Druckversion: Kollegin Kleeberg - 4-Seasons.de
Druckversion: Kollegin Kleeberg - 4-Seasons.de
Druckversion: Kollegin Kleeberg - 4-Seasons.de
- TAGS
- kollegin
- kleeberg
- 4-seasons.de
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
86<br />
Kollege Globetrotter<br />
Text<br />
Stephan Glocker<br />
Fotos<br />
Archiv Anja <strong>Kleeberg</strong><br />
Stephan Glocker<br />
Anja läuft … und läuft … un<br />
Ameisen können auf Wan<strong>de</strong>rschaft das Zehnfache ihres Körpergewichts tragen,<br />
normale Menschen ein Viertel. Anja <strong>Kleeberg</strong>, Handbuch-Redakteurin bei<br />
Globetrotter Ausrüstung, liegt leistungsmäßig irgendwo dazwischen. Besuch bei<br />
einer toughen Outdoor-Frau – die an ihren Touren gar nichts Beson<strong>de</strong>res fin<strong>de</strong>t.
d läuft … und läuft …<br />
Bei <strong>de</strong>r Planung einer 4-<strong>Seasons</strong>-Ausgabe sucht die Redaktion<br />
imme r nach einer guten Mischung, es soll ja für je<strong>de</strong>n Leser etwas<br />
dabei sein. Beim Blick auf <strong>de</strong>n Themenplan dieses Hefts – Südtirol,<br />
Transsib, Wan<strong>de</strong>rn in Deutschland, Radreisen, Jogging mit Martin<br />
Haag, Donaupad<strong>de</strong>ln – war klar: Da fehlt noch eine Prise »Hardcore«. Zum<br />
Beispiel Eisklettern, eine Expedition, o<strong>de</strong>r eine richtig heftige Trekkingtour<br />
mit Ausrüstung und Essen für ein paar Wochen im Rucksack, ha!<br />
Anja ist erst mal entsetzt<br />
Weiteres Manko im Themenmix: Die Frauenquote könnte noch etwa s höher<br />
sein. Also Anruf bei Marketingleiter Ditmar Bosecke: »Ditma r, fürs Kollegen-<br />
Portrait hätten wir gerne eine echte Hardcore-Lady vorgestellt, die zum<br />
Beispie l Eis kletter n geht o<strong>de</strong>r so richtig heftige Trekkingtouren macht …«<br />
Ditmar muss nur kurz überlegen: »Fragt doch Anja. Die macht bei<strong>de</strong>s.«<br />
Kollege Globetrotter<br />
87<br />
Schwertransporter: Anja im<br />
Sarek, auf <strong>de</strong>n Alpen (links)<br />
und in Patagonien (unten).<br />
Anja ist erst mal entsetzt. »Was, als Hardcore-Tante hat mich Ditmar angepriesen?<br />
Das ist total übertrieben, ich mach‘ ganz normale Touren!«<br />
Anja <strong>Kleeberg</strong>, 32, ist eine zierliche Frau mit langen dunkelblon<strong>de</strong>n Haare n.<br />
Sie sieht tatsächlic h nicht aus wie <strong>de</strong>r weibliche Reinhold Messner. Als<br />
Redakteuri n für Bekleidung textet Anja das halbe Globetrotter-Handbuch<br />
– aber dabei sitzt man ja auch eher im Büro als in <strong>de</strong>r Wildnis. Also vielleicht<br />
ein Missverständnis? Hat sich Ditmar vertan? Verdächtig an Anja wirkt allerdings<br />
die fett e Gürtelschnalle mit <strong>de</strong>m Norröna-Wikinge r – genau solche<br />
Devotionalie n schätzen doch Outdoor-Freaks im Zivilleben …<br />
Also knallhartes journalistisches Nachfragen: Anja, wo warst du zuletzt<br />
unter wegs? »Och, das war im Februar in Patagonien. Wir haben da ganz<br />
normal e Sachen gemacht, Torres <strong>de</strong>l Paine und so …«<br />
Wieso, das ist doch ganz sportlich, o<strong>de</strong>r? Anja win<strong>de</strong>t sich ein bisschen.<br />
»Naja, eigentlich wollten wir ja schon am Cerro Torre aufs Inlan<strong>de</strong>is und<br />
hatten das ganze Klettergeraffel dabei – aber das Wetter war lei<strong>de</strong>r zu ›
88 Kollege Globetrotter<br />
Ein Kommilitone schlägt Anja vor, doch <strong>de</strong>n gleichen Stu<strong>de</strong>nten job zu machen wie<br />
er: Aushilfe im Verkauf bei Globetrotter. Der Filialleiter steckt sie in »die Klamotte«<br />
– so <strong>de</strong>r hausinterne Jargon für die Bekleidungsabteilung.<br />
schlecht. Drei Tage haben wir versucht es auszusitzen, aber da war nichts zu<br />
mache n. Also sind wir normal wan<strong>de</strong>rn gegangen …«<br />
Und wie lange ? »Ein paar Wochen halt.« Aha. Und davor? »Der Urlau b<br />
davor? Ein Alpencross mit <strong>de</strong>m Mountain-Bike.« Soso. Und davor?<br />
»Chamoni x, Eisklettern und Skifahre n.« Okay – kein Missverständnis.<br />
Anja ist ein bisschen rot gewor<strong>de</strong>n: »Das klingt ja jetzt total angebermäßig.«<br />
Zweimal die Woche in »die Klamotte«<br />
Angefangen hat Anjas Outdoor-Karriere unspektakulär. Mit <strong>de</strong>n Eltern geht<br />
es im Urlaub nach Österreich, »da wur<strong>de</strong> auch mal gewan<strong>de</strong>rt, aber ganz<br />
mo<strong>de</strong>rat.« Die Berge und das Unterwegssein in <strong>de</strong>r Natur gefallen <strong>de</strong>m<br />
Hamburger Stadtkind aber schon. Zu Hause steht das Reiten im Mittelpunkt,<br />
mit sechs Jahren steigt Anja erstmals aufs Pferd und bleibt dabei, bis sie 20<br />
ist, »mit Turnieren und Distanzritten, das ganze Programm. Man kriegt beim<br />
Reiten auch eine ganz gute Kondition …«<br />
Nach <strong>de</strong>m Abi folgt die klassische Traveller-Phase: Mit Rucksack und Bus<br />
durch Mexiko und Ecuador, ein Trip nach Neuseeland, auch ein Workcamp<br />
bei einem Aufforstungsprojekt in Tansania macht sie mit. Überall wird auch<br />
immer ein bisschen getrekkt, aber die Touren stehen nie im Mittelpunkt.<br />
Anja studiert mittlerweile Geografie, gleich im ersten Semester verschlägt<br />
sie ein Projekt nach Kanada – »in Jeans, da war noch nix mit toller Ausrüstung.«<br />
Trotz<strong>de</strong>m ergreift <strong>de</strong>r Wildnis-Bazillus Besitz von ihr. Bald darauf<br />
ergattert sie einen Job als Trekking-Gui<strong>de</strong> auf Spitzberge n. »Da war ich zur<br />
richtigen Zeit am richtigen Ort, wie man so schön sagt.«<br />
Auch privat wer<strong>de</strong>n die Outdoor-Touren immer länger, mehrtägige Rucksack-Trips<br />
sind jetzt die Regel. Ein weiteres Uni-Programm entpuppt sich als<br />
wegweisen<strong>de</strong>s Erlebnis: Anja geht nach Rumänien und arbeitet in einem<br />
Wolfsprojekt. »Das war Feldforschung pur und be<strong>de</strong>utete vor allem: laufe n,<br />
laufen, laufen.« Die tagelangen Märsche bei Wind und Wetter durch die<br />
Karpaten empfin<strong>de</strong>t Anja als reines Vergnügen. Außer<strong>de</strong>m lernt sie einen<br />
Rumänen kennen, <strong>de</strong>r sie zum Klettern mitschleppt, erst an <strong>de</strong>n Fels, im<br />
Winter aber auch mal an gefrorene Wasserfälle.<br />
Anja ist schnell aufgefallen, dass solche Touren mit passen<strong>de</strong>r Aus rüstung<br />
noch mehr Spaß machen. Sie beschäftigt sich mit Rucksack-Trage systemen<br />
o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Wasserdampfdurchlässigkeit von Funktionsstoffen. »Wenn du<br />
in Hamburg lebst, stößt du irgendwann zwangsläufig auf Globetrotter.«<br />
Imme r öfter taucht Anja als Kundin in <strong>de</strong>r Filiale am Wiesendamm auf, bis<br />
schließlich ihr Kommilitone Jan vorschlägt, doch <strong>de</strong>n gleichen Stu<strong>de</strong>nten job<br />
zu machen wie er: Aushilfe im Verkauf bei Globetrotter. Jan vermittelt einen<br />
Bevorzugte Ziele: weite, einsame Landschaften in Alaska …<br />
Termin bei Filialleiter Ulrich Gumz, <strong>de</strong>r Anja richtig einschätzt und sie für »die<br />
Klamotte« engagiert – so <strong>de</strong>r Hausjargon für die Bekleidungs abteilung. Ab<br />
Januar 2000 kommt Anja zweimal die Woche und fühlt sich pu<strong>de</strong>l wohl: <strong>de</strong>r<br />
Kontakt mit <strong>de</strong>n Kun<strong>de</strong>n, das Beraten, die netten Kollegen …<br />
Lieber Rucksack als Pulka<br />
Mit einer Diplomarbeit über Ökotourismus in <strong>de</strong>n Karpaten schließt Anja<br />
2004 ihr Studium ab. Wie<strong>de</strong>r pirscht sie durch die rumänische Wildnis, hat<br />
nebenher aber reichlich Zeit, jobbt als Reit-Gui<strong>de</strong> und baut ihre Kletterkünste<br />
aus. Zurück in Deutschland muss sie sich <strong>de</strong>r Tatsache stellen, dass<br />
interessante Arbeitsstellen für Diplom-Geografen dünn gesät sind. Anja<br />
nimmt das Angebot an, voll am Wiesendamm einzusteigen.<br />
»Das war aber keine Notlösung. Aus rüstung begeistert mich. Da hat sich<br />
viel bewegt in <strong>de</strong>n letzten Jahren. Meine erst e Gore-Tex-Jacke ist so ein<br />
waldgrünes Teil von Haglöfs ge wesen, das mir viel zu groß war – aber<br />
was Kleineres als S für Männer gab es nicht. Mittlerweile bekommen auch<br />
Frauen wirklich erstklassiges Equipment.«<br />
Wie viele Jacken hat sie heute so im Schrank? »Hard- und Softshells?« Anja<br />
rechnet. »Ein Dutzend, ich habe sicher mehr Outdoor-Zeug als normale Klamotten«<br />
– das habe aber damit zu tun, dass sie viel ausprobieren und testen<br />
müsse, meint sie halb entschuldigend. Gibt es ein Lieblingsteil? »Das kommt<br />
auf <strong>de</strong>n Einsatzbereich an«, antwortet Anja ganz professionell. Aber? »Also<br />
mit meinem Millet-Softshell habe ich schon viele tolle Touren gemacht.«<br />
Apropos tolle Touren: Anja – nun auch heillos vom Nordlandvirus befallen –<br />
fährt immer öfter nach Skandinavien. Den großen Traum von einer Wintertour<br />
in <strong>de</strong>n Sarek setzt sie gemeinsam mit ihrem Kollegen Sebastia n in die
… o<strong>de</strong>r Patagonien – wie beim letzten Trip im Februar 2009.<br />
Tat um. »Einer <strong>de</strong>r schönsten Urlaube, tolles Wetter, eine Woche auf Ski, wir<br />
haben uns super verstan<strong>de</strong>n – und dann diese unglaubliche Landschaft …«<br />
Wie<strong>de</strong>r muss man nachbohren: Sarek im Winter, keine Hütten, <strong>de</strong>r ganze<br />
Proviant … Stimmt, sagt Anja, 25 Kilo im Rucksack, fast ihr halbes Körpergewicht,<br />
das sei schon grenzwertig. »Einmal bin ich nach hinten gekippt<br />
und konnte nicht mehr aufstehen – wie ein Käfer mit Ski«, lacht sie. Bei<br />
<strong>de</strong>r nächsten Tour nehmen Anja und Sebastian eine Pulka mit und ziehen<br />
Großteile <strong>de</strong>s Gepäcks. Aber auch das hat Nachteile: »Einer muss warten<br />
und friert, <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re müht sich ab und kommt nicht hinterher. Pulkas sind<br />
ja für bestimmte Expeditionen unabdingbar, aber für unsere Gepäckmenge<br />
Produkttests am<br />
eigenen Leib: im Eis,<br />
am Berg, zu Pferd.<br />
Kollege Globetrotter 89<br />
erschienen uns Rucksäcke dann doch geeigneter«, fachsimpelt Anja. Eine<br />
Wintertour pro Jahr mache sie immer noch. »Ich bin wahn sinnig gern in <strong>de</strong>r<br />
Kälte. Aber man muss schon auch lei<strong>de</strong>n können.«<br />
Hun<strong>de</strong>rte Produkte kennen und beschreiben<br />
2006 wechselt Anja in die Globetrotter-Zentrale und übernimmt die Produkttexte<br />
fürs Handbuch – was ebenfalls eine gewisse Lei<strong>de</strong>ns fähigkeit erfor<strong>de</strong>rt:<br />
Outdoor-Bekleidung, Kin<strong>de</strong>rbekleidung, Radbekleidung, insgesamt<br />
einige Hun<strong>de</strong>rt Produkte, die sie kennen und beschreiben muss. »Mir macht<br />
das Spaß. Es steckt viel dahinter, etwa soziale und Umwelt-Aspekt e bei<br />
<strong>de</strong>r Herstellung.« Die in <strong>de</strong>r stressigen Handbuchproduktion auf laufen<strong>de</strong>n<br />
Überstun<strong>de</strong>n erlauben weiterhin lange Trips, »so acht Woche n Urlaub im<br />
Jahr kommen schon zusammen«, freut sich Anja. Unterwegs ist sie meist<br />
mit ihrem Freund Marcus, <strong>de</strong>r auch bei Globetrotter arbeitet. Bevorzugte<br />
Ziele sind die Weiten Alaskas o<strong>de</strong>r Patagoniens. Kann Marcus <strong>de</strong>nn mit Anja<br />
mithalten? (Die Frage ist nur halb im Scherz gemeint.) »Och ja, das schafft er<br />
schon«, sagt Anja mit einem netten Lächeln.<br />
Okay! Karten auf <strong>de</strong>n Tisch, Frau <strong>Kleeberg</strong>: Wie meistert ein zierliches Mä<strong>de</strong>l<br />
solche Trips und hat auch noch Spaß dabei? Mit einer Art Geheimtraining?<br />
»Nö, Triathlon. Ich sehe das nicht so verbissen, aber fünf Mal die Woche<br />
wird schon trainiert …« Danke Anja, keine weiteren Fragen.<br />
»Und grüß mir <strong>de</strong>n lieben Ditmar – er soll nicht immer so übertreiben!« ‹