strong>de</strong>t im<br />

Unterschied zu <strong>de</strong>n an<strong><strong>de</strong>r</strong>en südsiebenbürgischen Mundarten mit –tich, das Merkmal<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Kokelmundarten sowie <strong>de</strong>s Nordsiebenbürgischen, z. B. me:en<strong>de</strong>x (Montag).<br />

E<strong>in</strong>e <strong>Pru<strong>de</strong>n</strong>er Beson<strong><strong>de</strong>r</strong>heit stellt die diphthongische i-Verb<strong>in</strong>dung îi <strong>in</strong> hîiwen<br />

(heben) îisel (Esel); gîi(e)l (gelb); îi(e)rt (Er<strong>de</strong>) (Uml. wg. a, wg. e) o<strong><strong>de</strong>r</strong> Umlaut wg. o<br />

mîirtert (Mörtel); mîi(e)rschel (Mörser) dar; <strong>de</strong>sgleichen <strong><strong>de</strong>r</strong> seltene Diphthong iu, <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

nur für wg. u: <strong>in</strong> bediuren (bedauern), gebiu(e)r (Bauer); hiusz (Haus) gesprochen<br />

wird.<br />

An die Mediascher Ortsmundart kl<strong>in</strong>gt bloß îu (Mediasch iu) für wg. o <strong>in</strong>: bîugen<br />

(Bogen), îuwen (oben, Ofen) an, sonst steht die <strong>Pru<strong>de</strong>n</strong>er Mundart <strong>de</strong>m Schäßburger<br />

Gebiet auch im Vokalismus näher.<br />

Im Vergleich zu an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Dorfmundarten zeichnet sich die <strong>von</strong> <strong>Pru<strong>de</strong>n</strong> durch e<strong>in</strong>en<br />

reichen Vokalismus und, durch die palatalen Verstärkungen, zahlreiche<br />

konsonantische Varianten aus. In <strong><strong>de</strong>r</strong> Mundart <strong>von</strong> <strong>Pru<strong>de</strong>n</strong> treten 43 Laute im<br />

Vokalismus auf, <strong>von</strong> <strong>de</strong>nen 9 e<strong>in</strong>fache Vokale, 25 Diphthonge und 9 unechte<br />

Triphthonge wobei die Burgberger Mundart nur 27 Laute aufweist, da<strong>von</strong> 10 e<strong>in</strong>fache<br />

Vokale, 13 Diphthonge und 4 Triphthonge. Der Vokalreichtum unserer Ortsmundart<br />

wird noch <strong>de</strong>utlicher, wenn wir sie mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Mediascher Mundart vergleichen, die <strong>von</strong><br />

20 Lauten im Vokalismus 12 e<strong>in</strong>fache Vokale, 6 Diphthonge und nur 2 Triphthonge hat.<br />

Nürnberg / 2009<br />

548<br />

Dagmar-Herta Ged<strong><strong>de</strong>r</strong>t


<strong>Pru<strong>de</strong>n</strong> aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Sicht e<strong>in</strong>es Auswärtigen<br />

Julius Henn<strong>in</strong>g<br />

Der bekannte Orgelvirtuose, gebürtig aus <strong>de</strong>m Su<strong>de</strong>tenland, Franz Xaver Dressler<br />

(1898-1981), war neben se<strong>in</strong>en Tätigkeiten auf <strong>de</strong>m Gebiete <strong>de</strong>s Hermannstädter Musiklebens,<br />

vertraut auch mit <strong>de</strong>m Orgelbau, auch tätig im Rahmen <strong><strong>de</strong>r</strong> Evangelischen<br />

Kirche Siebenbürgens, beauftragt mit <strong><strong>de</strong>r</strong> periodischen Überprüfung <strong><strong>de</strong>r</strong> Funktionstüchtigkeit<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Orgeln im Gebiet <strong><strong>de</strong>r</strong> Lan<strong>de</strong>skirche. So führte ihn <strong><strong>de</strong>r</strong> Weg e<strong>in</strong>es Tages,<br />

über Elisabethstadt und Halvelagen kommend, auch nach <strong>Pru<strong>de</strong>n</strong>. Als er die Anhöhe,<br />

die sogenannte „HilI“ überschritten, und sich alsbald <strong><strong>de</strong>r</strong> erste Anblick <strong><strong>de</strong>r</strong> Geme<strong>in</strong><strong>de</strong><br />

eröffnete, soll er <strong>in</strong> diesem Moment, beim Anblick <strong><strong>de</strong>r</strong> Geme<strong>in</strong><strong>de</strong>, gelagert <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

lieblichen Seitental <strong><strong>de</strong>r</strong> Großen Kokel, <strong>von</strong> Wäl<strong><strong>de</strong>r</strong>n umrahmten Wiesen und Fel<strong><strong>de</strong>r</strong>n,<br />

<strong>de</strong>n Ausspruch getan haben: „So schön wie im Schwarzwald“. Dieser Ausspruch fand<br />

sich u.a. auch vermerkt <strong>in</strong> <strong>de</strong>n „Kirchlichen Blättern“ <strong>de</strong>m offiziellen Organ <strong><strong>de</strong>r</strong> Evangelischen<br />

Lan<strong>de</strong>skirche Rumäniens, bei se<strong>in</strong>em Bericht über die Ergebnisse <strong><strong>de</strong>r</strong> Visitation<br />

<strong>in</strong> <strong>Pru<strong>de</strong>n</strong>.<br />

Diese landschaftliche Bewun<strong><strong>de</strong>r</strong>ung hat sich bis <strong>in</strong> unsere Tage fortgesetzt, wenn wir<br />

erleben, dass nach <strong><strong>de</strong>r</strong> politischen Wen<strong>de</strong>, nach <strong>de</strong>m Verlassen <strong><strong>de</strong>r</strong> siebenbürgischsächsischen<br />

Bevölkerung, mehrere Familien <strong>de</strong>utscher Staatsbürger, aus <strong>de</strong>m Lan<strong>de</strong><br />

Sachsen, die mit <strong>de</strong>n Siebenbürger Sachsen nichts geme<strong>in</strong>sam haben, hier <strong>in</strong> <strong>Pru<strong>de</strong>n</strong><br />

das ehemalige evangelische Pfarrhaus saniert und wie<strong><strong>de</strong>r</strong> bewohnbar gemacht haben,<br />

dies als Freizeite<strong>in</strong>richtung abwechselnd, im Laufe <strong>de</strong>s Jahres nutzen, dazu auch das<br />

Kirchengebäu<strong>de</strong> <strong>in</strong> bestem Zustand erhalten.<br />

Was verb<strong>in</strong><strong>de</strong>t mich nun aber als ehemaliger Schässburger mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Geme<strong>in</strong><strong>de</strong> <strong>Pru<strong>de</strong>n</strong> ?<br />

Als Chronist me<strong>in</strong>er Großfamilie Henn<strong>in</strong>g, <strong><strong>de</strong>r</strong>en Wiege seit Beg<strong>in</strong>n <strong>de</strong>s 18-ten Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>ts<br />

<strong>in</strong> Schässburg belegt ist, habe ich bei me<strong>in</strong>em Urgroßvater Johannes Henn<strong>in</strong>g<br />

erfasst, dass dieser, nach <strong>de</strong>m frühen To<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Eltern, als Waise, herangewachsen <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Familie e<strong>in</strong>er Schwester, e<strong>in</strong>e Kathar<strong>in</strong>a Nussbaumer heiratete, die wie<strong><strong>de</strong>r</strong>um e<strong>in</strong>en<br />

Bru<strong><strong>de</strong>r</strong> Johannes hatte, Pfarrer <strong>in</strong> <strong>Pru<strong>de</strong>n</strong>. Die Nussbaumers waren <strong>in</strong> Schässburg e<strong>in</strong>e<br />

angesehene Handwerkerfamilie, auch mit<br />

Wür<strong>de</strong>nträgern <strong><strong>de</strong>r</strong> Stadt. Als die Tochter<br />

Kathar<strong>in</strong>a me<strong>in</strong>en Urgroßvater heiratete,<br />

schrieb <strong><strong>de</strong>r</strong> se<strong>in</strong>erzeitige Chronist: „Er (Johannes<br />

Henn<strong>in</strong>g), muss e<strong>in</strong> stattlicher Bursche<br />

gewesen se<strong>in</strong>, wenn er die Zuneigung<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> reichen Kathar<strong>in</strong>a Nussbaumer fand“.<br />

Weiter steht da: „Die junge Frau war geweckten<br />

Geistes, las viel <strong>in</strong> nützlichen Bü-<br />

Die alte idyllische Kirche<br />

chern, welche ihr <strong><strong>de</strong>r</strong> Bru<strong><strong>de</strong>r</strong> Johannes,<br />

Pfarrer <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Geme<strong>in</strong><strong>de</strong> <strong>Pru<strong>de</strong>n</strong>, verschaff-<br />

te“. E<strong>in</strong>er <strong><strong>de</strong>r</strong> Söhne dieses Johannes Henn<strong>in</strong>g und <strong><strong>de</strong>r</strong> Kathar<strong>in</strong>a geb. Nussbaumer, <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Theologie studieren wollte, genoss die Gunst se<strong>in</strong>es Onkels Nussbaumer, <strong>de</strong>m Pfarrer<br />

<strong>von</strong> <strong>Pru<strong>de</strong>n</strong>, welcher ihm erlaubte und ihn dadurch för<strong><strong>de</strong>r</strong>te, dass er ihn e<strong>in</strong>ige Male im<br />

letzten Gymnasialjahr im Gottesdienst <strong>in</strong> <strong>Pru<strong>de</strong>n</strong> die Predigt halten ließ.<br />

549


Im Zeitraum <strong><strong>de</strong>r</strong> Amtstätigkeit <strong>von</strong> Johannes Nussbaumer als Pfarrer <strong>in</strong> <strong>Pru<strong>de</strong>n</strong>, vom<br />

Jahre 1831 bis 1857, bis zu se<strong>in</strong>em To<strong>de</strong>, kamen aus Schässburg immer wie<strong><strong>de</strong>r</strong> junge<br />

Paare, Verwandte und Bekannte <strong><strong>de</strong>r</strong> Familie, um sich <strong>in</strong> <strong>de</strong>m lieblichen <strong>Pru<strong>de</strong>n</strong>, <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

idyllischen Kirche, <strong>von</strong> <strong>de</strong>m beliebten Pfarrer trauen zu lassen.<br />

Die Schässburger Bläsergruppe und die Prudner Adjuvanten, im Februar 1938<br />

Georg Ged<strong><strong>de</strong>r</strong>t (Bass), vor ihm He<strong>in</strong>rich Weisskopf, Schässburg<br />

v. r. Mitte: Georg Zikeli, Schässburger, Rudolf Höhr, Michael Türk, Georg Keul und Elise Ged<strong><strong>de</strong>r</strong>t<br />

v.r.unten: Johann Löw, Schässburger, Johann Lang, Schässburger und Johann Leutner<br />

Wenn <strong>Pru<strong>de</strong>n</strong> auch zu <strong>de</strong>n kle<strong>in</strong>eren Geme<strong>in</strong><strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Kreises zählte, die Landschaft erlaubte<br />

ke<strong>in</strong>e größere Aus<strong>de</strong>hnung, so hatte sie doch gute Wirtschafter <strong>in</strong> <strong>de</strong>n Bauern<br />

<strong>de</strong>s Dorfes. Außer <strong>de</strong>n landwirtschaftlichen Haupterzeugnissen, hatte die Geme<strong>in</strong><strong>de</strong><br />

e<strong>in</strong>e gute Milchwirtschaft, auf <strong>de</strong>m Markte <strong>von</strong> Schässburg war <strong><strong>de</strong>r</strong> Prudner Sauerrahm<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Gesuchteste; ebenso wur<strong>de</strong> dieser Markt mit viel Geflügel und bestgefütter-<br />

Ausflug nach <strong>Pru<strong>de</strong>n</strong><br />

550


ten Gänsen beschickt. Selbst die wenigen Zigeunerfamilien die sich am Ortsran<strong>de</strong> im<br />

Laufe <strong><strong>de</strong>r</strong> Jahre, als Arbeiter bei <strong>de</strong>n Sachsen, angesie<strong>de</strong>lt hatten, brachten es weiter als<br />

<strong>in</strong> an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Orten, sprachen alle die siebenbürgisch-sächsische Mundart, arbeiteten<br />

auch außerhalb <strong>de</strong>s Ortes. So konnte ich e<strong>in</strong>ige dieser Männer persönlich erleben, als<br />

sie am Grundstück me<strong>in</strong>er Eltern, <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Rohrau bei Schässburg, das Gras mähen kamen,<br />

und schon beim ersten Morgengrauen bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeit waren, sich das noch taunasse<br />

Gras leichter mähen ließ.<br />

Mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Stadt Schässburg gab es Austausche auch kultureller Art. So zum Beispiel zeugt<br />

das hier auch beiliegen<strong>de</strong> Foto <strong>de</strong>s Jahres 1938 <strong>von</strong> <strong>de</strong>m Besuch e<strong>in</strong>er Gruppe <strong><strong>de</strong>r</strong> Blaskapelle<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Freiwilligen Feuerwehr <strong>von</strong> Schässburg, die mit <strong>de</strong>m Zug bis Dunnesdorf<br />

angefahren war und <strong>von</strong> dort mit Pfer<strong>de</strong>wägen nach <strong>Pru<strong>de</strong>n</strong> weitergeleitet wur<strong>de</strong>. Veranlasst<br />

hatte diesen Erfahrungsaustausch mit <strong>de</strong>n Prudner Adjuvanten, <strong><strong>de</strong>r</strong> damalige<br />

Schulrektor und Dirigent <strong><strong>de</strong>r</strong> Prudner Adjuvanten, Rudolf Höhr, <strong><strong>de</strong>r</strong> gute Beziehungen<br />

zu <strong>de</strong>n Schässburger Musikern hatte. Bei<strong>de</strong> Formationen spielten· zunächst e<strong>in</strong>ige Vortragsstücke<br />

und am Nachmittag zum Tanze im Saal auf. Deutlich zu erkennen auf <strong>de</strong>m<br />

Bild <strong>von</strong> <strong>de</strong>n Schässsburger Gästen, <strong><strong>de</strong>r</strong> Schwiegervater <strong>von</strong> Lukas Ged<strong><strong>de</strong>r</strong>t, He<strong>in</strong>rich<br />

Weisskopf, Schnei<strong><strong>de</strong>r</strong>meister <strong>in</strong> Schässburg, Klar<strong>in</strong>ettenbläser <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Blaskapelle und<br />

im Orchester <strong>de</strong>s Musikvere<strong>in</strong>s. Im Jahre 1951 besuchte die IV-te Sem<strong>in</strong>arklasse <strong>von</strong><br />

Schässburg <strong>Pru<strong>de</strong>n</strong>, e<strong>in</strong>e Instrumentalgruppe <strong><strong>de</strong>r</strong> Sem<strong>in</strong>aristenkapelle spielte, unter <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Leitung <strong>von</strong> Hans Jakobi, zum Tanze auf. Erwähnt wer<strong>de</strong>n kann, belegt auch mit <strong>de</strong>m<br />

beiliegen<strong>de</strong>n Foto, <strong><strong>de</strong>r</strong> Besuch <strong><strong>de</strong>r</strong> im Internat <strong>de</strong>s Bischof-Teutsch-Gymnasiums<br />

Schässburg wohnen<strong>de</strong>n Schüler, die im Jahre 1930 ihren Herbstausflug nach <strong>Pru<strong>de</strong>n</strong> unternahmen.<br />

Man sieht die Schüler auf <strong>de</strong>m Bild <strong>in</strong> größerer Anzahl, vor <strong><strong>de</strong>r</strong> Prudner Kirche.<br />

Darunter auch <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> I-ten Gymnasialklasse,<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Prima, sich bef<strong>in</strong>dliche Prudner Fritz Menn<strong>in</strong>g<br />

(späterer Direktor <strong><strong>de</strong>r</strong> Bergschule <strong>von</strong><br />

Schässburg), <strong>de</strong>ssen Vater, auch Fritz Menn<strong>in</strong>g,<br />

<strong>de</strong>n angereisten Schülern e<strong>in</strong>en großen Korb (Fälpes)<br />

reifer Trauben aus <strong>de</strong>m We<strong>in</strong>berg brachte, wofür<br />

ihm <strong><strong>de</strong>r</strong> Ausflugsleiter, <strong><strong>de</strong>r</strong> Leiter <strong>de</strong>s Internats<br />

(Alberthauses) mit <strong>de</strong>m hier beiliegen<strong>de</strong>n Foto mit<br />

<strong>in</strong> alt<strong>de</strong>utscher Schrift abgefaßten Widmung vom<br />

12.XI.l930: „Herrn Fritz Menn<strong>in</strong>g, zur frdl. Er<strong>in</strong>nerung<br />

an unsern Herbstausflug nach <strong>Pru<strong>de</strong>n</strong> -<br />

12.XI.1930 - Das Alberthaus. gez. Prof. H. Theil“<br />

dankte.<br />

Julius Henn<strong>in</strong>g 2008 Als abschließen<strong>de</strong> Würdigung kann ich nur sagen,<br />

auch e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>ere Geme<strong>in</strong><strong>de</strong> kann ihre Be<strong>de</strong>utung, ihre Geschichte haben, wie dies sich<br />

auch aus allen Beiträgen zur Prudner Geme<strong>in</strong><strong>de</strong>chronik ergeben wird. Ich wünsche <strong>de</strong>m<br />

Redaktionsteam viel Erfolg, diese Arbeit zu e<strong>in</strong>em guten Abschluss zu br<strong>in</strong>gen.<br />

Pforzheim im Januar 2009 Julius Henn<strong>in</strong>g<br />

551


Der Kampf mit <strong>de</strong>m Wildschwe<strong>in</strong><br />

Alfred Tatter<br />

Es war im W<strong>in</strong>ter 1940/41. Me<strong>in</strong> Bru<strong><strong>de</strong>r</strong> Franz und ich waren beim Holzmachen im<br />

Bunj<strong>de</strong>l (ich schreibe <strong>de</strong>n Namen <strong>in</strong> unserer sächsischen Mundart). Wir waren fast<br />

ganz h<strong>in</strong>ten im W<strong>in</strong>kel, dort wo die Jugend immer das Immergrün holte. Wir waren<br />

dort ganz alle<strong>in</strong>, aber weiter vorne, etwa 200 m <strong>von</strong> uns, waren noch mehrere am<br />

Holzmachen, die wir nur hören, jedoch nicht sehen konnten, weil dort <strong><strong>de</strong>r</strong> Wald e<strong>in</strong>en<br />

Bogen macht.<br />

Das Wildschwe<strong>in</strong> ersche<strong>in</strong>t<br />

Plötzlich brach bei <strong>de</strong>nen e<strong>in</strong> großes Geschrei aus. Wir ahnten etwas Ungewöhnliches.<br />

Nach<strong>de</strong>m das Getöse etwa e<strong>in</strong>e M<strong>in</strong>ute gedauert hatte, sahen wir auch schon e<strong>in</strong><br />

Wildschwe<strong>in</strong>, welches das Tal <strong>in</strong> Richtung „Breite“ durchqueren wollte, h<strong>in</strong>terher<br />

etwa 6-7 Mann und e<strong>in</strong> Hund. Der Hund gehörte Hans Botschner, <strong><strong>de</strong>r</strong> neben <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Kirche wohnte. Er selber war auch dabei und außer ihm noch me<strong>in</strong> Cous<strong>in</strong> Franz<br />

Menn<strong>in</strong>g und <strong><strong>de</strong>r</strong> Paul Michael. Die an<strong><strong>de</strong>r</strong>en habe ich vergessen. Wir greifen e<strong>in</strong> sobald<br />

wir das Wildschwe<strong>in</strong> sahen, liefen wir auch h<strong>in</strong>. Me<strong>in</strong> Bru<strong><strong>de</strong>r</strong> hatte se<strong>in</strong>e Axt fallen<br />

lassen, aber ich nahm me<strong>in</strong>e mit. Wir kamen <strong>in</strong> die Nähe, etwa 50 m <strong>von</strong> Michael<br />

Keuls Hütte. E<strong>in</strong>en Stecken brach sich me<strong>in</strong> Bru<strong><strong>de</strong>r</strong> ab und g<strong>in</strong>g das Schwe<strong>in</strong> <strong>von</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

552


Seite an. Als er ihm zu nahe kam, gab das Schwe<strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Laut <strong>von</strong> sich und g<strong>in</strong>g mit<br />

offenem Maul auf ihn zu. Doch als me<strong>in</strong> Bru<strong><strong>de</strong>r</strong> zwei Schritte zurückwich, ließ es<br />

wie<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>von</strong> ihm ab und lief se<strong>in</strong>en Weg weiter.<br />

Die Erlegung <strong>de</strong>s Schwe<strong>in</strong>s<br />

Es hatte ihm noch ke<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>en Schlag gegeben. Am wenigsten traute sich <strong><strong>de</strong>r</strong> Hund<br />

ran. Der machte <strong>de</strong>n größten Bogen um das Schwe<strong>in</strong>, das <strong>in</strong>zwischen nur noch 5 m vom<br />

Waldrand entfernt war. Dort war Gestrüpp, es durfte uns also nicht dorth<strong>in</strong> entwischen.<br />

Deshalb setzte ich zu e<strong>in</strong>em Spurt an und dann verlief alles genau so wie ich es mir<br />

vorgestellt hatte: Den ersten Schlag mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Axt versetzte ich ihm aufs Kreuz. Das<br />

Schwe<strong>in</strong> gab e<strong>in</strong>en gräßlichen Laut <strong>von</strong> sich und drehte sich um, so traf ich es mit <strong>de</strong>m<br />

zweiten Schlag auf die Stirn und es brach zusammen. Damit es ausblutete hieb ich ihm<br />

die Kehle durch. Nun muß ich unseren Freund, <strong>de</strong>n Michael Paul , noch e<strong>in</strong>mal extra erwähnen.<br />

Als wir nun so um das Schwe<strong>in</strong> herumstan<strong>de</strong>n - wir waren 8 o<strong><strong>de</strong>r</strong> 9 Mann - da<br />

trat er auf mich zu, griff nach me<strong>in</strong>er Axt und sagte:<br />

„Lass mich doch die Balmung ( Siegfrieds Schwert ) e<strong>in</strong>mal ansehen!“<br />

Das Schwe<strong>in</strong> wur<strong>de</strong> dann auf e<strong>in</strong>en nie<strong><strong>de</strong>r</strong>en Schlitten gela<strong>de</strong>n und beim<br />

Bürgermeister Keul abgeliefert. Dort übernahm es <strong><strong>de</strong>r</strong> Jäger Fritz Weprich und<br />

verwertete es, ich erhielt e<strong>in</strong> Stück da<strong>von</strong>.<br />

Er<strong>in</strong>nerung an Michael Paul<br />

In <strong><strong>de</strong>r</strong> Annahme, daß unser Freund Michael Paul unsere „Prudner Nachrichten“ auch<br />

erhält, möchte ich ihn, aber auch alle an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Landsleute an das Lied er<strong>in</strong>nern, das se<strong>in</strong><br />

Bru<strong><strong>de</strong>r</strong> Franz Paul aus Heltau nach <strong>Pru<strong>de</strong>n</strong> gebracht hatte und es auf <strong>de</strong>m<br />

Schifferklavier spielte. Sie sangen dann bei<strong>de</strong> dazu. Die zweite Strophe begann so:<br />

Nach England angelangt<br />

nahm ich gleich zur Hand<br />

Bleistift und Papier<br />

schrieb dies Briefle<strong>in</strong> Dir usw.<br />

Lieber Michael, damals hat niemand geahnt, daß Du e<strong>in</strong>mal <strong>in</strong> England lan<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong>st.<br />

Und niemand hat geahnt, daß wir, die wir damals e<strong>in</strong>en so kle<strong>in</strong>en Kreis um das Wildschwe<strong>in</strong><br />

bil<strong>de</strong>ten, e<strong>in</strong>mal so weit ause<strong>in</strong>an<strong><strong>de</strong>r</strong>geraten wür<strong>de</strong>n. Du <strong>in</strong> England, <strong><strong>de</strong>r</strong> Hans<br />

Botschner am Chiemsee, <strong><strong>de</strong>r</strong> Franz Menn<strong>in</strong>g noch <strong>in</strong> Rumänien, ich <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Frankfurter<br />

Gegend. Me<strong>in</strong> Bru<strong><strong>de</strong>r</strong> liegt auf e<strong>in</strong>em Hel<strong>de</strong>nfriedhof <strong>in</strong> Italien, auf e<strong>in</strong>em Berg über 900<br />

m hoch unter fast 32. 000 Gefallenen, zwischen Bologna und Firenz. Dies zur Information<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Landsleute, die noch nicht wußten, wo me<strong>in</strong> Bru<strong><strong>de</strong>r</strong> geblieben ist.<br />

Herzlichen Gruß an alle Prudner <strong>von</strong><br />

553<br />

Alfred Tatter


Der Fürstenbrunnen<br />

Zwischen <strong>Pru<strong>de</strong>n</strong> und Zen<strong><strong>de</strong>r</strong>sch liegt unterhalb <strong>de</strong>s Wal<strong>de</strong>s e<strong>in</strong> entlegener W<strong>in</strong>kel -<br />

„Klesdaul“ (Kiestal) genannt -, wo sich e<strong>in</strong>e fliessen<strong>de</strong> Quelle bef<strong>in</strong><strong>de</strong>t, die <strong>von</strong> <strong>de</strong>n<br />

Prudnern als Fürstenbrunnen bezeichnet wird. Hier hielt sich früher viel Wild auf, und<br />

oft kamen hierher Jäger, um zu jagen. E<strong>in</strong>mal veranstaltete hier e<strong>in</strong> Fürst e<strong>in</strong>e grosse<br />

Jagd, zu <strong><strong>de</strong>r</strong> er viele Adlige e<strong>in</strong>lud, darunter auch e<strong>in</strong>en armen Grafen, <strong><strong>de</strong>r</strong> se<strong>in</strong>er<br />

schönen Tochter <strong>de</strong>n Hof machte. Das Mädchen hatte sich gleichfalls <strong>in</strong> <strong>de</strong>n jungen<br />

Mann verliebt und wollte unter ke<strong>in</strong>en Umstän<strong>de</strong>n <strong>von</strong> ihm lassen, wiewohl ihr Vater<br />

alles <strong>in</strong> Bewegung gesetzt hatte, um das Liebesglück <strong><strong>de</strong>r</strong> bei<strong>de</strong>n zu zerstören. Als se<strong>in</strong><br />

Bemühen ohne Erfolg blieb, warb er Mör<strong><strong>de</strong>r</strong>, die <strong>de</strong>n Grafen während <strong><strong>de</strong>r</strong> Jagd<br />

meuchl<strong>in</strong>gs ums Leben br<strong>in</strong>gen sollten. Als <strong><strong>de</strong>r</strong> Graf alle<strong>in</strong> zur Quelle im „Klesdaul“<br />

ritt, vom Pferd stieg und sich bückte, um Wasser zu tr<strong>in</strong>ken. trat e<strong>in</strong>er <strong><strong>de</strong>r</strong> gedungenen<br />

Mordgesellen aus <strong>de</strong>m Busch hervor und stiess <strong>de</strong>m Tr<strong>in</strong>ken<strong>de</strong>n e<strong>in</strong>en Dolch <strong>in</strong> <strong>de</strong>n<br />

Rücken: Der Mann blieb tot an <strong><strong>de</strong>r</strong> Quelle liegen. Der Mör<strong><strong>de</strong>r</strong> bekam nach vollen<strong>de</strong>ter<br />

Tat se<strong>in</strong> Blutgeld vom Fürsten, <strong><strong>de</strong>r</strong> überaus froh war, <strong>de</strong>n nicht stan<strong>de</strong>sgemässen<br />

Liebhaber se<strong>in</strong>er Tochter aus <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Welt</strong> geschafft zu haben. Nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Jagd fragte das<br />

Mädchen se<strong>in</strong>en Vater, wo <strong><strong>de</strong>r</strong> junge Graf <strong>de</strong>nn geblieben sei, da er noch immer nicht<br />

komme. Der Fürst erklärte ihr, dass er nichts über se<strong>in</strong>en Verbleib wüsste. Doch das<br />

Mädchen erfuhr, was draussen im Wald geschehen war. Sie eilte rasch zum Brunnen<br />

und fand dort ihren toten Geliebten. Vom Schmerz überwältigt, legte sie sich neben <strong>de</strong>n<br />

Toten, zog <strong>de</strong>n Dolch aus <strong>de</strong>ssen Leib und stiess sich ihn <strong>in</strong>s Herz.<br />

Als <strong><strong>de</strong>r</strong> Fürst das Verschw<strong>in</strong><strong>de</strong>n se<strong>in</strong>er Tochter ent<strong>de</strong>ckte, liess er sie, sofort überall<br />

suchen. Endlich brachte man ihm die Nachricht, dass sie tot neben <strong>de</strong>m ermor<strong>de</strong>ten<br />

Grafen liege. Da wur<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Fürst traurig. Nach e<strong>in</strong>igen Tagen liess <strong><strong>de</strong>r</strong> vom Schmerz<br />

über <strong>de</strong>n Tod se<strong>in</strong>er Tochter gebrochene Fürst alle Väter <strong>von</strong> erwachsenen K<strong>in</strong><strong><strong>de</strong>r</strong>n zu<br />

sich rufen und erzählte ihnen die Geschichte se<strong>in</strong>er Tochter und das <strong>von</strong> ihm an ihr<br />

begangene Verbrechen. „Begreifet, ihr Männer, was aus Liebe und Liebesschmerz<br />

entstehen kann“ sprach er abschliessend. „Lasset daher euren K<strong>in</strong><strong><strong>de</strong>r</strong>n die Wahl, sich<br />

ihre Lebenspartner selbst auszusuchen und zw<strong>in</strong>get sie nicht, unglücklich zu se<strong>in</strong>!“<br />

Seit dieser traurigen Begebenheit heisst jene Quelle zwischen <strong>Pru<strong>de</strong>n</strong> und Zen<strong><strong>de</strong>r</strong>sch<br />

Fürstenbrunnen.<br />

Aus: „Neuer Weg“, vom 4. Juli 1987<br />

Der Zauberbusch <strong>in</strong> <strong>Pru<strong>de</strong>n</strong><br />

Der Zauberbusch ist e<strong>in</strong> enger, fast dunkler W<strong>in</strong>kel, <strong><strong>de</strong>r</strong> sich vom Nordwesten gegen<br />

Südosten h<strong>in</strong>zieht und <strong>de</strong>ssen bei<strong><strong>de</strong>r</strong>seitige sehr steile Berge vom oberen Kamme bis<br />

zur Talsohle mit dichten Büschen bewachsen s<strong>in</strong>d.<br />

Hier hauste <strong>in</strong> alten Zeiten e<strong>in</strong> leben<strong>de</strong>s Wesen; dasselbe hatte nur e<strong>in</strong>en Gänsefuß, trug<br />

e<strong>in</strong>en dreieckigen Hut, grauen Bart, ähnlich <strong>de</strong>m e<strong>in</strong>es Popen und e<strong>in</strong> großes dickes<br />

Buch, woraus es Zauberformeln sprach.<br />

Siebenbürgische Sagen <strong>von</strong> Friedrich Müller & Misch Orend 1972<br />

554


Witze<br />

Ehe - Witz<br />

Sie sagt: „ Me<strong>in</strong> süßer Liebl<strong>in</strong>g, me<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>es Schatzile<strong>in</strong>, me<strong>in</strong> Schnuckiputzi!“<br />

Er: „Ja, was ist <strong>de</strong>nn, Liebes?“<br />

Sie: „Halt <strong>de</strong>n Mund, ich re<strong>de</strong> mit <strong>de</strong>m Hund!“<br />

Der Ehemann ist vor Sorge ganz grün im Gesicht. Fragt ihn e<strong>in</strong> Freund: „Was ist <strong>de</strong>nn<br />

los mit dir?“ „Ich mache mir Sorgen um me<strong>in</strong>e Frau.“ „Was hat sie <strong>de</strong>nn?“ „Das Auto.“<br />

E<strong>in</strong> Mann kommt betrunken um vier Uhr morgens heim. Im Flur steht se<strong>in</strong>e Frau,<br />

wütend, mit e<strong>in</strong>em Besen <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Hand. Fragt er: „Bist du am Putzen o<strong><strong>de</strong>r</strong> fliegst du<br />

weg?“<br />

Bauern - Witz<br />

E<strong>in</strong> Bauer zum an<strong><strong>de</strong>r</strong>en im Lokal: „Sag mal, Hubert, rauchen <strong>de</strong><strong>in</strong>e Kühe?“<br />

„Blöds<strong>in</strong>n, natürlich nicht.“ - „Dann brennt <strong>de</strong><strong>in</strong> Stall!“<br />

Auto - Witz<br />

E<strong>in</strong> Polizist stoppt e<strong>in</strong>en Wagen. Der Fahrer ist völlig blau. Polizist; „Me<strong>in</strong> Herr, <strong>in</strong><br />

Ihrem Zustand sollten Sie die Hän<strong>de</strong> weg vom Steuer lassen!“ Autofahrer: „Was?<br />

Wenn ich besoffen b<strong>in</strong>, soll ich auch noch freihändig fahren?“<br />

Patienten - Witz<br />

„Stell dir vor, bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Operation hat <strong><strong>de</strong>r</strong> Arzt e<strong>in</strong>en Schwamm <strong>in</strong> me<strong>in</strong>em Magen<br />

vergessen.“ „Wie schrecklich, hast du sicher furchtbare Schmerzen?“ „Ne<strong>in</strong>, aber<br />

dieser ständige Durst...“<br />

Der Arzt stellt e<strong>in</strong> Rezept aus und sagt: „Sie müssen das Medikament <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Zug<br />

nehmen!“ „Das trifft sich ja gut, ich arbeite bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Deutschen Bahn!“<br />

„Und <strong>von</strong> diesen Tropfen,“ sagt <strong><strong>de</strong>r</strong> Augenarzt zum Patienten, „ träufeln Sie dreimal<br />

täglich vier <strong>in</strong> je<strong>de</strong>s Auge.“ - „Vor o<strong><strong>de</strong>r</strong> nach <strong>de</strong>m Essen, Herr Doktor?“<br />

Psychiater - Witz<br />

Kommt e<strong>in</strong>e Frau zum Psychiater: „Herr Doktor, ich glaube, me<strong>in</strong> Mann ist verrückt!<br />

Je<strong>de</strong>n Morgen beim Frühstück isst er die Kaffeetasse auf und lässt nur <strong>de</strong>n Henkel<br />

übrig.“ Sagt <strong><strong>de</strong>r</strong> Arzt: „So e<strong>in</strong> Irrer, wo <strong><strong>de</strong>r</strong> Henkel doch das Beste ist.“<br />

Angler - Witz<br />

E<strong>in</strong> Angler geht Eisfischen. Als er e<strong>in</strong> Loch <strong>in</strong> die Eisfläche geschlagen hat, ertönt e<strong>in</strong>e<br />

Stimme: „Hier gibt es ke<strong>in</strong>e Fische!“ Der Mann geht weiter, klopft e<strong>in</strong> neues Loch.<br />

Wie<strong><strong>de</strong>r</strong> die Stimme: „Hier gibt es ke<strong>in</strong>e Fische!“ Beim dritten Mal hebt <strong><strong>de</strong>r</strong> Mann die<br />

Angel zum Himmel, fragt: „Bist du es o Herr?“ Darauf die Stimme: „Ne<strong>in</strong> , ich b<strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Platzwart vom Eisstadion.“<br />

555


Abschlussarbeiten am Heimatbuch <strong>Pru<strong>de</strong>n</strong><br />

Horst Göbbel und Lukas Ged<strong><strong>de</strong>r</strong>t / März 2009 Foto: Dagmar - Herta Ged<strong><strong>de</strong>r</strong>t<br />

Dieter Wolff und Lukas Ged<strong><strong>de</strong>r</strong>t / März 2009<br />

556


Vermächtnis und Ausblick<br />

E<strong>in</strong>e jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>tealte Inschrift an <strong><strong>de</strong>r</strong> Stadtmauer <strong>von</strong> D<strong>in</strong>kelsbühl<br />

„Pax <strong>in</strong>trantibus, salus exeuntibus“<br />

„Frie<strong>de</strong> <strong>de</strong>n E<strong>in</strong>kehren<strong>de</strong>n, Wohlergehen <strong>de</strong>n Fortgehen<strong>de</strong>n<br />

E<strong>in</strong>e jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>tealte Inschrift am Spitaltor <strong>in</strong> Rothenburg<br />

557


Geme<strong>in</strong>schaft <strong><strong>de</strong>r</strong> Prudner Siebenbürger Sachsen -<br />

wie lange noch ?<br />

Nach gegenwärtigem Stand <strong><strong>de</strong>r</strong> D<strong>in</strong>ge und unter Berücksichtigung <strong><strong>de</strong>r</strong> radikalen<br />

Entwicklungen <strong><strong>de</strong>r</strong> letzten rund 60 Jahre muss offen bekannt wer<strong>de</strong>n: die<br />

siebenbürgisch-sächsische Geme<strong>in</strong>schaft <strong><strong>de</strong>r</strong> Prudner wird wohl <strong>in</strong> absehbarer<br />

Zeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Geschichte angehören. Jedoch: so lange es noch gebürtige Siebenbürger<br />

Sachsen bzw. <strong>von</strong> gebürtigen Siebenbürger Sachsen Abstammen<strong>de</strong> aus <strong>Pru<strong>de</strong>n</strong><br />

gibt, die e<strong>in</strong>erseits das durch ihre siebenbürgisch-sächsische I<strong>de</strong>ntität geprägte<br />

Bedürfnis und Bewußtse<strong>in</strong> haben, ihr Gefühl <strong><strong>de</strong>r</strong> Zusammengehörig-<br />

„Stadtbauste<strong>in</strong>“ am Münsterplatz <strong>in</strong> D<strong>in</strong>kelsbühl<br />

keit zu äußern und so lange es Siebenbürger Sachsen o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>von</strong> diesen Abstammen<strong>de</strong><br />

gibt, die sich engagiert dafür e<strong>in</strong>setzten, diese Geme<strong>in</strong>schaft, solange es<br />

sie gibt, organisatorisch zu betreuen, diese Menschen zu verschie<strong>de</strong>nen Anlässen<br />

und Veranstaltungen zusammenzuführen, wird es diese Geme<strong>in</strong>schaft<br />

noch geben.<br />

E<strong>in</strong>es bleibt klar: Diese Geme<strong>in</strong>schaft ist es wert, erhalten zu bleiben.<br />

Möge auch diese Prudner Veröffentlichung dazu beitragen.<br />

Nürnberg, im Februar 2009 Lukas Ged<strong><strong>de</strong>r</strong>t<br />

558


Auswahl<br />

Quellen- und Literaturverzeichnis<br />

Quellen – Bibliografie<br />

Zur Erstellung <strong>de</strong>s Heimatbuches <strong>Pru<strong>de</strong>n</strong> wur<strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>ne Quellen benützt. Meistens<br />

haben die e<strong>in</strong>zelnen Verfasser ihre Quellen im Text selbst genannt. Hier soll auch<br />

<strong>de</strong>swegen nur e<strong>in</strong>e m<strong>in</strong>imale Auswahl <strong>von</strong> benutzten Quellen aufgelistet wer<strong>de</strong>n.<br />

Baier, Hannelore: Deportarea etnicilor germani d<strong>in</strong> România în Uniunea Sovietică.<br />

1945, Sibiu, 1994.<br />

Bergel, Hans/Myß: Walter (Hrsg.): Wir Siebenbürger. Wort und <strong>Welt</strong> Verlag Innsbruck<br />

1986.<br />

Bun<strong>de</strong>szentrale für politische Bildung (Hrsg.): Informationen zur politischen Bildung<br />

225 Ostmitteleuropa und Südosteuropa, Bonn, 1989.<br />

Dokumentation <strong><strong>de</strong>r</strong> Vertreibung <strong><strong>de</strong>r</strong> Deutschen aus Ost-Mitteleuropa Band 3: Das<br />

Schicksal <strong><strong>de</strong>r</strong> Deutschen <strong>in</strong> Rumänien, Herausgeber: Bun<strong>de</strong>sm<strong>in</strong>isterium für Vertriebene,<br />

Flüchtl<strong>in</strong>ge und Kriegsgeschädigte, dtv München 1984 (unverän<strong><strong>de</strong>r</strong>ter Nachdruck<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Ausgabe <strong>von</strong> 1957).<br />

Fab<strong>in</strong>i, Hermann: Atlas <strong><strong>de</strong>r</strong> siebenbürgisch-sächsischen Kirchenburgen und Dorfkirchen<br />

Band I, Monumenta Verlag Hermannstadt Band I, 1998, Band II, 1999.<br />

Frühm, Thomas: Wetterleuchten über Siebenbürgen. Er<strong>in</strong>nerungen e<strong>in</strong>es siebenbürgisch-sächsischen<br />

Schulmannes, Verlag <strong>de</strong>s Südost<strong>de</strong>utschen Kulturwerks, München<br />

1958.<br />

Gerster, Georg/Rill, Mart<strong>in</strong>: Siebenbürgen im Flug. Das <strong>de</strong>utsche Siedlungsgebiet: se<strong>in</strong>e<br />

Kirchenburgen, Dörfer, Städte und Landschaften, Edition Wort und <strong>Welt</strong>, München,<br />

1997.<br />

Göbbel, Horst (Hrsg.): Abschied aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Geschichte – Jaad <strong>in</strong> Siebenbürgen – Wer<strong>de</strong>n<br />

und Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>gang e<strong>in</strong>er <strong>de</strong>utschen Geme<strong>in</strong><strong>de</strong>, Nürnberg 1990.<br />

Kroner, Michael/Göbbel, Horst: Vor 50 Jahren: Flucht – Deportation – Enteignung –<br />

Entrechtung – Die Siebenbürger Sachsen – 23. August 1944 bis 1947, Nürnberg 1994.<br />

Kroner, Michael: Von <strong><strong>de</strong>r</strong> Ansiedlung bis zur Aussiedlung – 850 Jahre Siebenbürger<br />

Sachsen, Nürnberg 1992.<br />

Kroner, Michael: Schriftenreihe Geschichte <strong><strong>de</strong>r</strong> Siebenbürger Sachsen und ihrer wirtschaftlich-kulturellen<br />

Leistungen (<strong>in</strong> 12 Heften: 1. Völkervielfalt und staatliche Zugehörigkeit<br />

Siebenbürgens. 2. Die Siebenbürger Sachsen vor <strong><strong>de</strong>r</strong> Ansiedlung bis zur Auflösung<br />

<strong>de</strong>s Königsbo<strong>de</strong>ns 1876. Ihre Rechtslage auf Sachsen- und Komitatsbo<strong>de</strong>n,<br />

Mongolene<strong>in</strong>fälle, Türkenabwehr, Bürgerkriege, Revolution <strong>von</strong> 1848/49. 3. Im ungarischen<br />

und rumänischen Staatsverband <strong>von</strong> 1876 bis 1940. Die Siebenbürger Sachsen<br />

im R<strong>in</strong>gen um nationale Selbstbehauptung. 4. Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>gang und Auflösung e<strong>in</strong>es<br />

850jährigen Geme<strong>in</strong>wesens (1940 bis 1999). Die Siebenbürger Sachsen <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Zeit <strong>de</strong>s<br />

Nationalsozialismus, Kommunismus und Postkommunismus. 5. Wirtschaftliche Leistungen<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Siebenbürger Sachsen. Städtewesen, Zünfte, Han<strong>de</strong>l, Industrie, Banken,<br />

Landwirtschaft. 6. Kirche und Schule bei <strong>de</strong>n Siebenbürger Sachsen. Stützen e<strong>in</strong>es<br />

559


850jährigen <strong>de</strong>utschen Geme<strong>in</strong>wesens. 7. Kultur- und Kunst<strong>de</strong>nkmäler <strong><strong>de</strong>r</strong> Siebenbürger<br />

Sachsen. Architekturhistorische und kunstgeschichtliche Entwicklung <strong><strong>de</strong>r</strong> Dörfer<br />

und Städte, <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen und Kirchenburgen sowie an<strong><strong>de</strong>r</strong>er Wehranlagen und weltlicher<br />

Bauwerke. Kunstgewerbe und bil<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Kunst. 8. Siebenbürgisch-sächsische Kulturleistungen.<br />

Literatur, Wissenschaft, Theater, Musik, Buchdruck, Museen, Pressewesen.<br />

9. Geme<strong>in</strong>schaftliche E<strong>in</strong>richtungen, Brauchtum und Sprache. Vere<strong>in</strong>sleben, Nachbarschaften,<br />

Bru<strong><strong>de</strong>r</strong>- und Schwesternschaften, Brauchtum, Feste, Volkskunst, Trachten,<br />

Mundart.10. Die Siebenbürger Sachsen <strong>in</strong> Deutschland, Österreich, <strong>de</strong>n USA und<br />

Kanada. 11. Geschichte <strong><strong>de</strong>r</strong> Siebenbürger Sachsen <strong>in</strong> Daten. 12. Urkun<strong>de</strong>n, Dokumente,<br />

Berichte zur Geschichte <strong><strong>de</strong>r</strong> Siebenbürger Sachsen) Nürnberg 1997-2002.<br />

Diese Texte veröffentlichte Dr. Michael Kroner 2007 und 2008 zusammengefasst <strong>in</strong><br />

zwei stattlichen Bän<strong>de</strong>n unter <strong>de</strong>m Titel „Geschichte <strong><strong>de</strong>r</strong> Siebenbüger Sachsen“. Im<br />

Verlag Haus <strong><strong>de</strong>r</strong> Heimat <strong>in</strong> Nürnberg.<br />

Läng<strong>in</strong>, Bernd G.: Unvergessene Heimat Siebenbürgen – Städte, Landschaften und<br />

Menschen auf alten Fotos, <strong>Welt</strong>bild Verlag, Augsburg 1995.<br />

Myß, Walter (Hrsg.): Lexikon <strong><strong>de</strong>r</strong> Siebenbürger Sachsen – Geschichte – Kultur – Zivilisation<br />

– Wissenschaften – Wirtschaft – Lebensraum Siebenbürgen (Transsilvanien),<br />

Wort und <strong>Welt</strong> Verlag, Innsbruck 1993.<br />

Nägler, Thomas: Die Ansiedlung <strong><strong>de</strong>r</strong> Siebenbürger Sachsen, Bukarest, Kriterion Verlag,<br />

1992.<br />

Roth, Harald: Kle<strong>in</strong>e Geschichte Siebenbürgens. Köln u.a. 1996.<br />

Wagner, Ernst: Geschichte <strong><strong>de</strong>r</strong> Siebenbürger Sachsen. E<strong>in</strong> Überblick, Wort und <strong>Welt</strong><br />

Verlag, Innsbruck 1981.<br />

Wagner, Ernst: Die Pfarrer und Lehrer <strong><strong>de</strong>r</strong> Evangelischen Kirche A.B. <strong>in</strong> Siebenbürgen.<br />

Bd. 1: Von <strong><strong>de</strong>r</strong> Reformation bis zum Jahre 1700. Köln u.a. 1998.<br />

Wagner, Ernst: (wie oben): Historisch-statistisches Ortsnamenbuch für Siebenbürgen.<br />

Studia Transylvanica, Bd. 4. Köln u.a. 1997.<br />

Wagner, Ernst: (wie oben), Hg., Quellen zur Geschichte <strong><strong>de</strong>r</strong> Siebenbürger Sachsen<br />

1191-1975 mit Ergänzungen 1186, 1654, 1748, 1923, 1938 und 1978. Schriften zur<br />

Lan<strong>de</strong>skun<strong>de</strong> Siebenbürgens, Bd. 1. Köln u.a. 1981.<br />

Weber, Renate und Georg: Zen<strong><strong>de</strong>r</strong>sch – e<strong>in</strong>e siebenbürgische Geme<strong>in</strong><strong>de</strong> im Wan<strong>de</strong>l,<br />

München, 1985.<br />

URKUNDENBUCH zur Geschichte <strong><strong>de</strong>r</strong> Deutschen <strong>in</strong> Siebenbürgen. Bd. 3. Hg. Friedrich<br />

Zimmermann, Carl Werner und Georg Müller. Hermannstadt 1902.<br />

URKUNDENBUCH (wie oben), Bd. 5. Hg. Gustav Gündisch. Köln u.a. 1975.<br />

URKUNDENBUCH (wie oben), Bd. 7. Hg. Gustav Gündisch, Herta Gündisch, Konrad<br />

G. Gündisch und Gernot Nussbächer. Bukarest 1991.<br />

Zimmermann, Harald: Siebenbürgen und se<strong>in</strong>e Hospites Theutonici. Vorträge und Forschungen<br />

zur südost<strong>de</strong>utschen Geschichte. Schriften zur Lan<strong>de</strong>skun<strong>de</strong> Siebenbürgens,<br />

Bd. 20. Köln u.a. 1996.<br />

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Ich möchte Ihnen e<strong>in</strong>en Ausschnitt aus e<strong>in</strong>em Brief <strong>von</strong> unserer Lehrer<strong>in</strong> Zira Zenn an<br />

Michael Dengel, im Dezember 1991, zukommen lassen, <strong><strong>de</strong>r</strong> mich sehr bee<strong>in</strong>druckt hat und<br />

viel über unser <strong>Pru<strong>de</strong>n</strong> aussagt:„…Wenn ich an <strong>Pru<strong>de</strong>n</strong> <strong>de</strong>nke, beschleicht mich e<strong>in</strong>e tiefe<br />

Traurigkeit. Ich sehe „<strong>de</strong>n Plotz“ mit <strong>de</strong>n drei Straßen, die für uns <strong><strong>de</strong>r</strong> Weg <strong>in</strong> die <strong>Welt</strong> waren.<br />

Me<strong>in</strong> Neffe Sucki sagt oft, weil wir <strong>von</strong> Dunnesdorf und Epesch so oft zu Fuß gegangen s<strong>in</strong>d,<br />

s<strong>in</strong>d wir gesund geblieben. – Ich sehe weiter, das Dorf <strong>von</strong> Wald- und Feldgürtel umgeben,<br />

und ich höre „bam Bronnen“ das Wasser s<strong>in</strong>gen („Vom Tage, vom heute gewesenen Tage“).<br />

Nirgends auf <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Welt</strong> habe ich je e<strong>in</strong>en so reichen Sternenhimmel gesehen als eben <strong>in</strong> <strong>Pru<strong>de</strong>n</strong>!<br />

Menschen aller Art stehen vor mir. Die meisten waren gut. Nun ist alles gewesen! …“<br />

<strong>Pru<strong>de</strong>n</strong> 1977<br />

<strong>Pru<strong>de</strong>n</strong> 2008<br />

Foto Lukas Ged<strong><strong>de</strong>r</strong>t


Af <strong>de</strong>ser Ierd<br />

Af <strong>de</strong>ser Ierd do äs en Land<br />

Si hisch es nichen an<strong><strong>de</strong>r</strong>t,<br />

ech s<strong>in</strong>t mech äng no äm zeräck,<br />

wä ech <strong>de</strong> Wält durchwan<strong><strong>de</strong>r</strong>t.<br />

Än <strong>de</strong>sem Land äs en Gem<strong>in</strong>,<br />

si <strong>in</strong>ich wä en Guerten<br />

en hescher hun ech net gesähn,<br />

af allen menjen Fuerten.<br />

Än dier Gem<strong>in</strong> do stiht en Hous,<br />

huet nichen prächtich Hallen<br />

und doch huet uch <strong>de</strong>t Kenengsschloß<br />

mir net esi gefallen.<br />

Dänn en diem Hous do wunt men Schatz,<br />

di mir <strong>de</strong> Trao gehal<strong>de</strong>n<br />

und all men Froad und all men Gläck<br />

äs en diem Hous enthal<strong>de</strong>n.


Af <strong>de</strong>ser Ierd<br />

Af <strong>de</strong>ser Ierd do äs en Land<br />

Si hisch es nichen an<strong><strong>de</strong>r</strong>t,<br />

ech s<strong>in</strong>t mech äng no äm zeräck,<br />

wä ech <strong>de</strong> Wält durchwan<strong><strong>de</strong>r</strong>t.<br />

Än <strong>de</strong>sem Land äs en Gem<strong>in</strong>,<br />

si <strong>in</strong>ich wä en Guerten<br />

en hescher hun ech net gesähn,<br />

af allen menjen Fuerten.<br />

Än dier Gem<strong>in</strong> do stiht en Hous,<br />

huet nichen prächtich Hallen<br />

und doch huet uch <strong>de</strong>t Kenengsschloß<br />

mir net esi gefallen.<br />

Dänn en diem Hous do wunt men Schatz,<br />

di mir <strong>de</strong> Trao gehal<strong>de</strong>n<br />

und all men Froad und all men Gläck<br />

äs en diem Hous enthal<strong>de</strong>n.<br />

Lukas Ged<strong><strong>de</strong>r</strong>t <strong>Pru<strong>de</strong>n</strong> <strong>mitten</strong> <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Welt</strong><br />

Lukas Ged<strong><strong>de</strong>r</strong>t<br />

<strong>Pru<strong>de</strong>n</strong> <strong>mitten</strong> <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Welt</strong><br />

E<strong>in</strong> Dorf im Schäßburger Stuhl<br />

<strong>in</strong> Siebenbürgen

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