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katalog-overlapping voices - Ritesinstitute

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tenz der etwa eine million menschen umfassenden<br />

palästinensisch-arabischen minderheit in israel geleugnet.<br />

einer minderheit, zu der ich, amal, und eine<br />

beachtliche Zahl der künstler, die an dieser ausstellung<br />

teilnehmen, gehören. einerseits sind wir israelische<br />

Bürger; andererseits zählen wir zu jenen palästinensischen<br />

menschen, die an ihrem land<br />

festhielten. israel beraubt diese minderheit ihrer<br />

Rechte als staatsbürger und als nation und behandelt<br />

sie wie eine sekte ohne jede nationale Bindung.<br />

Die israelischen Behörden betrieben die bekannte<br />

Politik des teilens und herrschens: sie hoben die<br />

Rechte bestimmter gruppen aus dieser minderheit<br />

auf und beschlagnahmten ihr land, auch unabhängig<br />

von ihrer Religionszugehörigkeit.<br />

wir – die palästinensischen staatsbürger von israel<br />

– leben im staat israel in Übereinstimmung mit seinen<br />

gesetzen und vorschriften. Darüber hinaus leben<br />

wir mit einer mehrheit von über fünf millionen<br />

jüdischen einwanderern zusammen. Diese kommen<br />

von überall her, aus den verschiedenen kulturen<br />

und gesellschaften. Das einzige, was sie eint, sind<br />

die jüdische Religion und die hebräische sprache.<br />

Das hebräische verdrängte ihre jeweilige muttersprache;<br />

damit versuchen sie, eine israelisch-<br />

jüdisch-hebräische kultur zu schaffen, und diese<br />

beeinflusst nicht nur sie, die israelischen Bürger,<br />

sondern auch uns, die Palästinenser.<br />

wie also kann ein künstler unter diesen schwierigen<br />

Bedingungen arbeiten? wo und mit wem? wodurch<br />

erhält er einen impuls für seine kreativität? kommen<br />

diese impulse aus der wirklichkeit? oder sind<br />

es träume und Begehren oder beides? sind Realität<br />

und traum in wirklichkeit nicht ein und dasselbe?<br />

träumt der künstler allein oder gibt es vielleicht<br />

einen künstlerfreund aus der jüdischen<br />

mehrheitsgesellschaft, der diesen traum mit ihm<br />

teilt? ein künstler, der ihm trotz einer anderen sprache,<br />

einer anderen geschichtsauffassung und lebenswirklichkeit<br />

und einer anderen religiösen und<br />

nationalen Zugehörigkeit ähnlich ist? ein künstler,<br />

der ein vertrauter, loyaler und verständnisvoller<br />

freund ist und der an dieselben ethischen Prinzipien<br />

glaubt wie der palästinensische künstler?<br />

müssen wir denn die verbreitete geisteshaltung „die<br />

minderheit gegen die mehrheit“ übernehmen, wenn<br />

„der andere“ jemand ist, der mit uns die gegenwärtigen<br />

Probleme teilt? Der israeli ist nicht nur der soldat,<br />

der auf uns schießt, oder der Polizei- oder sicherheitsbeamte;<br />

er ist ebenso der fotograf, der<br />

taxifahrer, die Blumenverkäuferin, der Buchhändler<br />

oder der Besitzer des musikladens. Die Beziehungen<br />

untereinander sind nicht „normal“ und sie<br />

sind auch nicht klar definiert …<br />

Diese Beziehungen sind eher „stachelig“. wir versuchen<br />

unser verhältnis zur mehrheitsgesellschaft<br />

so zu gestalten, dass unsere ohnehin gefährdeten<br />

identitäten von den anderen nicht verzerrt werden.<br />

wir ergreifen gleichzeitig die initiative zum Dialog<br />

und versuchen dadurch auf unser gegenüber<br />

einzuwirken.<br />

vor mehr als einem Jahr haben wir mit den vorbereitungen<br />

für die ausstellung begonnen. meine<br />

Rolle dabei war eine bescheidene; ich arbeitete als<br />

cokuratorin der ausstellung mit dem künstler tal<br />

adler, einem engen freund, zusammen, der sich<br />

durch zweierlei auszeichnet: durch einen hohen<br />

grad an künstlerischer Urteilsfähigkeit und durch<br />

einen hohen grad an verantwortungsbewusstsein.<br />

tal verbindet taten mit worten und benutzt seine<br />

kunst dazu, die schutzbedürftigen, die marginalisierten<br />

und die Unterdrückten zu unterstützen. als<br />

cokurator der ausstellung war es tal adler, der<br />

dem Projekt am meisten Zeit und kraft widmete.<br />

wer sich in diesem feld bewegt, weiß sehr genau,<br />

wie schwierig die arbeit eines kurators ist, besonders<br />

weil es sich um eine ausstellung handelt, an<br />

der sowohl israelische als auch palästinensische<br />

künstler teilnehmen – künstler, die in jener unsicheren<br />

und semitragischen situation leben, die die<br />

Beziehung zwischen den beiden völkern bestimmt.<br />

Das Ziel meiner mitarbeit als cokuratorin war, mit<br />

meinem freund tal einen kleinen lichtstrahl aus<br />

der Dunkelheit unserer gemeinsamen wirklichkeit<br />

zu senden.<br />

Die Präsenz der österreichischen künstler friedemann<br />

Derschmidt und karin schneider war für die<br />

organisation der ausstellung sehr wichtig. obwohl<br />

sie geografisch weit vom nahen osten entfernt<br />

sind, sind wir uns künstlerisch sehr nahe. Dementsprechend<br />

waren beide künstler an unseren<br />

angelegenheiten, kämpfen und verschiedenen<br />

kreativen Prozessen interessiert. Basierend darauf<br />

widmeten sie diesem Projekt viel Zeit und energie<br />

und trugen mit einer hervorragenden videoproduktion<br />

über unser leben in diesem land auch als<br />

künstler zu der ausstellung bei.<br />

karin und friedemann besitzen ein weitreichendes<br />

und differenziertes verständnis unserer besonderen<br />

palästinensisch-israelischen wirklichkeit. sie hatten<br />

die möglichkeit, sie aus mehreren Perspektiven kennen<br />

zu lernen. sie verwendeten große mühe darauf,<br />

diese Zusammenstellung von kunst aus unserer Region<br />

einer österreichischen Öffentlichkeit zu präsentieren.<br />

an dieser wichtigen ausstellung nehmen<br />

bemerkenswerte künstler teil, die alle mit ihrem herkunftsland<br />

eng verbunden sind. Durch die kooperation<br />

mit dem essl museum als guten Partner, wurde<br />

es möglich, unsere „<strong>overlapping</strong> <strong>voices</strong>“ (überlappende<br />

stimmen) zu erheben und unsere kunst<br />

einem österreichischen Publikum nahezubringen.<br />

Die ausstellung hilft den künstlern, die arbeiten<br />

einer größeren Öffentlichkeit zu präsentieren; sie<br />

verleiht der künstlerischen kreativität einen hohen<br />

stellenwert und somit auch den geschichten, die<br />

durch sie transportiert werden – es sind dies erinnerungen<br />

und impulse, die beides beinhalten:<br />

hoffnung wie schmerz.<br />

Die ausstellung ><strong>overlapping</strong> <strong>voices</strong>< gibt einer<br />

neuen, mutigen stimme Raum. sie schafft eine<br />

atmosphäre, die einem nicht die luft zum atmen<br />

raubt, und eröffnet so die möglichkeit zum Dialog.<br />

Dieser Dialog gibt hoffnung auf eine freiheit von<br />

Unterdrückung – und dies ist das Bestreben jedes<br />

künstlers.<br />

ich habe keinen Zweifel daran, dass guter wille<br />

und liebe – eine große liebe zum leben – wie eine<br />

ewig leuchtende kerze in den herzen aller teilnehmer<br />

brennen.<br />

amal murkus ist eine arabisch-israelische<br />

palästinensische künstlerin, sängerin,<br />

schauspielerin sowie Radio- und<br />

fernsehmoderatorin.<br />

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