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April 2009 als pdf herunterladen - Israelitische Kultusgemeinde Wien

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nr. 643 april <strong>2009</strong><br />

nissan/ijar 5769<br />

Erscheinungsort <strong>Wien</strong><br />

Verlagspostamt 1010 P.b.b<br />

e 2.-<br />

GZ 03Z034854 W<br />

DVR 0112305 € 2.-<br />

Die Die<br />

GEMEINDE<br />

offizielles organ der israelitischen <strong>Kultusgemeinde</strong> wien<br />

magazin


AUS DER<br />

KULTUSGEMEINDE<br />

Mauthausen-Gedenkstunde 3<br />

IN EIGENER SACHE<br />

ALEXIA WEISS<br />

Serie: Hinter den Kulissen der IKG<br />

Teil 8: Die Rechtsabteilung 4<br />

HANSJÖRG MISSBICHLER<br />

Informationen zum MZ 6<br />

POLITIK<br />

IN- UND AUSLAND<br />

Das NVP-Parteiprogramm 7<br />

Prozess gegen Honsik 7<br />

Rechte Gesinnung<br />

im Parlament 8<br />

Stop The Bomb protestiert<br />

gegen Wirtschaftskammer 9<br />

IRAN<br />

STEFAN GRIGAT<br />

Das iranische Regime<br />

und Möglichkeiten einer<br />

Sanktionspolitik 10<br />

DURBAN II<br />

EITHAN LEVON<br />

Die „Durban Revisions-<br />

Konferenz“ 14<br />

Pressestimmen 16<br />

PETA wird Holocaust-<br />

Vergleich untersagt 18<br />

ISRAEL<br />

Israel & Ägypten:<br />

30 Jahre Frieden 19<br />

ULRICH W. SAHM<br />

Israel-USA: belastete<br />

Beziehungen 22<br />

Von Roadmap bis Anapolis 23<br />

ANTISEMITISMUS<br />

Neonazis nutzen Facebook 24<br />

Holocaust-Leugner Toben<br />

verurteilt 24<br />

Kz-Aufseher Kumpf an<br />

Österreich ausgeliefert 25<br />

Mutmaßlicher Kriegsverbrecher<br />

Zentai ausgeliefert 25<br />

Ausgewertet werden Meldungen von: APA, Jerusalem Post, Ha’aretz, MEMRI, Yediot Aharonot, Global intelligence<br />

centre, Walla, Y-net, israelnetz (inn), nahostfocus (NOF), ICEJ, Honestly-concerned, GMW, JTA, ILI u.v.a.<br />

GEmEINDE<br />

Medieninhaber (Verleger), Herausgeber: <strong>Israelitische</strong> <strong>Kultusgemeinde</strong> <strong>Wien</strong>.<br />

Zweck: Information der Mitglieder der IKG <strong>Wien</strong> in kulturellen, politischen<br />

und or ganisatori schen Belangen. Stärkung des demokratischen<br />

Bewusst seins in der österreichischen Bevöl kerung. Sitz: 1010 <strong>Wien</strong>, Seitenstettengasse 4, Postfach 145.<br />

Tel. Redaktion/Sekretariat 53 104/271, Anzeigenannahme 53 104/272, Fax: 53104/279, E-mail redaktion@ikg-wien.at<br />

Druck: AV+Astoria Druckzentrum GmbH, A-1030 <strong>Wien</strong><br />

Alle signierten Artikel geben die persönliche Mei nung des Autors wieder, die sich nicht immer mit der<br />

Mei nung der Redaktion deckt. Für die Kaschrut der in der GEMEINDE angezeigten Produkte übernehmen<br />

Herausgeber und Redaktion ausdrücklich keine Verantwortung. Nicht alle Artikel, die in der Redak -<br />

tion einlangen, müs sen zur Veröffentlichung gelangen.<br />

Die<br />

WIRTSCHAFT<br />

REINHARD ENGEL<br />

Die Matze-Unternehmer 26<br />

WISSENSCHAFT<br />

Software zur<br />

Verbrechensbekämpfung 30<br />

Jüdisch-arabische<br />

Stammzellen Workshop 30<br />

Blutgerinnungstest per Laser 31<br />

„Grünes Haus“ im Negev 31<br />

JÜDISCHE WELT<br />

ALEXIA WEISS<br />

Spiele der kurzen Wege 32<br />

MARTA S. HALPERT<br />

Wieder offen jüdisch sein 34<br />

Panorama 38<br />

KULTUR<br />

MARCUS G. PATKA<br />

<strong>Wien</strong> gratuliert Tel Aviv 39<br />

ALEXIA WEISS<br />

Gelegenheit für Judaika-<br />

Liebhaber 42<br />

GABRIELE KOHLBAUER-FRITZ<br />

Nachruf - Elfriede Gerstl 43<br />

ANITA POLLAK<br />

Joseph Roth - Varianten<br />

eines Emigranten 44<br />

ALEXIA WEISS<br />

Mama, wir werden<br />

zusammen sterben 45<br />

Überall &nirgendwo<br />

Wartesalon Frankreich 46<br />

Birkat HaChamah<br />

Lob der Sonne 47<br />

Titelbild: ©Flash 90/Yasmine Soiffer<br />

Das „Crazy House“ in der<br />

haYarkon Street in Tel Aviv.<br />

Auf diese Aus ga -<br />

be muss ten Sie auf<br />

Grund der Pes sach-<br />

Feiertag leider et -<br />

was länger war ten!<br />

PLENUM: 5. Mai - 4. Juni - 2. Juli - 3. August - 3. September -<br />

13. Oktober - 5. November - 3. Dezember<br />

INHALT &<br />

Jiddische Vokaltradition<br />

in der jüdischen Gemeinde <strong>Wien</strong><br />

Für ein ethnomusikologisches Feldforschungsprojekt wer den Perso -<br />

nen aus der IKG <strong>Wien</strong> gesucht, die bereit sind, Interviews zu<br />

geben. An gesprochen fühlen sollen sich alle, die jiddische<br />

Liedtradition heute noch pflegen, sei es zuhause, sei es bei Feiern<br />

und Festen etc., wie auch Menschen, die mit jiddischer Musik in<br />

irgendeiner Form aufgewachsen sind und vielleicht aus ihrer<br />

Kindheit noch jiddische Lieder kennen.<br />

Es soll die Verbreitung und Bedeutung des jiddischen Liedes innerhalb<br />

der jüdischen Gemeinde <strong>Wien</strong> untersucht und dokumentiert<br />

werden. Schwerpunkte des Projekts sind der Kontext zwischen jiddischem<br />

Lied und religiösem Brauchtum, die Rolle der Frau <strong>als</strong><br />

Trägerin und Vermittlerin jiddischer Liedtradition, sowie die Be -<br />

deutung jiddischer Kinderlieder in der religiösen Erziehung.<br />

Anfragen bitte an: Mag. a Mirjam Silber<br />

Tel.: +43 699 11 23 17 95/Email: mirjam.silber@gmx.at<br />

Die Ergebnisse dieser wissenschaftlichen Forschungsarbeit werden auch<br />

in ei ner Dissertation im Rahmen des Doktorats stu diums von Mag. a Mirjam<br />

Silber an der Universität für Musik <strong>Wien</strong> (Institut für Ethnomusikologie)<br />

pu bliziert.<br />

In Kooperation mit dem Phonogrammarchiv der Österreichischen Aka de -<br />

mie der Wissenschaften. Sponsored by <strong>Wien</strong> Kultur.<br />

Wünsche? Probleme? Anregungen?<br />

Wenden Sie sich vertrauensvoll an unsere IKG-Ombudsleute<br />

Gustav Adler Tel: 0676 636 5118,<br />

Heinrich Ehlers Tel: 0676 421 3670<br />

DI Hans Gelbard Tel: 0699 11058 606<br />

Dr. Slawik Jakubow Tel: 0664 103 2349<br />

Prof. Dr. Franziska Smolka Tel: 531 04 -105<br />

fsmolka@chello.at<br />

LETZTE MELDUNGEN<br />

israelitische <strong>Kultusgemeinde</strong> bedauert<br />

teilnahme Österreichs an durban ii<br />

Dass gerade am Internationalen Gedenktag für den<br />

Holocaust der iranische Präsident und Holocaust re vi -<br />

sio nist Ahmadinejad einen Bühnenauftritt auf der Gen fer<br />

UN-Konferenz gegen Rassismus (Durban II) zugesprochen<br />

erhält und Staaten wie Syrien oder Li by en bei den<br />

Verhandlungen federführend sind, zeigt die moralische<br />

Dekadenz der Vereinten Nationen, die damit „mo -<br />

der nen Antisemitismus“ in Form von Hetze gegen<br />

Israel in UN-Institutionen zulassen.<br />

Die <strong>Israelitische</strong> <strong>Kultusgemeinde</strong> (IKG) bedauert, dass<br />

Österreich nicht dem Beispiel von anderen EU-Staaten<br />

wie Deutschland, den Niederlanden, Italien und Polen<br />

gefolgt ist, die eindeutige moralische Stellungnahmen<br />

ab gegeben haben und an der Konferenz nicht teilnehmen.<br />

2 <strong>April</strong> <strong>2009</strong> - Nissan/Ijar 5769


AUS DER KULTUSGEMENDE<br />

DIE ISRAELITISCHE RELIGIONSGEMEINSCHAFT ÖSTERREICHS UND<br />

DER BUND JÜDISCHER VERFOLGTER DES NAZIREGIMES<br />

veranstalten gemeinsam am<br />

Sonntag, 10. Mai <strong>2009</strong>,<br />

pünktlich um 10.00 Uhr im ehemaligen<br />

Konzen tra ti ons lager Mauthausen<br />

vor dem jü di schen Mahnmal eine<br />

GEDENKSTUNDE<br />

anlässlich des 64. Jahrestages der Befreiung des Lagers.<br />

Der Botschafter des Staates Israel, S.E. Dan Ashbel, und der Vizepräsident der <strong>Israelitische</strong>n<br />

Kultus ge meinde, Oskar Deutsch, werden der Bedeutung des Tages gedenken.<br />

Mit dem El-Male-Rachamim-Gebet, vorgetragen von Oberkantor Shmuel Barzilai, dem Kaddisch -<br />

gebet und der von allen gemeinsam gesungen Hymne des Staates Israel „Hatikwa“ endet die<br />

Gedenkstunde.<br />

Bitte beachten Sie! Nach der Gedenkfeier – ca. 11 Uhr – begeben sich alle Teilnehmer gemeinsam<br />

mit den übrigen Delegationen auf den Appellplatz, um der offiziellen Gedenkkundgebung der La -<br />

ger gemeinschaft Mauthausen beizuwohnen. Dort werden Überlebende in Anwesenheit von Bundes -<br />

präsident Fischer und Bundeskanzler Faymann das Wort ergreifen.<br />

Die <strong>Israelitische</strong> <strong>Kultusgemeinde</strong> <strong>Wien</strong> stellt auch heuer wieder für die Fahrt nach Mauthausen un -<br />

entgeltlich Autobusse zur Verfügung. Die Abfahrt der Busse erfolgt am 10. Mai <strong>2009</strong>, um 6.15 Uhr<br />

vor dem Café Landtmann, 1010 <strong>Wien</strong>, Dr. Karl Lueger-Ring 4.<br />

Anmeldungen für die Fahrt nach Mauthausen bis 4. Mai <strong>2009</strong><br />

an b.gilkarov@ikg-wien.at oder schriftlich (1010 <strong>Wien</strong>, Seitenstettengasse 4)<br />

oder telefonisch unter der Nummer 01/531-04 207<br />

Alle Juden Österreichs sind aufgerufen, möglichst zahlreich an dieser Kundgebung teilzunehmen,<br />

um gemeinsam der Opfer der Schoah zu gedenken!<br />

We sichal lo jassuf misar´am!<br />

Niem<strong>als</strong> vergessen!<br />

<strong>April</strong> <strong>2009</strong> - Nissan/Ijar 5769 3


„Die<br />

Delogierungen<br />

sind sicher die<br />

schwierigsten<br />

Momente“<br />

Bettina Schabel spricht selten über ihre<br />

Arbeit, auch in internen Besprechungen<br />

IN EIGENER SACHE • HINTER DEN KULISSEN<br />

SERIE<br />

Hinter den Kulissen –<br />

Die IKG <strong>Wien</strong> stellt sich vor<br />

Teil 8: Die Rechtsabteilung<br />

dokumentiert sie kaum ihre Erfolge.<br />

Das hat seine Gründe. Die Rechts -<br />

wissenschafterin ist – ähnlich einer<br />

Unternehmensjuristin – für die<br />

juristischen Belange der Kultusge -<br />

meinde zuständig. Die dazu nötige<br />

Verschwiegenheit ist ihr inzwischen in<br />

Fleisch und Blut übergegangen.<br />

Dennoch schätzt und liebt sie ihre<br />

Tätigkeit. „Es ist keine trockene Arbeit.“<br />

Für „Die Gemeinde“ macht sie eine<br />

Ausnahme - und erzählt doch ein wenig<br />

aus ihrem beruflichen Alltag.<br />

Von Alexia Weiss<br />

serVice<br />

erreichbarkeit der<br />

rechtsabteilung<br />

Dr. Bettina Schabel<br />

ist telefonisch erreichbar<br />

montag bis Freitag<br />

9.00 Uhr bis 14.00 Uhr<br />

unter 01- 53104 – DW 135<br />

beziehungsweise per mail an<br />

b.schabel@ikg-wien.at.<br />

Drei große Felder hat Bettina Schabel<br />

<strong>als</strong> Ein-Frau-Abteilung zu beackern:<br />

sie kümmert sich um das Forderungs -<br />

ma nagement, ist nach außen Schnitt -<br />

stelle in juristischen Angelegenheiten<br />

und berät nach innen, wenn rechtliche<br />

Fragen zu berücksichtigen sind. Was<br />

Schabel nicht ist: Eingetragene Rechts -<br />

anwältin. Und, räumt sie auch gleich<br />

mit einem weiteren missverständnis<br />

auf, dass viele Gemeindemitglieder<br />

im mer noch haben: Schabel ist keine<br />

Anlaufstelle, wenn sich mitglieder mit<br />

juristischen Problemen konfrontiert<br />

sehen. „Natürlich bemühe ich mich aber<br />

in jedem Fall weiterzuhelfen – etwa, in -<br />

dem ich Tipps gebe, wo eine kostenlose<br />

Rechtsberatung angeboten wird.“<br />

Forderungsmanagement, das heißt:<br />

zu schauen, dass offene Rechnungen<br />

beglichen werden. Ob Schulgeld, Be -<br />

gräbniskosten oder mietzins: werden<br />

Rechnungen nicht in der vorgesehenen<br />

Frist bezahlt, nimmt sich Schabel<br />

in Zusammenarbeit mit Rechnungs -<br />

we sen und der zuständigen Fach ab -<br />

tei lung (Schulverwaltung, Fried hofs -<br />

amt oder Immobilienverwaltung) der<br />

Sache an. Die freundliche mahnung<br />

steht dabei an erster Stelle eines langen<br />

Prozesses, der im schlechtesten<br />

Fall in eine Klage münden kann.<br />

Tatsächlich zu einer Klage kommt es<br />

jedoch meist nur im Bereich der Ver -<br />

mietung von Immobilien.<br />

Hier ist Schabel auch mit der ihr un -<br />

an genehmsten Facette ihres Jobs konfrontiert:<br />

der zwangsweisen Räu mung<br />

von Wohnungen. „Die Delogierungen<br />

sind sicher die schwierigsten Momente der<br />

Arbeit.“ Schabel versucht daher auch,<br />

säumige mieter, die den Zins nicht<br />

mehr zahlen können, dazu zu motivieren,<br />

die Räumlichkeiten vor dem<br />

4 <strong>April</strong> <strong>2009</strong> - Nissan/Ijar 5769


Räumungstermin zu übergeben. Ihr<br />

erspart es Ärger – und den Betroffe -<br />

nen Kosten. Denn die Rechnung für<br />

die bei einer Zwangsräumung anfallenden<br />

Kosten hat der mieter zu<br />

begleichen.<br />

Aktuell konstatiert Schabel: „Wir<br />

sehen natürlich die wirtschaftliche Ent -<br />

wicklung – für viele Mieter wird es zu neh -<br />

mend schwieriger, die Miete zu bezahlen.“<br />

Das sei eine schwierige Situation,<br />

denn: „Auch in der Gemeinde steigen die<br />

Ausgaben, beispielsweise im Sozialbe reich.<br />

Und die Immobilieneinnahmen finanzieren<br />

hier quer.“ Schabel betont daher:<br />

„Wir können nicht die Aufgaben des So zi -<br />

alamts ersetzen.“ Beratung hinsichtlich<br />

der möglichkeit, von der IKG oder<br />

anderen Stellen, etwa der Gemeinde<br />

<strong>Wien</strong>, unterstützt zu werden, biete<br />

aber für Gemeindemitglieder das<br />

psychosoziale Zentrum ESRA an.<br />

Zum Thema Forderungsmanagement<br />

meint Schabel noch: dieses sei „wie<br />

Staub wischen: es fällt erst dann auf, wenn<br />

es nicht gemacht wird“. Ent spre chend<br />

sei die Anzahl der offenen Rech nun -<br />

gen, denen mit einer mahnung zu be -<br />

gegnen ist, auch immer nach der Rück -<br />

kehr aus einem Urlaub am höchsten.<br />

Als Schnittstelle nach außen fungiert<br />

Schabel beispielsweise bei großen<br />

Verträgen, die von Rechtsanwälten be -<br />

ziehungsweise Notaren ausgearbeitet<br />

werden. Die IKG-Hausjuristin küm-<br />

IN EIGENER SACHE • HINTER DEN KULISSEN<br />

mert sich dabei um die Bereitstellung<br />

der nötigen Unterlagen und ist erste<br />

Ansprechpartnerin für die externen Ju -<br />

risten. Eng zusammen arbeitet Scha bel<br />

auch mit Notaren, wenn es um Grund -<br />

buchseintragungen geht. Im Ge gen -<br />

satz zu ihr <strong>als</strong> Nicht-Anwältin kann<br />

der Notar solche Eintragungen via<br />

elektronischem Rechtsverkehr beantragen.<br />

„Und das beschleunigt die Sache<br />

sehr.“ Schriftliche Anträge würden<br />

manchmal einen monat oder länger<br />

liegen bleiben, elektronisch sei die<br />

Sache oft in ein paar Tagen erledigt.<br />

Nach innen ist Schabel in erster Linie<br />

beratend tätig. Damit solle vermieden<br />

werden, „dass wir uns selbst Probleme<br />

machen“ – vergleichbar etwa mit der<br />

Prävention im Bereich Gesundheit.<br />

Die Bandbreite von Schabels Exper -<br />

tise reicht hier vom Abklären einzelner<br />

Formulierungen, etwa in Förder an -<br />

trä gen, über die Gestaltung interner<br />

Vertragstexte wie beispielsweise eine<br />

Datenschutzerklärung oder eine Zu -<br />

satzklausel zu einem mietvertrag bis<br />

hin zum Prüfen von Verträgen, die<br />

von außen kommen. „Das kann zum<br />

Beispiel ein neues Kopiergerät sein, das<br />

wir kaufen oder leasen – auch das landet<br />

dann bei mir.“<br />

Die Juristin schätzt an ihrer Aufgabe<br />

in der IKG vor allem die Vielfäl tig -<br />

keit, „alle Lebensbereiche werden abgedeckt<br />

– vom Kindergarten bis zum Be -<br />

gräbnis“. Die Gesprächspartner seien<br />

dabei so unterschiedlich wie ihre Stim -<br />

mungen. „Die Kommunikation mit An -<br />

ge hörigen, die gerade einen Toten zu be -<br />

kla gen haben, verläuft natürlich anders<br />

<strong>als</strong> mit einem säumigen Mieter.“<br />

Auch die interne Kommunikation<br />

und Zusammenarbeit liegt Schabel<br />

sehr am Herzen, denn „<strong>als</strong> Ein-Frau-<br />

Abteilung könnte ich das vielfältige und<br />

umfassende Tätigkeitsgebiet der Rechts -<br />

ab teilung alleine niem<strong>als</strong> abdecken, wenn<br />

mich nicht alle Abteilungen so gut unterstützen<br />

würden“. Und dafür möchte<br />

sie sich bei dieser Gelegenheit „bei allen<br />

Kolleginnen und Kollegen bedanken“.<br />

zur Person<br />

dr. Bettina schabel, geb. 1977 in<br />

Niederösterreich, studierte nach<br />

der matura katholische Theologie<br />

und Germanistik, sattelte nach ei -<br />

ni gen Semestern jedoch auf Rechts -<br />

wissenschaften um.<br />

Nach dem Gerichtsjahr 2003/04<br />

war sie zunächst in einer Rechts -<br />

an waltskanzlei mit den Schwer -<br />

punkten miet- und Arbeitsrecht<br />

tätig, beendete parallel dazu ihr<br />

Doktoratsstudium und begann<br />

schließlich im Oktober 2007 für die<br />

IKG zu arbeiten.<br />

Schabel ist verheiratet, interessiert<br />

sich für Literatur und Kino und<br />

beschreibt sich <strong>als</strong> „überzeugten<br />

Stadtmensch“.<br />

<strong>April</strong> <strong>2009</strong> - Nissan/Ijar 5769 5


IN EIGENER SACHE • MAIMONIDES-ZENTRUM<br />

Sehr geehrte<br />

LeserInnen der<br />

„Gemeinde“-<br />

Zeitung!<br />

Wieder einmal wende ich mich meiner<br />

Funktion <strong>als</strong> Leiter des maimonides-<br />

Zentrums an Sie, um über das Haus<br />

und was in dem Zusammenhang passiert,<br />

zu berichten.<br />

Und schon ist die erste Korrektur<br />

nötig: Wenn ich von „Haus“ spreche,<br />

dann meine ich diesmal den gesamten<br />

Betrieb, die Bewohner und die Ar -<br />

bei tenden, vom Essen bis zu den The -<br />

ra pien, von der Pflege bis zur ärztli -<br />

chen Versorgung, von Freizeitange -<br />

bo ten bis zu Festen und Ausflügen.<br />

Das alles wird es natürlich auch wei -<br />

terhin geben – und - dafür stehe ich<br />

mit meinem Wort - in der gewohnten<br />

hohen Qualität. Immer noch ist es<br />

mein Anspruch, dass wir das erste<br />

Haus am Platz sind, und das soll<br />

auch so bleiben.<br />

Das jetzige Haus aber, das gewiss<br />

auch schön und edel war, hat uns in<br />

den letzen Jahren immer mehr seine<br />

altersbedingten Grenzen spüren lassen<br />

und so wird dieses Gebäude ab<br />

Dezember aufgegeben und wir werden<br />

in das nagelneue, nach modernsten<br />

Prinzipien errichtete neue Zen -<br />

trum am Prater übersiedeln, das<br />

höchsten Qualitätsansprüchen ge recht<br />

werden wird.<br />

Schon jetzt bieten wir weit mehr <strong>als</strong><br />

die meisten anderen Einrichtungen<br />

dieser Art: einen hohen Betreuungs -<br />

schlüssel, zahlreiche Zusatzangebote<br />

im Bereich Therapie und Aktivierung<br />

und vor allem eine Atmosphäre der<br />

Wertschätzung und der ganz persönlichen<br />

Zuwendung.<br />

Lassen Sie mich nun ganz kurz informieren,<br />

was hier auf uns - und vielleicht<br />

auch auf Sie, wenn Sie sich mit<br />

dem Gedanken tragen, mit einzuziehen<br />

- zukommt:<br />

Die letzten 2 Jahre waren wir intensiv<br />

damit beschäftigt, das neue Haus den<br />

Wünschen der BewohnerInnen und<br />

ih rer PflegerInnen entsprechend nach<br />

den modernsten maßstäben zunächst<br />

zu planen und dann zu verwirkli chen.<br />

Nun ist es bald so weit und wir sind<br />

stolz und glücklich sagen zu können:<br />

Die mühe hat sich gelohnt, Sie werden<br />

sehen!<br />

Ob Sie jetzt mit uns zusammen übersiedeln<br />

oder in Kürze entscheiden,<br />

sich unserer Gemeinschaft anzuschließen<br />

– Sie bekommen in jedem<br />

Fall das Neueste und Beste, was es im<br />

moment überhaupt gibt.<br />

Was heißt das nun im Einzelnen?<br />

Selbstverständlich haben wir wieder<br />

eine Synagoge, eine Bibliothek, Fri seur,<br />

maniküre, Pediküre und so weiter und<br />

natürlich ein Cafe im Haus.<br />

Im hauseigenen Garten wird ein<br />

Therapie- und Kräutergarten angelegt<br />

und es wird einen eigenen The ra pie -<br />

pa villion geben.<br />

Auch die bereits bestens eingeführte<br />

und beliebte Tagesstätte findet nun<br />

bes sere räumliche Bedingungen vor<br />

um mit den Bewohnern eine aktive<br />

und abwechslungsreiche Tagesge stal -<br />

tung zu planen (malen, Gestalten, Tan -<br />

zen, Gesang, Spiele aller Art, Kon zer te,<br />

Vorträge, Ausstellungen, gemeinsame<br />

Spaziergänge im Garten oder im<br />

nahe gelegen Prater).<br />

Für Gruppen gibt es <strong>als</strong>o ein vielseitiges<br />

Angebot, aber wie schaut der persönliche,<br />

individuelle Umgang aus?<br />

Bei uns gibt es professionelle und in di -<br />

viduelle Pflege mit den verschiedens -<br />

ten Therapieformen (Physio-, Ergo-,<br />

Logo-, Psycho-, Kunst- oder Tierthe ra -<br />

pie).<br />

Was aber, wenn das Gedächtnis nachlässt,<br />

einige unserer BewohnerInnen<br />

ver gesslich, hinfällig oder desorientiert<br />

werden? Für solche PatientInnen<br />

gibt es nach neuesten Erkenntnissen<br />

ausgebildete PflegerInnen, die liebevoll<br />

und geduldig nie die Grenzen der<br />

menschenwürde und der gebotenen<br />

Achtung vor dem Alter überschreiten.<br />

Die uns Anvertrauten haben in ihrer<br />

Zeit Schweres erlebt, nun ist unser<br />

Ziel, ihnen den Lebensabend so<br />

schön wie möglich zu gestalten.<br />

An oberster Stelle stehen immer die<br />

ethischen Prinzipien der Freiheit, men -<br />

schenwürde und Toleranz und jede<br />

Verletzung von einem dieser Grund -<br />

sätze wird sofort und unnachsichtig<br />

von mir geahndet.<br />

Wie im alten so wird es auch im neu -<br />

en Haus natürlich einen koscheren<br />

me nüplan mit Diätangeboten (überwacht<br />

vom maschgiach) und das Fei -<br />

ern der jüdischen Festtage geben, das<br />

ist zwar selbstverständlich, sollte<br />

aber doch erwähnt werden.<br />

Nicht unerwähnt möchte ich auch las -<br />

sen, dass das neue Haus sowohl die<br />

Ar beitsbedingungen <strong>als</strong> auch die Ar -<br />

beits plätze all meiner mitarbeiter In -<br />

nen entscheidend verbessern wird, so<br />

dass das Arbeiten im Alltag erleichtert<br />

wird.<br />

Eine wichtige Neuerung habe ich noch<br />

nicht genannt, nämlich die in den beiden<br />

obersten Etagen befindlichen Re -<br />

sidenzwohnungen, die wir <strong>als</strong> Ein-,<br />

Zwei- und Dreiraumappar te ments<br />

anbieten.<br />

Sie wohnen dort völlig frei, können<br />

aber alle Angebote und Leistungen des<br />

maimonides-Zentrum nutzen, so fer -<br />

ne Sie dies wünschen. Ihr Auto erhält<br />

auf Wunsch einen Garagenplatz und<br />

der nahe Prater bietet eine Reihe von<br />

Freizeitbeschäftigungen.<br />

Diese Appartements stelle ich mir für<br />

viele interessant vor: für Junge, die<br />

(noch) allein oder zu zweit sind und<br />

den Prater, die Hakoah-Sportstätten<br />

oder die nahe Donauinsel nützen<br />

wol len, aber auch für Ältere, die noch<br />

keiner Pflege bedürfen, aber die Be -<br />

quemlichkeiten und Angebote des<br />

mai monides-Zentrums schätzen ohne<br />

dabei in einem Heim wohnen zu müs -<br />

sen.<br />

Ich hoffe, ich konnte Ihnen einige In -<br />

for mationen bieten und sollte Ihr<br />

Interesse oder Ihre Neugier erwacht<br />

sein, so kommen Sie doch einmal bei<br />

mir vorbei und erfahren Sie die vielen<br />

Details und Einzelheiten, die ich hier<br />

nicht nennen konnte – am besten bei<br />

einer Tasse Kaffee – meine mitarbei -<br />

ter und ich freuen uns schon darauf.<br />

Hansjörg missbichler<br />

Geschäfstführer<br />

6 <strong>April</strong> <strong>2009</strong> - Nissan/Ijar 5769


Das Bündnis „Lichter gegen Rechts“<br />

und der Autor Tibor Zenker üben Kri -<br />

tik am Parteiprogramm der vom Do -<br />

kumentationsarchiv des Österreichischen<br />

Widerstandes (DÖW) <strong>als</strong><br />

rechts extrem eingestuften Nationalen<br />

Volkspartei (NVP): Das zweite Ka pi -<br />

tel sei zu rund 99 Prozent wortgleich<br />

mit einem Lehrplan der SS aus dem<br />

Jahr 1944. Nach einer KPÖ-Anzeige<br />

ermittle die Staatsanwaltschaft <strong>Wien</strong><br />

wegen des Verdachts der Wieder be -<br />

tätigung, berichtete der „Kurier“.<br />

Das antifaschistische Bündnis lädt am<br />

30. <strong>April</strong> in Linz zu einem „Lichterzug<br />

gegen Rechts“. Die beiden Texte würden<br />

sich laut Zenker lediglich hinsichtlich<br />

geringfügig umformulierter<br />

Einleitungssätze unterscheiden. Beim<br />

Themenbereich „Umwelt“ heißt es<br />

etwa in der SS-Schrift: „Die Umwelt ist<br />

gegeben ...“, bei der NVP wurde daraus:<br />

„Die Umwelt ist für uns gegeben ...“.<br />

Der Rest des Satzes blieb ident. An<br />

anderer Stelle wurde die SS-Be zeich -<br />

nung „gottgewollt“ durch „naturgewollt“<br />

ersetzt.<br />

„Da fragt man sich: Sind die Ideologen<br />

dieser Partei bloß so dreist oder wirklich<br />

so dumm, dass sie dachten damit durchzukommen?“,<br />

so Zenker. Er fordert <strong>als</strong><br />

Konsequenz die Auflösung und das<br />

Verbot der NVP: „Wer in seinem Par -<br />

teiprogramm wortwörtlich und dies über<br />

einen Abschnitt, der ein Achtel des Ge -<br />

samttextes ausmacht, Schulungs texte des<br />

SS-Hauptamtes wie der gibt, ist nicht mehr<br />

rechtsextrem, sondern neonazistisch.“<br />

POLITIK • INLAND<br />

SS-Zitate im NVP-Parteiprogramm<br />

„Hier könnten Gren zen überschritten<br />

wor den sein“, erklärte der Leiter des<br />

ober österreichischen Landesamtes für<br />

Terrorismusbekämpfung und Ver fas -<br />

sungsschutz (LVT), Michael Tisch lin ger.<br />

Die Behörden müsste ihre Panne korrigieren<br />

und die NVP verbieten, ap -<br />

pellierte Robert Eiter, Sprecher des OÖ<br />

Netzwerks gegen Rassismus und<br />

Rechts extremismus, in einer Presse -<br />

kon ferenz in Linz an das Innenminis -<br />

te rium. Seine und mehr <strong>als</strong> 40 andere<br />

Gruppierungen sowie Künstler, u.a.<br />

Er win Steinhauer, Willi Resetarits,<br />

Franzobel und Maxi Blaha, unterstützen<br />

den „Lichterzug gegen Rechts“.<br />

Die NVP versuche einen österreichischen<br />

Ableger der NPD „am extremistischen<br />

Rand“ aufzubauen, warnte<br />

Michael Lindner, Vorsitzender der So -<br />

zialistischen Jugend Oberös ter reich<br />

und mitorganisator der Kundgebung<br />

in Linz. Die aktuelle Wirtschaftskrise<br />

sei weiterer Nährboden für fremdenfeindliche<br />

Tendenzen, daher seien auch<br />

die Katholische Jugend Oberöster reich<br />

und die Gewerkschaftsjugend dem<br />

Bündnis beigetreten, erklärte deren<br />

mit glieder Markus Feichtinger und<br />

Gottfried Lichtenberger.<br />

Eine für 1. mai in Linz angekündigte<br />

NVP-Kundgebung wurde bisher be -<br />

hördlich nicht genehmigt. Eine Ver -<br />

an staltung, die in Braunau stattfinden<br />

sollte, hatte die Bezirks haupt mann -<br />

schaft bereits Ende märz untersagt. Die<br />

Begründung: „Die NVP ist eine rechtsextreme,<br />

fremdenfeindliche und rassistische<br />

Partei.“<br />

Zum Gedenken an 1.000 Tage Gefangenschaft des von der Hamas nach Gaza verschleppten<br />

israelischen Soldaten Gilad Shalit, fand eine Kundgebung vor der Zentrale des Roten Kreu zes<br />

in der Wiedner Hauptstraße statt. Die Kund ge bung wurde von der B'nai B'rith, ei ner der<br />

größten jüdischen Men schen rechtsorganisationen, der <strong>Israelitische</strong>n Kultusge mein de (IKG)<br />

sowie anderen Organisationen veranstaltet.<br />

Das Internationale Rote Kreuz wurde kritisiert, keine ernsthaften Bemühun gen zur Einhal -<br />

tung der Rechte und für die Freilassung von Gilad Shalit unternom men zu haben.<br />

Prozess gegen Holocaust-<br />

Leugner Gerd Honsik<br />

Der Holocaust-Leugner Gerd Honsik<br />

musste sich wieder wegen nation<strong>als</strong>ozialistischer<br />

Wiederbetätigung nach<br />

§ 3 g Verbotsgesetz (VG) vor einem<br />

<strong>Wien</strong>er Schwurgericht verantworten.<br />

Die 90 Seiten dicke Anklageschrift der<br />

Staatsanwaltschaft <strong>Wien</strong> umfasst 28<br />

An klagepunkte.<br />

Honsik war bereits im Jahr 1992 auf<br />

Basis seines Buchs „Freispruch für Hit -<br />

ler?“ von <strong>Wien</strong>er Geschworenen we -<br />

gen Wiederbetätigung zu eineinhalb<br />

Jahren unbedingter Haft verurteilt<br />

worden. Statt die Strafe anzutreten,<br />

setzte er sich während des offenen<br />

Rechtsmittelverfahrens nach Spa nien<br />

ab, wo er 15 Jahre unbehelligt blieb<br />

und - so der Vorwurf der Anklage be -<br />

hörde - weiter seinen Ruf <strong>als</strong> führender<br />

Publizist der rechtsextremen Sze -<br />

ne gefestigt haben soll.<br />

Die Staatsanwaltschaft lastet dem<br />

mitt lerweile 68-Jährigen an, während<br />

seiner Flucht in seiner Zeitschrift<br />

‘Halt’, in Büchern und im Internet<br />

wei ter nation<strong>als</strong>ozialistisches Gedan -<br />

kengut verbreitet zu haben. Der Tat -<br />

zeitraum erstreckt sich von 1987 bis<br />

2003. Im Fall eines Schuldspruchs<br />

drohen Honsik jetzt bis zu 20 Jahre<br />

Haft, da der Ankläger von einer „be -<br />

son deren Gefährlichkeit des Täters oder<br />

der Betätigung“ ausgeht.<br />

Auf Basis eines Europäischen Haft -<br />

befehls war der 68-Jährige im August<br />

2007 bei malaga festgenommen und<br />

ausgeliefert worden. Das <strong>Wien</strong>er<br />

Ober landesgericht bestätigte im De -<br />

zember 2007 die 1992 verhängte Stra fe,<br />

die der gesundheitlich angeblich an -<br />

ge schlagene Honsik zur Gänze verbüßt<br />

hat. Seither sitzt er wieder in U-<br />

Haft. APA<br />

<strong>April</strong> <strong>2009</strong> - Nissan/Ijar 5769 7<br />

© B. Gilkarov<br />

©APA<br />

POLITIK


Wieder einmal versteht der Dritte Na -<br />

tionalratspräsident martin Graf die<br />

Aufregung nicht. Diesmal geht es um<br />

die Einladung eines mannes ins<br />

Parlament, der dem Dokumen ta ti ons -<br />

ar chiv des österreichischen Wi der -<br />

stands seit „vielen, vielen Jahren“ be -<br />

kannt ist, „rechts am Rand des Rechts ex -<br />

tremismus“ sei und offenbar „kaum Be -<br />

rüh rungsängste zum deutschen Natio nal -<br />

sozialismus“ habe.<br />

Auch SPÖ-Klubobmann Josef Cap<br />

versteht die Aufregung um den Auf -<br />

tritt des extrem rechten Professors<br />

Walter marinovic nicht. marinovic war<br />

schon Gastredner bei der rechtsextremen<br />

AFP und hat einen Appell unterzeichnet,<br />

dass das „biologisch-ge ne ti sche<br />

Erbe des deutschen Volkes“ ge fährdet sei<br />

durch eine „multikulturelle Gesellschaft“<br />

und „Hintergrund mäch te“, zu denen<br />

„Juden und Jüdin nen“ gehören.<br />

Caps Begründung: Das Ganze finde<br />

in Eigenverantwortung des Ver an stal -<br />

ters statt, und „damit haben wir glücklicherweise<br />

nichts zu tun“, meint Cap.<br />

Im Klartext: Im Parlament kann man<br />

alles machen, man muss es nur in Ei -<br />

gen verantwortung tun.<br />

So einfach kann sich Cap nicht abputzen.<br />

Der Klubobmann hat den Ab ge -<br />

ord neten der SPÖ freigestellt, ob sie<br />

Graf zum Dritten Nationalratspräsi -<br />

denten wählen. ÖVP-Obmann Josef<br />

Pröll, der zu dieser Causa bisher<br />

schweigt, hat sogar eine Wahl em pfeh -<br />

lung abgegeben. So kam ein Wahler -<br />

gebnis von 69,9 Prozent zustande.<br />

Am vehementesten ist die rechte Flü -<br />

gelstürmerin der ÖVP, maria Fekter,<br />

<strong>als</strong> Verteidigerin von Graf aufgetreten.<br />

Die Innenministerin hat die Wahl<br />

Grafs zu einem Testfall für die De -<br />

mokratie gemacht: „Demokratie lebt<br />

von Spielregeln und deren Einhaltung.<br />

Zu diesen Spielregeln gehört es, dass im<br />

Hohen Haus die drei stärksten Fraktio-nen<br />

das Vorschlagsrecht für die Besetzung des<br />

Präsidiums haben“, verteidigte sie die<br />

POLITIK • INLAND<br />

„Rechte Gesinnung im Parlament“<br />

SPÖ und ÖVP mitverantwortlich für Graf und<br />

seine Umtriebe im Hohen Haus<br />

VON ALEXANDRA FÖDERL-SCHMID<br />

„DER STANDARD“ - Kommentar: Ausgabe 16.04.<strong>2009</strong><br />

Wahl Grafs in eine der höchsten<br />

Staats funktionen. Denn nicht er oder<br />

die Burschenschaft Olympia, deren<br />

mit glied der FPÖ-Politiker ist, seien<br />

das Problem, sondern deren Gäste:<br />

„Das Gedankengut dieser Gäste ist<br />

graus lich. Daher ist die Debatte darüber,<br />

dass ein solches Gedankengut in der Re -<br />

publik und im Hohen Haus nichts verloren<br />

hat, berechtigt“, schrieb Fekter in<br />

einer Aussendung am 28. Oktober.<br />

Jetzt sind Gäste, die solches Gedan -<br />

kengut verbreiten, im Hohen Haus an -<br />

gelangt. Und Fekter verweist auf ih ren<br />

Parteifreund, den Zweiten Na tio nal -<br />

ratspräsidenten Fritz Neuge bau er.<br />

Der will sich erst erklären. Und Na tio -<br />

nalratspräsidentin Barbara Pram mer<br />

verlangt einmal mehr eine Erklä rung<br />

Grafs und bedauert, eigentlich keine<br />

Handhabe gegen Graf zu haben.<br />

Graf hat Plakate für den umstrittenen<br />

Burschenschafter-Ball im Parlament<br />

aufgehängt. Der FPÖ-Politiker hat mit -<br />

arbeiter engagiert, die bei einem Ver -<br />

sand „Nazidreck“ (Zitat martin Graf)<br />

bestellt haben. Graf darf auf seiner<br />

Ho mepage historisch nicht belegbare<br />

Horrorzahlen über sudetendeutsche<br />

Opfer verbreiten und seinen Wider -<br />

stand mit niemand Geringerem <strong>als</strong><br />

Hitler-Attentäter Claus Stauffenberg<br />

vergleichen, der „seinen Einsatz mit dem<br />

Leben bezahlt“ habe.<br />

Was muss noch geschehen? Ein Auf -<br />

marsch von rechten Recken im Parlament?<br />

Die Verteilung von Bestell zet -<br />

teln für den Aufruhr-Versand oder das<br />

Singen von Nazi-Liedern? Graf lotet<br />

ganz offensichtlich die Grenzen aus.<br />

ÖVP und SPÖ sind mit schuld daran,<br />

dass rechtes Gedankengut im Parla -<br />

ment Einzug gehalten hat und ver brei -<br />

tet wird. Es war vor der Wahl be kannt,<br />

welche Gesinnung der FPÖ-Politiker<br />

vertritt. Er selbst hat nie ein Hehl daraus<br />

gemacht, sich nicht von der Bur -<br />

schenschaft Olympia distanziert - ge -<br />

wählt wurde er dennoch von mehr <strong>als</strong><br />

zwei Drittel der Volksvertreter im Ho -<br />

hen Haus. Nicht nur das Parlament,<br />

das Ansehen des Landes ist beschädigt.<br />

OTS<br />

Rechtsextremismus - Szene größer und besser organisiert<br />

Wenig überrascht von der Anzeigenstatistik zeigte sich Heribert Schiedel,<br />

Rechts extremismus-Experte des Dokumentationsarchiv des Österreichischen<br />

Widerstandes (DÖW): „Das DÖW warnt seit Jahren, dass sich etwas tut. Wir<br />

sind mit einem Wachstum in der Szene konfrontiert, sowohl in quan titativer <strong>als</strong><br />

auch in qualitativer Hinsicht“. Die Szene wer de einerseits größer, andererseits<br />

sei sie besser organisiert und strukturierter. „Entscheidend ist die Reaktion der<br />

Behörde“, sagte Schiedel. Als Unter mau e rung brachte er einen Vergleich zwischen<br />

Vorarl berg und <strong>Wien</strong>. In beiden Bundesländern habe das Neonazi-<br />

Skinhead-Netz werk Blood and Honour etwa zur gleichen Zeit versucht,<br />

Organisationsstrukturen aufzubauen. In <strong>Wien</strong> blieb es beim Versuch, in<br />

Vorarlberg gab es im <strong>April</strong> einen Skinheadaufmarsch, bei dem „die Blood and<br />

Honour-Führungsriege, international gesehen, teilnahm“, so der DÖW-Ex per te. „Wo<br />

sind wir denn? Und ein Beamter nennt das Gedenkmarsch für einen Kame ra den,<br />

wörtlich.“<br />

Stark steigenden Anzeigenzahlen stehe ein massiver Rückgang der Verur tei -<br />

lungen nach dem Verbotsgesetz gegenüber. „2006 gab es 24 Verurteilungen nach<br />

dem Verbotsgesetz, 2007 waren es zehn. Das ist ein Rückgang um mehr <strong>als</strong> 50 Pro -<br />

zent.“ Auch der Umfang im Verfassungsschutzbericht des Innen minis te ri ums<br />

habe sich verringert. Schiedel verwies außerdem auf einen „all gemeinen gesellschaftlichen<br />

Rechtsruck“. Dieser äußere sich „in mehr Gewalt be reit schaft und<br />

Mili tanz“. So sei etwa die Wahl von martin Graf und die Affäre um die Be stel -<br />

lungen seiner mitarbeiter bei einem rechtsextremen Versand ein Aus druck<br />

dafür. In den Verfassungsschutzberichten werden ab 2002 Bur schen schaf ter<br />

nicht mehr genannt.<br />

8 <strong>April</strong> <strong>2009</strong> - Nissan/Ijar 5769


gegen<br />

Iran-Reise<br />

der Wirtschaftskammer<br />

und<br />

Durban-II-<br />

Konferenz<br />

Das überparteiliche Bündnis STOP<br />

THE BOmB, das sich für Sanktionen<br />

gegen das iranische Regime und für<br />

die Unterstützung der Opposition<br />

engagiert, kritisiert eine vom 25. bis<br />

28. <strong>April</strong> geplante „Erkundungsreise“<br />

der Wirtschaftskammer Österreich in<br />

den Iran und die Teilnahme Österreichs<br />

an der so genannten „Antiras -<br />

sis mus-Konferenz“ in Genf, für die<br />

der iranische Präsident Ahmadinejad<br />

seine Teilnahme angekündigt hat.<br />

STOP THE BOmB-Sprecherin Simone<br />

Dinah Hartmann sieht in der WKO-<br />

Reise in den Iran eine Unter minie rung<br />

des internationalen Drucks auf das<br />

Regime in Teheran: „Während europaweit<br />

eine Ausweitung von Sanktionen ge -<br />

gen das Regime diskutiert wird, um es zu -<br />

mindest von seinem Nuklearpro gramm<br />

abzubringen, marschiert Österreich in<br />

die entgegen gesetzte Richtung.“<br />

Ursula Stenzel, die zu den Unter -<br />

zeich nern der STOP THE BOmB-Pe ti -<br />

tion gegen Geschäfte mit dem iranischen<br />

Regime zählt, fordert von der<br />

WKO ein verantwortliches Vorgehen:<br />

„Die Iran-Reise der WKO sendet das f<strong>als</strong>che<br />

Signal. Natürlich sollen internationale<br />

Geschäftsbeziehungen ausgebaut werden.<br />

Aber bei einem Regime wie dem iranischen<br />

müssen kurzfristige Wirtschafts in -<br />

POLITIK • ILAND<br />

ter essen zurückstehen. Mit einem Regi me,<br />

das Holocaust-Leugnung zu einem Be -<br />

standteil seiner Außenpolitik macht und<br />

Israel mit der Vernichtung droht, kann es<br />

kein business as usual‚ geben.“<br />

Das iranische Regime, das maßgeblich<br />

an der Produktion und Verbreitung<br />

an tisemitischer Propagandaschriften<br />

wie der „Protokolle der Weisen von<br />

Zi on“ beteiligt ist, war an der Vor be -<br />

reitung der Zweiten „Antiras sis mus“-<br />

Konferenz der UN in Genf be teiligt.<br />

Die ehemalige SPÖ-Politikerin Eli -<br />

sabeth Pittermann, eine der Erstun ter -<br />

stützerinnen von STOP THE BOmB,<br />

stellt die Durban II-Konferenz prinzipiell<br />

in Frage: „Die Konferenz in Genf<br />

dient nicht der dringend gebotenen Be -<br />

kämpfung des Rassismus, sondern der<br />

De legitimierung Israels. Sie fördert nicht<br />

Simone Dinah Hartmann bei der Mahnwache<br />

vor dem <strong>Wien</strong>er Parlament<br />

die Einhaltung der Menschenrechte, sondern<br />

bietet den schlimmsten Menschen -<br />

rechts verletztern wie dem iranischen Re -<br />

gime ein Podium.“<br />

Madeleine Petrovic, Vorsitzende der<br />

Grünen Niederösterreichs, die kürzlich<br />

die STOP THE BOmB-Petition<br />

für Sanktionen gegen den Iran unterzeichnet<br />

hat, fordert von der Bundes -<br />

re gierung: „Durch die Teilnahme Ahma -<br />

di nejads hätten die europäischen Re gie -<br />

rungen nur noch einen weiteren gu ten<br />

Grund, diese Konferenz zu boykottieren.<br />

Die österreichische Regierung sollte sich<br />

nicht nur klar gegen die Bemü hun gen der<br />

Wirtschaftskammer zum Ausbau des ös -<br />

ter reichischen Iran-Handels aussprechen,<br />

sondern auch dem offensichtlichen Miss -<br />

brauch des Antirassismus, wie er bei der<br />

Durban-Folgekonferenz in Genf zu er war -<br />

ten ist, eine klare Absage erteilen.“<br />

„Das heißt, die großen Völker Ame ri -<br />

kas und verschiedener Nationen in<br />

Europa müs sen den Forderungen und<br />

Wün schen einer kleinen Zahl habgieriger<br />

und invasiver Leute gehorchen.<br />

Diese Nationen ge ben ihre Würde und<br />

ihre Ressourcen für die Verbrechen und<br />

Besatzungen und Bedrohungen der<br />

zionistischen Netz werks gegen ihren<br />

Wille her…“<br />

Ahmadinejad am 23.09.08<br />

vor der UN-Vollversammlung<br />

<strong>April</strong> <strong>2009</strong> - Nissan/Ijar 5769 9<br />

-


Seit Dezember 2007 mobilisiert die<br />

Kam pagne STOP THE BOmB gegen<br />

Ge schäfte mit dem iranischen Regi -<br />

me, insbesondere gegen das geplante<br />

milliardengeschäft der ÖmV. Im<br />

Rahmen unserer Aktivitäten sind wir<br />

immer wieder mit den gleichen Ein -<br />

wän den konfrontiert. Einige dieser<br />

gängigen Argumentationen und<br />

Nach fragen sollen im Folgenden aufgegriffen<br />

und widerlegt bzw. beantwortet<br />

werden.<br />

Selbst die US-amerikanischen Geheim -<br />

dien ste gehen davon aus, dass der Iran<br />

keine Atomwaffen baut.<br />

Gerade jene Formulierungen des Na tio -<br />

nal Intelligence Estimate von 2007, die<br />

in der internationalen Presse begierig<br />

aufgegriffen wurden, sind politische<br />

Einschätzungen, keine nachrichtendienstlichen<br />

Feststellungen und werden<br />

mittlerweile selbst von einigen<br />

der Autoren des Berichts in Zweifel<br />

ge zogen. Selbst wenn sie richtig wä -<br />

ren – der Inhalt des Berichts hat kaum<br />

etwas mit dem zu tun, was in den<br />

deutschen und österreichischen me -<br />

di en <strong>als</strong> Entwarnung hinsichtlich des<br />

iranischen Nuklearprogramms über<br />

die NIE verlautbart wurde. In dem<br />

Bericht war lediglich die Rede davon,<br />

dass vermutlich einzelne Komponenten<br />

des Atomwaffenprogramms eingestellt<br />

wurden.<br />

POLITIK • IRAN<br />

Das iranische Regime<br />

und die Möglichkeiten<br />

einer Sanktionspolitik<br />

Fragen, Einwände und Antworten<br />

Von Stephan Grigat<br />

Der Iran hat Jahre lang versucht, sein<br />

angeblich ziviles Nuklearprogramm<br />

ge heim zu halten und wiederholt ge -<br />

gen internationale Abkommen verstoßen.<br />

Ein ziviles Atomprogramm im<br />

Iran ist sowohl ökonomisch <strong>als</strong> auch<br />

ökologisch völlig unsinnig. Heute ar -<br />

bei tet der Iran an Raketen, die auf<br />

Grund ihrer Zielungenauigkeit militärisch<br />

nur dann Sinn machen, wenn<br />

sie mit nuklearen Gefechtsköpfen<br />

ausgerüstet werden.<br />

Israel hat auch Atomwaffen. Warum<br />

sollte man sie dem Iran verweigern?<br />

Israel ist im Gegensatz zum Iran eine<br />

rechtsstaatliche Demokratie, die keinem<br />

anderen UN-mitglied mit der<br />

Aus löschung droht. Im Iran herrscht<br />

ein totalitäres Regime, das Israel seit<br />

fast 30 Jahren mit der Vernichtung<br />

droht. Jedes arabische Land konnte<br />

und kann darauf vertrauen, dass Is -<br />

rael seine offiziell nicht deklarierten<br />

Nuklearwaffen niem<strong>als</strong> zur Durch set -<br />

zung territorialer Expansion oder im<br />

‚Krieg der Ideen’, der in der Re-gion<br />

mit Israel <strong>als</strong> Frontstaat ausgefochten<br />

wird, einsetzen würde. Dem Iran hingegen<br />

trauen auch Länder wie Ägypten<br />

oder Saudi-Arabien zu, die Tech -<br />

no logie der massenvernichtung zur<br />

Umsetzung ebenso mörderischer wie<br />

selbstmörderischer Ziele anzustreben.<br />

Daher würden iranische Nu klear waf -<br />

fen, anders <strong>als</strong> die israelischen, ein<br />

atomares Wettrüsten im Nahen Osten<br />

verursachen.<br />

Würde der Nahost-Konflikt gelöst,<br />

ließen sich auch die Probleme mit dem<br />

Iran regeln.<br />

Dem iranischen Regime geht es nicht<br />

um einen Ausgleich und Kompro miss<br />

mit Israel oder um eine Verbesserung<br />

der Situation der Palästinenser, sondern<br />

um die Vernichtung des jüdischen<br />

Staates. Das Regime unterstützt<br />

jene palästinensischen Gruppen und<br />

die Hisbollah im Libanon, die jegliche<br />

Verhandlungslösung torpedieren.<br />

Nach dem Willen der mullahs muss<br />

der Zionismus aus der Weltge schich -<br />

te verschwinden.<br />

Ahmadinejad hat gar nicht davon<br />

gesprochen, Israel von der Landkarte<br />

tilgen zu wollen. Es handelt sich um<br />

einen Übersetzungsfehler.<br />

Ahmadinejad selbst hat auf seiner<br />

eng lischsprachigen Homepage die<br />

ent sprechende Rede veröffentlicht.<br />

Aber auch die mittlerweile kolportierte<br />

deutsche Übersetzung, wonach Ah -<br />

ma dinejad gesagt habe, „Das Re gi me,<br />

das Jerusalem besetzt hält, muss aus den<br />

Annalen der Geschichte getilgt werden“,<br />

bedeutet nichts anderes <strong>als</strong> die For -<br />

derung nach der Zerstörung Is ra els.<br />

10 <strong>April</strong> <strong>2009</strong> - Nissan/Ijar 5769


Iran ist nicht Hitler-Deutschland.<br />

Das behauptet auch niemand, aber es<br />

existieren ideologische Schnittmen gen.<br />

Durch die offensichtlichen Unter -<br />

schie de wird der Iran auch nicht<br />

weniger gefährlich. Im Nation<strong>als</strong>o zia -<br />

lismus gab es keine Nuklearwaffen,<br />

die es heute einem Schwellenland er -<br />

möglichen, eine existenzielle Bedrohung<br />

darzustellen. Im Zeitalter von<br />

mas senvernichtungswaffen ist es kei ne<br />

Beruhigung, wenn darauf verwiesen<br />

wird, dass der Iran nicht über eine der -<br />

art schlagkräftige National öko no mie<br />

verfügt wie Nazi-Deutschland. man<br />

benötigt heute zum massenmord kei -<br />

ne Wehrmacht mit knapp 20 milli o nen<br />

Soldaten und auch nicht die Unter -<br />

stüt zung einer Volksgemeinschaft.<br />

Ahamdinejad hat gar nicht so viel zu<br />

sagen im Iran.<br />

Das stimmt, macht aber das Problem<br />

größer, nicht kleiner. Die macht des<br />

Präsidenten ist zum einen durch das<br />

komplizierte Institutionengeflecht im<br />

Iran eingeschränkt, zum anderen<br />

durch die allen Institutionen übergeordnete<br />

„Herrschaft der Rechtsge lehr -<br />

ten“, durch welche die Entscheidungs -<br />

befugnisse beim Obersten Geistlichen<br />

Führer Ali Khamenei konzentriert<br />

sind, der wiederholt zur „Vernich tung<br />

und Zerstörung des jüdischen Staates“<br />

aufgerufen hat. Das bedeutet, auch mit<br />

einer Abwahl Ahmadinejads wären die<br />

Probleme keineswegs verschwunden.<br />

Der Iran ist ein rationaler Akteur, der<br />

eine Atombombe niem<strong>als</strong> einsetzen<br />

würde.<br />

Die Bombe bräuchte von Teheran gar<br />

nicht eingesetzt zu werden, um die<br />

Zukunft Israels zu gefährden: Atom -<br />

waffen in der Hand der iranischen<br />

mullahs würden es jedem arabischen<br />

Regime in der Zukunft verunmögli -<br />

chen, einen Friedensschluss mit Israel<br />

anzustreben. Israel könnte selbst ge -<br />

gen massiven Raketenbeschuss durch<br />

die iranischen Verbündeten an der<br />

Nord- und Südgrenze des Landes<br />

angesichts der Drohung mit der Tehe -<br />

raner Bombe nicht mehr adäquat reagieren.<br />

Ohne einen einzigen Schuss<br />

abzugeben, könnte Ahmadinejad oder<br />

einer seiner Nachfolger eine Ent völ -<br />

ke rung Israels herbeizwingen: Schon<br />

heute überlegen 27 Prozent der Israe -<br />

lis, das Land zu verlassen, so bald der<br />

POLITIK • IRAN<br />

Iran über Nuklearwaffen verfügt.<br />

Aber auch der Einsatz von mas sen -<br />

vernichtungswaffen wird vom Regi me<br />

nicht ausgeschlossen. Das iranische<br />

Regime trägt die märtyrerideologie<br />

nicht <strong>als</strong> Rhetorik vor sich her, sondern<br />

macht ausgehend von ihr Po li tik. 2001<br />

spekulierte Ex-Präsident Raf sand -<br />

scha ni bei einer Kundgebung zum Al-<br />

Quds-Tag darüber, dass bereits der<br />

Einsatz einer Atombombe, gezündet<br />

in der Nähe von Tel Aviv, ausreichen<br />

werde, um Israel zu vernichten und<br />

fügte hinzu: „Auch wenn dies der islamischen<br />

Welt Schaden zufügen wird, ist<br />

es nicht widersinnig, so eine Möglichkeit<br />

in Betracht zu ziehen.“ Solche Überlegungen<br />

stehen in der Tradition von<br />

Ajatollah Khomeini, der schon kurz<br />

nach der Revolution von 1979 erklärt<br />

hatte, der Iran könne ruhig untergehen,<br />

wenn nur der Islam den Sieg im<br />

weltweiten Kampf gegen die Un gläu -<br />

bigen davon trage.<br />

Auch andere Diktaturen im Nahen<br />

Osten verletzten die Menschenrechte<br />

und sind antiisraelisch.<br />

Es gibt auch keinen Grund, diese Re -<br />

gime von der Kritik auszunehmen.<br />

Den noch besteht ein wichtiger Un ter -<br />

schied zum Iran. Die spezifische Ge -<br />

fährlichkeit des iranischen Regimes<br />

resultiert aus der Kombination von<br />

apokalyptischem märtyrertum, Anti -<br />

semitismus und dem Streben nach der<br />

Technologie der massen ver nich tung.<br />

Der Antisemitismus dient dem<br />

Regime nur zur Ablenkung<br />

von innenpolitischen Problemen.<br />

Der Antisemitismus ist keine taktische<br />

Strategie, sondern gehört zum ideologischen<br />

Kern des islamischen Djiha -<br />

dis mus. Aus der Erfahrung mit dem<br />

Nation<strong>als</strong>ozialismus sollte man begrif<br />

fen haben, dass Antisemiten die<br />

An kündigung ihrer Verbrechen, so irr -<br />

sinnig und selbstmörderisch sie auch<br />

erscheinen mögen, ernst meinen. Das<br />

gilt insbesondere für ein Regime, das<br />

Konferenzen zur Leugnung des Holo -<br />

causts veranstaltet und regelmäßig<br />

für die Neuauflage der „Protokolle der<br />

Weisen von Zion“ sorgt.<br />

Was soll am iranischen Regime<br />

antisemitisch sein? Im Iran existiert<br />

eine große jüdische Gemeinde.<br />

Im Pseudo-Parlament ist sogar ein<br />

Platz für einen Vertreter der jüdischen<br />

minderheit vorgesehen. Juden werden<br />

im Iran nicht in dem maße systematisch<br />

verfolgt wie beispielsweise die<br />

Baha’i. Nichtsdestotrotz sind sie kei ne<br />

gleich berechtigten Staatsbürger. Die<br />

im Iran verbliebenen Juden bekommen<br />

die Rolle von ‚Dhimmis’ (‚Schutz -<br />

befohlenen’) zugewiesen, die der Is -<br />

lam für bestimmte minderheiten vorsieht.<br />

Wenn sie sich damit abfinden,<br />

dass sie <strong>als</strong> eine weit gehend entrechtete<br />

und diskriminierte minderheit in<br />

islamischen Ländern existieren, wird<br />

ihnen das Lebensrecht nicht vorenthal-<br />

<strong>April</strong> <strong>2009</strong> - Nissan/Ijar 5769 11<br />

© Reuters


© Reuters<br />

ten. Juden im Iran müssen sich be stän -<br />

dig von Israel und dem Zionis mus<br />

dis tanzieren, um sich nicht dem Ver -<br />

dacht der Kollaboration auszusetzen.<br />

Auf Grund der ideologischen Aus -<br />

richtung des Regimes kann die systematische<br />

Diskriminierung jederzeit<br />

in offene Verfolgung umschlagen.<br />

Der Khomeinismus richtet sich keineswegs<br />

nur gegen den israelischen<br />

Staat, sondern hat offen seine Feind -<br />

schaft zum Judentum erklärt.<br />

Die Kampagne STOP THE BOMB<br />

beteiligt sich an der Kriegshetze gegen<br />

den Iran.<br />

Wir fordern umfassende wirtschaftliche<br />

Sanktionen gegen den Iran und<br />

die Förderung der auf Rechtsstaat -<br />

lich keit zielenden säkularen Opposi ti -<br />

on. Wir zeigen damit die letzte verbliebene<br />

nichtmilitärischen möglichkei -<br />

ten auf, das iranische Regime, das seit<br />

30 Jah ren einen Krieg gegen die eigene<br />

Be völ kerung führt, von seinem Atom -<br />

pro gramm abzubringen und das Re -<br />

gi me zu schwächen. militärische Aus -<br />

ein an dersetzungen werden von jenen<br />

beför dert, die sich gegen diese maß -<br />

nah men stellen.<br />

Sanktionen bringen nichts.<br />

Die iranische Industrie ist von Zulie -<br />

fe rungen aus Europa abhängig. Al lein<br />

zwei Drittel der Unternehmen sind<br />

beispielsweise auf Ersatzteile aus<br />

Deutschland angewiesen, das mit ei -<br />

nem Handelsvolumen von 3 bis 4 mrd.<br />

Euro pro Jahre zu den wichtigs ten Ge -<br />

schäftspartnern des iranischen Re gi -<br />

POLITIK • IRAN<br />

mes gehört. Konsequente Sanktionen<br />

seitens der europäischen Länder würden<br />

die iranische Wirtschaft, und da mit<br />

auch das Nuklearprogramm, in ner halb<br />

weniger monate zusam men bre chen<br />

lassen – und damit das Regime in existenzielle<br />

Schwierigkei ten stürzen.<br />

Vier Resolutionen des UN-Sicherheitrates<br />

Mit der Resolution 1696 (2006) wurden dem<br />

Iran völkerrechtlich bindende Anweisungen<br />

gemacht. Nachdem der Iran die ser Resolution<br />

nicht nachkam, verhängte das Gre mium am<br />

23.12.06 durch seine Re so lu tion 1737 (2006) ein<br />

Embargo auf be stimm te Güter. Dabei handelte<br />

es sich um Material, Aus rüstungen, Dienst -<br />

leis tungen und sonstige Unterstüt zun gen, die<br />

dem iranischen Atom pro gramm dienen. Aus<br />

dem Bericht des Gene raldirektors der IAEO vom<br />

22.02.07 ging her vor, dass Iran auch weiterhin<br />

die Anord nun gen der IAEO und der Resolu tio -<br />

nen 1696 und 1737 nicht umgesetzt hat. Des -<br />

wegen er wei terte der Sicherheitsrat diese<br />

Sank tionen um eine Reihe von Institutionen und<br />

Privat per so nen und gab Iran sechzig Tage Zeit,<br />

die Reso lu tion 1747 (2007) zu erfüllen. Alle die se<br />

Re solu tio nen wurden nach Kapitel VII der<br />

UN-Char ta verabschiedet und sind damit völkerrechtlich<br />

bindende und durchsetzbare Ent -<br />

scheidungen; die Verab schie dung er folgte aber<br />

jeweils unter den Be schrän kungen des Arti kels<br />

41 der UN-Char ta, womit eine mi li täri sche Lö -<br />

sung zur Erfüllung der Re so lu tionen ausgeschlossen<br />

ist.<br />

Die Resolution 1803 (2008) vom 3.03.08 be -<br />

kräftigt die vorangegangenen Resolutionen und<br />

erweiterte die Sanktionen auf den Handel mit<br />

Gütern die sowohl für den zivilen <strong>als</strong> auch mi -<br />

li tärischen Bereich Anwendung finden können.<br />

Nach Angaben des amerikanischen UN-Bot -<br />

schaf ters Zalmay Khalilzad sei der Iran auf der<br />

Suche nach Plänen für einen nuklearen Spreng -<br />

kopf und nach Wegen zur Minia turi sie rung<br />

des sen zum Einbau auf einer Atom ra ke te.<br />

Warum sollte Europa zugunsten von<br />

Russland oder China auf Iran-Geschäfte<br />

verzichten?<br />

Im Hochtechnologiebereich, in dem<br />

die Lieferungen aus Europa in den<br />

Iran für das Regime in Teheran be son -<br />

ders wichtig sind, können solche<br />

Länder kurz- und mittelfristig nicht<br />

in die Bresche springen, sollten sich<br />

die eu ro päischen Staaten zu konsequenten<br />

Sanktionen entschließen.<br />

Sanktionen treffen nur die Bevölkerung.<br />

Die iranische Bevölkerung leidet seit<br />

30 Jahren unter dem Regime der Aja -<br />

tollahs, das versucht, sich durch eine<br />

florierende Ökonomie zu legitimieren.<br />

Wirtschaftliche Schwierigkeiten delegitimieren<br />

das Regime in den Augen<br />

der iranischen Bevölkerung. Die relative<br />

Stabilität des Regimes beruht auf<br />

brutaler Unterdrückung in Kombina -<br />

tion mit materiellen Zugeständ nis sen.<br />

Anders <strong>als</strong> beispielsweise im Irak Sad -<br />

dam Husseins kann das iranische Re -<br />

gime die Kosten der Sanktionen nicht<br />

einfach auf die Bevölkerung ab wäl -<br />

zen. Zudem existiert die mög lich keit<br />

von smart sanctions, die bewusst darauf<br />

achten, kein unnötiges Leid über die<br />

Bevölkerung zu bringen, aber das Re -<br />

gi me zu treffen. Für einen Re gi me -<br />

wech sel von innen ist keine Ver bes -<br />

serung der wirtschaftlichen Situa tion<br />

nötig, sondern eine Unterstützung<br />

der iranischen Opposition, die für<br />

einen säkularen und rechtsstaatlichen<br />

Iran kämpft. Daher unterstützen<br />

große Teile dieser Opposition auch<br />

die Forderungen nach Sanktionen<br />

und der Isolierung des Regimes.<br />

Dr. Stephan Grigat ist<br />

Lehrbeauftragter für<br />

Po litik wissen schaft an<br />

der Uni ver sität <strong>Wien</strong><br />

und wissenschaftli cher<br />

Be ra ter von STOP THE<br />

BOMB.<br />

www.stopthebomb.net<br />

buch-tipp<br />

Literatur:<br />

Stephan Grigat/<br />

Simone Dinah<br />

Hartmann (Hg.):<br />

Der Iran – Analyse einer<br />

islamischen Diktatur<br />

und ihrer europäischen<br />

Förderer.<br />

Studienverlag: <strong>Wien</strong> –<br />

Innsbruck – Bozen 2008<br />

12 <strong>April</strong> <strong>2009</strong> - Nissan/Ijar 5769


August 2002 - Iranische Exilanten berichten vom<br />

Bau einer großen Uran-Anreicherungs an la ge in<br />

Natanz und einer Schwerwasser-Anlage in Arak.<br />

Teheran hat die UNO nicht informiert<br />

Dezember 2002 - Die USA werfen Teheran vor,<br />

heimlich an einem Atomwaffenprogramm zu ar -<br />

bei ten. Iran stimmt Prüfungen durch die In ter -<br />

nationale Atomenergiebehörde (IAEA) zu.<br />

Februar 2003 - Der iranische Präsident Moham -<br />

mad Khatami teilt mit, Iran habe mit der Uran-<br />

För derung begonnen und plane einen nuklearen<br />

Brennstoffkreislauf. IAEA-Chef Mohammed El Ba -<br />

radei reist mit Inspektoren zu Proben in den Iran.<br />

Juni 2003 - IAEA-Chef ElBaradei wirft Iran vor,<br />

nicht seine gesamte nukleare Arbeit offenzulegen.<br />

September 2003 - Nachdem zum wiederholten<br />

Mal hoch angereichertes Uran gefunden wurde,<br />

soll Iran ein freiwilliges Zusatzprotokoll unterzeichnen,<br />

das weitere Inspektionen ermöglicht.<br />

Dezember 2003 - Iran unterzeichnet in <strong>Wien</strong> das<br />

Zusatzprotokoll der IAEA.<br />

September 2004 - IAEA fordert den Stopp der ira -<br />

nischen Vorbereitungen für eine Uran-An rei che -<br />

rung im großen Maßstab. US-Außen minis ter Co lin<br />

Powell nennt Iran eine wachsende Gefahr und ruft<br />

den Weltsicherheitsrat zu Sanktionen auf.<br />

November 2004 - Bei Gesprächen mit Frank reich,<br />

Deutschland und Großbritannien (EU-3) ver -<br />

spricht Iran, alle Anreicherungs-Aktivitäten vorübergehend<br />

einzustellen.<br />

Februar 2005 - Präsident Mohammed Khatami:<br />

„Keine iranische Regierung wird das Atom pro gramm<br />

aufgeben.“<br />

Mai 2005 - Die EU-3 warnt davor, bei Wiederauf -<br />

nahme der Uran-Anreicherung alle Handel- und<br />

Wirtschafts-Verhandlungen abzubrechen. Iran will<br />

bis Ende Juli detaillierte Vorschläge der Europäer<br />

abwarten.<br />

August 2005 - Hardliner Mahmud Ahmadine -<br />

dschad wird iranischer Präsident. Teheran kündigt<br />

die „unumkehrbare“ Wiederaufnahme der Uran-<br />

An reicherung an. Iran lehnt die jüngsten europäischen<br />

Vorschläge zur Beilegung der Atomkrise ab.<br />

Iran ernennt den konservativen Politiker Ali<br />

Larijani zum Atom-Chefunterhändler und nimmt<br />

Arbeiten am Brennstoffkreislauf bei Isfahan wieder<br />

auf.<br />

September 2006 - IAEA bestätigt, dass der Iran<br />

die Uran um wand lung in Isfahan wieder aufgenom -<br />

men hat.<br />

November 2005 - Das Direktorium der IAEA vertagt<br />

weitere Aktionen zu Irans Atomprogramm.<br />

Damit soll der Verhandlungsweg über einen russischen<br />

Kompromiss-Vorschlag eröffnet werden, wo -<br />

nach Iran in Russland unter strengen Kon trol len<br />

Uran anreichern könnte.<br />

Dezember 2005 Teheran weist das Angebot Mos -<br />

kaus zur Uran-Anreicherung in Russland zu rück.<br />

Januar 2006 - Iran bricht in Natanz die UNO-Ver -<br />

sie ge lung auf und nimmt die Forschungen an<br />

Atom treibstoffen wieder auf.<br />

Februar 2006 - IAEA entschließt sich, dem UNO-<br />

Si cher heitsrat über die Vorgänge im Iran Be richt zu<br />

POLITIK • IRAN<br />

CHRONOLOGIE DES IRANISCHEN ATOMPROGRAMMS<br />

erstatten. Tags darauf verweist Iran UN-Inspek to ren<br />

des Landes und nimmt nach zweieinhalb Jahren<br />

Pause die Einspeisung von Uran-Gas in Zentrifu gen<br />

in Natanz wieder auf.<br />

März 2006 - IAEA berichtet dem UNO-Si cher heits -<br />

rat: Verifizierung der rein friedli chen Ab sich ten des<br />

iranischen Atompro gramms ist un mög lich.<br />

<strong>April</strong> 2006 - Der Iran verkündet, er sei in der La ge,<br />

an ge reichertes Uran für den Betrieb von Kraft wer -<br />

ken herzustellen. Die IAEA be stätigt dies.<br />

Juni 2006 - EU-Außenminister Javier Solana eröffnet<br />

Teheran bei einem Besuch ein Pa ket von An -<br />

ge bo ten, sollte der Iran seine Uran an rei cherung<br />

einstellen.<br />

Juli 2006 - Der UNO-Sicherheitsrat fordert eine<br />

Aus set zung des iranischen Nuklear pro g ramms<br />

bis 31. August. Erstm<strong>als</strong> liegt eine Resolution vor,<br />

die für den Iran rechtlich bindend ist und mit Sank -<br />

tionen droht. Der Iran weist die Resolution zu rück.<br />

August 2006 - Iran lässt die Frist des Weltsicher -<br />

heits rats verstreichen.<br />

September 2006 - Russland und der Iran ver ein -<br />

ba ren, dass der Reaktor von Bu schehr bis Sep tem ber<br />

2007 fertig sein und im November 2007 ans Netz<br />

gehen soll.<br />

Oktober 2006 - Nach vier Monaten intensiver Ge -<br />

spräche über die Unterbrechung der iranischen Nu -<br />

klearaktivitäten ist nach Aussage des EU-Außen -<br />

be auftragten Solana keine Einigung in Sicht. Der<br />

Dialog kann nicht unbegrenzt fortgesetzt werden,<br />

so Solana.<br />

November 2006 - IAEA: Der Iran verfolgt weiter<br />

seine Urananreicherung, hat in eine Kette von 164<br />

Zentrifugen Uran-UF6-Gas zur Anreiche rung ge -<br />

füllt und sperrt sich gegen Inspektionen.Bis März<br />

2007 sollen 3.000 Zentrifugen installiert werden.<br />

Dezember 2006 - Die Resolution 1737 des UNO-<br />

Sicherheitsrats beschließt erstm<strong>als</strong> Sank tionen<br />

ge gen den Iran. Alle Lieferun gen von Techno lo gie<br />

und Materialien sollen unterbunden werden, die<br />

die iranische Atom- und Raketen pro gramme för -<br />

dern. Die Vermögen von zehn iranischen Fir men<br />

und zwölf Einzelpersonen werden ein gefro ren. Der<br />

Iran bezeichnet diese Maß nah men <strong>als</strong> illegal.<br />

Präsident Ahmadinedschad sagt, die Resolution<br />

1737 habe „keinen Einfluss“ auf das Atom pro -<br />

gramm des Iran.<br />

März 2007 - Der UN-Sicherheitsrat stimmt einstimmig<br />

für eine Verschärfung der Sanktionen ge -<br />

gen den Iran. Der Beschluss enthält unter anderem<br />

ein Verbot von Waffenausfuhren und das Einfrie ren<br />

weiterer Konten. Teheran nennt die neuen Maß -<br />

nah men „unnötig und nicht gerechtfertigt“.<br />

<strong>April</strong> 2007 - Nach Angaben von Präsident Ahma -<br />

di nedschad kann Iran nuklearen Brennstoff im in -<br />

dustriellen Maßstab produzieren. Zehn Tage später<br />

bestätigt die IAEA, dass Iran in seiner unterirdischen<br />

Anreicherungsanlage mit der Herstellung von<br />

nuklearem Brennstoff begonnen und über 1.300<br />

Zentrifugen installiert hat.<br />

Mai 2007 - In einem neuen IAEA-Bericht, der zeitgleich<br />

mit Ablauf einer weiteren Frist des Weltsi -<br />

cherheitsrates erscheint, hält sich der Iran nach wie<br />

vor nicht an die Forderungen der Weltgemein schaft<br />

und intensiviert sogar die Uran-Anreicherung.<br />

Juni 2007 - Im Iran wird das Benzin rationiert. Pri -<br />

vaten Autofahrern stehen nur noch 100 Liter Treib -<br />

stoff pro Monat zur Verfügung. In Teheran kommt<br />

es zu gewaltsamen Unruhen.<br />

August 2007 - Iran und IAEA einigen sich auf ei nen<br />

„Arbeitsplan“ zur Beantwortung der ausstehenden<br />

Fragen zu Irans Atomprogramm. In Na tanz arbeiten<br />

1.968 Zen trifugen an der Anrei che rung von Uran.<br />

September 2007 - Der französische Außen mi nis -<br />

ter Bernard Kouchner meint, die Welt solle sich<br />

auf einen Krieg mit dem Iran vorbereiten – nachdem<br />

sein Präsident Nicolas Sarkozy davon ge spro -<br />

chen hatte, dass die einzige Alternative „eine iranische<br />

Bombe oder den Iran zu bombardieren“ sei.<br />

Oktober 2007 - Die USA verschärfen die Sank tio nen<br />

gegen Iran und werfen dem Iranischen Re vo lu ti ons -<br />

gardekorps die Verbreitung von Massen ver nich -<br />

tungs waffen vor.<br />

November 2007 - Die fünf ständigen Mitglieder im<br />

UN-Sicherheitsrat (USA, Großbritannien, Frank reich,<br />

Russland und China) sowie Deutsch land ver han -<br />

deln über eine dritte Sanktionsrunde gegen Iran.<br />

15. November 2007 - Die Beurteilung der IAEA über<br />

Irans Zusammenarbeit im Rahmen des neu en „Ar -<br />

beitsplans“ zur Aufklärung strittiger Fragen fällt ge -<br />

mischt aus. Der Iran weigert sich weiterhin, der<br />

Forderung des UN-S i cherheitsrats nach einer Ein -<br />

stellung des Uran-Anreicherungsprogramms nach -<br />

zukommen.<br />

Dezember 2007 - Nach einem Bericht aller 16 US-<br />

Geheimdienste, veröffentlicht am 3.12.2007, habe<br />

der Iran aller Wahrscheinlichkeit nach im Herbst<br />

2003 sein Atomwaffenprogramm eingestellt.<br />

Januar 2008 - Präsident Ahmadinedschad verkündet<br />

in einer vom staatlichen Fernsehen übertragenen<br />

Rede: sein Land werde in einem Jahr über<br />

Atomenergie verfügen.<br />

Juni 2008 - EU-Außenbeauftragter Javier Solana<br />

übergibt ein neues „Paket von Vorschlägen“ an<br />

die iranische Regierung, die diese zur Aussetzung<br />

der Urananreicherung bewegen soll. Darin stellte<br />

die Sechser-Verhandlungsgruppe (China, Deutsch -<br />

land, Frankreich, Großbritannien, Russland und<br />

die USA) dem Iran technische und finanzielle Hil -<br />

fe zur Entwicklung der zivilen Atomenergie in Aus -<br />

sicht, darunter auch Atomreaktoren und Lie fe -<br />

rungen von Kernbrennstoff. Im Gegenzug müsse<br />

der Iran die Urananreicherung aussetzen.<br />

Juli 2008 - Die erstmalige Teilnahme der USA an<br />

den Gesprächen wird <strong>als</strong> Wen de punkt in der US-<br />

Politik gegenüber Teheran ge wertet.<br />

März <strong>2009</strong> - US-Geheimdienstchef Dennis C.<br />

Blair: „Der Iran besitzt nach Einschätzung der US-Ge -<br />

heimdienste kein waffenfähiges Uran und hat auch<br />

noch nicht über dessen Herstellung entschieden.“<br />

<strong>April</strong> <strong>2009</strong> - Präsident Mahmud Ahmadinedschad<br />

die Eröffnung einer betriebsbereiten Uranfabrik in<br />

Isfahan bekannt, die unter anderem den 40-Me -<br />

ga watt-Forschungsreaktor in Arak mit Brenn stä ben<br />

versorgen soll. Weiteren Angaben zufolge verfügt<br />

das Land über 7000 einsatzbereite Uranzen trifu -<br />

gen. Irans Atomprogramm habe damit die letzte<br />

Stufe erreicht. red<br />

<strong>April</strong> <strong>2009</strong> - Nissan/Ijar 5769 13


© EPA/Salvatore di Nolfi<br />

Vor zwei Jahren beschloss die UN-<br />

Ge neralversammlung, die „Durban<br />

Re visions-Konferenz“ einzuberufen, <strong>als</strong><br />

Nachfolgerin der „Weltkonferenz gegen<br />

Rassismus, Rassendiskriminierung, Xe no -<br />

phobie und damit in Verbindung stehende<br />

Intoleranz“, abgehalten in Durban im<br />

September 2001.<br />

Diese Konferenz war zu einem Fo rum<br />

für Vorwürfe und Aufhetzung gegen<br />

Israel verkommen, der Zionismus<br />

wurde attackiert und <strong>als</strong> Form des<br />

Ras sismus bezeichnet, die Einzig ar tig -<br />

keit der Gräuel des Holocaust relativiert<br />

sowie die Bedeutung des Wortes<br />

„Anti-Semitismus“ verzerrt.<br />

Obwohl es schon im Vorfeld viele<br />

Grün de gab zu glauben, dass die Re -<br />

vi sions-Konferenz bloß eine Wieder -<br />

ho lung von Durban I sein würde, kündigte<br />

Israel im Februar 2008 an, auf die<br />

Versicherung warten zu wollen, dass<br />

die Exzesse und der missbrauch der<br />

Konferenz 2001 sich in der Revisions-<br />

Konferenz nicht wiederholen würden.<br />

Leider haben wir seit diesem Zeit -<br />

punkt nicht einen einzigen Beweis für<br />

POLITIK • DURBAN II<br />

DURBAN II<br />

eine Besserung erhalten, eher im Ge -<br />

gen teil.<br />

Das Papier der Asien-Gruppe, das dem<br />

Organisationskomitee der Konferenz<br />

vorgelegt wurde, beinhaltete dieselben<br />

Ausdrücke des Hasses, die schon<br />

Durban I behindert hatten. Tatsäch lich<br />

wurde hier beinahe Wort für Wort die<br />

Rhetorik des Teheran-Planungs-Tref -<br />

fens 2001 wiederholt, die dam<strong>als</strong> zur<br />

Durban-Farce geführt hatte.<br />

Auch diesmal beharrten extremistische<br />

arabische und moslemische Staa -<br />

ten darauf, die Inhalte der Konferenz<br />

zu kontrollieren und von ihrer ur -<br />

sprüng lichen mission abzulenken.<br />

Bedauerlicherweise wurde das Asia ti -<br />

sche Dokument später in einem Er geb -<br />

nis-Papier zusammengefasst, in dem<br />

kein einziges Land beim Namen ge -<br />

nannt wurde, abgesehen von Israel.<br />

Israel ist sich vollkommen über die Be -<br />

deutung des internationalen Kamp fes<br />

gegen Rassismus, Xenophobie und die<br />

damit verbundene Intoleranz be wusst<br />

und blickte dem Ergebnis der Re vi -<br />

sions-Konferenz deshalb erwartungsvoll<br />

entgegen.<br />

Der hasserfüllte Tonus und Kontext<br />

des finalen Dokuments unterminiert<br />

auch weiterhin die ursprünglichen Ab -<br />

sichten und Ziele der Konferenz von<br />

Durban. Deshalb hatte Israel keine an -<br />

dere Wahl, <strong>als</strong> seine Teil nah me da ran<br />

abzusagen. Israel wird keiner Re vi si -<br />

ons-Konferenz durch seine An we sen -<br />

heit Legitimation verleihen, die <strong>als</strong><br />

Plattform für weitere antiisraelische<br />

und antisemitische Aktivitäten missbraucht<br />

wird.<br />

Kanada hatte bereits im Januar 2008<br />

angekündigt, nicht an Durban II teilzunehmen.<br />

Auch andere Staaten verweigerten<br />

eine Wiederholung von<br />

Durban I.<br />

Die usa realisierten, dass die Ver hand -<br />

lungen über das Dokument Durban II<br />

alles noch viel schlimmer gemacht<br />

ha ben und nicht mehr wieder gut<br />

gemacht werden können. Daraufhin<br />

entschieden die USA, sich weder auf<br />

weitere Gespräche über den Text ein-<br />

14 <strong>April</strong> <strong>2009</strong> - Nissan/Ijar 5769


zulassen, noch auf einer Konferenz,<br />

die darauf basiert, teilzunehmen.<br />

Schließlich erklärten die Vereinigten<br />

Staaten, dass ihrer meinung nach<br />

kein praktizierbarer Text für die Revi -<br />

sions-Konferenz die missglückte De -<br />

kla ration von Durban 2001 oder de ren<br />

Aktionsplan bestätigen dürfe und kein<br />

Staat oder Konflikt ausgesondert<br />

werden dürfe.<br />

italien zog sich ebenfalls von der<br />

UN-Rassismus-Konferenz zurück, die<br />

von vielen westlichen Staaten <strong>als</strong> von<br />

moslemischen antiisraelischen Res sen -<br />

timents infiltriert angesehen wird,<br />

um in der Folge den Islam vor Kritik<br />

zu bewahren. Außenminister Franco<br />

Frattini bestätigte, dass sein Land sei ne<br />

Delegation von den Verhand lun gen<br />

zu Durban II aufgrund „aggressiver<br />

und antisemitischer Aussagen“ bei der<br />

Verfassung eines Papieres zur Kon fe -<br />

renz abgezogen hätte.<br />

hollands Außenministerin Maxime<br />

Verhagen meinte gegenüber dem UNmenschenrechtsrat,<br />

dass jene State -<br />

ments, die auf der Durban Revisions-<br />

POLITIK • DURBAN II<br />

Konferenz in Genf geplant seien, mit -<br />

glieder der Europäischen Union von<br />

einer Teilnahme abhalten könnten.<br />

„Ich bin sehr von der Richtung beunruhigt,<br />

in die diese Versammlung sich be wegt“,<br />

so Verhagen. „Die Weltkonfe renz wird<br />

von manchen dazu missbraucht, ihr Kon -<br />

zept der Diffamierung von Religio nen zu<br />

verbreiten und ihren Fokus auf einen speziellen<br />

regionalen Konflikt an uns alle<br />

weiter zu reichen.“<br />

Schließlich reagierten die Orga nisa to -<br />

ren von Durban II auf den Druck von<br />

Außen. Anspielungen auf die palästinensischen<br />

Gebiete – welche einige<br />

westliche Staaten dazu veranlasst<br />

hatten, ihren möglichen Boykott der<br />

Konferenz in den Raum zu stellen –<br />

wurden aus jener, der Versammlung<br />

vorangehenden, Erklärung eliminiert.<br />

Auch Passagen, die mit einer so ge -<br />

nannten Diffamierung von Religio nen<br />

in Verbindung gebracht werden könn -<br />

ten, wurden gestrichen. Allerdings<br />

erst, nachdem die EU ihren vollständigen<br />

Rückzug von der Konferenz<br />

angedroht hatte.<br />

Der überarbeitete und drastisch ge -<br />

kürzte Entwurf, den die AFP erhielt,<br />

entledigte sich auch noch einer Stelle,<br />

in der es um von afrikanischen Staa -<br />

ten geforderte Reparationszahlungen<br />

für Sklaverei ging sowie einer Pas -<br />

sage über die Diskriminierung von<br />

Homosexuellen.<br />

Das dann vorliegende Papier, verfasst<br />

vom russischen Vermittler Yuri Boy -<br />

chen ko mit belgischen, ägyptischen<br />

und norwegischen Diplomaten, wur -<br />

de von regionalen Gruppie rungen in<br />

den Vereinten Nationen überprüft.<br />

Das größte Problem des neuen Textes<br />

ist seine Bestätigung der bei Durban I<br />

verfassten Deklaration, in der Israel<br />

an den Pranger gestellt wurde. Dies<br />

bricht sowohl mit amerikanischen <strong>als</strong><br />

auch mit europäischen Gepflogen hei -<br />

ten, die das spezielle Herausstreichen<br />

einer bestimmten Region völlig ab -<br />

leh nen.<br />

Es darf niem<strong>als</strong> vergessen werden:<br />

Diese Konferenz sollte sich mit den<br />

millionen von echten Opfern befassen,<br />

die täglich und überall auf der Welt<br />

von Rassismus betroffen sind, und<br />

nicht mit dem politischen Willen un -<br />

demokratischer Staaten. EITAN LEVON<br />

Außenministerium - Israel<br />

Abt. Internationale Organisationen<br />

Durban I<br />

<strong>April</strong> <strong>2009</strong> - Nissan/Ijar 5769 15


POLITIK • DURBAN II<br />

EU gegen Verurteilung von Einzelstaaten<br />

Die an der Anti-Rassismus-Kon fe renz<br />

der UNO in Genf teilnehmenden EU-<br />

Staaten wollen in der Abschluss er klärung<br />

keine Verurteilung einzelner<br />

Staa ten, Religionen oder antisemitische<br />

Äußerungen dulden. Dies sagte<br />

die Sprecherin der EU-Kommission,<br />

Christiane Hohmann, in Brüssel.<br />

Insgesamt nehmen nach Angaben der<br />

Kommission und Luxemburgs 22 der<br />

27 EU-Staaten an der Konferenz teil.<br />

Neben luxemburg gehören deutsch -<br />

land, italien, Polen und die nieder -<br />

lan de zu jenen EU-Staaten, die der<br />

Konferenz fernbleiben.<br />

Hohmann sagte, im Entwurf für die<br />

Schlusserklärung seien die „roten Li -<br />

ni en“ der EU gewahrt geblieben. „Wir<br />

wissen, dass der Text nicht ideal ist“,<br />

sag te sie. „Aber er ist das Ergebnis eines<br />

Kom promisses.“ Wichtig sei, dass der zu<br />

ver abschiedende Text „keine Spra che<br />

enthält, mit der Religionen diffamiert<br />

wer den, die antisemitischer Art ist oder<br />

mit der einzelnen Länder oder Religionen<br />

angegriffen werden“.<br />

Pressestimmen<br />

Die Kommission, die <strong>als</strong> Beobachter<br />

an der Konferenz teilnimmt, werde bei<br />

„inakzeptablen Erklärungen“ während<br />

der Tagung „angemessen reagieren“.<br />

„Wir sind uns völlig klar darüber, dass<br />

die Gefahr besteht, dass diese Kon ferenz<br />

zur Geisel anderer Fragen genommen<br />

wird, die überhaupt nichts mit den Men -<br />

schenrechten oder dem Thema der Be kämp -<br />

fung des Rassismus zu tun haben.“ Die<br />

EU-Kommission sei dennoch der An -<br />

sicht, dass die Konferenz „eine wichtige<br />

Gelegenheit sein könnte, über viele konkrete<br />

Maßnahmen zur Bekämp fung von<br />

Diskriminierung auf regionaler, nationaler<br />

und internationaler Ebene zu sprechen“.<br />

Die Kritik der boykottierenden Staa -<br />

ten, darunter auch die usa und is ra el,<br />

entzündet sich an geplanten Rede des<br />

iranischen Präsidenten mah moud<br />

Ah madinejad und am Abschluss do ku -<br />

ment. Ahmadinejad hat wiederholt den<br />

Holocaust in Zweifel gezogen und ge -<br />

sagt, Israel müsse aus den An nalen<br />

der Geschichte getilgt werden. APA/dpa<br />

„de Volkskrant“ (Amsterdam) - „Das Nachfolge-Treffen der Weltkonferenz gegen<br />

Rassismus und Rassendiskriminierung, Xenophobie und damit verbundene<br />

Intoleranz in Durban wird von Zwietracht überschattet. Großbritannien und<br />

Frankreich sind allerdings dabei, ähnlich wie der Iran, dessen Präsident mit einer<br />

Rede das Scheinwerferlicht sucht. (...) Die Absagen aus der westli chen Welt<br />

haben Wut bei den UN ausgelöst. Die UN-Kommissarin für Men schen rechte,<br />

Navi Pillay, machte kein Hehl aus ihrer Verärgerung, <strong>als</strong> sie er klärte, eine Hand<br />

voll Staaten würden ihre gesamte Haltung durch ein, zwei Fra gen bestimmen lassen.<br />

Ihr ist es wichtig, dass Rassismus und Diskrimi nierung auf Weltniveau<br />

besprochen werden, ‘wie peinlich und mühselig das auch immer sein mag’.“<br />

„La Croix“ (Paris) - „Ein trauriges Paradox: Einige Monate nach dem Einzug eines<br />

schwarzen Präsidenten ins Weiße Haus werden die USA ihren Stuhl in Genf freilassen<br />

- bei der (...) Konferenz der UNO zum Kampf gegen Rassismus. Was die<br />

Europäer anbelangt, so sie sind gespalten. Dabei ist es nicht wünschenswert, dieser<br />

Konferenz fernzubleiben und damit die Farben der UNO den Ex tre mis ten zu<br />

überlassen. (...) Nach intensiven Debatten konzentriert sich der Entwurf für die<br />

Abschlusserklärung nun auf das Wesentliche. Er verdient es, bis zum Schluss<br />

verteidigt zu werden.“<br />

„Tages-Anzeiger“ (Zürich) - „Der Boykott spielt den Extremisten in die Hän de.<br />

Irans Präsident Mahmoud Ahmadinejad tritt ausgerechnet am Gedenktag des<br />

Holo caust, an der Konferenz gegen Rassismus auf. Eine Politik der leeren Stühle<br />

ist die f<strong>als</strong>che Antwort auf die Provokation des Holocaust-Leugners und größten<br />

Feindes Israels. Ein Barack Obama, eine Hillary Clinton oder Angela Merkel müsste<br />

ihm Paroli bieten. Die Uno-Bühne dürfte ihm nicht einfach überlassen werden.(...)<br />

Der Boykott schadet dem Kampf gegen Rassen diskriminierung und<br />

Frem denfeindlichkeit mehr, <strong>als</strong> dass er ihm nützt. Denn die Abwertung der Kon fe -<br />

renz trifft letztlich Millionen Opfer von Rassismus.“<br />

EU verließ UNO<br />

mit antiisraelischen Äußerungen hat<br />

der iranische Staatspräsident mah -<br />

moud Ahmadinejad - wie erwartet -<br />

für einen Eklat auf der Anti-Ras sis -<br />

mus-Konferenz der Vereinten Natio -<br />

nen in Genf ge sorgt. Israel sei das<br />

„grausamste und rassistischste Regime“,<br />

erklärte Ahmadinejad am Tag der<br />

Eröffnung vor den Delegierten und<br />

sprach von „barbarischem Rassismus“.<br />

Eine ganze Nation sei heimatlos ge -<br />

worden, meinte er unter Hinweis auf<br />

Palästina. „Zionisten“ und ihre Ver -<br />

bün deten hätten den Krieg im Irak<br />

geplant. Der Zionismus sei der „per -<br />

sonifizierte Rassismus“.<br />

16 <strong>April</strong> <strong>2009</strong> - Nissan/Ijar 5769


Dutzende Delegierte europäischer<br />

Staa ten verließen daraufhin aus Pro -<br />

test den Konferenzsaal.<br />

Der Staat Israel sei mit Unterstützung<br />

der USA und Europas unter dem „Vor -<br />

wand jüdischen Leidens“ im Zweiten<br />

Weltkrieg gegründet worden, sagte<br />

Ahmadinejad. Seine Rede wurde von<br />

mehreren Demonstranten mit Rufen<br />

wie „Schande!“ und „Rassist!“ unterbrochen.<br />

Rund 100 mitglieder vor al -<br />

lem pro-israelischer und jüdischer<br />

Grup pen hinderten Ahmadinejad<br />

spä ter an der Teilnahme an einer Pres -<br />

se konferenz.<br />

POLITIK • DURBAN II<br />

© Michael J. Jordan<br />

-Konferenz während Ahmadinejads Rede<br />

Frankreich hatte mit dem geschlossenen<br />

Auszug aller anwesenden EU-<br />

Vertreter gedroht, wenn der iranische<br />

Staatschef seine früheren negationistischen<br />

Äußerungen zum „mythos“<br />

des massenmordes an den Juden durch<br />

Nazideutschland wiederholen sollte.<br />

UNO-Gener<strong>als</strong>ekretär Ban Ki-moon<br />

kri tisierte in seiner Eröffnungsrede,<br />

dass viele Länder ihre Teilnahme an<br />

der Konferenz abgesagt hätten. „Ich<br />

be dauere zutiefst, dass einige sich entschlos -<br />

sen haben, beiseitezutreten“, sagte Ban.<br />

Russland verurteilte den Boykott. Of -<br />

fenbar seien nicht alle Regierungen be -<br />

reit, sich den wachsenden Heraus for -<br />

derungen von Rassismus, Frem den -<br />

feindlichkeit und Ausgrenzung zu<br />

stel len, so der russische Vize-Außen -<br />

mi nis ter Alexander Jakowenko.<br />

Das Fernbleiben Deutschlands, Itali ens,<br />

Polens und der Niederlande sei „kein<br />

Stä rkezeichen der EU“, sagte Österreichs<br />

Außenminister Michael Spin del eg ger<br />

dem ORF – Österreich hatte Beamte<br />

<strong>als</strong> Vertreter nach Genf entsandt.<br />

tschechien, das derzeit die EU-Rats -<br />

prä sidentschaft ausübt, hat seine Teil -<br />

nah me an der Konferenz abgebrochen,<br />

um gegen die Rede des iranischen<br />

Präsidenten zu protestieren.<br />

<strong>April</strong> <strong>2009</strong> - Nissan/Ijar 5769 17<br />

© REUTERS/Denis Balibouse


Werbekampagnen mit Holocaust-Ver -<br />

gleichen können das Persönlichkeits -<br />

recht der Juden in Deutschland verletzen<br />

und dürfen deshalb gerichtlich<br />

verboten werden. Das folgt aus einem<br />

Beschluss des Bundesverfassungs ge -<br />

richts zu einer Tierschutzkampagne.<br />

Das Karlsruher Gericht billigte das Ver -<br />

bot einer Kampagne aus dem Jahr 2004,<br />

bei der unter dem Slogan „Der Ho lo -<br />

caust auf Ihrem Teller“ Bilder von le -<br />

benden und toten KZ-Häftlingen ne -<br />

ben Aufnahmen aus der massentier -<br />

hal tung plakatiert werden sollten.<br />

Auf Klage des Zentralrats der Juden<br />

war die Aktion der Tierrechts-Or ga ni -<br />

sa tion PETA (People for the Ethical Treat -<br />

ment of Anim<strong>als</strong>) vom Kammer ge richt<br />

Berlin untersagt worden. Die Ver -<br />

fassungsbeschwerde der Tier schüt zer<br />

nahm das Gericht in einem veröffentlichten<br />

Beschluss nicht zur Entschei -<br />

dung an.<br />

Zwar sahen die Karlsruher Richter -<br />

anders <strong>als</strong> das Kammerge richt - die<br />

Aktion nicht <strong>als</strong> Verletzung der men -<br />

schenwürde an; in diesem Fall wäre kei -<br />

nerlei Abwägung mit der mei nungs -<br />

freiheit der Tierschützer mög lich ge -<br />

wesen. Daraus, dass sich die Kam pa -<br />

gne bildlicher Darstellun gen schwe rer<br />

menschenwürde ver let zungen be die ne,<br />

sei nicht zu folgern, dass die Tie r -<br />

schüt zer ihrerseits gegen den Schutz<br />

der menschenwürde verstießen, ur -<br />

teilte das Gericht. Auch wenn die Or -<br />

gani sa tion von der Gleich wer tigkeit<br />

menschlichen und tierischen Leidens<br />

überzeugt sei, liege darin noch „keine<br />

verächtlich machende Tendenz“.<br />

POLITIK • AUSLAND<br />

Bundesverfassungsgericht untersagt<br />

Tierschützern Holocaust-Vergleich<br />

Allerdings kann nach den Worten des<br />

Gerichts eine solche Kampagne, ähnlich<br />

der „Auschwitzlüge“, eine „schwe -<br />

re Persönlichkeitsverletzung auch der<br />

heute lebenden Juden“ darstellen.<br />

Denn die hinter der Strafbarkeit der<br />

„Au schwitzlüge“ stehende Überlegung<br />

lasse sich auch auf diesen Fall<br />

übertragen. Danach gehöre zum personalen<br />

Selbstverständnis der heute<br />

in Deutschland lebenden Juden, <strong>als</strong><br />

eine durch das Schicksal herausgehobene<br />

Personengruppe begriffen zu<br />

werden, der gegenüber eine besondere<br />

moralische Verantwortung bestehe,<br />

heißt es in der Begründung der 1. Kam -<br />

mer des Ersten Senats. APA<br />

Russland kauft<br />

erstm<strong>als</strong> Waffen in Israel<br />

Russland hat erstm<strong>als</strong> ein Waffen ge -<br />

schäft mit Israel abgeschlossen und<br />

bei der Regierung in Tel Aviv unbemannte<br />

Spionageflugzeuge im Ge samt -<br />

wert von 37 mio. Euro bestellt. Der<br />

Kauf sei auch eine Reaktion auf den<br />

Südkaukasus-Krieg im August 2008,<br />

<strong>als</strong> Georgien solche Drohnen wirkungsvoll<br />

gegen Russland eingesetzt<br />

habe, sagte ein militärexperte.<br />

moskau hatte sich zu dem Geschäft<br />

entschlossen, obwohl Israels politische<br />

Gegner Iran und Syrien der Zu -<br />

sam menarbeit skeptisch gegenüberstehen.<br />

Beide Länder sind Rüs tungs -<br />

kunden moskaus. Laut Vize-Vertei -<br />

di gungsminister Wladimir Popowkin<br />

kauft Russland die Drohnen auch zu<br />

Testzwecken. „Wir wollen unter anderem<br />

unseren einheimischen Waffenpro du -<br />

zenten zeigen, welche Bedürfnisse unsere<br />

Armee hat.“ Die russische Rüstungs -<br />

in dustrie solle sich mit der Bauweise<br />

israelischer Aufklärungsflugkörper<br />

„vertraut machen“, sagte Popowkin.<br />

„In einem Krieg würden wir aber natürlich<br />

eigene Produkte einsetzen.“<br />

Laut russischen medien kauft das auf<br />

seine Waffen bisher so stolze Russ -<br />

land damit erstm<strong>als</strong> seit 1940 wieder<br />

militärtechnik im Ausland ein. Zahl -<br />

reich Duma-Abgeordnete hatten ge -<br />

gen die Pläne gestimmt.<br />

Todesurteil wegen E-Mail an Olmert<br />

Ein Staatssicherheitsgericht im Jemen hat einen jungen mann zum Tode ver -<br />

urteilt, weil er sich angeblich dem israelischen Auslandsgeheimdienst mos sad<br />

<strong>als</strong> Agent angeboten hatte. Zwei weitere Angeklagte erhielten in dem gleichen<br />

Prozess nach Angaben von Augenzeugen Haftstrafen in Höhe von drei<br />

und fünf Jahren.<br />

Das Vergehen des Jemeniten, der nun hingerichtet werden soll: Nach An -<br />

gaben der Staatsanwaltschaft schrieb er ein E-mail an den israelischen<br />

ministerpräsidenten Ehud Olmert, um sich <strong>als</strong> Informant für den mossad<br />

anzudienen. Die Antwort aus Israel sei positiv gewesen, hieß es.<br />

Außerdem sollen der Hauptangeklagte und die beiden anderen männer f<strong>als</strong>che<br />

Bekennerschreiben veröffentlicht haben. Laut Anklage bekannten sie<br />

sich unter dem Namen „Islamischer Heiliger Krieg im Jemen“ zu Angriffen auf<br />

ausländische Einrichtungen in der Hauptstadt Sanaa im vergangenen Jahr.<br />

Die drei männer im Alter zwischen 23 und 26 Jahren hatten vor Ge richt ihre<br />

Unschuld beteuert. Der Richter sagte jedoch in seiner Urteilsbe grün dung,<br />

die Beweislage sei „so eindeutig, dass das Gericht überzeugt genug sei für eine<br />

Verurteilung“. Drei weitere Verdächtige waren im Laufe des Verfahrens aus<br />

mangel an Beweisen freigelassen worden.<br />

18 <strong>April</strong> <strong>2009</strong> - Nissan/Ijar 5769


© arciv<br />

Am 26. märz <strong>2009</strong> haben Israel und<br />

Ägypten das 30jährige Jubiläum des<br />

Friedensabkommens zwischen Isra els<br />

Premier Menachem Begin und Ägyptens<br />

Präsident Anwar Sadat begangen.<br />

Ägypten war das erste arabische Land,<br />

dass Frieden mit Israel schloss.<br />

Dieses Abkommen sollte der Beginn<br />

einer neuen Ära der friedlichen Ko -<br />

exis tenz zwischen dem jüdischen Staat<br />

und seinen Nachbarn einläuten. Doch<br />

lediglich Jordanien schloss sich im<br />

Jahr 1995 dem friedlichen Weg an.<br />

Doch auch der Friedensvertrag mit<br />

Ägypten konnte die an ihn gestellten<br />

Erwartungen nicht wirklich erfüllen.<br />

In Israel hatte man sich darauf ge freut,<br />

nun endlich normale Beziehun gen<br />

zum Nachbarn aufnehmen zu können,<br />

inklusive Tourismus, Handels -<br />

ak tivitäten etc. Doch auf ägyptischer<br />

Seite wurde dieser Enthusiasmus nicht<br />

geteilt, vielmehr haben sich Spannun -<br />

gen aufgebaut. Immer wieder gab es<br />

unterschiedliche Ansichten über politisches<br />

Vorgehen, außerdem stellte<br />

Ägyp ten sich im Konflikt zwischen<br />

POLITIK • ISRAEL<br />

Israel und Ägypten:<br />

30 Jahre in Frieden<br />

Von Michtell G. Bard<br />

Übersetzung: Karin Fasching-Kuales 26. März 1979<br />

Israel und arabischen Staaten eher<br />

auf die arabische Seite.<br />

Auch die Weigerung von Präsident<br />

Hos ni mubarak, abgesehen vom Be -<br />

gräbnis Yitzhak Rabins, Israel zu be su -<br />

chen, führte zu lange währenden Irri -<br />

tationen, ebenso wie die mehrmalige<br />

Abberufung des ägyptischen Bot -<br />

schaf ters, um die Opposition Ägyptens<br />

zu verschiedenen politischen<br />

Ent scheidungen Israels zum Aus -<br />

druck zu bringen.<br />

Dennoch darf man die Bedeutung des<br />

Vertrages zwischen Israel und Ägypten<br />

keineswegs unterschätzen, hat sie<br />

doch das geostrategische Bild des Na -<br />

hen Ostens entscheidend geprägt. Die<br />

Entscheidung des mächtigsten und<br />

ein flussreichsten arabischen Staates<br />

zur Einigung auf einen Frieden mit<br />

Israel machte die Wahrscheinlichkeit<br />

eines groß angelegten arabisch-israelischen<br />

Krieges ungleich geringer,<br />

brachte für Ägypten eine Allianz mit<br />

dem Westen und trug dazu bei, die<br />

moderaten Kräfte in der Region zu<br />

stärken.<br />

Auch Israel ließ sich dieses Friedens -<br />

ver sprechen viel kosten – Ölfelder<br />

wur den aufgegeben, ebenso militär -<br />

ba sen, Siedlungen und ein entscheidender,<br />

<strong>als</strong> Puffer dienender Streifen<br />

Land.<br />

Und Ägypten hielt sein Versprechen.<br />

Israel hatte 30 Jahre auf einen arabischen<br />

Staatschef gewartet, der mut<br />

und Entschlossenheit genug haben<br />

würde, um diese Friedensvision wahr<br />

zu machen. Dann kam Sadat nach<br />

Jerusalem – und nun sind weitere 30<br />

Jahre in Frieden vergangen.<br />

König Hussein von Jordanien brauchte<br />

fünfzehn Jahre mehr, um diesen<br />

mut aufzubringen.<br />

Und die Israelis hoffen, dass sie nicht<br />

allzu viel länger auf weitere Friedens -<br />

ver träge mit ihren arabischen Nach -<br />

barn werden warten müssen, ist die<br />

Islamische Republik doch der größte<br />

Sponsor des internationalen Terro ris -<br />

mus und könnte Nuklearwaffen in<br />

die Hände der Terroristen gelangen<br />

las sen.<br />

<strong>April</strong> <strong>2009</strong> - Nissan/Ijar 5769 19


POLITIK • ISRAEL<br />

Chronik der bilateralen Beziehungen zwischen Israel und Ägypten<br />

19. November 1977 – Sadat besucht Israel<br />

Präsident Anwar Sadat ist der erste arabische<br />

Regierungschef, der, auf ei ne Einladung<br />

von Israels Premier minis ter Menachem Be gin<br />

hin, den jüdischen Staat besucht.<br />

Während dieses historischen Termins wandte<br />

Sadat sich an die Knesset. In seiner Rede<br />

wiederholte er bereits bekannte ägyptische<br />

For derungen, aber auch die Versi che rung,<br />

dass Israel in der Region willkommen sei.<br />

Seine Bereitschaft, nach Jerusalem zu kommen,<br />

riss eine psy cho logische Barriere nieder,<br />

die Israel von seiner Aufrichtigkeit überzeugte<br />

und das Vertrauen gab, um jene Risi -<br />

ken einzugehen, die ein Friedensab kom men<br />

mit Ägypten erfordern wür de.<br />

17. September 1978 – Das Camp-David-<br />

Abkommen<br />

Nach 12-tägigen Gesprächen hinter verschlossenen<br />

Türen im US-amerikanischen Camp<br />

David unterzeichnen die israelische und die<br />

ägyptische Delegation das ausgehandelte<br />

Zwei-Stufen-Abkommen. Die erste Stufe be -<br />

handelt die Zukunft der Sinai-Halb in sel und<br />

den Frieden zwischen Israel und Ägypten so -<br />

wie einen innerhalb von drei Monaten zu<br />

unterzeichnenden Friedensvertrag, der einen<br />

vollständigen Rückzug Israels von der Si nai-<br />

Halbinsel vorsieht. Der zweite Teil beinhaltet<br />

einen Fahrplan zur Etablierung einer autonomen<br />

palästinensischen Verwaltung in West -<br />

jor dan land und Gazastreifen.<br />

26. März 1979 – Das israelischägyptische<br />

Friedensabkommen<br />

Der israelische Premierminister Me nachem<br />

Begin und Ägyptens Präsi dent Anwar Sadat<br />

unterzeichnen, un ter Mitwirkung von US-Prä -<br />

sident Jim my Carter, im Weißen Haus den ge -<br />

meinsamen Friedensvertrag, der vorsieht, dass<br />

beide Staaten jegliche feindselige Aktivitäten<br />

einstellen und die Sinai-Halbinsel demilitarisieren.<br />

Außerdem verpflichtet der Vertrag Is ra -<br />

el dazu, im Gegenzug zur Normali sie rung der<br />

Beziehungen zu Ägypten, sich hinter die Gren -<br />

zen vor 1967 gültigen Grenzen zurück zu ziehen,<br />

sei ne Militärbasen, Siedlungen, Straßen<br />

und die Sinai-Ölfelder aufzugeben.<br />

In der Zwischenzeit lehnen alle anderen arabischen<br />

Staaten den Vertrag ab und Ägypten<br />

wird aus der Arabi schen Liga ausgeschlossen.<br />

1980 – Botschaften werden eröffnet<br />

Die israelische Botschaft in Kairo öffnet <strong>als</strong><br />

erste in der arabischen Welt ihre Tore im Fe -<br />

bruar 1980. Die ägyptische Botschaft in Isra el<br />

beginnt ihre Arbeit im März 1980.<br />

5. Januar 1980 – Der erste Botschafter<br />

Ägypten bestellt Saad Mortada <strong>als</strong> seinen<br />

ersten Botschafter in Israel. Dr. Eliyahu Ben<br />

Elissar wird Israels erster Botschafter in<br />

Ägypten sein.<br />

25. <strong>April</strong> 1982 – Ägypten<br />

übernimmt Kontrolle über Sinai<br />

In Übereinstimmung mit dem Camp-David-<br />

Abkommen schließt Israel seinen vollständigen<br />

Rückzug von der Sinai-Halbinsel ab.<br />

6. Oktober 1981 – Attentat auf Sadat<br />

Moslemische Extremisten verüben einen An -<br />

schlag auf Präsident Sadat. Vizepräsident<br />

Hos ni Mubarak übernimmt sein Amt und<br />

be kundet die Ab sicht, den Weg des Friedens -<br />

ab kom mens weiter zu gehen.<br />

21. September 1982 – Botschafter wird<br />

zurückgerufen<br />

Der ägyptische Botschafter in Israel, Saad<br />

Mor tada, wird in Anlehnung auf die verheerenden<br />

Angriffe auf Pa läs ti nenser in den<br />

Flüchtlingslagern Sa bra und Shatila in West-<br />

Beirut von seinem Posten abberufen.<br />

1986-1987 – Wirtschaftliche Verbindungen<br />

Zwischen 1986 und 1987 entwickelte sich Is -<br />

rael zu Ägyptens Hauptab neh mer für Öl und<br />

deckte damit 60% seines Bedarfs ab. Im Jahr<br />

1987 kamen 170.000 israelische Touristen<br />

nach Ägyp ten – die größte Zahl an Rei sen -<br />

den aus einem einzigen Land.<br />

1987 – Nubaseed Landwirtschafts-<br />

Musterbetrieb<br />

Eine Kooperation zwischen Ägypten, Israel<br />

und den USA ermöglichte die Er öffnung des<br />

Nu baseed Muster be trie bes in Ägypten. Land -<br />

wirtschaft li che Schlüsselthemen werden hier<br />

hochtechnologisch bearbeitet und die Er geb -<br />

nisse und neuen Methoden mit den Bauern<br />

der Region geteilt.<br />

1989 – Mubarak verweigert Treffen mit<br />

israelischer Regierung<br />

Anfang 1989 plante der ägyptische Prä sident<br />

Hosni Mubarak eine Reise nach Israel, erhob<br />

jedoch bald darauf diesbezügliche Forderun -<br />

gen, die auch die Verhandlungsbereitschaft<br />

Israels mit der PLO beinhalteten. Die Reise<br />

wurde abgesagt.<br />

Im selben Jahr besuchte Mubarak die USA<br />

und wurde von den Israelis ge be ten, seinen<br />

Aufenthalt zu verlängern, um Israels Premier<br />

Yitzhak Sha mir zu treffen. Doch Mubarak lehn -<br />

te ab und setzte seinen Boykott bis 1989 fort.<br />

27. Februar 1989 – Das Taba-Grenz abkom<br />

men<br />

In Folge eines internationalen Ge richts -<br />

entscheides bezüglich der Grenz ziehung der<br />

im Sinai-Gebiet gelegenen Stadt Taba, erklärt<br />

Israel sich dazu bereit, Ägypten den Badeort<br />

Taba zu überlassen. Israelische Touristen<br />

dürfen aber auch weiterhin die Grenze dort<br />

passieren und das „Aqaba Küstengebiet von<br />

Sinai“ besuchen.<br />

4. Mai 1994 – Das Gaza-Jericho-Abkommen<br />

Israel und die Palästinenser schließen ein Ab -<br />

kommen, dass Israels Rückzug aus dem Gaza -<br />

streifen und Jericho so wie die Schaffung der<br />

Palästinen si schen Autonomiebehörde (PA)<br />

vorsieht. Doch obwohl Israel einem Ab zug<br />

sämtlicher Militärkräfte aus be sag ten Gebie -<br />

ten (und in weiterer Fol ge aus den palästinensischen<br />

Städten des Westjordanlandes)<br />

zu stimmt, verfehlt Yasser Arafats PA die<br />

Sicherheits auflagen, die die weitere Unter -<br />

stüt zung von terroristischen Grup pie run gen<br />

wie der Hamas und dem Paläs ti nensischen<br />

Islamischen Jihad unterbinden sollen.<br />

2. Februar 1995 –<br />

Friedenskonferenz von Kairo<br />

Bei einer Zusammenkunft von Regie rungs -<br />

mit gliedern aus Ägypten, Isra el, Jordanien<br />

und der PLO in Kairo wird von allen Seiten<br />

die Absicht zur Schaf fung eines dauerhaften<br />

Friedens in der Region bekräftigt. Ägyptens<br />

Prä si dent Hosni Mubarak initiierte das Tref fen,<br />

es nahmen Jordaniens König Hussein so wie<br />

Yasser Arafat von der Palästinensi schen Au -<br />

tonomiebe hör de teil und markierte das erste<br />

Mal, dass Israels Premier Yitzhak Rabin mit<br />

arabischen Führern an einem Tisch saß.<br />

12. Juli 1995 – Zitrusimporte<br />

Das israelische Landwirtschafts mi nis terium<br />

kündigt den Import von jähr lich zehntausenden<br />

Tonnen Zi trus früch ten aus Ägypten für<br />

industrielle Zwecke an.<br />

6. November 1995 – Begräbnis von Yitzhak<br />

Rabin<br />

Ägyptens Präsident Hosni Mubarak nimmt<br />

an Yitzhak Rabins Begräbnis teil und hält eine<br />

Grabrede. Es ist sei ne einzige Reise nach Is -<br />

rael, alle weiteren Einladungen lehnte er bis<br />

zum heutigen Tag ab.<br />

6. Juni 1997 – Ägypten nimmt<br />

Vermittlerrolle auf<br />

Israel begrüßt Ägyptens Bemü hun gen <strong>als</strong> Ver -<br />

mittler im Friedensprozess mit den Paläs ti nen -<br />

sern. Die Ägypter nehmen damit jene Rol le<br />

ein, die die USA zuvor bekleidet hatten. Be -<br />

richte besagen, dass Osama el-Baz, Se ni or be -<br />

rater von Präsident Hosni Muba rak, versucht,<br />

ein Treffen zwischen Israels Premier mi nister<br />

Benjamin Netanjahu und PA-Präsi dent Yas ser<br />

Arafat auf die Beine zu stellen und diese zu -<br />

rück an den Verhandlungstisch zu brin gen.<br />

1999 – Tourismusrekord<br />

Im Jahr 1999 erreicht der stetige Tou ris ten -<br />

strom von Israel nach Ägyp ten ein Hoch von<br />

415.000 Reisenden. Erst da nach beginnt die<br />

Zahl wieder zu fal len.<br />

1995 kamen 28.000 ägyptische Tou ris ten<br />

nach Israel, in der ersten Hälfte des Jahres<br />

2002 waren es nur noch 2.500.<br />

20 <strong>April</strong> <strong>2009</strong> - Nissan/Ijar 5769


4. September 1999 – Das Memorandum<br />

von Sharm el-Sheikh<br />

Das von Israels Premier Ehud Barak und<br />

PLO-Chef Yasser Arafat in Ägypten unterzeichnete<br />

Memorandum von Sharm el-Sheikh<br />

behandelt die Um set zung der im Oslo-Ab -<br />

kommen geforderten Sicherheitsauflagen<br />

durch die Palästinenser und die daraus re sul -<br />

tierende israelische Weigerung, angesichts<br />

der wachsenden Terrorgefahr, ihre Truppen<br />

zu verschieben. Barak und Arafat bekräftigen<br />

erneut ihren Willen zur Umsetzung des Oslo-<br />

Ab kom mens und setzen den 13. Sep tem ber<br />

2000 <strong>als</strong> Deadline für die Been di gung der<br />

Friedensgespräche fest. Ägyptens Präsident<br />

Hosni Mubarak, Jordaniens König Abdullah<br />

und die US-Außenministerin Madeleine Al -<br />

bright sind bei der Zeremonie in Sharm el-<br />

Sheikh anwesend.<br />

21. November 2000 – Ägypten<br />

zieht Botschafter ab<br />

Aufgrund anhaltender Gewalt zwischen Is ra -<br />

elis und Palästinensern be ruft Ägypten seinen<br />

Botschafter in Is ra el, Mohammed Bassouni,<br />

in die Heimat zurück.<br />

2000-2001 - Wirtschaftliche Verbindungen<br />

Im Jahr 2000 betrugen Israels Exporte nach<br />

Ägypten US$ 58,1 Mio., fielen im Jahr darauf<br />

allerdings um 20% auf US$ 47,1 Mio. Ägypten<br />

exportierte (ab gesehen von Öl und Dienst -<br />

leis tun gen) 2001 Waren im Wert von US$ 20<br />

Mio. nach Israel.<br />

26. Oktober 2002 – Antisemitische<br />

TV-Serie zu Ramadan<br />

Die von einem ägyptischen TV-Kanal während<br />

des Ramadan ausgestrahlte 41teilige<br />

Se rie „Pferd ohne Reiter“ wird mit Inhalten<br />

aus den antisemitischen Schriften „Die Pro -<br />

to kolle der Weisen von Zion“ in Verbindung<br />

ge bracht. Die Serie behandelt die Ge schichte<br />

des Nahen Ostens von 1855 bis 1917 aus der<br />

Sicht eines Ägypters, der gegen die britischen<br />

Besatzer und die zionistische Be we -<br />

gung kämpft.<br />

Dies ist nur eines von vielen Bei spie len von<br />

Antisemitismus in den ägyptischen Medien.<br />

10. August 2003 – Antisemitische Cartoons<br />

Die ägyptische Tageszeitung al-Wafd veröffentlicht<br />

antisemitische Car toons, die Israels<br />

Premier Ariel Sharon <strong>als</strong> satanische Figur mit<br />

Hörnern, einem Schwanz und einer Haken -<br />

kreuz-Kra watte darstellen. Darin spricht er zu<br />

einer Gruppe hakennasiger Juden uns sagt:<br />

„Baut schnell zehn neue Sied lungen auf, da -<br />

mit wir diese vor den Kameras niederreißen<br />

können.“<br />

5. Dezember 2004 – Azzam Azzam wird<br />

freigelassen<br />

Auf Premier Sharons Bemühungen hin, ordnet<br />

Ägyptens Präsident Hosni Mubarak die<br />

Verkürzung der Haft stra fe von Azzam Az zam<br />

an, einem der Spionage überführten Israeli,<br />

der acht Jahre in ägyptischen Gefängnissen<br />

ver bracht hat.<br />

POLITIK • ISRAEL<br />

Im Gegenzug entlässt Israel sechs Ägyp ter aus<br />

dem Arrest und überlegt, auch das Strafaus -<br />

maß palästinensischer Gefangener zu verringern.<br />

14. Dezember 2004 – Teilweises<br />

Handelsabkommen<br />

Ägypten, Israel und die USA unterzeichnen<br />

ein teilweises Handelsab kom men, das den<br />

US-Markt für ägyp tische, mit israelischer Be -<br />

tei li gung produzierte Waren öffnet. Dies ist<br />

die wichtigste wirtschaftliche Vereinba rung<br />

zwischen den beiden Nahost-Staaten innerhalb<br />

der vergangenen zwei Jahrzehnte und<br />

soll zum Frie dens erhalt betragen.<br />

17. März 2005 – Neuer Botschafter in Israel<br />

Muhammed Assem Ibrahim ist Ägyp tens<br />

neuer Botschafter in Israel. Seine Ernennung<br />

beendet die mehr <strong>als</strong> dreijährige Phase, in der<br />

Ägypten gegen IDF-Einsätze während der In -<br />

t ifa da durch Abziehen seines Botschafters<br />

protestiert hatte.<br />

30. Juni 2005 – Erdgasabkommen<br />

Ägypten und Israel unterzeichnen einen US$<br />

2,5 Mrd. schweren Vertrag über die Lieferung<br />

von ägyptischem Erdgas an Israel. 1,7 Mrd.<br />

Ku bik me ter Gas sollen über einen Zeitraum<br />

von 15 Jahren mittels einer Unterwasser-Pi pe -<br />

line von der ägyptischen Stadt el-Arish in die<br />

israelische Stadt Ashkelon geleitet werden.<br />

26. Juni 2006 – Verhandlungen zur<br />

Freilassung Gilad Shalits<br />

Am 25. Juni 2006 wird der israelische Soldat<br />

Gilad Shalit von der durch den Iran unterstützten<br />

Hamas und zwei anderen Terroris -<br />

ten gruppen entführt. Zwei weitere Soldaten<br />

werden getötet, vier verletzt. In den darauf<br />

folgenden Verhandlungen über Shalits Frei -<br />

las sung fungiert Ägypten <strong>als</strong> Vermittler.<br />

24. August 2006 – Philadelphi-Abkommen<br />

Israel und Ägypten einigen sich über die Sta -<br />

tio nierung von 750 ägyptischen Sicherheits -<br />

leu ten entlang der Philadelphi-Route an der<br />

Grenze zwi schen Gaza und Ägypten, um<br />

Waf fen schmuggelaktivitäten zu verhindern.<br />

Im letztlich gültigen Vertrag wird festgelegt,<br />

dass Ägypten den offenen Transfer von Waf -<br />

fen an die Paläs ti nen ser unterlassen muss.<br />

21. November 2007 – Sicherheitsab kom men<br />

gegen Gaza-Waffenschmuggel<br />

Israels Premierminister Ehud Olmert und<br />

Ägyptens Präsident Hosni Mubarak einigen<br />

sich auf gemeinsame Sicherheitsmaß nahmen<br />

zur Bekämpfung des Waffen schmug gels von<br />

Sinai in den Gazastreifen.<br />

19. Juni 2008 – Sechsmonatiger<br />

Waffenstillstand<br />

Ein sechs Monate andauerndes, von Ägypten<br />

vermitteltes Waffenstillstandsab kom men, ge -<br />

trennt von Hamas und Israel unterzeichnet,<br />

tritt in Kraft. Von palästinensischer Seite soll<br />

der Raketenbeschuss Israels und der Waf fen -<br />

schmuggel aus dem Iran gestoppt werden,<br />

Israel wiederum erklärt sich dazu bereit, die<br />

Hu manitäre Hilfe für den Gazastreifen aufzustocken.<br />

Bis zum Ende des Abkommens am 18. De -<br />

zem ber 2008 feuert die Hamas jedoch insgesamt<br />

362 Geschosse auf zivile israelische<br />

Ziele im südlichen Negev ab.<br />

Dezember 2008 – Ägypten schließt die<br />

Grenze<br />

Ägypten schließt während Israels Militärein -<br />

satz seine Grenze zum Gazastreifen. Präsi -<br />

dent Hosni Mubarak erklärt, dass diese erst<br />

wieder dauerhaft geöffnet werde, wenn die<br />

Bedingungen des Abkommens aus dem Jahr<br />

2005 erfüllt werden.<br />

Die Schmugglertunnel von Ägypten nach<br />

Gaza sind aber nach wie vor aktiv.<br />

17. Jänner <strong>2009</strong> – Waffenstillstand in Gaza<br />

Israel erklärt einen einseitigen Waffenstill stand<br />

und beendet damit seinen Militärein satz im<br />

Gazastreifen, nachdem mit Ägypten, den USA<br />

und verschiedenen europäischen Staaten eine<br />

Einigung über verstärkte Bemühungen zum<br />

Stopp der Bewaffnung der vom Iran gestützten<br />

Hamas via Iran und Syrien erzielt werden<br />

konnte.<br />

Die Hamas lehnt Israels Waffenstill stands an -<br />

gebot ab, erklärt aber 12 Stunden später selbst<br />

die Waffenruhe. Außerdem kritisiert sie Ägyp -<br />

ten dafür, keine stärkere Position zur Hilfe für<br />

Gaza während des Konflikts eingenommen<br />

zu haben.<br />

2008 – Handel<br />

Israel importierte 2008 Waren im Wert von<br />

US$ 132 Mio. aus Ägypten. 2007 waren es<br />

noch US$ 94 Mio. gewesen. Israel Exporte<br />

nach Ägypten beliefen sich auf insgesamt<br />

US$ 139 Mio. im Jahr 2008, im Vergleich zu<br />

US$ 154 Mio. 2007.<br />

20. März <strong>2009</strong> – Kooperation zur<br />

Beendigung des Waffenschmuggels<br />

Israels Premierminister Ehud Olmert und<br />

Ägyptens Präsident Hosni Mubarak kommen<br />

überein, die Bemühungen zur Unterbindung<br />

des Waffenschmuggels von Sinai in den Ga za -<br />

streifen zu verstärken. Wöchentliche Tref fen<br />

sollen abgehalten und gemeinsame Sicher -<br />

heits aktivitäten gesetzt werden. Auch sachdienliche<br />

Geheimdienstinformationen sollen<br />

mittels einer Hotline umgehend ausgetauscht<br />

werden.<br />

<strong>April</strong> <strong>2009</strong> - Nissan/Ijar 5769 21


© JTA<br />

„Buscheir oder Jitzhar“. Ram Emanuel,<br />

Stabschef im Weißen Haus, soll im<br />

Gespräch mit einem amerikanischen<br />

Juden den Bau einer iranischen Atom -<br />

bombe mit Israels Siedlungs politik<br />

im Westjordanland auf eine Ebene<br />

gestellt haben. Busheir ist das von der<br />

deutschen Firma Siemens gebaute<br />

und von den Russen fertig gestellte<br />

Atomkraftwerk im Iran. Jitzhar ist ei ne<br />

berüchtigt radikale Siedlung nahe<br />

Nablus im Westjordanland.<br />

Die gereimte Schlagzeile „Buscheir<br />

oder Jitzhar“ in der Zeitung ‘Jedijot<br />

Achronot’ hat am Tag vor der An -<br />

kunft des amerikanischen Nahost ver -<br />

mitt lers George mitchell in Israels me -<br />

dien Empörung, Angst und Sorge aus -<br />

gelöst.<br />

Der Bau einer iranischen Atom bombe<br />

mitsamt wiederholten Drohungen iranischer<br />

Politiker, Israel zu zerstören,<br />

wird <strong>als</strong> akute Gefahr für den physischen<br />

Bestand des jüdischen Staates<br />

gesehen. Emanuels angebliche Äußerung,<br />

Israels Existenz von einem En de<br />

der Siedlungspolitik abhängig zu ma -<br />

chen, wurde schon <strong>als</strong> radikale Wen de<br />

amerikanischer Interessen im Nahen<br />

Osten gewertet, obgleich diese Äußerung<br />

nicht einmal bestätigt wurde.<br />

Inhaltliche Kontroversen oder gar ein<br />

Wandel der amerikanischen Interes -<br />

sen lassen sich noch nicht ausmachen.<br />

Doch bei diplomatischen Symbolen<br />

erkennt man leicht neue Töne aus<br />

Wa shington. Da gab es den Bückling<br />

des Präsidenten Barack Obama vor<br />

dem saudischen König, der freilich<br />

nach amerikanischen Angaben kein<br />

Bückling war. Obama besuchte <strong>als</strong><br />

POLITIK • ISRAEL<br />

Israel-USA: belastete Beziehungen<br />

VON ULRICH W. SAHM<br />

erstes nahöstliches Land die Türkei<br />

und machte nicht einmal einen Ab ste -<br />

cher nach Israel. Obama drückte Hu go<br />

Chavez, einen notorischen An ti se mi -<br />

ten und Israel-Hasser sowie bester<br />

Freund von mahmoud Ahmadine d -<br />

schad die Hand. In Washington dürfen<br />

der jordanische König und andere<br />

arabische Staatschefs dem neuen<br />

amerikanischen Präsidenten die Auf -<br />

wartung machen, noch ehe der An -<br />

tritts besuch des israelischen minister -<br />

präsident fixiert wurde. Angeblich<br />

gibt es „Terminprobleme“. Seitdem<br />

die Amerikaner Anfang der siebziger<br />

Jahre Israel zu ihrem wichtigsten Ver -<br />

bündeten in Nahost machten, hatte es<br />

keine derartige diplomatische Abfuhr<br />

gegeben.<br />

Obgleich die „Annapolis-Intiative“<br />

nicht viel mehr <strong>als</strong> eine unverbindliche<br />

Empfehlung war, noch in der Amts zeit<br />

von Präsident George W. Bush ei nen<br />

palästinensischen Staat zu er rich ten,<br />

er klärte die neue amerikanische Re -<br />

gie rung Annapolis zum Grundstein<br />

amerikanischer Nahostpolitik. Das<br />

hatte Israels Außenminister Avigdor<br />

Lieberman provoziert, indem er An -<br />

na polis für irrelevant erklärt hat.<br />

Künstlich wird da eine Kontroverse<br />

ge schaffen, indem die Amerikaner<br />

pau senlos von der Zweistaaten lö sung<br />

<strong>als</strong> einzige Lösung für den israelischpalästinensischen<br />

Konflikt reden.<br />

Denn beide israelischen Spitzen po li -<br />

tiker, Netanjahu und Lieberman, ha -<br />

ben sich zu genau diesem Ziel verpflichtet,<br />

indem sie die „Roadmap“<br />

für bindendend erklärten. Darin<br />

kommt die Zweistaatenlösung sogar<br />

schon im Titel vor: „Ergebnisorien tierter<br />

Fahrplan (Roadmap) für eine dauerhafte<br />

Zwei-Staaten-Regelung zur Bei le gung des<br />

israelisch-palästinensischen Konflikts des<br />

Quartetts (EU, USA, Rus sische Förde ra -<br />

tion und die UN)“.<br />

Der amerikanische Nahostvermittler<br />

George Mitchell ließ nach seinen ersten<br />

Gesprächen in Jerusalem keine Span -<br />

nungen erkennen. mitchell betonte<br />

die amerikanische Verpflichtung zur<br />

Sicherheit Israels und redete ganz im<br />

Sinne Israels über „eine Zwei-<br />

Staatenlösung, bei der ein palästinensischer<br />

Staat in Frieden neben dem jüdischen<br />

Staat Israel leben würde.“ minister prä -<br />

si dent Ehud Olmert war bei den Vor -<br />

ver handlungen zum Gipfel in Anna -<br />

polis wegen palästinensischem Wi der -<br />

stand damit gescheitert, die Formel<br />

„jüdischer Staat“ in die Abschluss er -<br />

klä rung einzubringen.<br />

Ob es zu einem Bruch zwischen Israel<br />

und den USA kommt, dürfte sich vor<br />

Allem an der Frage der iranischen<br />

Atombombe entscheiden. Die Israelis<br />

reden von einer existenziellen Be dro -<br />

hung und wollen unter keinen Um -<br />

stän den dem Iran eine Atombombe<br />

zu gestehen. Erst am Wochenende er -<br />

zählten ungenannte israelische Si cher -<br />

heitskreise der Londoner Times, dass<br />

sich das israelische militär darauf vorbereite,<br />

innerhalb von Stun den oder<br />

Tagen für ein massives Bombar de ment<br />

im Iran bereit zu machen. Schon Bush<br />

hatte angeblich den Israe lis untersagt,<br />

ein derartiges Vorhaben zu verwirkli -<br />

chen. Doch während Bush mit viel<br />

Ener gie einen Boykott des Iran vorantrieb<br />

und deutlich machte, dass auch<br />

die USA keine iranische Bom be dulden<br />

könnten, bleibt Oba ma in diesem Punkt<br />

vage. Der neue amerikanische Präsi -<br />

dent will Iran per Dia log einbinden.<br />

Angesichts des politischen Klima -<br />

wan dels ergibt sich für die Israelis die<br />

extreme Befürchtung, ob die Ameri ka -<br />

ner bereit sind, wegen der Sied lungs -<br />

politik Israels Existenz in Frage zu stel -<br />

len oder gar zu opfern. Denn iranische<br />

Drohungen, Israel zu zerstören, ge -<br />

paart mit der Entwicklung von Lan g -<br />

stre ckenraketen, Urananreiche rung<br />

und dem möglichen Bau einer Atom -<br />

bom be ist für die Israelis eine ro te Li nie,<br />

die zur Not mit Gewalt verhindert<br />

werden müsse. Unklar ist, ob Obama<br />

dem Staat Israel das Risiko zu muten<br />

könnte, jederzeit mit einer Atom bom -<br />

be ausgelöscht zu werden zu können.<br />

22 <strong>April</strong> <strong>2009</strong> - Nissan/Ijar 5769


Ultraorthodoxe Juden<br />

streichen Ministerinnen<br />

aus Kabinettsfoto<br />

Im neuen israelischen Kabinett gibt es<br />

zwei Frauen. Einige Israelis jedoch<br />

mögen die ministerinnen aber lieber<br />

nicht sehen. Zwei Zeitungen, die sich<br />

an ultraorthodoxe Juden richten, ha -<br />

ben ein Foto manipuliert, das die mi -<br />

nis terriege nach ihrem Amtsantritt<br />

zeigt. Die beiden ministerinnen Limor<br />

Livnat und Sofa Landver wurden kur -<br />

zer hand aus dem Bild entfernt. Ultra -<br />

Ganz Israel steht unter<br />

Raketenbedrohung<br />

Die Heimatfront Israels begann mit<br />

dem Verteilen von Landkarten an die<br />

Bevölkerung, in der das Land in verschieden<br />

farbige Regionen aufgeteilt<br />

ist, basierend auf der Entfernung zur<br />

Bedrohung durch Terroristen.<br />

Diese Landkarte liefert eine Bestäti -<br />

gung, dass jeder Israeli unter Rake -<br />

ten bedrohung steht, sei es im Norden<br />

durch die Hisbollah oder durch die<br />

Hamas im Gazastreifen oder sogar von<br />

beiden gleichzeitig.<br />

POLITIK • ISRAEL<br />

orthodoxe Zeitungen halten Bil der<br />

mit Frauen für anstößig.<br />

Die Zeitung ‘Yated Neeman’ verschob<br />

mit digitalen Tricks zwei männ -<br />

liche minister an die Stelle, an der<br />

eigentlich die ministerinnen zu sehen<br />

waren. Die Wochenzeitung ‘Shaa<br />

Tova’ schwärzte die beiden Frauen in<br />

ei nem Foto, das in der Zeitung ‘maa -<br />

riv’ abgedruckt wurde.<br />

Im Wahlkampf waren Plakate von der<br />

damaligen Außenministerin Tzi pi<br />

Livni in der Nähe ultraorthodoxer<br />

Vier tel verunstaltet worden.<br />

Die Kampagne „Schütze dich rechtzeitig“<br />

begann vor kurzem und soll in<br />

einer bisher größten und landesweiten<br />

Übung ihren Höhepunkt finden, die<br />

Ende mai stattfinden soll. Das Land<br />

ist in 27 Regionen aufgeteilt, die in fünf<br />

Gruppen unterteilt sind. Jede Gruppe<br />

enthält die Zeit die die Einwohner die -<br />

ser Regionen haben, bei einem Sire -<br />

nenheulen wegen eines Angriffs sich<br />

in Sicherheit zu bringen.<br />

Im Norden Israels müssen sich die<br />

Ein wohner sofort in Sicherheit bringen<br />

während die Einwohner von Tel<br />

Aviv den „Luxus“ von zwei minuten<br />

haben. Die Einwohner von Jerusalem<br />

und Eilat haben drei minuten Zeit.<br />

VEREINBARUNGEN VON ROADMAP BIS ANAPOLIS-KONFERENZ<br />

Road Map für eine dauerhafte Zwei-Staaten-Lösung des israelisch-palästinensischen<br />

Konflikts (30.04.09):<br />

http://www.mfa.gov.il/MFA/Peace+Process/Guide+to+the+Peace+Process/<br />

A+Performance-Based+Roadmap+to+a+Permanent+Two-Sta.htm<br />

Israels Annahme der Road Map (25.05.09):<br />

http://www.mfa.gov.il/mfa/government/communiques/2003/<br />

goverment%20meeting%20about%20the%20prime%20minister-s%20state<br />

Israels Reaktion auf die Road Map (25.05.09):<br />

http://www.mfa.gov.il/MFA/Peace+Process/Reference+Documents/<br />

Israel+Response+to+the+Roadmap+25-May-2003.htm<br />

Palästinensisch-israelischer Sicherheits-Arbeitsplan (Tenet-Plan) (26.05.09):<br />

http://www.mfa.gov.il/MFA/Peace+Process/Guide+to+the+Peace+Process/<br />

Palestinian-Israeli+Security+Implementation+Work+P.htm<br />

Zinni-Plan für einen Frieden zwischen Israel und der Palästinensischen<br />

Autonomiebehörde (26.03.09):<br />

http://www.mfa.gov.il/MFA/Peace+Process/Reference+Documents/<br />

Zinni_Peace_Plan_between_Israel_and_Palestinian_Authority_26-Mar-2002.htm<br />

Annapolis-Konferenz (27.11.09):<br />

http://www.mfa.gov.il/MFA/History/Modern+History/Historic+Events/<br />

The+Annapolis+Conference+27-Nov-2007.htm<br />

Die internationale jüdische<br />

EHE-PARTNER-VERMITTLUNG<br />

Weber José<br />

PF 180182<br />

D-60082 Frankfurt a.M.<br />

Telefon +49/69-597 34 57<br />

+49/17/267 14940<br />

Fax +49/69-55 75 95<br />

eMail: weber@simantov.de<br />

www.simantov.de<br />

Human Rights Watch:<br />

Hamas tötet gezielt Gegner<br />

Bericht zur Lage in palästinensischen<br />

Autonomiegebieten Ramallah<br />

Die radikale palästinensische Hamas-<br />

Organisation hat nach Angaben internationaler<br />

menschenrechtsexperten<br />

während und nach der israelischen<br />

In tervention im Gazastreifen Dut zen -<br />

de politischer Gegner töten oder verstümmeln<br />

lassen. Die Hamas halte<br />

ih re Herrschaft in dem Küsten strei -<br />

fen mit Folter und Hinrichtungen im<br />

Schnellverfahren aufrecht, erklärte<br />

die New Yorker Organisation Human<br />

Rights Watch (HRW) am 20. <strong>April</strong>.<br />

Im dreiwöchigen Krieg mit Israel An -<br />

fang des Jahres seien bis zum 18.<br />

Januar 18 palästinensische Hamas-<br />

Geg ner von vermummten mitglie dern<br />

der Organisation erschossen worden,<br />

berichtete HRW. 14 weitere seien nach<br />

dem Waffenstillstand getötet worden.<br />

Es habe sich um politische Gegner oder<br />

Personen gehandelt, die <strong>als</strong> In for man -<br />

ten oder Kollaborateure Isra els verdächtigt<br />

worden seien. Zudem sei en<br />

49 Palästinenser mit Schüs sen in die<br />

Beine verletzt worden, 73 seien die Ar -<br />

me oder Beine gebrochen worden.<br />

Hamas-Sprecher Fawzi Barhoum wies<br />

den Bericht der menschen rechts or ga -<br />

nisation zurück. Die Hamas sei be -<br />

reit, Ermittlungen zu derartigen Vor -<br />

wür fen aufzunehmen. Die Orga ni -<br />

sation gehe nicht mit Gewalt gegen<br />

politische Gegner vor.<br />

Die Hamas hat seit ihrem Sieg über<br />

die Fatah-Organisation von Präsident<br />

mahmoud Abbas im Juni 2007 die<br />

Kontrolle im Gazastreifen. Abbas<br />

und die Fatah regieren im Westjor -<br />

dan land. HRW zufolge nimmt auch<br />

im Westjordanland die Gewalt gegen<br />

politisch Andersdenkende zu.<br />

<strong>April</strong> <strong>2009</strong> - Nissan/Ijar 5769 23


Neonazis<br />

nutzen Facebook<br />

für Propaganda<br />

Adolf Hitler hat viele Fans - zumindest<br />

im Online- Netzwerk Facebook.<br />

Gibt man dort den Namen des Dik -<br />

tators in die Suchmaske ein, kommen<br />

zwölf Seiten mit Treffern. Das entspricht<br />

mehr <strong>als</strong> 100 Gruppen und<br />

Fan-Profilen, die den Begriff „Adolf<br />

Hitler“ im Namen tragen. Nur wenige<br />

dieser Seiten betrachten den Natio nal -<br />

sozialismus kritisch. In einem Groß -<br />

teil der Einträge wird Hitler zur Kult -<br />

fi gur erhoben. Das US-Unternehmen<br />

hat nach der Kritik von Bloggern be -<br />

reits einige Seiten gesperrt – doch bei<br />

weitem nicht alle. Jugendschützer<br />

wollen sich die neonazistischen Ein -<br />

trä ge jetzt genauer ansehen.<br />

Nach wie vor finden sich Nazi-Glo -<br />

rifizierung und unverhohlener Anti se -<br />

mitismus auf Facebook. Es gibt Be nut -<br />

zer, die sich unter Namen wie „Jo sef H<br />

Goebbel S“ anmelden, ein Bild von Hit -<br />

ler oder ein Hakenkreuz-Symbol <strong>als</strong><br />

Profilfoto hochgeladen haben oder mit<br />

Tattoos mit eindeutig rechtsradikaler<br />

Symbolik posieren. Sie schließen sich<br />

zu Gruppen zusammen, die sich „An -<br />

tisemiten und Holocaust-Leugner“ nennen<br />

und kommentieren Fotos aus der<br />

Zeit des Nation<strong>als</strong>ozialismus mit „Heil<br />

Hitler“. Viele der Seiten verstoßen ge -<br />

gen geltendes deutsches Recht und<br />

sind damit auch gemäß der Nut zungs -<br />

bedingungen von Facebook verboten.<br />

Dass Neonazis das Internet nutzen,<br />

um Jugendliche für ihre verfassungsfeindliche<br />

Ideologie zu ködern, ist kein<br />

neues Phänomen. Bislang standen<br />

aber vor allem Online-Angebote wie<br />

die deutschsprachigen Netzwerke<br />

Stu diVZ und SchülerVZ und das Vi -<br />

deoportal YouTube in der Kritik, von<br />

rechtsradikalen Gruppierungen für<br />

Propagandazwecke missbraucht zu<br />

werden. Weil das US-amerikanische<br />

Netzwerk Facebook seine Dienste erst<br />

seit 2008 auch auf Deutsch anbietet,<br />

sind die rechtsradikalen Umtriebe auf<br />

diesem Portal bislang weitgehend<br />

unentdeckt geblieben.<br />

Ein auf der Internet-Seite www.boocompany.com<br />

veröffentlichter offener Brief<br />

der anonymen Bloggerin „Lanu“ listet<br />

im Anhang rund 200 Beispiele von<br />

Facebook-Seiten mit rechtsradikalen<br />

POLITIK • ANTISEMITISMUS<br />

und antisemitischen Aussagen und<br />

Sym bolen auf. Bei den meisten Ein -<br />

trä gen handelt es sich um offene Grup -<br />

pen, denen die Facebook-User ohne<br />

weiteres beitreten können. So weit dies<br />

anhand der Benut zer pro file nachvollziehbar<br />

ist, stammen die we nigsten<br />

Gruppengründer aus Deutsch land.<br />

Auch die meisten mitglieder, die ei ner<br />

solchen Gruppe beigetreten sind und<br />

ein Heimatland angegeben ha ben,<br />

kommen aus dem Ausland, vor allem<br />

aus den USA, Italien, Süd amerika, In -<br />

do nesien, der Türkei oder aus arabischen<br />

Ländern. Es gibt aber auch ge -<br />

fälschte („fake“) Profile oder solche<br />

von fiktiven oder historischen Perso -<br />

nen - darunter Diktatoren und mas sen -<br />

mörder.<br />

Dass immer mehr Seiten, Videos und<br />

Benutzerprofile mit rechtsradikaler<br />

Propaganda im Internet zu finden sind,<br />

beobachtet auch die länderübergreifende<br />

Überwachungsstelle jugendschutz.net.<br />

Dort durchkämmt ein Team<br />

im Auftrag der Bundeszentrale für<br />

politische Bildung das Internet nach<br />

unzulässigen rechtsextremen Inhal ten<br />

und fordert Provider auf, diese zu ent -<br />

fernen. Über die menge an neonazistischen<br />

Seiten auf Facebook zeigte sich<br />

der Projektleiter von jugendschutz.net,<br />

Stefan Glaser, jedoch über rascht. „Aus -<br />

ländische Profile haben wir normalerwei se<br />

nicht auf dem Schirm“, sagte er. „Diese<br />

Auflistung wird für uns jedoch ein An -<br />

lass sein, die deutschsprachigen Profile zu<br />

sichten und zu bewerten und bei Ver stößen<br />

auch an den Provider heranzutreten.“<br />

Holocaust-Leugner<br />

Toben in Australien<br />

verurteilt<br />

Der von den deutschen Behörden we -<br />

gen Leugnung des Holocausts gesuchte<br />

64-jährige Gerald Toben ist nun auch<br />

von der australischen Justiz <strong>als</strong> Wie -<br />

derholungstäter verurteilt worden.<br />

Bundesrichter Bruce Lander sprach<br />

den deutschstämmigen Aus tra lier<br />

schuldig, die Anweisungen der Justiz<br />

miss achtet zu haben, in dem er fortgesetzt<br />

material über Juden und den<br />

Holo caust im Internet verbreite, ob -<br />

wohl ihm dies bereits seit 2002 untersagt<br />

sei.<br />

Die Betreiber von Facebook wollen<br />

ih re Benutzer indes nicht mit einer zu<br />

strengen Zensur verschrecken. „Wir<br />

neh men unsere Nutzungsbedingungen<br />

sehr ernst und reagieren schnell und sper -<br />

ren Gruppen, die diese Regeln verletzen“,<br />

sagt Firmensprecher Barry Schmidt.<br />

Allerdings wolle man das empfindliche<br />

Gleichgewicht zwischen mei -<br />

nungs freiheit und dem Schutz von<br />

menschen und Völkern, die sich<br />

bedroht fühlen könnten, wahren.<br />

In Deutschland haben sich mittlerweile<br />

mehr <strong>als</strong> zwei millionen menschen ein<br />

kostenloses Profil auf Facebook zu ge -<br />

legt, sind mit Freunden, Be kann ten,<br />

mitschülern und Arbeitskollegen vernetzt,<br />

laden persönliche Fotoalben<br />

hoch und teilen mit, was sie gerade<br />

machen. Darüber hinaus gründen sie<br />

Gruppen zu Bands, Filmen, Städten<br />

oder Personen, in die man einfach per<br />

mausklick eintreten kann oder für de -<br />

ren Teilnahme man sich erst beim<br />

Gründer der Gruppe bewerben muss.<br />

Wegen rechtsextremer Einträge im On -<br />

line-Netzwerk Facebook stoppte auch<br />

die Deutsche Telekom - und noch un -<br />

bestätigt Apple - ihre dortige Wer bung.<br />

Der Konzern hat die Wer bung für sein<br />

Videoportal 3min zu rück ge zo gen,<br />

sag te eine Telekom-Spre cherin in Bonn<br />

und bestätigte ei nen Bericht des Ber -<br />

liner Webradios „multicult 2.0“. Die<br />

Anzeige für das Portal sei „neben rechts -<br />

radikalen, Hitler verherrlichenden Sei ten“<br />

erschienen, „und das möchten wir na tür -<br />

lich nicht“, sagte die Spre che rin.<br />

APA/newsroom.at<br />

Das Strafmaß für Toben soll in den<br />

kommenden Wochen verkündet werden.<br />

Toben sagte vor Journalisten, er<br />

stehe zu seinen Taten. Wer an etwas<br />

glaube und die meinungsfreiheit be -<br />

an spruche, müsse „zu Opfern be reit“<br />

sein, sagte Toben. Im Oktober war er<br />

auf der Grundlage eines europäischen<br />

Haftbefehls in Großbri tan ni en festgenommen,<br />

dann aber nicht nach<br />

Deutsch land ausgeliefert worden.<br />

Auch die deutschen Behörden legen<br />

Toben zur Last, antisemitische Doku -<br />

mente im Internet veröffentlicht zu<br />

haben, in denen der Völkermord an<br />

den Juden durch die Nazis geleugnet<br />

wird. Er saß wegen Anstachelung zum<br />

Rassenhass bereits in Deutschland in<br />

Haft.<br />

24 <strong>April</strong> <strong>2009</strong> - Nissan/Ijar 5769


Die USA haben den mutmaßlichen<br />

frü heren KZ-Aufseher Josias Kumpf<br />

nach Österreich abgeschoben. Wie<br />

das Justizministerium in Wa shington<br />

mitteilte, soll der heute 83-jährige<br />

während des Zweiten Welt kriegs im<br />

Konzentrationslager Sac h senhausen<br />

im Einsatz gewesen sein so wie im<br />

Zwangs arbeitslager Traw ni ki im von<br />

Deutschland besetzten Polen und in<br />

ähnlichen Lagern im besetzten Frank -<br />

reich. In Trawniki soll er 1943 an der<br />

Erschießung von 8.000 jüdischen män -<br />

nern, Frauen und Kindern beteiligt<br />

gewesen sein.<br />

Kumpf habe selbst zugegeben, Wa che<br />

gestanden zu sein, <strong>als</strong> die Er schie ßun -<br />

gen stattfanden. Er habe den Befehl<br />

ge habt, auf Gefangene zu schießen,<br />

sollten sie zu flüchten versuchen, er -<br />

klärte die stellvertretende US-Jus tiz -<br />

ministerin Rita Glavin. Den US-Er -<br />

mittlern zufolge trat Kumpf, der im<br />

heutigen Serbien geboren wurde, 1942<br />

den SS-Totenkopfverbänden bei.<br />

POLITIK • ANTISEMITISMUS<br />

Früherer KZ-Aufseher Kumpf von USA<br />

an Österreich ausgeliefert<br />

Nach dem Krieg lebte er zu -<br />

nächst in Österreich, bevor<br />

er 1956 in die USA auswanderte.<br />

Dort ließ er<br />

sich in Ra cine im Staat<br />

Wis con sin nieder<br />

und wurde 1964<br />

US-Staats bür ger.<br />

Ein Gericht in<br />

mil waukee hat<br />

schon vor einiger<br />

Zeit herausgefunden,<br />

dass<br />

Kumpf sei ne SS-<br />

Vergan genheit bei der Einreise in die<br />

USA verschwiegen hatte, um nicht<br />

abgewiesen zu werden - die US-Staats -<br />

bürgerschaft wur de Kumpf bereits<br />

aberkannt.<br />

Österreich nimmt sei ne Verpflichtung<br />

wahr, Kriegs verbrechen aufzuklären<br />

und zu verfolgen. Im Falle Kumpf ha be<br />

man die US-Behörden jedoch wie der -<br />

holt darauf hingewiesen, dass Kumpf<br />

in Ös terreich nicht strafrechtlich ver-<br />

Auslieferung von mutmaßlichem Nazi<br />

Der mutmaßliche ungarische Nazi-<br />

Kriegsverbrecher Charles Zentai (Ka -<br />

roly Zentai) darf nach Entscheidung<br />

eines australischen Gerichts an Un -<br />

garn ausgeliefert werden, zitierte die<br />

Ungarische Nachrichtenagentur mTI<br />

das australische Nachrichtenportal<br />

WA Today. Der nach dem Zweiten<br />

Weltkrieg nach Australien ausgewanderte<br />

Zentai (90) soll im November<br />

1944 <strong>als</strong> Soldat den 18-jährigen ungarischen<br />

Juden Peter Balazs in Ungarn<br />

gequält, ermordet und seine Leiche in<br />

der Donau versenkt haben. Auf der<br />

durch das Simon-Wiesenthal-Zen trum<br />

geführten Liste der zehn meist ge such -<br />

ten - wahrscheinlich noch lebenden -<br />

Nazi-Kriegsverbrecher nimmt Zentai<br />

den siebenten Platz ein.<br />

Bereits im August 2008 hatte ein australisches<br />

Gericht in erster Instanz für<br />

die Auslieferung Zentais an die ungarischen<br />

Behörden gestimmt. Zentai<br />

hatte Berufung eingelegt. Sein Ver tei -<br />

di ger hatte argumentiert, dass der „an -<br />

gebliche Mord“ seines mandanten nach<br />

den damaligen ungarischen Ge setzen<br />

„nicht <strong>als</strong> Kriegsverbrechen angesehen<br />

werden kann“. Das dementierte nun das<br />

australische Gericht, in dessen Ur teil<br />

es heißt, der konkrete mord gel te <strong>als</strong><br />

Kriegsverbrechen und diene <strong>als</strong><br />

Grund lage der Auslieferung. Das Ge -<br />

richt gab sieben Tage Zeit für die Um -<br />

set zung des Urteils. Während dieser<br />

Zeit können die Anwälte Zentais Be -<br />

rufung beim Bundesgericht einlegen.<br />

Das letzte Wort habe der australische<br />

Justizminister. Zentai leugnete von An -<br />

fang an die Tat und behauptete, sich<br />

zu jenem Zeitpunkt nicht in Un garn<br />

aufgehalten zu haben.<br />

Dabei wurde <strong>als</strong> „entscheidender Be weis“<br />

gegen diese Darstellung ein 1957 aus-<br />

folgt werden könne. Es sei en die 1945<br />

in Österreich geltenden Straf gesetze<br />

an zuwenden, und die Ta ten des zur<br />

Tat zeit un ter 20jährigen Kumpf seien<br />

mit te der 60er-Jahre verjährt.<br />

Österreich sei je doch ge gen über<br />

den USA verpflichtet, Per -<br />

so nen zu rück zu neh men,<br />

die ih re Ein rei se be wil li -<br />

gung in den Ver einigten<br />

Staaten durch f<strong>als</strong>che An -<br />

gaben er schlichen ha ben.<br />

Österreich darf kein<br />

sicherer Hafen<br />

für Kumpf sein<br />

„Der mutmaßliche NS-Ver -<br />

bre cher Kumpf darf in Österreich<br />

keinen sicheren Hafen finden. Wenn<br />

es Anhaltspunkte für die Be teiligung von<br />

Kumpf an der Erschießung von KZ-In -<br />

sassen gibt, müssen wir die Verjährungs -<br />

be stimmungen für NS-Ver bre chen überdenken“,<br />

fordert der Jus tiz sprecher der<br />

Grünen, Albert Stein hau ser. Steinhauser<br />

kann sich vorstellen, dass die Ver jäh -<br />

rungsbestimmungen für schwere NS-<br />

Verbrechen aufgehoben werden. „Die<br />

besondere historische Si tu ation und die<br />

unfassbare Grausamkeit des NS-Regimes<br />

rechtfertigen ein Abge hen von den übli chen<br />

Verjährungsbestim mun gen. Niemand<br />

ver steht, wenn einem mutmaßlichen<br />

Kriegsverbrecher kein Pro zess gemacht<br />

wird und er in Österreich un behelligt spa -<br />

zieren gehen kann." Für den Justiz -<br />

sprecher der Grünen steht Österreich<br />

besonders in der Pflicht. „Tatsache ist,<br />

dass seit über 30 Jahren in Österreich kein<br />

NS-Verbre cher verurteilt wurde. Das ist<br />

in einem Tä ter land bemerkenswert.<br />

Rechtliche Ausreden sind nicht zulässig,<br />

denn in anderen Ländern werden immer<br />

wieder NS-Verbrecher verurteilt", schließt<br />

Steinhauser APA<br />

gefüllter Antrag auf Erwerb der australischen<br />

Staatsbürgerschaft durch Zen tai<br />

gefunden. Darin gibt der Ver dächtige<br />

an, im märz 1945 nach Deutsch land<br />

ge flohen zu sein, wobei er das „Durch -<br />

einander“ nutzte, das nach der „Befrei -<br />

ung durch die Rote Ar mee" entstanden<br />

war. Demnach hätte sich Zentai 1944<br />

noch in Ungarn aufgehalten.<br />

Die ungarischen Behörden hatten nach<br />

einer Anzeige des Wiesenthal-Zen -<br />

trums vor vier Jahren Er mitt lun gen ge -<br />

gen Zentai aufgenommen und einen<br />

internationalen Haftbefehl er lassen.<br />

<strong>April</strong> <strong>2009</strong> - Nissan/Ijar 5769 25<br />

©EPA


WIRTSCHAFT<br />

Ob in Israel oder in Frankreich,<br />

ob in alteingesessenen<br />

Gewerbebetrieben oder in<br />

Divisionen großer Lebensmittel-<br />

Gruppen, Matzebacken ist ein<br />

zyklisches und heikles Geschäft.<br />

VON REINHARD ENGEL<br />

Von November bis <strong>April</strong> sind die Fa -<br />

brikshallen nur mehr am Schabbat ru -<br />

hig und dunkel. Sonst wird rund um<br />

die Uhr produziert, 24 Stunden lang.<br />

„In der Saison vor Pessach verbrauchen<br />

wir rund 2000 Tonnen Mehl,“ erzählt<br />

Noam Wolf, der mit seinem Bruder<br />

David gemeinsam das Unternehmen<br />

matzot aviv besitzt und führt. „Im<br />

Oktober stellen wir von der normalen<br />

Back-Produktion um, alles wird sorgfältig<br />

gereinigt. Was man nicht absolut sauber<br />

bekommt, wird ausgetauscht. Erst<br />

dann beginnt die Arbeit für Pessach.“<br />

Diese Saison stellt im Jahresablauf<br />

der Bäckerei im israelischen Bnei Brak<br />

eine einsame Spitze dar. Während im<br />

Normalbetrieb in den übrigen mo na -<br />

ten des Jahres in einer Schicht pro Tag<br />

rund 40 männer und Frauen Kekse<br />

und andere Backwaren herstellen,<br />

schnellt die Belegschaftszahl im Win -<br />

ter und Frühjahr auf 150 hinauf.<br />

Allein sechs meschgiachs überwachen<br />

unter der Leitung des Oberrabbiners<br />

von Givatayim Yosef m. Gliksberg<br />

die Einhaltung aller Vorschriften.<br />

(Siehe den Kasten: maschine gegen<br />

mensch). Die matzen, ob „klassisch“<br />

nur aus mehl und Wasser, oder mit<br />

Zusatz von Ei und Zwiebel, werden<br />

in 25 Länder exportiert: in die USA<br />

und nach England, nach Frankreich,<br />

Australien und Österreich. „Für<br />

Osteuropa kauft vor allem Joint ein und<br />

schenkt die Matzot dann den einzelnen<br />

Gemeinden,“ berichtet Aviv-Chef Wolf.<br />

Israel: Immigranten,<br />

Gründer, Exporteure<br />

Das maschinelle matzebacken äh nelt<br />

in seinem Grundgerüst der indus tri -<br />

ellen Produktion herkömmlicher Bro te<br />

oder Kuchen, nur muss es noch sauberer<br />

und schneller hergehen. „Die<br />

zeitliche Obergrenze vom Augenblick, wo<br />

das Mehl mit dem Wasser vermischt<br />

ISRAEL • WIRTSCHAFT<br />

Die Matze-Unter<br />

David Wolf & Roy Wolf<br />

26 <strong>April</strong> <strong>2009</strong> - Nissan/Ijar 5769


nehmer<br />

Matzot Aviv - seit 1946<br />

© Brian Hendler/JTA<br />

ISRAEL • WIRTSCHAFT<br />

wird, bis die Matze fertig gebacken sein<br />

muss, beträgt nur 18 Minuten,“ erklärt<br />

Josef Pardess, Rabbiner der misrachi-<br />

Gemeinde am <strong>Wien</strong>er Judenplatz, der<br />

selbst aus Jerusalem stammt. „Und es<br />

ist besser, wenn es noch schneller geht,<br />

viel leicht in 14 Minuten.“ Diese knappe<br />

Zeitvorgabe soll verhindern, dass der<br />

feuchte Teig aufgehen kann. Und da -<br />

mit das auch nicht in ganz kleinem<br />

Um fang passiert, wenn etwa winzige<br />

Teigreste im Rührgefäß bleiben, nachdem<br />

der größere Teil längst im Ofen<br />

bäckt, wird abwechselnd in mehreren<br />

Gefäßen geknetet, und ebenso ab wech -<br />

selnd immer wieder sorgfältig ge putzt.<br />

„Das Backen im Ofen geht ganz schnell,<br />

in eineinhalb Minuten, bei großer Hitze,“<br />

beschreibt matze-Unter neh mer Wolf.<br />

„Natürlich macht das viele Reini gen die<br />

Produktion teurer,“ so Rabbiner Par dess.<br />

Bäcker Wolf ist das zwar selbstverständlich,<br />

aber er beklagt sich über ei -<br />

nen anderen Wettbewerbsnachteil,<br />

den er mit weiteren israelischen Er -<br />

zeu gern, etwa Yehuda matzot der Fa -<br />

milie Ludmir in Jerusalem, gegenüber<br />

europäischen oder amerikanischen<br />

Konkurrenten teilt. „Unser Mehl-Lie -<br />

ferant in Israel hat ein Monopol, daher<br />

kaufen wir deutlich teurer ein <strong>als</strong> Her stel -<br />

ler in anderen Ländern.“<br />

matzot Aviv ist ein israelischer Fa -<br />

mi lienbetrieb, der auf einen europäischen<br />

Gründer zurückgeht. 1887 er -<br />

öffnete David Zelivansky, ein geborener<br />

Russe in Neve Zedek im Süden von<br />

Tel Aviv nahe Jaffa eine kleine matze-<br />

Bäckerei. Seine Enkelin Sarah Wolf,<br />

die mutter der heutigen Besitzer, er -<br />

innert sich noch an den frommen al ten<br />

mann, der täglich in die Synagoge<br />

ging. Sie selbst begann <strong>als</strong> Zwölfjäh ri -<br />

ge in der Bäckerei zu arbeiten, 1946<br />

eröffnete sie mit ihrem Vater und ih -<br />

rem Ehemann die Fabrik am heutigen<br />

Standort in Bnei Brak. mittlerweile ist<br />

bereits die fünfte Generation im Un -<br />

ternehmen: Den beiden Chefs Noam<br />

und David treten schon deren Kinder<br />

in die Fußstapfen: Roy, der neben seinem<br />

Wirtschaftsstudium Patisserie in<br />

Schweizer und französischen Traditi -<br />

ons betrieben wie Kambly und Fau -<br />

chon gelernt hat und vor einigen<br />

Jahren erfolgreich zusätzlich verschiedene<br />

Kekssorten einzuführen begann,<br />

und seine Cousine michal Wolf-Kut -<br />

chins ky.<br />

<strong>April</strong> <strong>2009</strong> - Nissan/Ijar 5769 27


Die Anfänge von Matzot Aviv<br />

Frankreich: Fünfte<br />

Generation im Elsass<br />

Ebenfalls bereits in fünfter Gene ra -<br />

tion wird im elsässischen Wasselonne<br />

matze gebacken. Jean-Claude Ney mann<br />

führt heute das Unternehmen René<br />

Neymann, das seine Vorfahren 1850<br />

gründeten und das <strong>als</strong> älteste matze-<br />

Bäckerei Frankreichs gilt. Paul Heu -<br />

mann in Soultz-sous-Forets, ebenfalls<br />

im Elsass, hat „erst“ 1907 begonnen.<br />

Neymann, ein Gewerbebetrieb mit 14<br />

Beschäftigten in der Produktion, bäckt<br />

von Januar bis märz speziell für Pes -<br />

sach, unter der Aufsicht des Rabbi ners<br />

von Straßburg. Dessen Vertreter konzentrieren<br />

sich beim Produktions ab -<br />

lauf routiniert auf die heiklen Stel len,<br />

zwischen Knetschüssel und Ofen, im -<br />

mer wieder wird dort mit Bürsten<br />

und Pressluft sorgfältig gereinigt.<br />

In der übrigen Zeit des Jahres stellt<br />

man Bio-Gebäck und Vollkorn-Crac ker<br />

für Reformhäuser her. „In den sechziger<br />

Jahren ist uns klar geworden,“ erin nert<br />

sich Jean-Claude Neymann, „wel ches<br />

Potential in dem uralten Pro dukt Matzot<br />

steckt.“ Vor zwei Jahren unterbrach<br />

ein Brand im Unternehmen einmal<br />

kurz das Backen, aber schon nach we -<br />

nigen monaten war die Produktion<br />

wieder im Gang. Neymann exportiert<br />

mehr <strong>als</strong> 60 Prozent seiner Erzeugnis<br />

se, vor allem in andere europäische<br />

Länder, aber auch nach marokko,<br />

selbst nach Asien. Regelmäßig werden<br />

ISRAEL • WIRTSCHAFT<br />

Lebensmittelmessen besucht, nicht<br />

nur solche für koschere Erzeugnisse,<br />

sondern auch große für ein allgemeines<br />

Publikum, etwa im Vorjahr die<br />

SIAL im chinesischen Shanghai.<br />

USA: Gefillte Fisch vom<br />

Hedgefonds<br />

In einer ganz anderen Spielklasse<br />

bewegt sich manischewitz, der größte<br />

US-amerikanische matzehersteller.<br />

Zwar reicht auch dieses Unterneh men<br />

ins 19. Jahrhundert zurück, der Grün -<br />

der Dov Behr Manischewitz kam <strong>als</strong> ge -<br />

Produktion bei Manischewitz<br />

bürtiger Litauer, dessen Heimat da -<br />

m<strong>als</strong> zu Russland gehörte, via Ost -<br />

preußen nach Amerika. In Cincinnati,<br />

in Ohio, begann er in den 1880er Jah -<br />

ren in einem Kellerlokal mit der<br />

matze-Erzeugung, aber bald wandte<br />

er sich neuen Technologien zu: dem<br />

maschinellen Backen. Nach seinem<br />

Tod im Jahr 1914 übernahmen seine<br />

fünf Söhne das Geschäft, und unter<br />

ih nen und den nächsten Genera tio nen<br />

wurde dieses zum größten Anbieter<br />

haltbarer koscherer Nahrungsmittel<br />

in den USA. Nicht nur entwickelte sich<br />

die gleichnamige Weinmarke beinahe<br />

zum Synonym für Kiddusch-Wein im<br />

ganzen Land, unter der marke mani -<br />

sche witz gibt es Gefillte Fisch, Hüh ner -<br />

suppe und Borscht im Glas, fertige<br />

maz ze-Knödel-mischungen, oder ko -<br />

sche re Nudeln mit den dazu passenden<br />

Spaghetti-Saucen. Außerdem ge -<br />

hören zur Gruppe noch weitere Le -<br />

bensmittel-marken, die mit jüdischem<br />

Leben zu tun haben, Brands wie Car -<br />

mel, Elite, Rokeach oder mrs. Adler´s.<br />

Aber manischewitz ist längst nicht<br />

mehr im Besitz der ursprünglichen<br />

Familie. 1990 verkaufte sie an das In -<br />

vestmenthaus Kohlberg, für 42 mio.<br />

Dollar. Dieses reichte nach acht Jah -<br />

ren die Firmengruppe an den Lebens -<br />

mittel-mischkonzern R.A.G. Group<br />

weiter, inzwischen hatte sich der Wert<br />

schon auf 124 mio. Dollar gesteigert.<br />

2007 wurde dann die ganze R.A.G. ge -<br />

fressen, von einem Hedgefonds, der<br />

aus Alabama stammt, Harbinger Ca -<br />

28 <strong>April</strong> <strong>2009</strong> - Nissan/Ijar 5769


© Reuters<br />

pi tal management. Sein Haupt ei gen -<br />

tümer und Fondsverwalter – insgesamt<br />

ist Harbinger rund 13 mrd. Dollar<br />

schwer – ist Philip Falcone. Er spezialisiert<br />

sich einerseits auf Sanie rungs fäl le,<br />

anderseits hält er immer wieder mehr<br />

oder weniger große Aktienpakete an<br />

Unternehmen unterschiedlichster<br />

Bran chen, etwa am riesigen US-Last -<br />

wagen-Hersteller Navistar, an der<br />

Kabel-TV-Kette Cablevision oder am<br />

Biotechnik-mittelbetrieb SeraCare.<br />

ISRAEL • WIRTSCHAFT<br />

Harbinger vergrößerte noch den<br />

markt anteil von manischewitz im<br />

Ko sher-Business. Im Vorjahr verflocht<br />

er die Gruppe mit Cuisine Innova ti ons.<br />

Das brachte weitere einschlägige mar -<br />

ken dazu, etwa Herb´s Speciality<br />

Foods mit Fischgerichten oder die Her -<br />

steller unterschiedlicher koscherer<br />

Produkte King Kold/Ratner´s. Die<br />

Eigentümer von Cuisine Inno va tions,<br />

Alain Bankier und Paul Bensabat, halten<br />

jetzt neben Harbinger Anteile an ma -<br />

ni schewitz. Und Harbinger investierte<br />

weiter kräftig, etwa in eine hochmoderne<br />

automatisierte Fabrik in<br />

Newark um 14 mio. Dollar. Allein dort<br />

stand für Pessach <strong>2009</strong> die Ausliefe -<br />

rung von drei millionen matze-<br />

Schachteln in der Planungsrechnung.<br />

Aber auch in den Vereinigten Staa -<br />

ten gibt es noch einen bekannten mat -<br />

ze-Bäcker im Familienbesitz: Streit.<br />

1916 eröffnete Aron Streit gemeinsam<br />

mit einem Rabbiner namens Wein ber -<br />

ger auf New Yorks Lower East Side ei -<br />

ne erste matze-Bäckerei, dort wurde<br />

dam<strong>als</strong> noch ausschließlich in Hand -<br />

ar beit erzeugt. Heute führen seine<br />

Groß enkel und Enkelinnen das Un ter -<br />

nehmen, das sich auf maschinenmatze<br />

spezialisiert hat. Für Pessach<br />

gibt es außerdem Schokoladekekse<br />

und Pasta aus matzemehl, und im<br />

übri gen Jahr kann man auch Nudel -<br />

suppe in der Dose, Kuchenmix für<br />

Blueberry Cake oder Couscous bei<br />

Streit kaufen.<br />

Matze-Maschine (Anfang 20. Jahrhundert)<br />

Maschine<br />

gegen<br />

Mensch<br />

Als in Ame ri -<br />

ka mitte des 19.<br />

Jahr hunderts erste Patente für die<br />

ma schinelle Produktion von mat ze<br />

zur Anwendung kamen, enspann<br />

sich eine hitzige Debatte unter<br />

Rabbi nern, ob denn maschi nen -<br />

mat ze akzeptabel sei. „Heute ist es<br />

nur eine Frage der Tradition,“ so<br />

Rab biner Josef Pardess, „es gibt vie le<br />

Rabbiner, die ziehen Maschinen matze<br />

vor, und andere wiederum handgemachte.“<br />

Er selbst war kurz vor Pessach in<br />

Is ra el, um nach einer alten Fami -<br />

lientra dition in einer Jerusalemer<br />

Bäcke rei – bei Cohen Halperin –<br />

beim Backen dabei zu sein. „Wir<br />

sind heute eine riesige Familie – Enkel<br />

und Urenkel – insgesamt haben wir<br />

bestimmt 200 Kilo Matze gekauft.“<br />

Eine Besonderheit dabei, und<br />

dafür haben die Pardess schon seit<br />

70 oder 80 Jahren ein An recht, ist<br />

die so genannte Tamur Ri schon.<br />

Dabei handelt es sich um die erste<br />

Back-Charge nach der Nacht ruhe<br />

in der Bäckerei, da ist das Werk -<br />

zeug besonders sauber. Rabbi Par -<br />

dess vergleicht das mit der ersten<br />

Pres sung bei Olivenöl.<br />

Eine weitere Besonderheit ist die<br />

handgemachte runde bis ovale<br />

Schmu re Matze. Bei ihr wird der ge -<br />

samte Prozess von der Ähre bis zur<br />

fertig ge backenen matze kontrolliert.<br />

„Da muss schon bei der Ernte<br />

ein Mesch giach dabei sein,“ so Par -<br />

dess, „man ern tet nur bei Sonnen -<br />

schein, da mit auf keinen Fall etwas<br />

feucht werden kann.“ Und auch das<br />

mahlen und Auf be wah ren des<br />

mehls wird besonders überwacht.<br />

Zu Pessach gibt es noch eine spezielle<br />

Variante, handgemachte<br />

Mat zot Mitz wa. Diese werden erst<br />

am Nach mit tag vor dem Seder -<br />

abend gebacken, dabei spricht man<br />

bestimmte Se gens sprüche. Back -<br />

stuben dafür befinden sich etwa in<br />

der <strong>Wien</strong>er Tempelgasse oder in<br />

der Lilienbrunngasse im Zwei ten<br />

Bezirk.<br />

<strong>April</strong> <strong>2009</strong> - Nissan/Ijar 5769 29


WISSENSCHAFT<br />

die israelische firma „mindcite“<br />

hat eine neue software entwickelt,<br />

die informationen im internet<br />

aufspürt und bestimmten Personen,<br />

orten oder ereignissen zuordnet.<br />

Binnen kürzester zeit können<br />

so täterprofile ergänzt werden.<br />

zudem kann die software<br />

verschiedene da tenquellen, etwa<br />

Verbre cher da tei en aus mehreren<br />

ländern, zu sam men führen.<br />

Auch in der Verbrechensbekämpfung<br />

spielt das Internet eine zunehmend<br />

größere Rolle. Ein Problem für die Er -<br />

mittler: Die ungeheure Datenfülle im<br />

Netz. Die israelische Softwarefirma<br />

„mindCite“ hat nun ein Programm<br />

entwickelt, mit dem Sicherheits be am te<br />

der ungeheuren Datenfülle Herr werden<br />

können: „Unsere neue Technologie<br />

sammelt eine große Anzahl an Infor ma -<br />

tionen zu einzelnen Themen und führt<br />

diese mit Daten aus anderen Quellen zu -<br />

sammen“, erläutert Hadar Himmel man,<br />

Leiter von „mindCite“, das Pro gramm<br />

gegenüber dem Nachrichtenportal<br />

„Israel 21c“. „So kann eine Sam mel map -<br />

pe erstellt werden, die den Mitar bei tern in<br />

Geheimdiensten präzise und genaue<br />

Informationen liefert.“<br />

Hierzu überprüft das Programm Ein -<br />

träge in Internet-Quellen, etwa in<br />

Blogs, Chats, Internetforen oder Onli -<br />

ne-Datenbanken. Finden sich dort<br />

etwa Angaben über eine gesuchte<br />

Person, schlägt das Programm Alarm<br />

und ergänzt das Täterprofil um die<br />

gefundenen Informationen. So können<br />

Spuren von Tätern im Netz schnell<br />

nachvollzogen werden - ohne langwierige<br />

Ermittlungsarbeiten von Si -<br />

cherheitsbeamten.<br />

„Wir sehen großes Potential“<br />

Zu den Vorzügen zählt, dass so eine<br />

große Anzahl an Webseiten gleichzeitig<br />

überwacht werden kann. Da die Soft -<br />

ware multilingual ist, kann sie in verschiedenen<br />

Ländern zum Einsatz kom -<br />

men. Ein weiterer Vorteil ist, dass sie<br />

Informationen aus verschiedenen Da -<br />

ten banken zusammenführen kann -<br />

sollten sich etwa Länder zu einer in ten -<br />

siveren Zusammenarbeit bei der Ver -<br />

brechensbekämpfung entschließen,<br />

könnten die vorhandenen Infor ma -<br />

tionen schnell abgeglichen werden.<br />

ISRAEL • WISSENSCHAFT<br />

Israelische Firma entwickelt Software<br />

zur Verbrechensbekämpfung<br />

Wo das Programm zukünftig zum Ein -<br />

satz kommt, ist aber noch unsicher.<br />

„Wir sehen ein großes Potential. Sowohl<br />

der heimische Sicherheitssektor <strong>als</strong> auch<br />

andere Behörden, die sich mit präventiver<br />

Verbrechensbekämpfung beschäftigen,<br />

sind am wachsen“, zeigt sich Him mel -<br />

man zuversichtlich. inn<br />

Israelische Erfindung<br />

erleichtert<br />

Hautkrebsfrüherkennung<br />

Eine israelische Firma hat ein Gerät<br />

entwickelt, das womöglich einen<br />

Durch bruch bei der Früherkennung<br />

von Hautkrebs darstellt. mittels optischen<br />

Faserkabeln zum Absuchen<br />

nach bösartigen Leberflecken ermöglicht<br />

es eine weitaus präzisere Erfas -<br />

sung <strong>als</strong> das bloße Auge des Arztes.<br />

Das Gerät der Firma Skin Cancer Scan -<br />

ning befindet sich derzeit noch in der<br />

klinischen Testphase im Beilinson-<br />

Kran kenhaus in Petach Tikva. Es hat<br />

jedoch bereits eine Treffgenauigkeit<br />

von 92% bei der Identifizierung verschiedener<br />

Hautkrebsarten bewiesen.<br />

Die neue Technologie beruht auf dem<br />

Prinzip, dass Krebszellen sich schneller<br />

vermehren <strong>als</strong> gesunde Zellen und<br />

ihre gesteigerte metabolische Aktivi tät<br />

Energie in einer höheren Frequenz<br />

frei setzt. Diese Aktivität wird von<br />

dem Gerät erfasst. Haaretz<br />

Stammzellen zur<br />

Krebszellen-Mimikry<br />

in Mäusen<br />

mit Hilfe embryonaler Stammzellen<br />

haben Wissenschaftler des Technion<br />

und des Rambam Medical Center Krebs -<br />

zellen in menschlichem Gewebe in<br />

einer maus herstellen können.<br />

Die Leiter der Forschung, Prof. Karl<br />

Sko recki und Dr. Maty Tzukerman,<br />

habe ein experimentelles modell entwickelt,<br />

bei dem von Patienten entnommene<br />

Eierstock-Krebszellen in<br />

mäusen in mitten eines menschlichen<br />

Gewebes einen Tumor bilden können.<br />

Dies geschieht mit Hilfe von em -<br />

bryonalen Stammzellen, da das<br />

mensch liche Ge webe anderenfalls in<br />

den mäusen nicht wachsen und sich<br />

vermehren würde. Diese mimikry ver -<br />

anschaulicht die eigentliche Ent wick -<br />

lung der Tumorzellen im menschen<br />

und die lässt der Entwicklung von<br />

Behand lungs möglichkeiten zu.<br />

Die Arbeiten wurden im Rahmen der<br />

Diplomarbeit von Ehood Katz ausgeführt,<br />

der verschiedene Subpopu la tio -<br />

nen des Eierstock-Krebses einer Pa -<br />

tientin isolierte und charakterisierte<br />

und mit Hilfe eines modells die Über -<br />

tragung auf andere Patienten zulässt.<br />

Die Veröffentlichung erfolgte in der<br />

Online-Ausgabe des „Clinical Can cer<br />

Research“-Journ<strong>als</strong> in der Januar-Aus -<br />

gabe.<br />

http://pard.technion.ac.il/archives/presseng/<br />

Html/PR_matyE_31_12.Html<br />

Jüdisch-arabischer Stammzellen-Workshop<br />

an der Hebräischen Universität<br />

Am Youth Center for Advanced Studies der Hebräischen Universität Jeru sa -<br />

lem ist im märz ein Workshop zur Stammzellenforschung für jüdische und<br />

arabische Jugendliche aus Jerusalem und Abu Gosh veranstaltet worden. Über<br />

das Internet waren zudem Studenten aus Deutschland zugeschaltet.<br />

Neben den wissenschaftlichen Entwicklungen der Stammzellenforschung<br />

standen auch ethische und religiöse Aspekte des Themas auf dem Programm.<br />

Für Dr. Devora Lang, die Direktorin des Youth Center, lag die Besonderheit des<br />

Workshops darin, dass er Schülern verschiedener Glaubensrichtungen in Israel<br />

die Gelegenheit geboten habe, gemeinsam über die Stammzellenfrage zu dis -<br />

kutieren.<br />

Die Hinzuziehung der deutschen Studenten war insofern besonders interessant,<br />

<strong>als</strong> der Einsatz embryonaler Stammzellen für die Forschung in Deutschland<br />

sehr stark eingeschränkt ist. Im Hintergrund steht dabei der missbrauch von<br />

Wissenschaft für die Eugenik während des Nation<strong>als</strong>ozialismus.<br />

Hebräische Universität Jerusalem<br />

30 <strong>April</strong> <strong>2009</strong> - Nissan/Ijar 5769


Erstes ‚grünes Haus’<br />

im Negev<br />

Im Moshav Ashalim ist kürzlich das<br />

erste ‚grüne Haus’ seiner Art im<br />

Negev errichtet worden. Es handelt<br />

sich dabei um ein Wohnhaus, das<br />

voll ständig gemäß ökologischen<br />

Grund sätzen und mit ökologischer<br />

Technologie gebaut ist. Das Haus hat<br />

eine Grundfläche von 170 m² und um -<br />

fasst eine Küche, ein Wohnzimmer<br />

und vier Schlafzimmer. Errichtet<br />

wurde es von der Kreisverwaltung<br />

Ramat Hanegev, die neue Bewohner<br />

in die Wüstenregion locken will.<br />

Die Wände des Hauses bestehen aus<br />

vor Ort hergestellten Erdziegeln und<br />

sind mit thermischem mörtel verputzt,<br />

wodurch Energiekosten eingespart<br />

werden. Öffnungen an den Decken<br />

und hohe Fenster sorgen für optimale<br />

natürliche Beleuchtung, und ein spezielles<br />

Wasserwiederauf bereitungs -<br />

sys tem hilft beim Wassersparen. Von<br />

der Firma Sunday wurde das Haus<br />

mit einer Solaranlage ausgestattet, die<br />

mehr Strom produziert <strong>als</strong> den Ei gen -<br />

bedarf.<br />

Die Baukosten von etwa 150.000 Euro<br />

wurden von der norwegischen Or ga -<br />

nisation „Exodus Nord“ übernommen,<br />

die die Entwicklung des Kreises Ra mat<br />

Hanegev fördert. Die Organisa tion hat<br />

bereits acht Häuser im moshav Asha -<br />

lim finanziert, die an israelische Fa -<br />

milien verkauft wurden.<br />

Informationen zum moshav Ashalim<br />

gibt es unter dem folgenden Link:<br />

http://eng.negev-net.org.il/HTMLs/article.aspx?C2004=12616&BSP=12606<br />

My Negev<br />

Peretz<br />

Lavie<br />

neuer<br />

Technion-<br />

Präsident<br />

Der Psychologe<br />

Prof. Peretz Lavie<br />

ist zum neuen<br />

Präsidenten des Technion in Haifa<br />

gewählt worden. Er löst Prof. Yitzhak<br />

Apeloig ab, der zwei vierjährige Amts -<br />

zeiten hinter sich hat.<br />

ISRAEL • WISSENSCHAFT<br />

Lavie ist der Pionier der israelischen<br />

Schlafmedizin. 1979 gründete er das<br />

erste israelische Schlaflabor zur Diag -<br />

no se von Schlafstörungen und war<br />

auch an der Eröffnung des Schlafla -<br />

bors der Harvard University beteiligt.<br />

Zu den zahllosen Veröffentlichungen<br />

des 60jährigen zählt der Bestseller<br />

„Die wundersame Welt des Schlafes“. In<br />

medizinischen Fachzeitschriften hat<br />

er mehr <strong>als</strong> 300 Artikel veröffentlicht.<br />

1980 kämpfte er für die Einführung<br />

der Sommerzeit. Jerusalem Post<br />

Blutgerinnungstest<br />

per Laser<br />

menschen mit Infarkt-Risiko müssen<br />

oftm<strong>als</strong> monatlich oder wöchentlich<br />

zum Arzt, um dort durch Blutab nah -<br />

me die Blutgerinnung kontrollieren<br />

zu lassen. Damit könnte bald Schluss<br />

sein. Eine israelische Firma hat jetzt<br />

eine möglichkeit entwickelt, mit welcher<br />

der Blutfluss ohne den leidigen<br />

Pieks mittels Laserlicht von zu Hause<br />

aus bestimmt werden kann.<br />

Entwickelt wurde die Überwachungstechnik<br />

von der Firma Elfi Tech. Durch<br />

Laserlicht (Laser Speckle Contrast<br />

Ima ging) wird der Blutfluss von zu<br />

Hause aus bestimmt. Die Daten werden<br />

dann per Wi-Fi oder Handy an<br />

den behandelnden Arzt übermittelt.<br />

Besonders vorteilhaft ist dabei auch,<br />

dass der Blutfluss in Echtzeit getestet<br />

werden kann. Die Auswertung ist da -<br />

durch genauer, <strong>als</strong> bei der Entnahme<br />

einer Blutprobe, die erst im Labor<br />

überprüft werden muss.<br />

Bei Elfi Tech hoffen die Entwickler,<br />

dass die Tests in Zukunft so populär<br />

werden, wie das Blutdruck messen<br />

oder Insulin Spritzen von zu Hause<br />

aus.<br />

Laut dem Bericht befindet sich das<br />

Überwachungsgerät im letzten Ent -<br />

wick lungsstadium. In den kommenden<br />

monaten soll es dem europäischen<br />

Gesundheitsamt zur Prüfung vorgelegt<br />

werden. israel21c/inn<br />

Ori Allon,<br />

Entwickler der<br />

Orion-Such -<br />

maschine<br />

Neuer Google-Service<br />

in Israel entwickelt<br />

Google Israel hat einen weiteren Er -<br />

folg feiern können. Der internationale<br />

Service „Google Suggest“, der von<br />

einem israelischen Team entwickelt<br />

wurde, ist in lokalen Versionen in Be -<br />

trieb gegangen. Der neue Service des<br />

Suchmaschinenanbieters besteht da -<br />

rin, Wörter zu vervollständigen, die<br />

der Benutzer in das Suchfeld eintippt,<br />

und in Echtzeit Vorschläge anzubieten.<br />

Das israelische Team, das Google<br />

Sug gest entwickelt hat, wird von Mi ki<br />

Herkovitz und Dr. Yoel Mark geleitet,<br />

der dem Forschungs- und Ent wick -<br />

lungs zentrum von Google Israel vorsteht.<br />

Auf google.com ist der Dienst schon<br />

seit einigen monaten in Betrieb, seit<br />

dieser Woche können ihn aber auch<br />

alle Länderversionen nutzen – in 51<br />

Sprachen. Neben der Sprache sind<br />

dabei auch kulturelle Faktoren in<br />

Rech nung gestellt worden. So bietet<br />

Google Suggest etwa auf den englischen<br />

und australischen Websites<br />

unterschiedliche Vorschläge an.<br />

„In Australien, zum Beispiel, wird man,<br />

wenn man ‚kan’ eintippt, Ergebnisse<br />

bekommen, die das Wort ‚kangaroo’ beinhalten“,<br />

erzählt Produktmanager Da -<br />

vid Kadosh. „Dies ist Information, die<br />

normalerweise an anderen Orten nicht<br />

relevant ist, so dass sie nur in Australien<br />

erscheinen wird.“<br />

Google Suggest ist auch bei youtube.com<br />

verfügbar. Yedioth Ahronot<br />

<strong>April</strong> <strong>2009</strong> - Nissan/Ijar 5769 31<br />

© Ori Allen


JÜDISCHE WELT<br />

Oskar Deutsch beim Treffen<br />

der Maccabi Welt-Uni0n<br />

Das Eis ist gebrochen: wenn im Juli<br />

2011 in <strong>Wien</strong> die 13. Europäischen<br />

Makkabi Spiele über die Bühne gehen,<br />

wird es das erste Mal sein, dass sich<br />

nach 1945 jüdische Sportler aus<br />

dutzenden Nationen auf dem Boden<br />

des ehemaligen Deutschen Reiches<br />

dem Wettkampf stellen.<br />

„Die Gemeinde“ sprach mit IKG-<br />

Vizepräsident Oskar Deutsch, dem<br />

Vorsitzenden der <strong>Wien</strong>er Spiele.<br />

VON ALEXIA WEISS<br />

Es sollen die „Spiele der kurzen Wege“<br />

werden, betont Oskar Deutsch – und<br />

sieht in diesem Konzept auch einen<br />

der Gründe, warum schließlich <strong>Wien</strong><br />

von der Europäischen makkabi Fö de -<br />

ration (EmC) im vergangenen Okto -<br />

ber den Zuschlag für die Austragung<br />

der 13. Europäischen makkabi Spiele<br />

erhielt. Vier Städte hatten sich insgesamt<br />

beworben: neben <strong>Wien</strong> waren<br />

dies Stockholm, madrid und St. Pe -<br />

ters burg.<br />

Nun steht den Verantwortlichen<br />

eine arbeitsintensive Zeit bevor: während<br />

acht Tagen werden rund 2.000<br />

Sportler in 13 bis 15 Disziplinen an -<br />

treten. Das heißt einerseits, wie bei<br />

JÜDISCHE WELT • INLAND<br />

„Es sollen die Spiele der<br />

kurzen Wege werden“<br />

jedem sportlichen Großereignis: perfekte<br />

Organisation parallel stattfindender<br />

Wettkämpfe. Das heißt aber<br />

auch: dafür sorgen, dass täglich drei<br />

mal 2.000 koschere mahlzeiten zur<br />

Ver fügung stehen. Und das heißt: sich<br />

um die sichere Unterbringung und<br />

den sicheren Transport der Teilneh mer<br />

von den Hotels zu den Sportstätten<br />

und wieder zurück zu kümmern.<br />

Als stellvertretender Vorsitzender<br />

steht Deutsch für diese Aufgabe Mau -<br />

rizi Berger zur Seite. Im <strong>April</strong> wird<br />

zudem das Organisationskomitee ge -<br />

bildet: dieses sieht unter anderem<br />

einen Sportdirektor, einen Finanzchef<br />

sowie Verantwortliche für die Berei che<br />

Sicherheit, Logistik, Öffentlichkeitsarbeit,<br />

Transport, Catering, IT, Zere -<br />

mo nien und Events sowie Edu ca tion<br />

(Programmangebot für die ju gend -<br />

lichen Teilnehmer) vor. Ein mit glied<br />

des Komitees wird sich zudem um<br />

die Einbindung und Koordinie rung<br />

von Freiwilligen kümmern, die dringend<br />

gebraucht werden. „Ein Bei spiel“,<br />

so Deutsch: „Beim Einmarsch der Na -<br />

tionen muss es für jede Mann schaft einen<br />

Freiwilligen geben, der eine Tafel mit dem<br />

Namen des Landes vorausträgt.“<br />

Oskar Deutsch und maurizi Berger,<br />

aber auch die mitglieder des Organi -<br />

sa tionskomitees werden auf ehrenamtlicher<br />

Basis die Spiele organisieren.<br />

(Das Komitee wird, sobald alle Funk -<br />

tionen vergeben sind, noch ge son dert<br />

in der „Gemeinde“ vorgestellt werden.)<br />

Die einzig bezahlte Funktion<br />

wird die eines Gener<strong>als</strong>e kretärs sein,<br />

der mit Januar 2010 seine Arbeit aufnehmen<br />

soll.<br />

Den Finanzbedarf für die Austra -<br />

gung der Spiele haben die Organi sa -<br />

toren rund um Deutsch mit drei milli -<br />

onen Euro kalkuliert. Inkludiert sind<br />

darin die Kosten für die Unterbrin -<br />

gung der Sportler, das Training und<br />

die Wettkämpfe an den verschiedenen<br />

Sportstätten (neben dem zur Verfü -<br />

gung stehenden neuen Hakoah Sport -<br />

zentrum im Prater müssen weitere<br />

Plätze, Hallen und Stadien, alle im<br />

Um feld des IKG-Campus gelegen,<br />

an gemietet werden), der Transport der<br />

Teilnehmer, das Catering sowie die<br />

technische und organisatorische Ab -<br />

wicklung des Großevents von der Er -<br />

öffnungsfeier am Rathausplatz bis<br />

zur Closing Ceremony.<br />

Derzeit gehen die Organisatoren da -<br />

von aus, dass 40 Prozent der Kosten<br />

von den Teilnehmern beziehungswei se<br />

deren Verbänden getragen werden.<br />

Jeder Sportler bezahlt über seinen<br />

Verband 920 Euro. Weitere jeweils 25<br />

Prozent – das sind je 750.000 Euro –<br />

hofft Deutsch in Verhandlungen mit<br />

dem Bund und der Stadt <strong>Wien</strong> für die<br />

Spiele zu erhalten. Der Rest der nötigen<br />

mittel soll über Sponsoring aufgebracht<br />

werden.<br />

Bereits jetzt lobt Deutsch das Enga -<br />

gement des <strong>Wien</strong>er Bürgermeisters<br />

mi chael Häupl (SPÖ), der die Kan -<br />

didatur des Jüdischen Sportverbands<br />

Österreichs (JSVO) bei diesem Projekt<br />

von Anfang an unterstützt habe. Die<br />

Investition in diese Veranstaltung<br />

rechne sich aber auch für Stadt und<br />

Bund, ist Deutsch überzeugt: nicht nur<br />

das Image von <strong>Wien</strong> und Österreich<br />

werde so verbessert, die eingesetzten<br />

mittel „bleiben ja auch in <strong>Wien</strong>“.<br />

Und was war die motivation der<br />

IKG, sich für die Austragung der<br />

Spie le zu bewerben? „Wir können uns<br />

hier präsentieren und einmal einer größeren<br />

jüdischen Öffentlichkeit zeigen, wie<br />

das jüdische <strong>Wien</strong> und wie unsere Infra -<br />

struktur funktioniert“, so Deutsch.<br />

„Für die Gemeinde ist das eine tolle Sa che,<br />

wenn sie sagen kann, hier gibt es florierendes<br />

jüdisches Leben.“<br />

Repräsentanten des jüdischen Eu -<br />

ro pa zu zeigen, „was es hier alles gibt“,<br />

ist der IKG-Führung vor allem deshalb<br />

ein Anliegen, da die Vergröße rung der<br />

Gemeinde durch Zuzug weiter im<br />

Auge behalten wird. Wenn eines Ta -<br />

ges auch die politischen Rahmenbe -<br />

dingungen dafür stimmen, „dass wir<br />

die Möglichkeit haben, Leute nach <strong>Wien</strong><br />

32 <strong>April</strong> <strong>2009</strong> - Nissan/Ijar 5769


zu bringen, um hier zu leben“, dann ge be<br />

es „Letten, Litauer, Ungarn, Deutsche<br />

und viele andere, die bei den Spielen wa -<br />

ren und wissen, wie es in <strong>Wien</strong> aussieht,<br />

wie man hier lebt“.<br />

Wert wird seitens der Organisation<br />

daher auch darauf gelegt, dass nicht<br />

nur viele Jugendliche nach <strong>Wien</strong><br />

kommen, sondern sich diese auch mit<br />

der <strong>Wien</strong>er Jugend austauschen. In<br />

rund 15 Sportarten (Fixstarter sind<br />

Fuß ball, Basketball, Golf, Tennis, Tisch -<br />

tennis, Volleyball, Beach volley ball,<br />

Schach, Bridge und Karate; an de re<br />

Disziplinen, wie etwa die verschiedenen<br />

Schwimm-Bewerbe, sind abhängig<br />

von der Anzahl der von den na tio nalen<br />

Verbänden einlangenden Nominie -<br />

run gen) kämpfen die Teilnehmer in<br />

drei Altersklassen um die Plätze am<br />

Sie gertreppchen. Unterschieden wird<br />

zwischen „Offenen Spielen“, „Mas ters“<br />

(<strong>als</strong>o die älteren Sportler ab 35 Jahre)<br />

und den „Junior European Mac cabi<br />

Games“, an denen Jugend li che der<br />

Ge burtsjahrgänge 1995 bis 1997 teilnehmen<br />

können.<br />

Deutsch ist es dabei ein Anliegen,<br />

dass die teilnehmenden jüdischen<br />

Jugendlichen aus <strong>Wien</strong> gemeinsam<br />

mit den Jugendlichen aus anderen<br />

Ländern in einem Hotel untergebracht<br />

werden. Damit solle neben<br />

dem sportlichen Event auch die persönliche<br />

Begegnung groß geschrieben<br />

werden. Außerdem werde es für die<br />

nach <strong>Wien</strong> reisenden mädchen und<br />

Burschen ein Education Program ge -<br />

ben, mit dem Fokus auf dem Thema<br />

Holocaust.<br />

Jugendliche, aber auch Erwachse ne,<br />

sollen sich auch am von den Org a ni -<br />

sa toren aktuell ausgeschriebenen Lo -<br />

go-Wettbewerb für die makkabi Spie le<br />

in <strong>Wien</strong> beteiligen. Einsendeschluss<br />

ist der 30. <strong>April</strong>. Erwartet werden in<br />

<strong>Wien</strong> Teilnehmer aus an die 40 Län -<br />

dern. 34 Staaten gehören derzeit der<br />

Europäischen makkabi Konfö dera tion<br />

an. Traditionell kommt aber eine<br />

auch rund 25-köpfige Junioren mann -<br />

schaft aus Israel zu den europäischen<br />

Spie len. Und es werden im Sinn der<br />

globalen Verbundenheit der jüdischen<br />

Ge mein den auch immer wieder ger -<br />

ne Sport ler, die in anderen Kon ti nen -<br />

ten leben, eingeladen. manch mal<br />

kann so auch die Durchführung eines<br />

Wettbewerbs oder Turniers sicherge-<br />

JÜDISCHE WELT • INLAND<br />

stellt werden. Haben sich beispielsweise<br />

15 mann schaf ten für das Fuß -<br />

ballturnier angemeldet, sichert ein 16.<br />

Team aus ei nem Land außerhalb<br />

Europas die optimale Durchführung.<br />

Fußballer stellen bei den Euro päi -<br />

schen Spielen übrigens erfahrungsgemäß<br />

et wa 40 bis 50 Prozent der<br />

Teilneh mer. Geht es nach den<br />

Organisatoren wird es in <strong>Wien</strong><br />

Konkurrenz durch Sport ler einer ähnlichen<br />

Disziplin geben: ge dacht wird<br />

daran, auch ein Futsal-Turnier zu veranstalten.<br />

Für alle, die von dieser<br />

Sportart bisher noch nichts gehört<br />

haben: Futsal ist eine Fußball -<br />

variante, die in der Halle, aber ohne<br />

Ban denbegrenzungen, gespielt wird.<br />

Jedes Team tritt mit einer fünfköpfigen<br />

Feldmannschaft und einem Tor mann<br />

an, gespielt wird allerdings auf Hand -<br />

balltore und mit einem sprungreduzierten<br />

Ball.<br />

Von österreichischer Seite nehmen nor -<br />

malerweise rund 20 bis 40 Sport ler an<br />

der alle vier Jahre in Israel abgehaltenen<br />

maccabiah (die nächste findet<br />

diesen Sommer statt) teil. 50 bis 80<br />

Sport ler reisen meist zu den Euro päi -<br />

schen Spielen (zuletzt 2007 in Rom).<br />

„Wir hoffen, dass in <strong>Wien</strong> 150 bis 200<br />

Sport ler aus Österreich teilnehmen“, sagt<br />

Deutsch. mit der Zusammenstellung<br />

der heimischen mannschaft wurde<br />

bereits Jair Zelmanovic <strong>als</strong> „Head of<br />

Delegation“ betraut.<br />

Der stellvertretender Vorsitzende Maurizi Berger bei<br />

der Vertragsunterzeichung in Paris (November 2008)<br />

Die Europäischen<br />

Makkabi Spiele<br />

Die ersten Europäischen Makkabi<br />

Spiele wurden 1929 in Prag abgehalten,<br />

ein Jahr später wurden sie<br />

in Antwerpen ausgetragen. Erst 29<br />

Jahre später kam es wieder zu jüdischen<br />

Spielen in Europa: und zwar<br />

in Kopenhagen, das 1959 <strong>als</strong> Gast -<br />

ge ber fungierte.<br />

Seit Ende der 1960-er Jahre werden<br />

die Europäischen Makkabi Spie le<br />

im Vier-Jahres-Rhythmus abgehalten<br />

– jeweils um zwei Jahre versetzt<br />

zu der ebenfalls alle vier Jahre in<br />

Israel veranstalteten Maccabiah.<br />

Zuletzt richtete Rom 2007 die<br />

Europäischen Spiele aus.<br />

Die Organisation der Spiele wird<br />

jeweils in enger Kooperation zwischen<br />

der Europäischen Makkabi<br />

Konföderation (derzeit 34 Mit glieds -<br />

nationen), der nationalen Makkabi<br />

Föderation (in Österreich der Jüdi<br />

s che Sportverband Österreichs,<br />

dem die Vereine Hakoah <strong>Wien</strong> und<br />

Maccabi <strong>Wien</strong> angehören) und der<br />

Gastgeberstadt durchgeführt.<br />

Quellen: Jerusalem Post, www.maccabiworld.org<br />

<strong>April</strong> <strong>2009</strong> - Nissan/Ijar 5769 33


© Ben Harris/JTA<br />

Die Zion-Synagoge - mit einem Davidstern auf<br />

der Kuppel - dominiert die Skyline von Oradea.<br />

zwei junge akademiker sind<br />

für das gut organisierte jüdische<br />

leben in einer rumänischen<br />

Kleingemeinde verantwortlich.<br />

all ihre freizeit widmen sie der<br />

arbeit mit den Jugendlichen.<br />

sie könnten ihre studien in<br />

stockholm, london oder an der<br />

lauder-Busi ness school in wien<br />

gleich fortsetzen. doch auch<br />

die zeitweilige trennung von ihren<br />

aktivitäten in der gemeinde von<br />

oradea (großwardein/nagyvárad)<br />

fällt ihnen schwer.<br />

Doppelinterview mit Edith<br />

Homonnai und Christian Ezri<br />

aus der Jüdischen Gemeinde Oradea,<br />

Rumänien<br />

Gemeinde: Wie kommt ein Jude zu dem<br />

Vornamen Christian?<br />

christian: Dieser Vorname ist zu ei -<br />

nem echten Eisbrecher für mich ge -<br />

worden. Überall wo ich mich vorstelle,<br />

weiß man zuerst nicht, dass ich Jude<br />

bin. Dieser Name hat mit der Ge -<br />

schichte mei ner Eltern zu tun, denn<br />

mein jüdischer Name ist moshe Arie.<br />

JÜDISCHE WELT • AUSLAND<br />

Wieder offen<br />

Woher stammen denn Ihre Eltern?<br />

christian: Ursprünglich kamen die<br />

Eltern vä terlicherseits aus Budapest<br />

nach Ora dea. meine mutter hatte<br />

zwölf Ge schwister, von denen die<br />

Hälfte in Au schwitz mit den Groß -<br />

eltern ge mein sam ermordet wurde.<br />

Weder mein Vater noch meine mutter<br />

genossen eine jü dische Erziehung. Sie<br />

wussten, dass sie Juden sind, aber das<br />

war auch schon alles.<br />

Kamen viele Juden nach der Shoah nach<br />

Oradea zurück?<br />

christian: Vor der Shoah gab es ein<br />

blühendes jüdisches Leben in Oradea.<br />

Von den dam<strong>als</strong> 90.000 Einwohnern<br />

wa ren 30.000 jüdisch. Die jüdische<br />

Be völke rung hatte großen Anteil am<br />

Erfolg der Chemieindustrie, der<br />

Architektur und des Handels. Die Stadt<br />

kann auf eine reiche jüdische Ge -<br />

schichte und Tradition zurückblicken,<br />

sogar der Wisch nitzer Rebbe stammt<br />

aus Groß war dein. Aber nach dem<br />

Krieg ka men nur 3.000 men schen zu -<br />

rück.<br />

Gab es da nach dem Krieg ein jüdisches<br />

Gemeinwesen?<br />

christian: Zuerst sehr zögerlich. Das<br />

jüdisch sein<br />

Pro blem war nämlich, dass wir rund<br />

2.300 männer aber nur 700 jüdische<br />

Frauen hatten, daher waren misch -<br />

ehen oft die Regel. Aus Angst haben<br />

die Ehepart ner oft ihre jüdischen<br />

Wur zeln verleugnet. meine Eltern<br />

hatten es auch sehr schwer, sie durften<br />

nicht studieren - wegen des numerus<br />

clausus für Ju den. Dreimal richteten sie<br />

ein Haus her und ebenso oft wurden<br />

sie enteignet. Aber der Oberrabbiner<br />

von Rumä ni en, moses Rosen, war<br />

dann doch ihr großes Glück.<br />

Sie meinen während der kommunistischen<br />

Herrschaft?<br />

christian: Ja, denn durch seine kluge<br />

Poli tik ermöglichte er noch unter Ce -<br />

au sescu ein jüdisches Gemein de le ben.<br />

Er hat te einen guten Draht zum kommunistischen<br />

Regime und wusste,<br />

dass der Staatschef nach einem guten<br />

Image im Westen lechzte. So hat er<br />

Ceausescu eingeredet, jüdische Chöre<br />

in hebräischer Sprache zuzulassen.<br />

Und <strong>als</strong> er das erreicht hatte, ging er<br />

wieder hin und sagte, jetzt brauchen<br />

wir eine Talmud Thora-Schule, damit<br />

die Sänger auch verstehen, was sie<br />

singen. Und bis heute sind das jene<br />

beiden Institu tio nen, auf die das jüdi-<br />

34 <strong>April</strong> <strong>2009</strong> - Nissan/Ijar 5769


sche Gemein de leben aufbaut.<br />

Sie sind heute 24 Jahre alt, seit wann<br />

wissen Sie über Ihr Judentum Bescheid?<br />

christian: Ich erinnere mich an einen<br />

sonnigen Sonntag, <strong>als</strong> meine Eltern<br />

mit uns in den Park spazieren gingen,<br />

mein jüngerer Bruder Norbert war<br />

auch dabei, und plötzlich sagten sie:<br />

„Ihr seid Juden“. Und wir schauten sie<br />

er staunt an und sagten: „Großartig!<br />

Und bitte schön was ist das?“ Ich ahnte<br />

schon früher, dass irgendetwas bei<br />

uns anders war: In der Schule ärgerte<br />

ich mich über meinen Familiennamen<br />

Ezri. Er klang einfach nicht rumänisch,<br />

wie bei den anderen Kindern.<br />

Wie fanden Sie dann doch zu Ihrer<br />

ausgeprägten jüdischen Identität?<br />

christian: Nach der Wende – und ih rer<br />

plötz lichen Ankündigung - schickten<br />

uns die Eltern dann zum jüdischen<br />

Chor. Dort war ich zwar stimmlich ei ne<br />

Niete, unversehens aber in jüdischer<br />

Gesellschaft. Der Chor war eine Art<br />

Ein trittskarte in die jüdische Ge mein -<br />

schaft. Nur wer im Chor war, durfte<br />

auch ins Sommercamp mitfahren, und<br />

dieses war ebenfalls eine große At trak -<br />

tion.<br />

Sie sind aber heute Präsident der Ju gend -<br />

gruppe des JCC (Jewish Commu ni ty<br />

Center) und der wichtigste „Aktivist“.<br />

Wie kam es dazu?<br />

christian: Im Sommercamp in Ru -<br />

mänien ha be ich den religiösen Ritus<br />

zum ersten mal erlebt, konnte aber<br />

nichts damit anfangen. Es war sogar<br />

peinlich, <strong>als</strong> man mich <strong>als</strong> Kohen aufgefordert<br />

hat zu beten: Christian der<br />

Kohen!<br />

Der Wendepunkt in meinem Leben<br />

kam mit dem ersten Besuch im un -<br />

gari schen Szarvas 1995. Das war der<br />

JÜDISCHE WELT • AUSLAND<br />

Treffpunkt jüdischer Kinder aus dem<br />

gan zen mitteleuropäischen Raum:<br />

Das war das Ferienlager der Ronald S.<br />

Lauder Foundation gemeinsam mit dem<br />

American Jewish Joint Distribution Com -<br />

mittee. In diesem International Sum mer<br />

Camp fühlte ich mich pudelwohl, un ter<br />

500 lautstarken, verrückten Kin dern<br />

aus neun verschiedenen Ländern. Hier<br />

konnte ich mich öffnen. Hier wurde<br />

die Saat für meine Zukunft aus gesät.<br />

Sie haben Ihren Studienabschluss in<br />

Computer-Wissenschaften gemacht.<br />

Wie ist sich das mit der Universität und<br />

der intensiven Arbeit für das Jewish<br />

Community Center (JCC) ausgegangen?<br />

christian: meine gesamte Freizeit<br />

habe ich im JCC verbracht. Und eines<br />

Tages habe ich im Computer-Zimmer<br />

Edith miriam entdeckt – und dann<br />

war ich gefangen. Ich hätte meine<br />

Ausbil dung auch in Cluj (Klausen -<br />

burg, Kolosvár) oder Timisoara (Te -<br />

meschwar, Temes vár) machen können,<br />

dort gibt es an spruchsvollere Uni ver -<br />

si täten. Aber ich wollte in Oradea<br />

bleiben und für die jüdische Gemein de<br />

arbeiten.<br />

edith: Ja, das stimmt. Seit wir uns<br />

kennen, haben wir viel gemeinsam<br />

für die Jugend aufgebaut.<br />

Ich war<br />

mit meinen beiden<br />

Ge schwistern schon<br />

viel früher im Ju -<br />

gend zentrum <strong>als</strong><br />

Christian. Und ob -<br />

wohl mein Vater<br />

kein Jude ist, hat er<br />

meine mutter in<br />

unserer jüdischen<br />

Erziehung immer<br />

voll unterstützt.<br />

Als ihn sein Pries -<br />

ter nach der zivilen<br />

Heirat mit einer Jü -<br />

din anspuckte, ließ er diese Vergan -<br />

© Ben Harris/JTA<br />

Christian Ezri und Edith Homonnai<br />

Christian Ezri mit Freund vor einer<br />

100-jährigen Synagoge in Oradea.<br />

genheit hinter sich. Er geht mit uns in<br />

die Synagoge und feiert alles mit.<br />

Wie viele Gemeindemitglieder gibt es<br />

heute?<br />

edith: Wir haben eine Liste von rund<br />

700 jüdischen menschen. Wenn Leute<br />

zu Pessach ihre Mazzot abholen, lassen<br />

wir sie gleich Fragebögen ausfüllen<br />

und so erweitern und aktualisieren wir<br />

unsere Listen. Gleichzeitig fragen wir<br />

sie nach ihren Interessen und Hob bies<br />

und so können wir sie dann besser in<br />

die diversen Freizeitgruppen einteilen.<br />

Bekommen Sie Unterstützung aus<br />

Bukarest?<br />

christian: Die Gemeinde in der Haupt -<br />

stadt initiierte die Organisation der<br />

Jugend in allen größeren rumänischen<br />

Städ ten. Damit bekam auch un -<br />

sere Arbeit eine kompakte Struk tur:<br />

Die Ju gend lichen sind in einer sicheren<br />

Umge bung, lernen He brä isch,<br />

spielen Tisch tennis, hören<br />

israelische musik und or -<br />

ga nisieren Tanz- und Koch -<br />

kurse. Und durch die fi -<br />

nan zielle Un terstützung<br />

konnten wir unsere Ar beit<br />

seit 2007 professionalisieren.<br />

Es muss trotzdem noch<br />

Freiwillige geben, denn<br />

wir kümmern uns um vier<br />

Gruppen: Kinder, Jugend -<br />

li che, sowie Middle und<br />

Golden Age.<br />

<strong>April</strong> <strong>2009</strong> - Nissan/Ijar 5769 35<br />

© Reinhard Engel<br />

© Ben Harris/JTA


Hat sich auch ein religiöses Leben entwickelt?<br />

christian: Ja, sogar meine Eltern kom -<br />

men jetzt oft in die Synagoge. Heute<br />

gibt es noch fünf Synagogen, vor dem<br />

Krieg waren es sogar 27 Bethäuser.<br />

Oradea und Bukarest sind die einzigen<br />

Städte in Rumänien, wo es täglich<br />

Minjanim gibt. Wir begehen viele Fest -<br />

tage gemeinsam und vermitteln da -<br />

mit auch jüdisches Wissen: Es gibt ein<br />

Purimspiel und ein musical über mo ses<br />

zu Pessach. Die Kinder haben eigene<br />

Sedertische und da ist jeweils ein Er -<br />

wach senen dabei, der ihnen alles er -<br />

klärt.<br />

edith: Die exklusiven Lernabende für<br />

Frauen, wo etwa 30 daran teilnehmen,<br />

sind ein großer Erfolg geworden. In<br />

den besten monaten haben wir schon<br />

einen „Umsatz“ von 1.900 Besuchern<br />

gehabt.<br />

Sie haben Psychologie und Europäische<br />

Studien gleichzeitig abgeschlossen?<br />

edith: Ja, und das ist auch in unserem<br />

Day-Care-Center eine große Hilfe.<br />

Sie hätten jetzt beide die Chance, in <strong>Wien</strong><br />

ein post-graduate Studium zu machen?<br />

christian: Ja, ich würde gerne Busi ness<br />

Administration hier an der Lauder Bu -<br />

siness School studieren. Edith und ich<br />

haben die Aufnahmsprüfung bestanden.<br />

Ich arbeite gerne mit menschen,<br />

und wir haben beide viel praktische<br />

JÜDISCHE WELT • AUSLAND<br />

Erfahrung gesammelt, aber ich möchte<br />

dazu noch die Theorie beherrschen,<br />

um auch meine Kenntnis der leadership<br />

zu verbessern.<br />

edith: Ich würde wahrscheinlich auch<br />

nach <strong>Wien</strong> kommen, obwohl ich eine<br />

enge Bindung zu Schweden habe: Ich<br />

habe in Schweden Jewish Studies in -<br />

skri biert, denn ich wollte die men schen<br />

dort kennen lernen: Dieses Land hat<br />

meine Großmutter und mutter vor<br />

dem Holocaust gerettet. Ich habe<br />

meine Großmutter, die drei Jahre dort<br />

gelebt hatte, gut verstanden: Ich wäre<br />

auch noch gerne länger dort geblieben.<br />

Ich war auch vier monate in Israel und<br />

habe meine Beziehung zum Juden -<br />

tum noch verstärkt.<br />

Sie sind in <strong>Wien</strong> Hausgäste bei der<br />

Familie Michael und Annette Feyer.<br />

Woher stammt diese Bekanntschaft?<br />

christian: Das Ehepaar Feyer be -<br />

such te uns mit der im Vorjahr verunglückten<br />

Eeva Huber-Huber und ih -<br />

rem mann (siehe Kasten), die unendlich<br />

viel für unsere Gemeinde und<br />

vie le andere in Rumänien geleistet<br />

ha ben. Sie versorgten die Ärmsten der<br />

Armen mit medizin, Lebensmittel und<br />

Bekleidung. Sie bereisten mehrm<strong>als</strong><br />

im Jahr das Land, gingen in die entlegensten<br />

Dörfer und taten dies mit ei -<br />

ner Bescheidenheit, die unbeschreiblich<br />

ist.<br />

edith: Im Pizza-Ofen, den uns das<br />

Das Kin der spielzimmer verdankt die Gemeinde dem Ehepaar Huber-Huber<br />

Ehe paar Feyer mitgebracht hat, backen<br />

die Kinder und die Erwachsenen mit<br />

großer Freude ihre Pizzen, Pitot und<br />

einmal im Jahr sogar die Mazzot. Die<br />

gesamte Einrichtung unserer Kin der -<br />

spielzimmer, die von 23 Kindern von<br />

acht Uhr früh bis sechs Uhr am Abend<br />

frequentiert werden, verdanken wir<br />

dem Ehepaar Huber-Huber.<br />

Eeva und Berti Huber-Huber waren<br />

kurz vor dem Unfall noch bei Ihnen in<br />

der Gemeinde?<br />

christian: Ja, sie hatten uns Sachen für<br />

Pessach gebracht, das war am 18. <strong>April</strong><br />

2008. Ein ORF-TV-Team reiste mit ih -<br />

nen, und sie wollten Seder in Turgu<br />

mures feiern. Drei Stunden nach dem<br />

sie uns verlassen hatten, geschah der<br />

tödliche Verkehrsunfall.<br />

Wer wird Ihre Arbeit im JCC in Oradea<br />

fortsetzen, wenn sie zum weiteren<br />

Studium nach <strong>Wien</strong> kommen?<br />

edith: Niemand ist unersetzlich. Wir<br />

haben schon die nächste Generation<br />

für die Übernahme trainiert, Tibór ist<br />

22 und sehr engagiert.<br />

christian: Wir haben einen 30-jährigen<br />

Rabbiner, der nach dem Studium in<br />

seine alte Heimat Rumänien zurück ge -<br />

kehrt ist. Für personellen Nach schub<br />

ist Gott sei Dank vorgesorgt.<br />

das interview führte:<br />

marta s. halPert<br />

36 <strong>April</strong> <strong>2009</strong> - Nissan/Ijar 5769


ORADEA/GROSSWARDEIN/<br />

NAGYVÁRAD<br />

Oradea liegt 15 km hinter der un -<br />

garischen Grenze, weit im Westen<br />

des Landes und ist heute die<br />

Haupt stadt des rumänischen Krei -<br />

ses Bihor mit rund 210.000 Ein -<br />

wohnern. Die habsburgerische Ar -<br />

chitektur im alten Kern der ehemaligen<br />

österreichischen Stadt erin -<br />

nert stark an <strong>Wien</strong>.<br />

Nach dem Ersten Weltkrieg musste<br />

Ungarn laut Vertrag von Trianon<br />

auch Oradea an das neue Groß-Ru -<br />

mänien abtreten. Durch den Zwei -<br />

ten <strong>Wien</strong>er Schiedsspruch fiel Ora -<br />

dea 1940 an Ungarn zurück.<br />

Anfang des 20. Jahrhunderts erlebte<br />

die Stadt einen großen wirtschaftlichen<br />

Aufschwung, nicht zuletzt<br />

dank der relativ hohen Zahl jüdischer<br />

Einwohner, die kurz vor dem<br />

Zweiten Weltkrieg fast ein Drittel<br />

der dam<strong>als</strong> 100.000 Bürger stellte.<br />

Im Mai 1944 wurden aus zwei<br />

Ghettos im Stadtgebiet – nach Bu -<br />

da pest die größte Zusammenpfer<br />

chung von Menschen – etwa<br />

38.000 Juden aus Oradea nach<br />

Auschwitz deportiert. Erst am 12.<br />

Oktober 1944 wurde die Stadt durch<br />

rumänische und sowjetische Truppen<br />

eingenommen und ge hört<br />

seit her wieder zum rumänischen<br />

Staatsgebiet.<br />

JÜDISCHE WELT • AUSLAND<br />

Verein „HILFE UND HOFFNUNG“<br />

sucht neues Lokal<br />

„Seit dem Tod meiner Eltern, Eeva-Elisheva und Adalbert Huber-Huber am<br />

18.04.2008 
habe ich die Leitung des Vereins „Hilfe und Hoffnung“ gemeinsam<br />

mit dem finnischen Ehepaar Anne und HannuYlitalo übernommen“, erzählt<br />

Tamara Huber-Huber, die bereits <strong>als</strong> junges mädchen ihre Eltern begleitet<br />

hat, <strong>als</strong> diese Hilfstransporte an notleidende jüdische menschen und Ge -<br />

meinden in Rumänien und moldawien geliefert haben.<br />

Seit dem plötzlichen Verlust ihrer Eltern bei einem schrecklichen Auto -<br />

unfall im <strong>April</strong> 2008 hat sie selbst sieben Hilfstransport nach Rumänien<br />

organisiert und durchgeführt. „Wir betreuen vor allem das Jüdische Alters heim<br />

in Arad das Kinder- und Jugendzentrum in Oradea. Aber fahren auch zu den<br />

Gemeinden in Cluj Napoca, Timisoara, Brasov, Gheorgheni, Iasi, Piatra Neamt,<br />

Tirgu Mures und viele andere.“ Tamara Huber-Huber sorgt sich derzeit be -<br />

sonders um Frau mehler in Vatra Dornei, sie ist die Präsidentin der jüdischen<br />

Gemeinde vorort, die schwer krank ist und diverse Behandlungen<br />

braucht. „Für sie sowie zwei weitere Familien sammeln wir Geld, da sie dringend<br />

ärztliche Behandlung benötigen“, so Tamara Huber-Huber.<br />

Derzeit erhält „Hilfe und Hoffnung“ die größte finanzielle Unter stüt zung<br />

aus Finnland von einem humanitären Verein, doch private Spenden<br />

kom men auch aus Österreich. „Einige ehrenamtliche Helfer aus Finnland un -<br />

terstützen unsere Arbeit weiterhin tatkräftig und bleiben sogar mehrere Wo chen<br />

und Monate in <strong>Wien</strong>, um zu helfen.“ Benötigt werden hauptsächlich medi -<br />

ka mente, Lebensmittel und Hygieneartikel.<br />

Die Suche nach einem neuen Vereinslokal ist zurzeit die Hauptsorge von<br />

Tamara, denn das magazin in der Schüttelstraße muss aufgegeben werden.<br />

„Das Lokal sollte gut gelegen sein, damit uns die Spender leicht erreichen<br />

können. So um die 70m², ebenerdig, mit leichter Zufahrt für das Lieferauto,“<br />

wünscht sich Tamara Huber-Huber, die dieses Jahr in Tirgu mures den<br />

Seder gefeiert hat. An jenem Ort und bei der Gemeinde, wo ihre Eltern<br />

letztes Jahr nicht mehr angekommen sind.<br />

Adalbert Huber-Huber<br />

beim Ausladen von<br />

Hilfsgütern im Hof des<br />

Gemeinde zentrums<br />

in Oradea<br />

Eeva-Elisheva Huber-Huber<br />

beim Besuch eines Ehepaars<br />

in Oradea, der sie Unter -<br />

stützung gebracht hat.<br />

<strong>April</strong> <strong>2009</strong> - Nissan/Ijar 5769 37


Panorama<br />

Kurznachrichten aus der jüdischen Welt<br />

Quelle: JTA/Guysen u.a.; Übersetzung: Karin Fasching/Foto:©JTA u.a.<br />

israel-website für Papstbesuch<br />

Das Israelische Tourismusminis te -<br />

rium hat anlässlich des Papstbesuchs<br />

im Heiligen Land im mai <strong>2009</strong> eine<br />

eigens dafür vorgesehene Website<br />

eingerichtet. Die Site www.holylandpilgrimage.org<br />

wird in sieben Spra chen<br />

aufrufbar sein und Hinter grund -<br />

informationen, Fotos, Video ma terial<br />

über christliche Pilgerstätten in Israel<br />

sowie detaillierte Informationen über<br />

die Reiseroute Papst Benedicts XVI.<br />

bereitstellen.<br />

Es ist sein erster Besuch in Israel und<br />

soll von 8. - 15. mai sowohl Auf ent -<br />

halte in Israel <strong>als</strong> auch in Jordanien<br />

und den Palästinensergebieten um -<br />

fassen.<br />

australisch-jüdischer comedian<br />

gekreuzigt<br />

Der australisch-jüdische Komiker<br />

John Safran, 36, ließ sich am Karfreitag<br />

für seine neue Show auf den Phi -<br />

lippinen kreuzigen. Gemeinsam mit<br />

ihm wurden auch einige andere Frei -<br />

willige nahe manila im Zuge eines<br />

Ritu<strong>als</strong>, das Jesu Leiden verdeutlichen<br />

soll, ans Kreuz genagelt.<br />

Safran, der ein orthodoxes Yeshiva<br />

College absolviert hat, war, wie Fotos<br />

zeigen, von den Hüften aufwärts nackt<br />

und trug eine Langhaarperücke.<br />

Nachdem die Nägel durch seine Haut<br />

getrieben worden waren, wurde er in<br />

einem Erste Hilfe Zelt versorgt.<br />

massengrab in der ukraine entdeckt<br />

In der Ukraine wurde ein massen -<br />

grab aus dem Zweiten Weltkrieg mit<br />

200 ermordeten Juden entdeckt.<br />

Rabbi Mendel Teichman, Oberrabbiner<br />

der Stadt Uzhhorod an der Grenze<br />

zur Slowakei hatte auf dem örtlichen<br />

jüdischen Friedhof ein Gebiet ohne<br />

Zaun und Grabsteine gefunden.<br />

Jahrzehnte alte, historische Doku -<br />

men te wiesen den Platz <strong>als</strong> letzte Ru -<br />

hestätte von mehr <strong>als</strong> 200 durch die<br />

Nazis ermordeten Juden aus. Vor dem<br />

Krieg gehörte Uzhhorod zu Ungarn<br />

und war unter dem Namen Ungvar<br />

bekannt.<br />

Das Europäische Rabbinerzentrum<br />

JÜDISCHE WELT • AUSLAND<br />

sucht nun Verwandte der dort Er mor -<br />

deten, um ein Denkmal errichten zu<br />

können.<br />

shmurah-matzah Preise nur leicht<br />

gestiegen<br />

Shmurah-matzah werden üblicherweise<br />

für das sechs- bis siebenfache<br />

des Preises von herkömmlichen mat -<br />

zot gehandelt. Doch in diesem Jahr<br />

sind die Preise für Shmurah-matzah<br />

aufgrund der Wirtschaftskrise nur<br />

um moderate 50 Cent oder wenig mehr<br />

gestiegen und kosten zwischen US$<br />

18,50 und US$ 23,- für 500 Gramm.<br />

Koscherer Wein, wie der Generation<br />

VIII 2006 Cabernet Sauvignon von der<br />

Herzog Weinkellerei in den To Kalon<br />

Weinbergen, wird wiederum für US$<br />

200,- pro Flasche angeboten – ein<br />

neuer Rekord bei den Preisen für<br />

koscheren Wein.<br />

Yeshiva schüler protestierte nackt<br />

Um seinem Protest gegen den Ver kauf<br />

nicht für Pessach geeigneter Produkte<br />

in einem Tel Aviver Supermarkt Aus -<br />

druck zu verleihen, zog sich der<br />

Yeshiva-Schüler Arieh Yerushalmi, 28,<br />

in aller Öffentlichkeit aus – bis auf eine<br />

Socke, die sein Geschlecht bedeckte.<br />

Er war bereits im Jahr zuvor für die<br />

selbe Handlung in einem Geschäft in<br />

Bat Yam verhaftet worden.<br />

mit seinem eigenwilligen Auftritt<br />

woll te Yerushalmi gegen ein im Jahr<br />

2008 erlassenes Gesetz protestieren,<br />

das den Verkauf von Chametz zu Pes -<br />

sach in Supermärkten und einigen<br />

Res taurants erlaubt, da diese nicht <strong>als</strong><br />

„öffentliche Orte“ eingestuft werden.<br />

An „öffentlichen Orten“ ist der Ver -<br />

kauf von Chametz in ganz Israel zu<br />

Pessach verboten. Yerushalmi wiederum<br />

argumentierte daraufhin, er kön ne<br />

nicht wegen „Nackt heit in der Öffentlichkeit“<br />

verhaftet werden, da er sich<br />

ja nicht an einem „öffentlichen Ort“<br />

be finde.<br />

israelische arbeitslosenzahlen auf<br />

rekordniveau<br />

Das israelische Arbeitsamt musste nun<br />

die höchste Zahl an Arbeits platz -<br />

verlusten innerhalb eines monats be -<br />

kannt geben. mehr <strong>als</strong> 20.000 Israelis<br />

verloren ihren Job im märz <strong>2009</strong>.<br />

2008 waren es noch 11.800 gewesen.<br />

Buslinie mit geschlechtertrennung<br />

in Jerusalem<br />

Eine Gruppe streng orthodoxer Juden<br />

will trotz massiven Widerstandes<br />

auch weiterhin eine neue Buslinie, in<br />

der Geschlechtertrennung herrscht,<br />

betreiben. Das israelische Verkehrs mi -<br />

nisterium hatte sich gegen die Li nie,<br />

die am 19. märz ihre Fahrt zwischen<br />

den hardischen Jerusalemer Gebieten<br />

und der Klagemauer aufnahm, ausgesprochen.<br />

ukraine gibt torah-fragmente<br />

zurück<br />

Das Historische Zentr<strong>als</strong>taatsarchiv<br />

der Ukraine gab der jüdischen Ge -<br />

mein de von Lvov 14 alte Torah-Frag -<br />

mente zurück. Laut Mordechai Shlomo<br />

Bold, dem Oberrabbiner von Lvov,<br />

werden diese nach jüdischem Gesetz<br />

bestattet.<br />

Schon länger verlangen Ge mein de -<br />

rabbiner, dass alle Torahrollen und<br />

Fragmente, die im Ukrainischen<br />

Staats archiv lagern, an ihre ursprünglichen<br />

Besitzer zurückgegeben werden<br />

müssen.<br />

Zwei museen von Lvov beherbergen<br />

während des Sowjetregimes aus den<br />

Synagogen entwendete religiöse Ob -<br />

jekte: das museum für Geschichte und<br />

Religion und das museum für Eth no -<br />

graphie und Handwerk. Etwa 1.000<br />

Objekte sind in jedem von ihnen, darunter<br />

mehr <strong>als</strong> 420 Torahrollen und<br />

Fragmente aus dem 15. bis hin zum<br />

20. Jahrhundert.<br />

38 <strong>April</strong> <strong>2009</strong> - Nissan/Ijar 5769


1989 waren einige Stücke an die jüdische<br />

Gemeinde von Lvov zurückgegeben<br />

worden, wo heute etwa 1.000-<br />

2.000 Juden leben.<br />

2007 hatte der ukrainische Präsident<br />

Viktor Yuschenko ein Dekret erlassen,<br />

das die Restaurierung religiöser Ob jek -<br />

te an die jüdischen Gemeinden den<br />

Landes verlangte. Inzwischen sind die<br />

meisten der in den ukrainischen Sy -<br />

na gogen verwendeten Torahrollen<br />

ehem<strong>als</strong> von den Kommunisten und<br />

Nazis gestohlene und später in Ar -<br />

chive verbrachte Artefakte.<br />

die gewinner des rohr-Preises<br />

Der mit US $ 100.000,- dotierte Rohr-<br />

Preis <strong>2009</strong> für Jüdische Literatur geht<br />

an Sana Krasikov für ihr Kurzge -<br />

schich ten-Debüt „One more Year“.<br />

Darin porträtiert sie u.a. russische und<br />

georgische Immigranten in den USA<br />

in der Zeit nach dem Kalten Krieg.<br />

Krasikov wurde in der Ukraine geboren<br />

und wuchs in der ehemaligen<br />

sowjetischen Republik Georgien und<br />

den USA auf.<br />

Den mit US$ 25.000,- dotierten Sami<br />

Rohr-Auswahlpreis <strong>2009</strong> erhält Dalia<br />

Sofer, Autorin von „The September of<br />

Shiraz“. Sie wurde 1972 in Teheran<br />

geboren und kam mit 11 Jahren nach<br />

New York City.<br />

Die Preise werden im mai im mu seum<br />

of Jewish Heritage in man hat tan überreicht.<br />

umfrage: großteil der israelis<br />

ist glücklich<br />

In einer Umfrage für das Jerusalemer<br />

Institut für marktforschung zur Zu -<br />

frie denheit der israelischen Bevölke -<br />

rung bezeichneten sich 86% aller Is -<br />

raelis <strong>als</strong> „glücklich“ mit ihrem Le ben<br />

– 30% bezeichneten sich <strong>als</strong> „sehr<br />

glücklich“ und 56% <strong>als</strong> „glücklich“.<br />

Verheiratete Befragte gaben an, zu 53%<br />

„sehr glücklich“ und zu 44% in ihrer<br />

Ehe „glücklich“ zu sein. Befragte mit<br />

höherem Einkommen ten dierten auch<br />

dazu, glücklicher zu sein, <strong>als</strong> jene mit<br />

niedrigeren Einkommen. mehr Ein -<br />

kom men löste bei Singles größeres<br />

Glück aus <strong>als</strong> bei Ver hei ra te ten.<br />

JÜDISCHE WELT • AUSLAND<br />

Immigranten bezeichneten sich eher<br />

<strong>als</strong> „glücklich“ <strong>als</strong> in Israel geborene<br />

Personen und je größer der Wunsch<br />

nach der Aliyah gewesen war, umso<br />

glücklicher waren die befragten Im -<br />

mi granten.<br />

zweites israelische<br />

erdgasvorkommen entdeckt<br />

Vor der mittelmeer-Küste der Stadt<br />

Hadera im Norden Israels wurde, nur<br />

wenige Wochen nach der Entdeckung<br />

des ersten Vorkommens nahe Haifa,<br />

die zweite große Erdgasquelle lokalisiert.<br />

Allerdings kann über die ge nau e<br />

Quantität und Qualität des Gases<br />

noch nicht viel gesagt werden.<br />

ukraine ehrt direktor des<br />

Jüdischen theaters<br />

Nikolay Berson, der Direktor des Jü -<br />

dischen Theaters, wurde vom ukrainischen<br />

Präsidenten Victor Yuschen ko<br />

mit dem Verdienstorden Zweiten<br />

Gra des ausgezeichnet. Berson habe<br />

mit seiner Arbeit zur „Entwicklung der<br />

ukrainischen Theaterkunst, kreativen<br />

Weiterentwicklung und einem hohen professionellen<br />

Niveau“ beigetragen.<br />

Janet rosenberg Jagan gestorben<br />

Janet Rosenberg Jagan, die einzige<br />

weibliche Präsidentin Guyanas und<br />

eines der wenigen jüdischen Regie -<br />

rungs mitglieder in der karibischen Ge -<br />

schichte, ist verstorben. Es wurde vermutet,<br />

sie wäre die einzige Jüdin in dem<br />

740.000 Einwohner zählenden und<br />

von Hindus und moslems ostindischer<br />

sowie Christen afrikanischer Ab stam -<br />

mung dominierten karibischen Staat.<br />

Ihr Ehemann, Cheddi Jagan, wurde<br />

1992 zum Präsidenten gewählt, seine<br />

Frau übernahm seinen Posten kurz<br />

nach seinem Tod im Jahr 1997. Nach<br />

zwei Jahren im Amt musste sie aufgrund<br />

eines Herzinfarkts zurücktreten.<br />

idf: ein Viertel der opfer im<br />

gazakrieg waren zivilisten<br />

Von den 1.166 während der israelischen<br />

Gazaoffensive getöteten Pa läs -<br />

ti nensern wurden 709 Personen von<br />

einem Untersuchungsausschuss des<br />

israelischen militärs (IDF) <strong>als</strong> aktive<br />

Hamas-Kämpfer oder mitglieder an -<br />

derer terroristischer Gruppierungen<br />

identifiziert. 295 Personen seien „nicht<br />

involvierte Palästinenser“ gewesen.<br />

Weitere 162 Getötete seien noch nicht<br />

endgültig identifiziert worden, so die<br />

IDF. Von den zivilen Todesopfern wa -<br />

ren 89 unter 16 Jahre alt und 49 wa ren<br />

Frauen. Palästinensischen Angaben<br />

zufolge sind in Gaza 1.417 menschen<br />

getötet worden, darunter mehr <strong>als</strong><br />

900 Zi vi listen. „Die IDF möchten noch<br />

einmal betonen, dass es das Ziel der Ope -<br />

ra tion ... war, die Terrororganisation Ha -<br />

mas zu be kämpfen und nicht die Bür ger<br />

des Gaza streifens.“, so ein IDF-Sprecher.<br />

„Es muss hervorgehoben werden, dass die<br />

Kämpfe auf einem sehr komplexen Gebiet<br />

stattfanden, das die Hamas selbst definierte.<br />

Die Terrororganisation Hamas platzierte<br />

das hauptsächliche Kampfgebiet im He r zen<br />

ziviler Wohngebiete, missbrauchte Wohn -<br />

häuser, feuerte aus Schulen heraus und<br />

benutzte Zivilisten <strong>als</strong> menschliche<br />

Schutzschilder.“<br />

Jüdischer arzt erhält<br />

saudiarabische auszeichnung<br />

Der Chef der Onkologischen Ab tei -<br />

lung an der Stanford University me -<br />

dical School, Ronald Levy, wurde mit<br />

dem Internationalen Saudiarabischen<br />

King Faisal Preis für Medizin <strong>2009</strong> für<br />

seine Pionierarbeit in der Immun the -<br />

ra pie ausgezeichnet.<br />

Bereits 30 Jahre zuvor hatte er Anti kör -<br />

per entwickelt, die zwischen gutartigen<br />

und bösartigen Tumorzellen unterscheiden<br />

können und so eine probate<br />

Basis für Diagnose und Therapie ge -<br />

schaffen, heißt es auf der Preis-Web si te.<br />

Außerdem werde ein von Levy entdecktes<br />

medikament seit mehr <strong>als</strong> ei -<br />

nem Jahrzehnt zur Behandlung von<br />

Lymphom-Patienten verwendet und<br />

da mit bemerkenswerte Besserungsund<br />

Überlebensraten erziehlt.<br />

Bei der Preisübergabe in Saudia rabi en<br />

seien er und seine Familie sehr freund -<br />

lich willkommen geheißen worden,<br />

hatte Levy ‘Ha´aretz’ gegenüber be -<br />

richtet. Seine Frau und eine seiner<br />

Töchter sind gebürtige Israelis.<br />

<strong>April</strong> <strong>2009</strong> - Nissan/Ijar 5769 39


KULTUR<br />

KULTUR<br />

<strong>Wien</strong> gratuliert Tel Aviv<br />

zum ersten Zentenarium<br />

VON MARCUS G. PATKA<br />

„In Jerusalem wird gebetet, in Haifa<br />

gearbeitet, und in Tel Aviv wird gelebt“ –<br />

so ein altes Sprichwort, das niem<strong>als</strong><br />

mehr zutraf <strong>als</strong> in der ersten <strong>April</strong> -<br />

woche <strong>2009</strong>. Zusammen mit dem<br />

Früh lingseinbruch nach einem ungewöhnlich<br />

langen Winter ergab sich die<br />

mondänste metropole der Levante<br />

ihren Feierlichkeiten zum 100. Jah res -<br />

tag ihrer Gründung.<br />

In der ersten Rei he der Gratulanten<br />

stand dabei auch die Stadt <strong>Wien</strong>, aus<br />

der vor langer Zeit nicht wenige En thu -<br />

siasten aufgebrochen waren, um dieses<br />

Tel Aviv mit eigenen Händen aufzubauen.<br />

Um die enge Verbundenheit der<br />

beiden Städ te zu betonen, schickte<br />

<strong>Wien</strong> ein komplexes und überaus mon -<br />

dänes Kul turpaket nach Tel Aviv: Ein<br />

Clubbing mit den DJs Michael Dorf -<br />

meister und Stefan Mörth im „Comfo rt“<br />

eröffnete die <strong>Wien</strong>-Woche, ist doch das<br />

coole mi xen von elektronischen<br />

Sounds für bewegungsintensive<br />

Nacht schwär mer die auffälliges Ge -<br />

mein samkeit zweier Städte in einem<br />

Bereich der Unter hal tungsmusik, der<br />

sonst von der angloamerikanischen<br />

musikindustrie be herrscht wird und<br />

nur allzuselten seinen Weg auch in<br />

die Spalten einer traditionell orien-<br />

tierten Kulturbericht er stattung findet.<br />

An gut besuchten Jazz-Clubs dürfte<br />

Tel Aviv reicher sein, dem Publikum<br />

im „milestone Club“ und im „Levon ti -<br />

ne 7“ heizte das Wie ner „Trio Ex klu siv“<br />

mit einer mi schung aus Funk, Acid<br />

Jazz, Disco und zeitgenössichen Elek -<br />

tronik-Sounds und Rhythmen ein.<br />

Zwar hätten auch die <strong>Wien</strong>er Philhar -<br />

moniker begeisterte Hörer gefunden,<br />

doch die Bedeutung der Kultur me tro -<br />

pole Tel Aviv liegt eben in der mit prä -<br />

gung der aktuellsten internationalen<br />

Trends.<br />

Nur wenige Tage zuvor hatte Kul -<br />

tur stadtrat Andreas Mailath-Pokorny in<br />

<strong>Wien</strong> die Ausstellung „Lichtflecke –<br />

Frau sein im Holocaust“ im Theater<br />

im Nestroyhof-Hamakom mit einem<br />

starken Bekenntnis zur Erinne rungs -<br />

ar beit eröffnet. Als Tribut an die Ver -<br />

gan genheit eröffnete er nun im Foyer<br />

des „Cameri-Theaters“ die Aus stel lung<br />

„Authentic Silhouette of Viennese Jewish<br />

Personalities“. Diese präsentiert prägnante<br />

und zugleich ironisch ge schnit -<br />

tene Schattenrisse, die sich überraschend<br />

harmonisch in die mo der ne Ar -<br />

chitektur des Theaters einfügen. Zu<br />

sehen sind neben Theodor Herzl und<br />

Sigmund Freud die Schrift steller Ar -<br />

thur Schnitzler, Hugo von Hofmanns -<br />

thal und Franz Werfel, Regisseure wie<br />

max Reinhardt und Fritz Lang, insbesondere<br />

aber Kom po nisten wie Ar nold<br />

Schönberg, Jo hann Strauss und Erich<br />

Wolfgang Korn gold, wobei auf die As -<br />

pekte von erfolgreicher und misslungener<br />

Assimilation eingegangen wird.<br />

Diese Präsen ta ti on steht in Zu sam -<br />

menhang mit einem Internationalem<br />

Theaterfestival und damit verbundenen<br />

Aufführungen von Schatten-, Ob -<br />

jekt- und Schwar zem Theater auf dieser<br />

Bühne, darunter „Schwarzes Thea ter<br />

für Mozart“ oder „Legende von der Kräu -<br />

tertruhe von Martin Buber“.<br />

Am darauffolgenden Tag besuchte<br />

Stadtrat mailath-Po kor ny das Grab<br />

Si mon Wiesenth<strong>als</strong> in Herzliya und<br />

auch ein Abend mit den altösterreichischen<br />

Pensionisten um ihren Präsi den -<br />

ten Gideon Eckhaus durfte nicht fehlen.<br />

Der weitere Verlauf des Kulturpro -<br />

gramms wurde vom „Oy-Vienna Film -<br />

fes tival Israel“ geprägt, wobei die Auf -<br />

führungen mit hebräischen Un ter ti teln<br />

auch auf Jerusalem und Hai fa ausgedehnt<br />

wurden. Eröffnet wurde es vom<br />

österreichischen Botschafter Michael<br />

Rendi. Im Vordergrund standen zeitgeschichtliche<br />

Dokumenta tio nen über<br />

40 <strong>April</strong> <strong>2009</strong> - Nissan/Ijar 5769<br />

© M.Patka<br />

© Etichen Breier


Verfolgung und Vertrei bung wie<br />

„Freud’s verlorene Nachbarn“ oder die<br />

uneingestandene NS-Ver gan genheit<br />

wie „The End of the Neu ba cher Project“.<br />

Als generelle Auseinan dersetzung mit<br />

migration und damit verbundenen<br />

zeit losen Phänomenen wie Stereoty -<br />

pen bildung und Aus gren zung sind die<br />

Filme „Operation Spring“, „Ceja Stoj ka“<br />

und „Gurbet – Away From Home“ zu<br />

verstehen.<br />

Doch auch das Spielfilm-Programm<br />

bot eine reiche Palette. Als cineastische<br />

Leckerbissen wurde „Theodor Herzl –<br />

der Bannträger des jüdischen Volkes“ von<br />

1921, „Misrach un Marew/Ost und West“<br />

von 1923 und „Stadt ohne Ju den“ von<br />

1924 mit Hans moser nach dem gleich -<br />

namigen Roman von Hugo Bet tau er<br />

geboten. An aktuellen Filmen glitten<br />

der KZ-Film „Hasenjagd“, der Anti-<br />

Hei matfilm „Die Siebtelbauern“, die Se -<br />

mi-Doku über mädchenhandel „Kurz<br />

davor ist es passiert“ und auch der Film<br />

„Revanche“, der kürzlich für den Aus -<br />

lands-Oscar nominiert worden war,<br />

über die Leinwand der Tel Avi ver Ci ne -<br />

mateque. Alldies ist in jeder Hin sicht<br />

ein Programm, das sich sehen lassen<br />

kann.<br />

Vor Ort gemanagt wurde das Wie ner<br />

Kulturgroßevent in bewährter Weise<br />

von Kulturattaché Arad Benkö, der<br />

mo nat für monat im Rahmen des Aus -<br />

trian Cultural Forums Künstlern und<br />

Wissenschaftlern aller Sparten Auf trit -<br />

te in ganz Israel organisiert. So wird<br />

in den kommenden monaten neben<br />

Konzerten und Lesungen die His tori -<br />

kerin Heidemarie Uhl von der Aka de mie<br />

der Wissenschaften das Se minar „Er -<br />

in nerung in Europa nach 1945“ an der<br />

© Etichen Breier<br />

KULTUR<br />

Hebräischen Universität in Je ru sa lem<br />

leiten. Ebenfalls in Jerusalem wird ab<br />

mitte Juni die Manès Sper ber-Wan der -<br />

ausstellung des Jüdischen museums<br />

<strong>Wien</strong> gezeigt, dies im 1. Stock des in<br />

der Altstadt gelegenen Österreichischen<br />

Hospizes, das sich in den letzten<br />

Jahren dank der um sichtigen Leitung<br />

von Rektor Markus Bugnyar und des<br />

wunderschön renovierten Empfangsa<br />

lons auch zu ei nem über die Gren -<br />

zen der Stadt hinaus bekannten Treff -<br />

punkt für Kammer mu sik und sogar<br />

zu einem multikulturellen Zentrum<br />

entwickelt hat. Zur Zeit ist dort noch<br />

eine Ausstellung ar menischer Künst ler<br />

zu sehen, <strong>als</strong> Dau erausstellung im 2.<br />

Stock wurde aus dem <strong>Wien</strong>er Dom -<br />

mu seum die Schau „Szepter und Pil -<br />

gerstab“ übernommen, die sich insbesondere<br />

der Erstellung einer funktionierenden<br />

Infrastruktur wie Post und<br />

Straßen im Heiligen Land während der<br />

Regenschaft von Kaiser Franz Josef I.<br />

widmet.<br />

Insofern kann auch das aktuelle Wie -<br />

ner Kulturevent unter veränderten<br />

Vor zeichen <strong>als</strong> Fort setzung einer weit<br />

älteren Tradi ti ons linie gesehen werden.<br />

Um so ge spann ter darf man auf den<br />

kommenden Kulturaustausch in die<br />

an dere Rich tung sein: Dies sind die<br />

Fotoaus stel lung „Tel Aviv – Hot City of<br />

Cool“ im Jüdischen museum ab 10. Juni<br />

und be reits ab 29. <strong>April</strong> der „Tel Aviv<br />

Beach“ am Donaukanal auf der Leo -<br />

pold stadt-Seite. mit Falafel und Hu -<br />

mus im magen, die Füße im Sand,<br />

coolem Techno-Beat im Ohr und den<br />

Blick in den Sonnenuntergang über das<br />

vor Hitze flimmernde Häuser meer ge -<br />

richtet, kann einen auch der schwülste<br />

Sommer in <strong>Wien</strong> nicht mehr schrecken.<br />

Stadtrath Mailath-Pokorny am<br />

Grab von Si mon Wiesenthal<br />

Goldener Rathausmann<br />

für Gideon Eckhaus<br />

Tel Aviv Partys<br />

Am morgen des 4. <strong>April</strong> wurde in<br />

allen Synagogen Tel Avivs das 1959<br />

eigenes für diese Stadt verfasste Ge bet<br />

von Oberrabbiner Isser Jehuda Un ter man<br />

rezitiert. Am Abend begannen die<br />

welt lichen Feierlichkeiten mit einem<br />

mega-Konzert am Kikar Rabin, an dem<br />

das Israel Philharmonic Or ches tra<br />

unter Zubin metha sowie die Pop stars<br />

Dana International, miri mesika und<br />

Berry Saharof zu hören waren. Bereits<br />

davor hatte ein Konferenz mit 150 Ex -<br />

perten aus aller Welt über Urbanität<br />

und Stadtplanung im 21. Jahrhundert<br />

getagt. Das Tel Aviv museum of Art<br />

Square zeigte von Kinderen gefertigte<br />

mobiles und Arbeiten von Kunst stu -<br />

denten; in den Sarona Gardens wurden<br />

einige aufwendig renovierte, historische<br />

Gebäude der Öffentlichkeit präsentiert.<br />

Am 17. <strong>April</strong> versammelten<br />

sich Anghörige jener legendären 66<br />

Fa milien am Strand von Tel Aviv zu<br />

einem Gruppenfoto, die dort im Jahr<br />

1909 im Zuge einer ebenfalls fotografisch<br />

dokumentierten Versammlung<br />

den Grundstein für die Stadt legten.<br />

Für ihrem Bürgermeister meir Di zen -<br />

goff wurde ein Denkmal hoch zu Ross<br />

am Rothschild Boulevard enthüllt.<br />

Auch der alljährliche Marathon-Lauf<br />

und das Konzert am Vorabend des<br />

Ge denktags für die Gefallenen der<br />

Za hal boten sich zur Integration in<br />

die Zentenariumsfeierlichkeiten an.<br />

Neben verschiedenen Straßenfesten<br />

sind auch noch in den folgenden Wo -<br />

chen die Ausstellungen „Tel Aviv Ti me“<br />

im Kunstmuseum und „Secret History<br />

of tel Aviv“ im Eretz Israel museum zu<br />

bewundern. Das Internationale Thea -<br />

ter festival im Cameri wird noch bis De -<br />

zember andauern. Weitere Hin weise<br />

finden sich unter www.tlv100.co.il<br />

<strong>April</strong> <strong>2009</strong> - Nissan/Ijar 5769 41<br />

© Etichen Breier


Ein jüdischer Sammler hinterließ nach<br />

seinem Tod eine umfangreiche Silber-<br />

Sammlung, die auch Judaika um -<br />

fasste. Die Söhne lassen die Preziosen<br />

nun im <strong>Wien</strong>er Dorotheum versteigern,<br />

und zwar in zwei Tranchen: die<br />

erste Hälfte wird bei einer Silber-<br />

Auktion am 11. mai angeboten, die<br />

zweite wird im Herbst, voraussichtlich<br />

ende november, zu ersteigern sein.<br />

Ein Kidduschbecher aus Augsburg<br />

dürf te Sammlerherzen höher schlagen<br />

lassen: den im 17. Jahrhundert gefertigten<br />

(meisterzeichen: Johann Betz),<br />

teilweise vergoldeten Silberbecher<br />

zieren neben eingravierten Trauben<br />

und Weinlaub auch drei medaillons<br />

mit religiösen Darstellungen. Eine In -<br />

schrift gibt zudem Auskunft über ei -<br />

nen früheren Besitzer des Stücks: „Ge -<br />

hört Eliezer, Sohn des Mosche Katz“.<br />

Georg Ludwigstorff, Experte für Sil -<br />

ber und metallarbeiten des Doro the -<br />

ums, datiert den Becher mit „um 1690“,<br />

„die hübschen Gravuren wurden im 19.<br />

Jahrhundert angebracht, es sind aber originale<br />

Gravuren“.<br />

Aus Salzburg stammt ein weiterer<br />

Kid duschbecher, der ebenfalls in der<br />

zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts<br />

an gefertigt wurde und die Inschrift<br />

„Der die Frucht des Weinstocks erschaffen<br />

hat“ trägt. Der Becher wurde mit<br />

getriebenem Blattdekor und drei me -<br />

dail lons mit Tier- und Blumen dar stel -<br />

lungen gestaltet und ist, wie auch das<br />

Exponat aus Augsburg, teilweise vergoldet.<br />

Versteigert werden zudem: Thora -<br />

kronen, -schilder und -zeiger, Cha nuk -<br />

ka-Leuchter, Besomimbüchsen und<br />

Rimonin. Die Exponate stammen aus<br />

mittel- und Osteuropa, so Ludwig s -<br />

torff. Die geographische Bandbreite<br />

KULTUR<br />

Eine Gelegenheit für<br />

Judaika-Liebhaber<br />

Am 11. Mai kommen im Rahmen einer<br />

Silber-Sonder-Auktion im Dorotheum<br />

in <strong>Wien</strong> auch zwei Dutzend jüdischer<br />

ritueller Gegenstände unter den<br />

Hammer. Die ältesten Stücke<br />

stammen aus dem 17. Jahrhundert.<br />

VON ALEXIA WEISS<br />

Augsburger Kidduschbecher <strong>Wien</strong>er Thorakrone<br />

reicht von <strong>Wien</strong> über Budapest bis nach<br />

Lemberg. Das Gros der Ge genstände<br />

wurde im 19. Jahrhundert, manche<br />

Stücke wurden zu Beginn des 20.<br />

Jahrhunderts gefertigt.<br />

Interessant ist etwa eine Gegen -<br />

über stel lung der beiden bei der Auk -<br />

tion angebotenen Chanukka-Leuch ter:<br />

bei de entstanden im 19 Jahrhundert.<br />

Der aus mitteleuropa stammende<br />

Leuch ter wurde mit einem Relief ge -<br />

staltet, der in Osteuropa gefertigte<br />

dagegen mit Filigranarbeit verziert.<br />

Erstm<strong>als</strong> seit rund sieben Jahren<br />

bringt das Dorotheum wieder eine<br />

größere menge an Judaika in eine<br />

Auk tion ein, erzählt Ludwigstorff.<br />

Der Grund: in den vergangenen Jah -<br />

ren kämpfe dieser markt zunehmend<br />

mit „Fäl schun gen aus dem Osten“.<br />

„In Polen und Russland ist man draufgekommen,<br />

dass, wenn man einen alten<br />

Silberbecher nimmt, diesen graviert und<br />

dann <strong>als</strong> Kidduschbecher verkauft, man<br />

einen weit höheren Preis erzielt“, so der<br />

Experte.<br />

mit dem Problem, dass Judaika aus<br />

zweifelhaften Besitz kommen und es<br />

sich dabei um möglicherweise in der<br />

NS-Zeit „arisierte“ Stücke handelt, ist<br />

man dagegen nicht konfrontiert. „Ri -<br />

tu elle Gegenstände wurden unter den<br />

Nazis entweder zerstört oder, wenn sie<br />

aus Silber waren, meist eingeschmolzen“,<br />

sagt Ludwigstorff. Es sei nur der ma te -<br />

rialwert von Belang gewesen. An de -<br />

rer seits würden Judaika bis heute fast<br />

ausnahmslos von Juden gesammelt,<br />

womit sich bei der Einbringung von<br />

Sammlungen in eine Auktion ebenfalls<br />

die Frage nach einer möglicherweise<br />

dubiosen Herkunft nicht stel le.<br />

Neben jüdischen Sammlern aus Ös -<br />

ter reich und anderen Staaten – „hier<br />

gibt es durchaus auch internationales<br />

Interesse“ – sind es meist vor allem In -<br />

stitutionen, wie etwa museen, die an<br />

Judaika interessiert seien, sagt der Sil -<br />

ber-Experte. Private Sammler und mu -<br />

seumsexperten können sich be reits ab<br />

2. mai ein Bild der angebotenen Stü cke<br />

machen: dann nämlich beginnt m<br />

Palais Dorotheum die Besichtigung<br />

der zur Versteigerung angebotenen Ju -<br />

daika.<br />

SILBER-AUKTION<br />

Termin: 11. Mai <strong>2009</strong>, 16.00 Uhr<br />

Ort: Palais Dorotheum, 1010 <strong>Wien</strong><br />

Katalog: ab Mitte <strong>April</strong> erhältlich,<br />

online abrufbar auf: www.dorotheum.at<br />

Besichtigung: 2. bis 11. Mai <strong>2009</strong>,<br />

täglich von 10.00 Uhr bis 18.00 Uhr<br />

„Jüdische Zeitung“ -<br />

Einzige unabhängige deutschsprachige<br />

jüdische Zeitung eingestellt.<br />

Die „Jüdische Zeitung“ ist seit drei -<br />

einhalb Jahren einmal im monat mit<br />

einer Auflage von 41.000 Exemplaren<br />

unter dem Dach der Werner media<br />

Group in Berlin erschienen. Sie stand<br />

in Konkurrenz zur ‘Jüdischen Allge -<br />

mei nen Zeitung’, die vom Zentralrat<br />

der Juden in Deutschland herausgegeben<br />

wird.<br />

„Die Weltfinanzkrise macht auch um uns<br />

keinen Bogen“, schreibt Nicholas Wer ner,<br />

der Herausgeber und Verleger der<br />

‘Jüdischen Zeitung’. Falls sich kein<br />

privater Investor oder Verband finde,<br />

der die Zeitung unterstützt, werde<br />

die „Jüdische Zeitung“ „pausieren“<br />

bis die Werner media Group sie wieder<br />

eigenständig finanzieren könne.<br />

42 <strong>April</strong> <strong>2009</strong> - Nissan/Ijar 5769


In der Nacht zum Donnerstag, den<br />

9. <strong>April</strong> <strong>2009</strong>, am Sederabend, ist<br />

die <strong>Wien</strong>er Lyrikerin Elfriede Gerstl<br />

gestorben. Sie gehört zu den unvergesslichen<br />

Persönlichkeiten des Wie -<br />

ner Kulturlebens, die, weil sie nicht<br />

viel Aufhebens um ihre eigene Person<br />

machte, im Leben wie im Literatur be -<br />

trieb ein poetisches Außenseiter da -<br />

sein führte. Wer hat sie nicht gekannt,<br />

wie sie tagtäglich wie ein bunter<br />

Schmetterling durch die <strong>Wien</strong>er Kaf -<br />

fee hausszene flatterte, nirgends lang<br />

verweilend, aber immer wieder ins<br />

Café Korb zurückkehrend, das ihr<br />

Stammlokal war. Sie war eine Städterin<br />

und eine Kosmopolitin, elegant,<br />

geistreich, witzig, kurz: eine klassische<br />

Vertreterin der <strong>Wien</strong>er Kaffee -<br />

hausliteratur. Elfriede Gerstl war eine<br />

meisterin der pointierten, knappen<br />

For mulierung. Ihre Gedichte und<br />

kurzen Prosastücke bieten sich geradezu<br />

an, zwischendurch im Kaffee -<br />

haus gelesen zu werden, nicht weil es<br />

sich um eine leichte Lektüre handelt,<br />

sondern weil sie es verstanden hat, das<br />

Wesentliche sehr klar und ohne überflüssige<br />

Worthülsen auszudrücken.<br />

Sie hatte jedoch auch noch andere<br />

Leidenschaften außer der Literatur.<br />

So war sie eine manische Sammlerin<br />

nicht nur von Büchern, sondern auch<br />

von Kleidern. Unvergesslich bleiben<br />

für jeden, der einmal bei ihr zu Gast<br />

war, die literarisch-philosophischen<br />

Soiréen in ihrem Kleiderdepot. Bei ei -<br />

nem Glas Wein wurde in der Tradi-tion<br />

der <strong>Wien</strong>er Salons philosophische<br />

Konversation betrieben, aber es wurden<br />

auch ihre unzähligen Kleider aus<br />

verschiedenen Epochen begutachtet<br />

und probiert und das eine oder andere<br />

Stück, falls sich Elfriede Gerstl schweren<br />

Herzens davon trennen konnte,<br />

erworben. In ihrem in der Edition<br />

Split ter erschienenen Buch „Klei der -<br />

flug“ reflektiert die Dichterin ihre<br />

Sammelleidenschaft, die für sie wie ein<br />

„Trostpflaster“ wirkte, denn „Sammlungen<br />

wachsen wie Hühner augen, ir -<br />

gend einen Schmerz oder Druck mildernd/<br />

ab polsternd.“ Über ihr Judentum und<br />

ihre schwere Kindheit hat Elfriede<br />

Gerstl sonst selten gesprochen. Sie<br />

über lebte die Kriegsjahre mit ihrer<br />

mut ter in <strong>Wien</strong> <strong>als</strong> „U-Boot“ in verschiedenen<br />

Wohnungen versteckt.<br />

Klei der oder vielmehr der Verlust der<br />

Kleider erscheinen in ihrem Gedicht<br />

KULTUR<br />

Nachruf - Elfriede Gerstl<br />

VON GABRIELE KOHLBAUER-FRITZ, Jüdisches Museum <strong>Wien</strong><br />

„Kleiderflug“ <strong>als</strong> metapher jüdischer<br />

Existenz.<br />

„1942 packte mutter den kleinen fluchtkoffer<br />

schwarze tuchmäntel aus den 30ern<br />

zurücklassend<br />

wir werden nicht mehr soviel brauchen<br />

sagt sie für mich merkwürdig rätselhaft<br />

nie mehr beim zwieback kleider kaufen<br />

beim süssen mädel mäntel und hüte<br />

anfangs kam die hausschneiderin ins versteck<br />

die aus zwei kleidern eines nähte<br />

eines rosa-hellblau ich war gewachsen<br />

weg mit dem ozelotmäntelchen nicht auffallen<br />

nichts zum bügeln nichts mit schleifen<br />

die strickjacken – das wollkleid – anstatt heizen<br />

in der kälte im bette anzubehalten“<br />

Eine Installation des „Kleiderflugs“<br />

<strong>als</strong> Karussell war eines der Highlights<br />

in der Ausstellung „Beste aller Frau -<br />

en. Weibliche Dimensionen im Juden -<br />

tum“, die 2007 im Jüdischen mu seum<br />

<strong>Wien</strong> und anschließend im Jüdischen<br />

museum Frankfurt gezeigt wurde<br />

(Foto). Es war nicht leicht, die Instal -<br />

la tion so zu gestalten, wie El frie de<br />

Gerstl sie sich vorgestellt hatte. Sie<br />

wusste eben ganz genau, was sie wollte.<br />

So sanft und charmant sie bei jeder<br />

Begegnung wirkte, so unerschütterlich<br />

hielt sie an ihrem künstlerischen An -<br />

spruch fest.<br />

Erst in den letzten Jahren erhielt die<br />

Dichterin die offizielle Anerkennung,<br />

die ihr schon viel früher zugestanden<br />

hätte: 1999 wurden ihr der Erich-Fried-<br />

Preis und der Georg-Trakl-Preis verlie -<br />

hen, 2003 erhielt sie die Goldene Ehren -<br />

me daille der Stadt <strong>Wien</strong>, 2004 den Ben-<br />

Witter-Preis und 2007 den Heimrad-<br />

Bäcker-Preis.<br />

Ihr einziger Roman „Spielräume“<br />

er schien 1977 in der edition neue texte<br />

und wurde 1993 vom Grazer Lite ra -<br />

turverlag Droschl wiederaufgelegt.<br />

Ebenfalls im Droschl-Verlag erschienen<br />

unter anderen auch ihre Bücher<br />

„<strong>Wien</strong>er mischung“ (1982), „neue<br />

wiener mischung“ (2001) und „mein<br />

papierener garten“ (2006). In der Edi -<br />

tion Splitter in <strong>Wien</strong>, von Batya Horn<br />

mit viel Engagement betrieben, wurden<br />

ihr Jugendbuch „Die fliegende<br />

Frieda“ (1998) mit Illustrationen von<br />

Angelika Kaufmann und 1995 be sag -<br />

ter „Kleiderflug“ (in einer er wei ter ten<br />

Auflage auch 2007) veröffentlicht.<br />

Sonderprogramm<br />

zum 10 jährigen Bestehen<br />

der Gedenkstätte Karajangasse<br />

5. Mai <strong>2009</strong>, 17 Uhr<br />

IRMA TRKSAK<br />

Die authentische Erzählung einer<br />

Widerstands kämpferin und Überlebenden<br />

von Ravensbrück<br />

Pause mit koscherem Buffet<br />

In der NS-Zeit verbotene Musik und Texte<br />

präsentiert von SchülerInnen des Brigittenauer<br />

Gymnasiums<br />

EINTRITT FREI<br />

1200, Karajangasse 14<br />

<strong>April</strong> <strong>2009</strong> - Nissan/Ijar 5769 43


VARIANTEN EINES<br />

EMIGRANTEN<br />

70 Jahre nach dem Tod von<br />

Joseph Roth ist noch Vieles<br />

zu entdecken<br />

VON ANITA POLLAK<br />

Sozialist und monarchist, Pazifist und<br />

Soldat, Journalist, Chronist, Feuil -<br />

letonist und Romancier, Kakanier,<br />

Ostjude und Katholik, Österreicher,<br />

Exilant und Trinker.<br />

Das alles und viel mehr war er. Ei ni -<br />

ges davon hintereinander, manches,<br />

das sich scheinbar ausschließt, sogar<br />

gleichzeitig. Der Widerspruch gehörte<br />

zu seinem kurzen Leben, in dem er<br />

doch alt geworden ist. In dem er<br />

unendlich viel gereist und umgesiedelt<br />

ist, unendlich viel geschrieben und<br />

gearbeitet hat. Seine Habe passte in<br />

wenige Koffer, sein Schaffen ist riesig.<br />

Joseph Roth. 70 Jahre nach seinem<br />

Tod sind noch viele biografische Fra -<br />

gen offen. Sein Werk aber liegt glasklar<br />

und endgültig vor uns. Die großen Ro -<br />

mane „Hiob“, „Radetzky marsch“, „Das<br />

f<strong>als</strong>che Gewicht“, „Die Kapu zi ner gruft“,<br />

Erzählungen wie die „Die Le gen de<br />

vom Heiligen Trinker“, zahl reiche Es -<br />

says und Artikel. Wo immer man hinein<br />

sticht, hineinliest in seinen großen<br />

wunderbaren Erzählkosmos, man<br />

wird sich verfangen und hängen bleiben.<br />

Und man wird es nicht be reu en.<br />

Berühmt, ja sogar ein Bestseller au -<br />

tor, war Roth bereits zu seinen frühen<br />

Leb zeiten und ist es nahezu ohne<br />

Unterbrechung bis heute geblieben.<br />

Vor seinem 70. Todestag am 27. mai<br />

widmete ihm 3sat Anfang <strong>April</strong> einen<br />

zwei Wochen langen Programm-<br />

Schwer punkt, bei dem unter anderem<br />

wieder die unübertroffenen Roth-Ver -<br />

filmungen michael Kehlmanns zu<br />

sehen waren. Und es erschienen neue<br />

Biographien. Eine ganz neue des<br />

deutschen Publizisten Wilhelm von<br />

Sternburg und eine Neuausgabe der<br />

großen Bildbiografie des <strong>Wien</strong>er For -<br />

scherpaares Heinz Lunzer und Victo ria<br />

Lunzer-Talos.<br />

„Wo man hin greift, findet man was“,<br />

erklärt Heiz Lunzer. Bei soviel For -<br />

scherglück musste man dem zu Roths<br />

100. Geburtstag erstm<strong>als</strong> erschiene-<br />

KULTUR<br />

nen Text-Bildband eine neue, er weiterte<br />

Auflage hinzufügen. Obwohl<br />

die Zeitzeugen ja bereits tot sind, gä -<br />

be es „noch große Chancen, viel zu entdecken.<br />

Die Forschungsgeschichte ist noch<br />

lange nicht beendet. Bei intensiver Be schäf -<br />

tigung findet man laufend Material.“<br />

Briefe, Fotos und Zeugnisse aller Art<br />

tauchen aus Erbschaften und Ar ch i ven<br />

in verschiedenen Teilen der Welt auf.<br />

Der eigentliche Roth-Nachlass liegt<br />

im Leo-Baeck-Institut in New York.<br />

In <strong>Wien</strong>, wo Roth ja nur wenige Jah -<br />

re seines Lebens verbrachte – hier hat<br />

er studiert, seine journalistische Lauf -<br />

bahn begonnen, seine Frau im Paz ma -<br />

nitentempel geheiratet - in <strong>Wien</strong>, das<br />

ihm Sehnsuchts- und Fluchtort zu -<br />

gleich war, hat nun Heinz Lunzer eine<br />

Internationale Joseph-Roth-Ge sell schaft<br />

gegründet. Anlässlich des Jahrestages<br />

ist die Aufmerksamkeit für so ein Un -<br />

ternehmen natürlich größer und über -<br />

dies wird ein Autor 70 Jahre nach seinem<br />

Tod urheberrechtlich „frei“, d.h.<br />

es fallen keine Copyright-Gebühren<br />

mehr an, was oft Druck-Schleusen öff -<br />

net. Vielleicht wird es eine neue Brief -<br />

ausgabe geben, die alte sei fehlerhaft,<br />

meint Lunzer. Das Ziel der Gesell -<br />

schaft umreißt er ganz einfach: „Mehr<br />

Wissen über Joseph Roth zu verbreiten.“<br />

Bereits im Vorjahr gestaltete Lun zer,<br />

dam<strong>als</strong> noch Hausherr im <strong>Wien</strong>er<br />

Literaturhaus, dort eine Ausstellung<br />

„Joseph Roth im Exil in Paris 1933 bis<br />

1939“, die jetzt in drei Varianten durch<br />

Europa reisen wird. Den Sommer<br />

über wird sie in Paris Station machen,<br />

wo Roth seine letzten Lebensjahre<br />

verbrachte und schließlich in einem<br />

Spital an den Folgen seines Alkoho -<br />

lis mus starb. Paris hat er geliebt. Er<br />

lebte und schrieb in Hotels und Cafés<br />

und war ein Zentrum der intellektu -<br />

ellen Emigrantenszene. In seiner Unbe<br />

haustheit war er ja auch quasi ein<br />

geborener Exilant.<br />

Die Erinnerungen seines Schriftstel -<br />

ler freundes Soma morgenstern, der<br />

seine <strong>Wien</strong>er Jahre und das Pariser<br />

Exil zum Großteil mit ihm teilte, sind<br />

kürzlich <strong>als</strong> Taschenbuch erschienen.<br />

„Joseph Roths Flucht und Ende“, eine<br />

mischung aus Biografischem, Lite ra -<br />

rischem, Anekdotischem, Philoso phi -<br />

schem und Zeitgeschichtlichem, ist<br />

eine jedenfalls lohnende, höchst geistreiche<br />

Lektüre, auch wenn sich Dich -<br />

tung und Wahrheit vielleicht nicht<br />

immer ganz trennen lassen.<br />

Was bei Roth weniger Rolle spielt,<br />

weil er selbst ja seine Lebens ge schich -<br />

ten immer wieder neu erfand bzw.<br />

erdichtete. Was zur Folge hatte, dass<br />

diverse Freunde auch diverse „au -<br />

thentische“ Fassungen aus dem mund<br />

des Dichters zu hören bekamen. Das<br />

beginnt schon mit seiner Ge burt in<br />

Brody bzw. mit den verschiedenen Va -<br />

rianten seiner Vater-Ge schich te. Tat sa -<br />

che ist, dass Roth vaterlos aufwuchs<br />

und darunter lebenslang gelitten hat.<br />

Sein Erzeuger ist irgendwann von<br />

einer Reise nicht heimgekehrt und der<br />

Sohn hat dieses Verschwinden mit<br />

mehreren Fantasien besetzt.<br />

Und der Variantenreichtum endete<br />

nicht einmal mit seinem Tod. War er<br />

getauft oder nicht? Darüber gab Roth<br />

selbst gern verschiedene Auskünfte.<br />

„Ich bin nicht getauft“, soll er noch am<br />

Sterbebett gesagt haben. Was, so es<br />

überhaupt stimmt, jedenfalls verschieden<br />

gedeutet wurde. Er will nicht ka -<br />

tho lisch begraben werden, meinten<br />

sei ne jüdischen Freunde. Er will noch<br />

getauft werden, glaubten die Priester,<br />

die ihn katholisch begruben und vielleicht<br />

noch davor tauften. Auf schluss -<br />

reich ist hier vielleicht ein Witz, den<br />

Roth gern erzählt haben soll. Ein from -<br />

mer Jude lässt sich am Sterbebett taufen.<br />

Seine Familie ist entsetzt. Der alte<br />

Jude sagt: „Meine Stunde ist ge kom men.<br />

Mir ist lieber, dass ein Goj stirbt <strong>als</strong> ein<br />

Ju de“. Jiddisch, „die Schicks<strong>als</strong>sprache<br />

der Ju den“, hat Roth gern gesprochen<br />

und ge hört, aber <strong>als</strong> „goyischer Ro man -<br />

schrift steller“ das Deutsche zu höchs ter<br />

Sprachkunst verfeinert.<br />

Einen leichten und schönen Tod hat<br />

er für sich und alle Trinker erbeten, in<br />

seiner „Legende vom heiligen Trin ker“.<br />

Erhört ist dieses Gebet nicht worden.<br />

Oder doch. „Was hätte er noch erlebt?“,<br />

fragt sich Soma morgenstern. „Bald<br />

wä re er ins Konzentrationslager gekommen.<br />

Er hätte das keine acht Tage überlebt.<br />

(…) Ist er nicht zu den Weisen zu<br />

zäh len, die vor der Zeit gestorben sind. Er<br />

hat so lange gelebt, <strong>als</strong> er schreiben konnte“.<br />

BÜCHER ZUM JUBILÄUM<br />

* Heinz Lunzer. Victoria Lunzer-Talos<br />

„Joseph Roth. Leben und Werk in Bildern“<br />

Kiepenheuer & Witsch<br />

* Wilhelm von Sternburg<br />

„Joseph Roth. Eine Biographie.<br />

Kiepenheuer & Witsch<br />

* Soma Morgenstern<br />

„Joseph Roths Flucht und Ende“. Erinnerungen<br />

KiWi Paperback<br />

buch-tipp<br />

44 <strong>April</strong> <strong>2009</strong> - Nissan/Ijar 5769


„Mama, wir werden<br />

zusammen sterben“<br />

Frauen im Holocaust: selbst verfolgt,<br />

hat ten sie sich auch um die Kinder und<br />

die ältere Generation zu kümmern. Sie<br />

entwickelten dabei unglaubliche Kräfte –<br />

und wurden dennoch über Jahrzehnte in<br />

der historischen Bewertung vernachlässigt.<br />

Seit 15 Jahren widmen sich His to -<br />

rikerinnen aus Yad Vashem verstärkt der<br />

Situation jüdischer Frauen im NS-Terror -<br />

regime. Im Nestroyhof in <strong>Wien</strong> ist nun<br />

die von Yehudit Inbar kuratierte Schau<br />

„Lichtflecke. Frau sein im Holocaust“ zu<br />

sehen.<br />

Von Alexia Weiss<br />

Es sind teils erschütternde Briefe und<br />

Tagebucheinträge in denen Yehudit In -<br />

bar verfolgte Frauen zu Wort kommen<br />

lässt. Und dann wieder dokumentieren<br />

Notizen oder Erinnerungen Überlebender,<br />

wie Frauen in der für sie<br />

selbst bedrohlichen Situation versuchten,<br />

für ihre Familie den Alltag<br />

so normal <strong>als</strong> möglich zu gestalten, für<br />

menschlichkeit zu sorgen. Im Theater<br />

Nestroyhof Hamakom geben derzeit<br />

auf Leinwände projizierte Texte, Fo tos<br />

und Abbildungen handschriftlicher<br />

Aufzeichnungen einen Eindruck darüber,<br />

wie Frauen bis zum Tod versuchten,<br />

das Leben lebbar zu gestalten.<br />

Inbar hat dazu Dokumente von und<br />

über 60 Frauen herangezogen und sie<br />

den Themenblöcken Weiblichkeit, Es -<br />

sen, Freundschaft, Glaube, mutterschaft,<br />

Liebe, Kreativität, Für andere<br />

sorgen, Partisanen und Untergrund<br />

zu geordnet. Die projizierten Texte<br />

wechseln einander ab, man kann<br />

lange in den Kellerräumlichkeiten des<br />

Nestroyhofs verweilen, um all die Ge -<br />

schichten in sich aufzunehmen.<br />

mancher Besucherin stehen Tränen in<br />

den Augen. „Mama, wir werden zusammen<br />

sterben“, flüsterte der siebenjährige<br />

michál seiner mutter Genia zu und<br />

um armte sie, ist da etwa zu lesen.<br />

Genia Judzki und ihr Sohn wurden<br />

nach Jahren im Ghetto Sosnowiec 1944<br />

nach Auschwitz deportiert und er -<br />

mordet.<br />

60 Frauen treten in dieser Ausstellung<br />

in Kontakt mit dem Besucher. Aber<br />

was sind 60 Frauen im Vergleich zu<br />

den millionen Ermordeten? Yehudit<br />

Inbar bedauert im Gespräch mit „Die<br />

Gemeinde“, dass sie die Ausstellung<br />

KULTUR<br />

nicht <strong>als</strong> Glaskastenschau konzipieren<br />

konnte. Sie hatte dazu schlicht kein<br />

material. „Drei Millionen Frauen sind ge -<br />

storben – und nichts ist übrig geblieben.“<br />

Texte, ein paar Fotos – aber keine Ob -<br />

jekte. Und auch die wenigen Notizen,<br />

Briefe, Aufzeichnungen wurden von<br />

den Historikerinnen aus verschiedensten<br />

Archiven mühsam zusammengetragen.<br />

Inbar hat für die Ausstellung übrigens<br />

nahezu ausschließlich Fotografien be -<br />

nutzt, die nicht von den Nazis ge macht<br />

wurden, die aber vor allem nicht die<br />

Vernichtung zeigen. Frauen im Ghet to,<br />

die sich für einen Spaziergang hübsch<br />

gemacht haben, Porträtaufnahmen<br />

aus der Zeit vor dem Holocaust oder<br />

knapp nach 1945 bieten einen Blick<br />

auf fröhliche Frauen, lebenslustige<br />

Frauen. Es ist dieser menschliche Blick,<br />

der die menschen von heute eine Ver -<br />

bindung zu den Opfern von dam<strong>als</strong><br />

aufbauen lässt – eine Heran ge hens -<br />

wei se an das Thema Holo caust, die<br />

die Visualisierung des Grauens vermeidet<br />

und den Besucher dennoch<br />

schaudernd zurücklässt.<br />

Yehudit Inbar<br />

In Israel habe die Ausstellung von Yad<br />

Vashem in Jerusalem bei vielen Kin -<br />

dern von Überlebenden dazu geführt,<br />

dass diese sagten, „das ist das erste Mal,<br />

dass wir sehen, wie tapfer unsere Mutter<br />

eigentlich war“, erzählt Inbar. Zuvor<br />

war in den Familien häufig nicht viel<br />

über die Verfolgungsgeschichte ge -<br />

spro chen worden, man schämte sich<br />

teilweise sogar, dass die mutter in<br />

einem KZ gewesen war.<br />

Bereits zu sehen war die Schau auch in<br />

Dresden, mit großem Erfolg: 16.000 Be -<br />

sucher in drei monaten, so die Bilanz,<br />

mehrheitlich nichtjüdischer Herkunft.<br />

Dabei sei besonders gut angekommen,<br />

„nicht wieder eine Holocaust-Aus stel lung<br />

mit dem Blick auf die Gas kam mern zu zeigen“,<br />

so die Kuratorin. mit persönli -<br />

chen Geschichten sei die Ju gend von<br />

heute besser zu erreichen <strong>als</strong> mit Bil -<br />

dern des Grauens. Sie hofft, dass in<br />

<strong>Wien</strong> vor allem viele Schulklassen die<br />

Schau besuchen.<br />

Neben den projizierten Texten und<br />

Fotos erwartet den Besuchern auch<br />

die Videoarbeit „mensch Sein“ von<br />

Michal Rover. „Jede von euch erlebte dieses<br />

historische Ereignis, das <strong>als</strong> Holo caust be -<br />

kannt ist: jenes Ereignis, das man nur<br />

schwer fassen kann“, wird die Künst le -<br />

rin in dem Begleitheft zur Schau zi tiert.<br />

„Auch wenn es noch so viele Orte wie Yad<br />

Vashem gäbe, die sich der Sammlung, Do -<br />

kumentation, Erhaltung und Darstel lung<br />

von Zeugenaussagen und Materialien wid -<br />

men, können diese niem<strong>als</strong> all die Leben<br />

und Lebensabschnitte, die existierten und<br />

ausgelöscht wurden, erfassen, ebensowenig<br />

die damit verbundenen Prozesse und<br />

Gefühle. Während dieses langen Mo ments<br />

des Realitätsbruchs war jede von euch eine<br />

Welt für sich.“<br />

Und, so Rover weiter: „Ich begegne euch<br />

mit Respekt und Ehrfurcht. Mein Wunsch<br />

ist, mich auf eure innere Kraft zu beziehen<br />

und nicht auf das, was euch angetan<br />

wur de; auf eure Handlungsfähigkeit an<br />

einem bestimmten Zeitpunkt, auf eure Ent -<br />

scheidungen. Ich möchte euren eigenen Ge -<br />

danken, Sinn oder besonderen Blick win kel<br />

finden, der euch in dieser Realität half.“<br />

Welche Kraft schon junge Frauen entwickeln<br />

konnten, zeigt die Lyrik von<br />

Selma Meerbaum-Eisinger, die im<br />

Dezember 1942 18-jährig im Zwangsar<br />

beiterlager michailowska an Ty phus<br />

starb. Am 7. Juli 1941 hatte sie in ihr<br />

kleines Büchlein geschrieben:<br />

„Ich möchte leben.<br />

Ich möchte lachen und Lasten heben<br />

und möchte kämpfen und lieben und hassen<br />

und möchte den Himmel mit Händen fassen<br />

und möchte frei sein und amten und schrein:<br />

Ich will nicht sterben. Nein!<br />

Nein …“<br />

meerbaum-Eisinger war die Cousine<br />

des Lyrikers Paul Celan. „Hätte sie über -<br />

lebt, sie wäre womöglich eine noch größere<br />

Dichterin geworden <strong>als</strong> es Celan war“,<br />

sagt Inbar, die es traurig stimmt, wie<br />

wenig Wertschätzung der Leistung<br />

jü discher Frauen im Holocaust über<br />

Jahrzehnte auch von der Geschichts -<br />

wis senschaft entgegengebracht wur de.<br />

mit „Lichtflecke. Frau sein im Holo caust“<br />

rückt sie nun über sechs Jahr zehnte<br />

nach Ende des Grauens die weib liche<br />

Perspektive in den mittel punkt.<br />

„Lichtflecke. Frau sein im Holocaust“<br />

Multimedia Ausstellung der YAD VASHEM<br />

Gedenkstätte für Holocaust, Jerusalem.<br />

Bis 31. Mai <strong>2009</strong> im Theater Nes troy hof<br />

Ha ma kom (Nestroyplatz 1, 1020 <strong>Wien</strong>),<br />

Sonntag bis Freitag, 12.00 Uhr bis 20.00 Uhr<br />

<strong>April</strong> <strong>2009</strong> - Nissan/Ijar 5769 45


Überall & nirgendwo<br />

Wartesalon Frankreich<br />

Ab 1933, mit der machtergreifung<br />

Hitlers in Deutschland, begann sich<br />

Frankreich, vor allem Paris, mit Hun -<br />

derten Flüchtlingen aus allen Berei -<br />

chen der Kunst und Wissenschaften<br />

zu füllen. Künstler aller Art drängten<br />

sich in Aushilfsquartieren, verbrachten<br />

ihre Tage mit endlosen und zu -<br />

meist nutzlosen Behördenwegen, mit<br />

dem Kampf um das blanke Überleben.<br />

Selbst berühmte Schriftsteller wie<br />

Joseph Roth oder Heinrich mann<br />

oder weltbekannte musiker wie Bru -<br />

no Walter hatten sich im mutterland<br />

der Demokratie, in Frankreich, im<br />

Unwillen der Bürokratie verfangen.<br />

mit dem Einmarsch der deutschen<br />

Truppen in Österreich bewegte sich<br />

ein weiterer Flüchtlingsstrom, insbesondere<br />

aus <strong>Wien</strong>, aber auch aus Bu -<br />

dapest, zum Teil über abenteuerliche<br />

Fluchtwege in Richtung Frank reich.<br />

Über die Schweiz, über Belgien, wo<br />

immer sich eine möglichkeit zum<br />

Flüchten ergab. mit dem Ende des<br />

Jahres 1938 hatte die intellektuelle und<br />

künstlerische Elite mitteleuropa verlassen.<br />

Frankreich wurde in den folgenden<br />

drei Jahren zum Wartesalon<br />

für eine Überfahrt nach Übersee oder<br />

für die vielen, die es nicht schafften,<br />

zur letzten Station vor dem Ab trans -<br />

port in die deutschen Vernich tungs la -<br />

ger. Sehr bald hatten sie endlose Tage<br />

in französischen Anhalte- oder Ar beits -<br />

lagern zu verbringen, meist unter<br />

miserabelsten Umständen, da selbst<br />

rudimentärste sanitäre Einrichtungen<br />

fehlten.<br />

Aus <strong>Wien</strong> und seinem Pendant Bu da -<br />

pest, befanden sich bemerkenswert<br />

vie le musiker unter diesen Flücht -<br />

lingen. Berühmte Komponisten wie<br />

Alexander Zemlinsky, Arnold Schön -<br />

berg oder Oscar Strauss, weltbekannte<br />

Sänger wie Joseph Schmidt und Un -<br />

ter haltungskünstler wie Fritz Spiel -<br />

mann, Leon Askin oder Karl Farkas<br />

teilten sehr oft das gleiche Schicksal<br />

(und Lager). Aus dem Wartesalon<br />

Frankreich exportierte Europa seine<br />

Kultur: nach mexiko, Kuba und in die<br />

USA. Aber nicht nur die deutsch-<br />

KULTUR<br />

österreichischen Flüchtlinge versuchten<br />

den Nazis zu entkommen. Auch<br />

Frankreich bereicherte die überseeische<br />

Kultur: Darius milhaud gehörte<br />

zum Beispiel dazu. Spätestens ab<br />

1939 setzte in Europa eine Periode<br />

barbarischer Unkultur ein, die, wie<br />

sich zeigen sollte, bezüglich ihrer<br />

Auswirkungen bis in den Beginn der<br />

Sechzigerjahre dauern sollte.<br />

Es ist das große Verdienst der beiden<br />

Herausgeber, michel Cullin und Pri -<br />

mavera Driessen-Gruber, mit ihrem<br />

Band Douce France? (der Originalton<br />

des in Frankreich überaus beliebten<br />

Liedes Douce France von Charles Tre -<br />

net kann übrigens unter http://www.<br />

youtube.com/watch?v=80-F-XXFFGI<br />

abgehört werden), erschienen im<br />

Böh lau Verlag, 2008, insbesondere auf<br />

die vielen musiker unter den Flücht -<br />

lingen einzugehen.<br />

Wie schnell sich eine österreichische<br />

Subkultur innerhalb weniger monate<br />

entwickelte, soll folgende Passage aus<br />

diesem Buch (Seite 23) belegen: Im<br />

Juli 1939 wurde Joseph Roths Roman<br />

„Hiob. Die Geschichte eines armen Man -<br />

nes“ in einer dramatischen Fassung aufgeführt.<br />

Die Aufführung wurde zu einer<br />

nicht ganz unumstrittenen Gedächtnis -<br />

feier für den Autor, der am 27. Mai verstorben<br />

war. Leo Askenazy (Leon Askin)<br />

las einleitende Worte von Stefan Zweig.<br />

Die Prolog-Musik und „Menuchims<br />

Lied“ stammten von Erich Zeisl, der<br />

auch die musikalische Leitung innehatte<br />

... . Stefan Zweig verübte 1942 Selbst -<br />

mord in Brasilien, Erich (Eric) Zeisl<br />

verstarb 1959 in Los Angeles und<br />

Leon Askin kehrte erst 1994 nach<br />

<strong>Wien</strong> zurück, wo er 2005 verstarb.<br />

Die Vielfalt der größtenteils noch in<br />

Frankreich entstandenen Stücke ist<br />

verblüffend: sie reicht von der Verto -<br />

nung Jura Soyfers „Dachaulied“ durch<br />

marcel Rubin (ab den Fünfziger jah ren<br />

übrigens ein gefürchteter musik kriti -<br />

ker in <strong>Wien</strong>) bis zu den Verfassern be -<br />

rühmter Chancons, die von Edith Piaf<br />

oder Yves montand vorgetragen wurden.<br />

Viele der Komponisten der mu sik<br />

zu berühmt gewordenen Filmen (max<br />

Steiner: Casablanca, Vom Winde verweht)<br />

hatten Europa bereits 1933 in<br />

Fol ge der Aussperrung von Juden in<br />

Film oder anderen Kontrakten verlassen.<br />

Andere wie Walter Jurmann (A<br />

Night at the Opera, marx Brothers) hat-<br />

ten im Wartesalon Frankreich eine<br />

Zeit lang zu verbringen, bevor das<br />

rettende Visum einlangte.<br />

Das alles und noch mehr kann in Dou -<br />

ce France? von michel Cullin und Pri -<br />

ma vera Driessen Gruber nachgelesen<br />

werden. Zeithistorisches wie die Auf -<br />

lis tung und geographische Verteilung<br />

der Lager, Berührendes wie der Bei -<br />

trag Das Mädchen mit dem Fahrrad von<br />

Dominique Lassaigne, aber auch Ana -<br />

lytisches wie im Beitrag von Prima -<br />

vera Driessen Gruber, in dem sie zwei<br />

vollkommen verschiedene Kultur ebe -<br />

nen und Flüchtlingsnetzwerke ge gen -<br />

über stellt, nämlich an Hand der Bio -<br />

graphien von Erwin Weiss und des<br />

Kantors Samuel Taube. Douce France?<br />

zu lesen ist ein „muss“ für alle, die an<br />

den Reichtum, von den Nazis zerstörter<br />

europäisch-jüdischen Kultur interessiert<br />

sind.<br />

PS: Über Hanns Eislers Zeit in Paris<br />

wird in diesem Buch in einigen<br />

Beiträgen berichtet. Es ist somit eine<br />

hervorragende Ergänzung zu der<br />

derzeit im Jüdischen museum in <strong>Wien</strong><br />

laufenden hervorragenden Aus -<br />

stellung Hanns Eisler – Mensch und<br />

Masse.<br />

Gewinnbringende Bewirtschaftung seit 1959<br />

Hausverwalter<br />

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46 <strong>April</strong> <strong>2009</strong> - Nissan/Ijar 5769


©Naftali Moskovics<br />

©Naftali Moskovics<br />

Alle 28 Jahre wird zur Tag-und-<br />

Nacht-Gleiche im Frühjahr das Gebet<br />

Birkat HaChamah, das „Lob der Son ne“,<br />

gesprochen. Nach jüdischer Tradition<br />

kehrt in diesem Zyklus die Sonne an<br />

den Punkt im Weltall zurück, an dem<br />

sie geschaffen wurde. Der biblische<br />

Schöpfungsbericht geht davon aus,<br />

dass die Sonne am vierten Schöp fungs -<br />

tag, am mittwoch der Schöp fungs -<br />

woche, erschaffen wurde.<br />

Ein Jude, der die Sonne an ihrem<br />

Wendepunkt beobachtet, so der Tal -<br />

mud im Traktat Berachot 59b, muss sa -<br />

gen: „Gelobt sei, der den Anfang macht!“<br />

„Und wann soll das geschehen?“, fragt<br />

der Talmud, worauf Rabbi Abaje antwortet:<br />

„Alle 28 Jahre…“ 28 Jahre<br />

KULTUR<br />

Birkat HaChamah - Das „Lob der Sonne“<br />

braucht die Sonne, um den Machsor<br />

HaGadol, den großen Kreislauf, zu vollenden.<br />

Hunderttausende Juden auf der<br />

ganzen Welt hatten sich am frühen<br />

mittwochmorgen, dem 8. <strong>April</strong> <strong>2009</strong>,<br />

auf den Weg gemacht, um an einem<br />

hohen Punkt den Sonnenaufgang<br />

mit zuerleben. An der Westmauer in<br />

Je rusalem sprachen zudem Hunderte<br />

von Priestern den Aaronitischen Segen.<br />

Die Westmauer ist einer der letzten<br />

Überreste aus der Zeit des Zweiten<br />

Tempels und der Ort, an dem fromme<br />

Juden ihrem zerstörten Heiligtum am<br />

nächsten kommen dürfen. Die großen<br />

rabbinischen Lehrer Israels hatten<br />

sich hier zum „Lob der Sonne“ ver-<br />

sammelt und mit ihnen Zehn tau -<br />

sende Israelis. „Andere Völker beten die<br />

Sonne an“, erklärte ein Rabbiner. „Wir<br />

verehren den, der die Sonne geschaffen<br />

hat, und danken ihm dafür.“<br />

In diesem Jahr fiel das Ereignis zu -<br />

dem mit dem Vorabend des Pes sach -<br />

festes zusammen, mit dem Seder -<br />

abend. Das ist in den Jahrtausenden<br />

der Geschichte des jüdischen Volkes<br />

erst zwölf mal passiert, verkünden<br />

Ex perten im israelischen Rundfunk.<br />

Somit beginnt Pessach in diesem Jahr<br />

genau am „Geburtstag“ der Sonne.<br />

Fotos: (oben) <strong>Wien</strong>er Augarten - Gemeinsames<br />

Gebet aller orthodoxen Gruppierungen<br />

(Umschlag) Jerusalem<br />

<strong>April</strong> <strong>2009</strong> - Nissan/Ijar 5769 47<br />

© Ossi Goldberger<br />

© Ossi Goldberger<br />

© Ossi Goldberger<br />

© Ossi Goldberger


© REUTERS/Ammar Awad

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