Raumproduktion im frühen 20. Jahrhundert - SommerWerkstatt
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7.2. Die “zentrale Haltung” umgesetzt 260<br />
fasst, Funktion und Form über einen stilisierenden Prozess auf eine Aussage über den<br />
Allgemeinwert zugeschnitten und in eine best<strong>im</strong>mte Position gebracht. Für den gesellschaftlichen<br />
Raum ergibt sich hieraus auch die Hierarchie von räumlichen Zentren, welche<br />
über dem einzelnen Element bzw. dem Anspruch und der Praxis des einzelnen Nutzers<br />
stehen. Monumentalität und Rhythmus sind für Behrens Strategien, den gesellschaftlichen<br />
Raum perspektivisch auszurichten. Er greift dabei auf den Konkreten Raum der<br />
Nutzer, ihre räumliche Praxis, zurück und auf einen Gelebten Raum, der in Teilen bereits<br />
bzw. noch besteht. Sein Verweis auf den (musikalisch) eingest<strong>im</strong>mten Raum zeugt<br />
von dem Versuch, über emotionale Werte (Schönheit, Erhabenheit, “Romantik”, Gruppendynamik)<br />
der Nutzergemeinde ein gemeinsames Zentrum des Raumes zu definieren,<br />
in das sie über den architektonischen Raum mit einbezogen werden. Die technologische<br />
Entwicklung mit ihren Produkten kann solche Werte, einen solchen allgemeingültigen<br />
Ausdruck, per se nicht vorhalten; sie müssen über gestalterische “Zutaten” hervorgehoben<br />
bzw. eingebracht werden. Insofern versucht Behrens, ein bestehendes System um die<br />
Neuerungen integrativ zu erweitern, die “Romantik” in der Technik, also <strong>im</strong> Neuen zu<br />
suchen. Das Alte soll nicht über Bord, sondern in die Lage versetzt werden, die Veränderungen<br />
zu tragen. Hierauf werden die alten Ausdrucksformen überprüft und in dieses<br />
System werden die neuen Elemente formal eingegliedert. Die Entwicklung einer neuen<br />
kulturellen Corporate Identity ist <strong>im</strong> Grunde ein sehr guter Vergleich für sein Vorgehen.<br />
In der vermittelnden Gratwanderung seiner Formgebung, zwischen stilisierendem<br />
Zurückbinden und vorwärts gerichteter, romantisch-funktionaler Energie, entwickelt er<br />
einen Ausdrucks- und Wertecode, der die Neuerungen in den Alltag einzubinden vermag.<br />
Dies gilt für die Produktpaletten der AEG wie für den gesellschaftlichen Raum, in dem<br />
diese Formen vorliegen und verstanden werden müssen.<br />
Jenseits derer, die in der Position sind, auf den Raum regulativ zuzugreifen, werden<br />
dem Rezipienten <strong>im</strong> Gegensatz zu Gropius’ Intention keine Möglichkeiten zur individuellen<br />
Aneignung geboten. Die “Autorenschaft”, die sich in der “Hülle” abzeichnet, ist fix,<br />
formalisiert und trägt nicht die Spuren ihrer Nutzer, wie wohl sie Spuren der Herstellung<br />
zulässt. Emotional wird der Raum jedoch an seinen Zentren wesentlich mehr aufgeladen,<br />
die Wertigkeit über Ornament, Stofflichkeit und Größe ausgedrückt – wenn auch weniger<br />
<strong>im</strong> Sinne einer Nähe zum Bewohner, als eines verkörperten Kultur-Sinns. Behrens bietet<br />
so Identifikationsräume an und einen “Rhythmus der Gesamtheit”, dessen die Bewohner<br />
teilhaftig werden; auch wenn sie ihn nicht selbst best<strong>im</strong>men, so ist er doch als ein gemeinsamer<br />
Raum erlebbar. Behrens bildet so einen Gelebten Raum <strong>im</strong> Konkreten aus,<br />
in dem es festen Halt und Orientierung gibt. Dafür müssen sich die Bewohner an die<br />
Vorgaben des manifesten Raumes halten. Die Technologie und die durch sie eröffneten<br />
Möglichkeiten in Konzeption und Praxis gehen weiterhin durch die Hände der Machthabenden<br />
und erhalten dort ihre “Nutz- und Kulturform”; auch die Position der Elemente<br />
<strong>im</strong> gesellschaftlichen Raum wird von ihnen festgelegt.<br />
Insgesamt erinnert dieser so entworfene Raum mit seinen Qualitäten an das, was<br />
Lefebvre mit „Spektakel“ umschreibt: Dem Rezipienten wird ein künstlerisch-kulturell