April 2009 als pdf herunterladen - Israelitische Kultusgemeinde Wien
April 2009 als pdf herunterladen - Israelitische Kultusgemeinde Wien
April 2009 als pdf herunterladen - Israelitische Kultusgemeinde Wien
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
nr. 643 april <strong>2009</strong><br />
nissan/ijar 5769<br />
Erscheinungsort <strong>Wien</strong><br />
Verlagspostamt 1010 P.b.b<br />
e 2.-<br />
GZ 03Z034854 W<br />
DVR 0112305 € 2.-<br />
Die Die<br />
GEMEINDE<br />
offizielles organ der israelitischen <strong>Kultusgemeinde</strong> wien<br />
magazin
AUS DER<br />
KULTUSGEMEINDE<br />
Mauthausen-Gedenkstunde 3<br />
IN EIGENER SACHE<br />
ALEXIA WEISS<br />
Serie: Hinter den Kulissen der IKG<br />
Teil 8: Die Rechtsabteilung 4<br />
HANSJÖRG MISSBICHLER<br />
Informationen zum MZ 6<br />
POLITIK<br />
IN- UND AUSLAND<br />
Das NVP-Parteiprogramm 7<br />
Prozess gegen Honsik 7<br />
Rechte Gesinnung<br />
im Parlament 8<br />
Stop The Bomb protestiert<br />
gegen Wirtschaftskammer 9<br />
IRAN<br />
STEFAN GRIGAT<br />
Das iranische Regime<br />
und Möglichkeiten einer<br />
Sanktionspolitik 10<br />
DURBAN II<br />
EITHAN LEVON<br />
Die „Durban Revisions-<br />
Konferenz“ 14<br />
Pressestimmen 16<br />
PETA wird Holocaust-<br />
Vergleich untersagt 18<br />
ISRAEL<br />
Israel & Ägypten:<br />
30 Jahre Frieden 19<br />
ULRICH W. SAHM<br />
Israel-USA: belastete<br />
Beziehungen 22<br />
Von Roadmap bis Anapolis 23<br />
ANTISEMITISMUS<br />
Neonazis nutzen Facebook 24<br />
Holocaust-Leugner Toben<br />
verurteilt 24<br />
Kz-Aufseher Kumpf an<br />
Österreich ausgeliefert 25<br />
Mutmaßlicher Kriegsverbrecher<br />
Zentai ausgeliefert 25<br />
Ausgewertet werden Meldungen von: APA, Jerusalem Post, Ha’aretz, MEMRI, Yediot Aharonot, Global intelligence<br />
centre, Walla, Y-net, israelnetz (inn), nahostfocus (NOF), ICEJ, Honestly-concerned, GMW, JTA, ILI u.v.a.<br />
GEmEINDE<br />
Medieninhaber (Verleger), Herausgeber: <strong>Israelitische</strong> <strong>Kultusgemeinde</strong> <strong>Wien</strong>.<br />
Zweck: Information der Mitglieder der IKG <strong>Wien</strong> in kulturellen, politischen<br />
und or ganisatori schen Belangen. Stärkung des demokratischen<br />
Bewusst seins in der österreichischen Bevöl kerung. Sitz: 1010 <strong>Wien</strong>, Seitenstettengasse 4, Postfach 145.<br />
Tel. Redaktion/Sekretariat 53 104/271, Anzeigenannahme 53 104/272, Fax: 53104/279, E-mail redaktion@ikg-wien.at<br />
Druck: AV+Astoria Druckzentrum GmbH, A-1030 <strong>Wien</strong><br />
Alle signierten Artikel geben die persönliche Mei nung des Autors wieder, die sich nicht immer mit der<br />
Mei nung der Redaktion deckt. Für die Kaschrut der in der GEMEINDE angezeigten Produkte übernehmen<br />
Herausgeber und Redaktion ausdrücklich keine Verantwortung. Nicht alle Artikel, die in der Redak -<br />
tion einlangen, müs sen zur Veröffentlichung gelangen.<br />
Die<br />
WIRTSCHAFT<br />
REINHARD ENGEL<br />
Die Matze-Unternehmer 26<br />
WISSENSCHAFT<br />
Software zur<br />
Verbrechensbekämpfung 30<br />
Jüdisch-arabische<br />
Stammzellen Workshop 30<br />
Blutgerinnungstest per Laser 31<br />
„Grünes Haus“ im Negev 31<br />
JÜDISCHE WELT<br />
ALEXIA WEISS<br />
Spiele der kurzen Wege 32<br />
MARTA S. HALPERT<br />
Wieder offen jüdisch sein 34<br />
Panorama 38<br />
KULTUR<br />
MARCUS G. PATKA<br />
<strong>Wien</strong> gratuliert Tel Aviv 39<br />
ALEXIA WEISS<br />
Gelegenheit für Judaika-<br />
Liebhaber 42<br />
GABRIELE KOHLBAUER-FRITZ<br />
Nachruf - Elfriede Gerstl 43<br />
ANITA POLLAK<br />
Joseph Roth - Varianten<br />
eines Emigranten 44<br />
ALEXIA WEISS<br />
Mama, wir werden<br />
zusammen sterben 45<br />
Überall &nirgendwo<br />
Wartesalon Frankreich 46<br />
Birkat HaChamah<br />
Lob der Sonne 47<br />
Titelbild: ©Flash 90/Yasmine Soiffer<br />
Das „Crazy House“ in der<br />
haYarkon Street in Tel Aviv.<br />
Auf diese Aus ga -<br />
be muss ten Sie auf<br />
Grund der Pes sach-<br />
Feiertag leider et -<br />
was länger war ten!<br />
PLENUM: 5. Mai - 4. Juni - 2. Juli - 3. August - 3. September -<br />
13. Oktober - 5. November - 3. Dezember<br />
INHALT &<br />
Jiddische Vokaltradition<br />
in der jüdischen Gemeinde <strong>Wien</strong><br />
Für ein ethnomusikologisches Feldforschungsprojekt wer den Perso -<br />
nen aus der IKG <strong>Wien</strong> gesucht, die bereit sind, Interviews zu<br />
geben. An gesprochen fühlen sollen sich alle, die jiddische<br />
Liedtradition heute noch pflegen, sei es zuhause, sei es bei Feiern<br />
und Festen etc., wie auch Menschen, die mit jiddischer Musik in<br />
irgendeiner Form aufgewachsen sind und vielleicht aus ihrer<br />
Kindheit noch jiddische Lieder kennen.<br />
Es soll die Verbreitung und Bedeutung des jiddischen Liedes innerhalb<br />
der jüdischen Gemeinde <strong>Wien</strong> untersucht und dokumentiert<br />
werden. Schwerpunkte des Projekts sind der Kontext zwischen jiddischem<br />
Lied und religiösem Brauchtum, die Rolle der Frau <strong>als</strong><br />
Trägerin und Vermittlerin jiddischer Liedtradition, sowie die Be -<br />
deutung jiddischer Kinderlieder in der religiösen Erziehung.<br />
Anfragen bitte an: Mag. a Mirjam Silber<br />
Tel.: +43 699 11 23 17 95/Email: mirjam.silber@gmx.at<br />
Die Ergebnisse dieser wissenschaftlichen Forschungsarbeit werden auch<br />
in ei ner Dissertation im Rahmen des Doktorats stu diums von Mag. a Mirjam<br />
Silber an der Universität für Musik <strong>Wien</strong> (Institut für Ethnomusikologie)<br />
pu bliziert.<br />
In Kooperation mit dem Phonogrammarchiv der Österreichischen Aka de -<br />
mie der Wissenschaften. Sponsored by <strong>Wien</strong> Kultur.<br />
Wünsche? Probleme? Anregungen?<br />
Wenden Sie sich vertrauensvoll an unsere IKG-Ombudsleute<br />
Gustav Adler Tel: 0676 636 5118,<br />
Heinrich Ehlers Tel: 0676 421 3670<br />
DI Hans Gelbard Tel: 0699 11058 606<br />
Dr. Slawik Jakubow Tel: 0664 103 2349<br />
Prof. Dr. Franziska Smolka Tel: 531 04 -105<br />
fsmolka@chello.at<br />
LETZTE MELDUNGEN<br />
israelitische <strong>Kultusgemeinde</strong> bedauert<br />
teilnahme Österreichs an durban ii<br />
Dass gerade am Internationalen Gedenktag für den<br />
Holocaust der iranische Präsident und Holocaust re vi -<br />
sio nist Ahmadinejad einen Bühnenauftritt auf der Gen fer<br />
UN-Konferenz gegen Rassismus (Durban II) zugesprochen<br />
erhält und Staaten wie Syrien oder Li by en bei den<br />
Verhandlungen federführend sind, zeigt die moralische<br />
Dekadenz der Vereinten Nationen, die damit „mo -<br />
der nen Antisemitismus“ in Form von Hetze gegen<br />
Israel in UN-Institutionen zulassen.<br />
Die <strong>Israelitische</strong> <strong>Kultusgemeinde</strong> (IKG) bedauert, dass<br />
Österreich nicht dem Beispiel von anderen EU-Staaten<br />
wie Deutschland, den Niederlanden, Italien und Polen<br />
gefolgt ist, die eindeutige moralische Stellungnahmen<br />
ab gegeben haben und an der Konferenz nicht teilnehmen.<br />
2 <strong>April</strong> <strong>2009</strong> - Nissan/Ijar 5769
AUS DER KULTUSGEMENDE<br />
DIE ISRAELITISCHE RELIGIONSGEMEINSCHAFT ÖSTERREICHS UND<br />
DER BUND JÜDISCHER VERFOLGTER DES NAZIREGIMES<br />
veranstalten gemeinsam am<br />
Sonntag, 10. Mai <strong>2009</strong>,<br />
pünktlich um 10.00 Uhr im ehemaligen<br />
Konzen tra ti ons lager Mauthausen<br />
vor dem jü di schen Mahnmal eine<br />
GEDENKSTUNDE<br />
anlässlich des 64. Jahrestages der Befreiung des Lagers.<br />
Der Botschafter des Staates Israel, S.E. Dan Ashbel, und der Vizepräsident der <strong>Israelitische</strong>n<br />
Kultus ge meinde, Oskar Deutsch, werden der Bedeutung des Tages gedenken.<br />
Mit dem El-Male-Rachamim-Gebet, vorgetragen von Oberkantor Shmuel Barzilai, dem Kaddisch -<br />
gebet und der von allen gemeinsam gesungen Hymne des Staates Israel „Hatikwa“ endet die<br />
Gedenkstunde.<br />
Bitte beachten Sie! Nach der Gedenkfeier – ca. 11 Uhr – begeben sich alle Teilnehmer gemeinsam<br />
mit den übrigen Delegationen auf den Appellplatz, um der offiziellen Gedenkkundgebung der La -<br />
ger gemeinschaft Mauthausen beizuwohnen. Dort werden Überlebende in Anwesenheit von Bundes -<br />
präsident Fischer und Bundeskanzler Faymann das Wort ergreifen.<br />
Die <strong>Israelitische</strong> <strong>Kultusgemeinde</strong> <strong>Wien</strong> stellt auch heuer wieder für die Fahrt nach Mauthausen un -<br />
entgeltlich Autobusse zur Verfügung. Die Abfahrt der Busse erfolgt am 10. Mai <strong>2009</strong>, um 6.15 Uhr<br />
vor dem Café Landtmann, 1010 <strong>Wien</strong>, Dr. Karl Lueger-Ring 4.<br />
Anmeldungen für die Fahrt nach Mauthausen bis 4. Mai <strong>2009</strong><br />
an b.gilkarov@ikg-wien.at oder schriftlich (1010 <strong>Wien</strong>, Seitenstettengasse 4)<br />
oder telefonisch unter der Nummer 01/531-04 207<br />
Alle Juden Österreichs sind aufgerufen, möglichst zahlreich an dieser Kundgebung teilzunehmen,<br />
um gemeinsam der Opfer der Schoah zu gedenken!<br />
We sichal lo jassuf misar´am!<br />
Niem<strong>als</strong> vergessen!<br />
<strong>April</strong> <strong>2009</strong> - Nissan/Ijar 5769 3
„Die<br />
Delogierungen<br />
sind sicher die<br />
schwierigsten<br />
Momente“<br />
Bettina Schabel spricht selten über ihre<br />
Arbeit, auch in internen Besprechungen<br />
IN EIGENER SACHE • HINTER DEN KULISSEN<br />
SERIE<br />
Hinter den Kulissen –<br />
Die IKG <strong>Wien</strong> stellt sich vor<br />
Teil 8: Die Rechtsabteilung<br />
dokumentiert sie kaum ihre Erfolge.<br />
Das hat seine Gründe. Die Rechts -<br />
wissenschafterin ist – ähnlich einer<br />
Unternehmensjuristin – für die<br />
juristischen Belange der Kultusge -<br />
meinde zuständig. Die dazu nötige<br />
Verschwiegenheit ist ihr inzwischen in<br />
Fleisch und Blut übergegangen.<br />
Dennoch schätzt und liebt sie ihre<br />
Tätigkeit. „Es ist keine trockene Arbeit.“<br />
Für „Die Gemeinde“ macht sie eine<br />
Ausnahme - und erzählt doch ein wenig<br />
aus ihrem beruflichen Alltag.<br />
Von Alexia Weiss<br />
serVice<br />
erreichbarkeit der<br />
rechtsabteilung<br />
Dr. Bettina Schabel<br />
ist telefonisch erreichbar<br />
montag bis Freitag<br />
9.00 Uhr bis 14.00 Uhr<br />
unter 01- 53104 – DW 135<br />
beziehungsweise per mail an<br />
b.schabel@ikg-wien.at.<br />
Drei große Felder hat Bettina Schabel<br />
<strong>als</strong> Ein-Frau-Abteilung zu beackern:<br />
sie kümmert sich um das Forderungs -<br />
ma nagement, ist nach außen Schnitt -<br />
stelle in juristischen Angelegenheiten<br />
und berät nach innen, wenn rechtliche<br />
Fragen zu berücksichtigen sind. Was<br />
Schabel nicht ist: Eingetragene Rechts -<br />
anwältin. Und, räumt sie auch gleich<br />
mit einem weiteren missverständnis<br />
auf, dass viele Gemeindemitglieder<br />
im mer noch haben: Schabel ist keine<br />
Anlaufstelle, wenn sich mitglieder mit<br />
juristischen Problemen konfrontiert<br />
sehen. „Natürlich bemühe ich mich aber<br />
in jedem Fall weiterzuhelfen – etwa, in -<br />
dem ich Tipps gebe, wo eine kostenlose<br />
Rechtsberatung angeboten wird.“<br />
Forderungsmanagement, das heißt:<br />
zu schauen, dass offene Rechnungen<br />
beglichen werden. Ob Schulgeld, Be -<br />
gräbniskosten oder mietzins: werden<br />
Rechnungen nicht in der vorgesehenen<br />
Frist bezahlt, nimmt sich Schabel<br />
in Zusammenarbeit mit Rechnungs -<br />
we sen und der zuständigen Fach ab -<br />
tei lung (Schulverwaltung, Fried hofs -<br />
amt oder Immobilienverwaltung) der<br />
Sache an. Die freundliche mahnung<br />
steht dabei an erster Stelle eines langen<br />
Prozesses, der im schlechtesten<br />
Fall in eine Klage münden kann.<br />
Tatsächlich zu einer Klage kommt es<br />
jedoch meist nur im Bereich der Ver -<br />
mietung von Immobilien.<br />
Hier ist Schabel auch mit der ihr un -<br />
an genehmsten Facette ihres Jobs konfrontiert:<br />
der zwangsweisen Räu mung<br />
von Wohnungen. „Die Delogierungen<br />
sind sicher die schwierigsten Momente der<br />
Arbeit.“ Schabel versucht daher auch,<br />
säumige mieter, die den Zins nicht<br />
mehr zahlen können, dazu zu motivieren,<br />
die Räumlichkeiten vor dem<br />
4 <strong>April</strong> <strong>2009</strong> - Nissan/Ijar 5769
Räumungstermin zu übergeben. Ihr<br />
erspart es Ärger – und den Betroffe -<br />
nen Kosten. Denn die Rechnung für<br />
die bei einer Zwangsräumung anfallenden<br />
Kosten hat der mieter zu<br />
begleichen.<br />
Aktuell konstatiert Schabel: „Wir<br />
sehen natürlich die wirtschaftliche Ent -<br />
wicklung – für viele Mieter wird es zu neh -<br />
mend schwieriger, die Miete zu bezahlen.“<br />
Das sei eine schwierige Situation,<br />
denn: „Auch in der Gemeinde steigen die<br />
Ausgaben, beispielsweise im Sozialbe reich.<br />
Und die Immobilieneinnahmen finanzieren<br />
hier quer.“ Schabel betont daher:<br />
„Wir können nicht die Aufgaben des So zi -<br />
alamts ersetzen.“ Beratung hinsichtlich<br />
der möglichkeit, von der IKG oder<br />
anderen Stellen, etwa der Gemeinde<br />
<strong>Wien</strong>, unterstützt zu werden, biete<br />
aber für Gemeindemitglieder das<br />
psychosoziale Zentrum ESRA an.<br />
Zum Thema Forderungsmanagement<br />
meint Schabel noch: dieses sei „wie<br />
Staub wischen: es fällt erst dann auf, wenn<br />
es nicht gemacht wird“. Ent spre chend<br />
sei die Anzahl der offenen Rech nun -<br />
gen, denen mit einer mahnung zu be -<br />
gegnen ist, auch immer nach der Rück -<br />
kehr aus einem Urlaub am höchsten.<br />
Als Schnittstelle nach außen fungiert<br />
Schabel beispielsweise bei großen<br />
Verträgen, die von Rechtsanwälten be -<br />
ziehungsweise Notaren ausgearbeitet<br />
werden. Die IKG-Hausjuristin küm-<br />
IN EIGENER SACHE • HINTER DEN KULISSEN<br />
mert sich dabei um die Bereitstellung<br />
der nötigen Unterlagen und ist erste<br />
Ansprechpartnerin für die externen Ju -<br />
risten. Eng zusammen arbeitet Scha bel<br />
auch mit Notaren, wenn es um Grund -<br />
buchseintragungen geht. Im Ge gen -<br />
satz zu ihr <strong>als</strong> Nicht-Anwältin kann<br />
der Notar solche Eintragungen via<br />
elektronischem Rechtsverkehr beantragen.<br />
„Und das beschleunigt die Sache<br />
sehr.“ Schriftliche Anträge würden<br />
manchmal einen monat oder länger<br />
liegen bleiben, elektronisch sei die<br />
Sache oft in ein paar Tagen erledigt.<br />
Nach innen ist Schabel in erster Linie<br />
beratend tätig. Damit solle vermieden<br />
werden, „dass wir uns selbst Probleme<br />
machen“ – vergleichbar etwa mit der<br />
Prävention im Bereich Gesundheit.<br />
Die Bandbreite von Schabels Exper -<br />
tise reicht hier vom Abklären einzelner<br />
Formulierungen, etwa in Förder an -<br />
trä gen, über die Gestaltung interner<br />
Vertragstexte wie beispielsweise eine<br />
Datenschutzerklärung oder eine Zu -<br />
satzklausel zu einem mietvertrag bis<br />
hin zum Prüfen von Verträgen, die<br />
von außen kommen. „Das kann zum<br />
Beispiel ein neues Kopiergerät sein, das<br />
wir kaufen oder leasen – auch das landet<br />
dann bei mir.“<br />
Die Juristin schätzt an ihrer Aufgabe<br />
in der IKG vor allem die Vielfäl tig -<br />
keit, „alle Lebensbereiche werden abgedeckt<br />
– vom Kindergarten bis zum Be -<br />
gräbnis“. Die Gesprächspartner seien<br />
dabei so unterschiedlich wie ihre Stim -<br />
mungen. „Die Kommunikation mit An -<br />
ge hörigen, die gerade einen Toten zu be -<br />
kla gen haben, verläuft natürlich anders<br />
<strong>als</strong> mit einem säumigen Mieter.“<br />
Auch die interne Kommunikation<br />
und Zusammenarbeit liegt Schabel<br />
sehr am Herzen, denn „<strong>als</strong> Ein-Frau-<br />
Abteilung könnte ich das vielfältige und<br />
umfassende Tätigkeitsgebiet der Rechts -<br />
ab teilung alleine niem<strong>als</strong> abdecken, wenn<br />
mich nicht alle Abteilungen so gut unterstützen<br />
würden“. Und dafür möchte<br />
sie sich bei dieser Gelegenheit „bei allen<br />
Kolleginnen und Kollegen bedanken“.<br />
zur Person<br />
dr. Bettina schabel, geb. 1977 in<br />
Niederösterreich, studierte nach<br />
der matura katholische Theologie<br />
und Germanistik, sattelte nach ei -<br />
ni gen Semestern jedoch auf Rechts -<br />
wissenschaften um.<br />
Nach dem Gerichtsjahr 2003/04<br />
war sie zunächst in einer Rechts -<br />
an waltskanzlei mit den Schwer -<br />
punkten miet- und Arbeitsrecht<br />
tätig, beendete parallel dazu ihr<br />
Doktoratsstudium und begann<br />
schließlich im Oktober 2007 für die<br />
IKG zu arbeiten.<br />
Schabel ist verheiratet, interessiert<br />
sich für Literatur und Kino und<br />
beschreibt sich <strong>als</strong> „überzeugten<br />
Stadtmensch“.<br />
<strong>April</strong> <strong>2009</strong> - Nissan/Ijar 5769 5
IN EIGENER SACHE • MAIMONIDES-ZENTRUM<br />
Sehr geehrte<br />
LeserInnen der<br />
„Gemeinde“-<br />
Zeitung!<br />
Wieder einmal wende ich mich meiner<br />
Funktion <strong>als</strong> Leiter des maimonides-<br />
Zentrums an Sie, um über das Haus<br />
und was in dem Zusammenhang passiert,<br />
zu berichten.<br />
Und schon ist die erste Korrektur<br />
nötig: Wenn ich von „Haus“ spreche,<br />
dann meine ich diesmal den gesamten<br />
Betrieb, die Bewohner und die Ar -<br />
bei tenden, vom Essen bis zu den The -<br />
ra pien, von der Pflege bis zur ärztli -<br />
chen Versorgung, von Freizeitange -<br />
bo ten bis zu Festen und Ausflügen.<br />
Das alles wird es natürlich auch wei -<br />
terhin geben – und - dafür stehe ich<br />
mit meinem Wort - in der gewohnten<br />
hohen Qualität. Immer noch ist es<br />
mein Anspruch, dass wir das erste<br />
Haus am Platz sind, und das soll<br />
auch so bleiben.<br />
Das jetzige Haus aber, das gewiss<br />
auch schön und edel war, hat uns in<br />
den letzen Jahren immer mehr seine<br />
altersbedingten Grenzen spüren lassen<br />
und so wird dieses Gebäude ab<br />
Dezember aufgegeben und wir werden<br />
in das nagelneue, nach modernsten<br />
Prinzipien errichtete neue Zen -<br />
trum am Prater übersiedeln, das<br />
höchsten Qualitätsansprüchen ge recht<br />
werden wird.<br />
Schon jetzt bieten wir weit mehr <strong>als</strong><br />
die meisten anderen Einrichtungen<br />
dieser Art: einen hohen Betreuungs -<br />
schlüssel, zahlreiche Zusatzangebote<br />
im Bereich Therapie und Aktivierung<br />
und vor allem eine Atmosphäre der<br />
Wertschätzung und der ganz persönlichen<br />
Zuwendung.<br />
Lassen Sie mich nun ganz kurz informieren,<br />
was hier auf uns - und vielleicht<br />
auch auf Sie, wenn Sie sich mit<br />
dem Gedanken tragen, mit einzuziehen<br />
- zukommt:<br />
Die letzten 2 Jahre waren wir intensiv<br />
damit beschäftigt, das neue Haus den<br />
Wünschen der BewohnerInnen und<br />
ih rer PflegerInnen entsprechend nach<br />
den modernsten maßstäben zunächst<br />
zu planen und dann zu verwirkli chen.<br />
Nun ist es bald so weit und wir sind<br />
stolz und glücklich sagen zu können:<br />
Die mühe hat sich gelohnt, Sie werden<br />
sehen!<br />
Ob Sie jetzt mit uns zusammen übersiedeln<br />
oder in Kürze entscheiden,<br />
sich unserer Gemeinschaft anzuschließen<br />
– Sie bekommen in jedem<br />
Fall das Neueste und Beste, was es im<br />
moment überhaupt gibt.<br />
Was heißt das nun im Einzelnen?<br />
Selbstverständlich haben wir wieder<br />
eine Synagoge, eine Bibliothek, Fri seur,<br />
maniküre, Pediküre und so weiter und<br />
natürlich ein Cafe im Haus.<br />
Im hauseigenen Garten wird ein<br />
Therapie- und Kräutergarten angelegt<br />
und es wird einen eigenen The ra pie -<br />
pa villion geben.<br />
Auch die bereits bestens eingeführte<br />
und beliebte Tagesstätte findet nun<br />
bes sere räumliche Bedingungen vor<br />
um mit den Bewohnern eine aktive<br />
und abwechslungsreiche Tagesge stal -<br />
tung zu planen (malen, Gestalten, Tan -<br />
zen, Gesang, Spiele aller Art, Kon zer te,<br />
Vorträge, Ausstellungen, gemeinsame<br />
Spaziergänge im Garten oder im<br />
nahe gelegen Prater).<br />
Für Gruppen gibt es <strong>als</strong>o ein vielseitiges<br />
Angebot, aber wie schaut der persönliche,<br />
individuelle Umgang aus?<br />
Bei uns gibt es professionelle und in di -<br />
viduelle Pflege mit den verschiedens -<br />
ten Therapieformen (Physio-, Ergo-,<br />
Logo-, Psycho-, Kunst- oder Tierthe ra -<br />
pie).<br />
Was aber, wenn das Gedächtnis nachlässt,<br />
einige unserer BewohnerInnen<br />
ver gesslich, hinfällig oder desorientiert<br />
werden? Für solche PatientInnen<br />
gibt es nach neuesten Erkenntnissen<br />
ausgebildete PflegerInnen, die liebevoll<br />
und geduldig nie die Grenzen der<br />
menschenwürde und der gebotenen<br />
Achtung vor dem Alter überschreiten.<br />
Die uns Anvertrauten haben in ihrer<br />
Zeit Schweres erlebt, nun ist unser<br />
Ziel, ihnen den Lebensabend so<br />
schön wie möglich zu gestalten.<br />
An oberster Stelle stehen immer die<br />
ethischen Prinzipien der Freiheit, men -<br />
schenwürde und Toleranz und jede<br />
Verletzung von einem dieser Grund -<br />
sätze wird sofort und unnachsichtig<br />
von mir geahndet.<br />
Wie im alten so wird es auch im neu -<br />
en Haus natürlich einen koscheren<br />
me nüplan mit Diätangeboten (überwacht<br />
vom maschgiach) und das Fei -<br />
ern der jüdischen Festtage geben, das<br />
ist zwar selbstverständlich, sollte<br />
aber doch erwähnt werden.<br />
Nicht unerwähnt möchte ich auch las -<br />
sen, dass das neue Haus sowohl die<br />
Ar beitsbedingungen <strong>als</strong> auch die Ar -<br />
beits plätze all meiner mitarbeiter In -<br />
nen entscheidend verbessern wird, so<br />
dass das Arbeiten im Alltag erleichtert<br />
wird.<br />
Eine wichtige Neuerung habe ich noch<br />
nicht genannt, nämlich die in den beiden<br />
obersten Etagen befindlichen Re -<br />
sidenzwohnungen, die wir <strong>als</strong> Ein-,<br />
Zwei- und Dreiraumappar te ments<br />
anbieten.<br />
Sie wohnen dort völlig frei, können<br />
aber alle Angebote und Leistungen des<br />
maimonides-Zentrum nutzen, so fer -<br />
ne Sie dies wünschen. Ihr Auto erhält<br />
auf Wunsch einen Garagenplatz und<br />
der nahe Prater bietet eine Reihe von<br />
Freizeitbeschäftigungen.<br />
Diese Appartements stelle ich mir für<br />
viele interessant vor: für Junge, die<br />
(noch) allein oder zu zweit sind und<br />
den Prater, die Hakoah-Sportstätten<br />
oder die nahe Donauinsel nützen<br />
wol len, aber auch für Ältere, die noch<br />
keiner Pflege bedürfen, aber die Be -<br />
quemlichkeiten und Angebote des<br />
mai monides-Zentrums schätzen ohne<br />
dabei in einem Heim wohnen zu müs -<br />
sen.<br />
Ich hoffe, ich konnte Ihnen einige In -<br />
for mationen bieten und sollte Ihr<br />
Interesse oder Ihre Neugier erwacht<br />
sein, so kommen Sie doch einmal bei<br />
mir vorbei und erfahren Sie die vielen<br />
Details und Einzelheiten, die ich hier<br />
nicht nennen konnte – am besten bei<br />
einer Tasse Kaffee – meine mitarbei -<br />
ter und ich freuen uns schon darauf.<br />
Hansjörg missbichler<br />
Geschäfstführer<br />
6 <strong>April</strong> <strong>2009</strong> - Nissan/Ijar 5769
Das Bündnis „Lichter gegen Rechts“<br />
und der Autor Tibor Zenker üben Kri -<br />
tik am Parteiprogramm der vom Do -<br />
kumentationsarchiv des Österreichischen<br />
Widerstandes (DÖW) <strong>als</strong><br />
rechts extrem eingestuften Nationalen<br />
Volkspartei (NVP): Das zweite Ka pi -<br />
tel sei zu rund 99 Prozent wortgleich<br />
mit einem Lehrplan der SS aus dem<br />
Jahr 1944. Nach einer KPÖ-Anzeige<br />
ermittle die Staatsanwaltschaft <strong>Wien</strong><br />
wegen des Verdachts der Wieder be -<br />
tätigung, berichtete der „Kurier“.<br />
Das antifaschistische Bündnis lädt am<br />
30. <strong>April</strong> in Linz zu einem „Lichterzug<br />
gegen Rechts“. Die beiden Texte würden<br />
sich laut Zenker lediglich hinsichtlich<br />
geringfügig umformulierter<br />
Einleitungssätze unterscheiden. Beim<br />
Themenbereich „Umwelt“ heißt es<br />
etwa in der SS-Schrift: „Die Umwelt ist<br />
gegeben ...“, bei der NVP wurde daraus:<br />
„Die Umwelt ist für uns gegeben ...“.<br />
Der Rest des Satzes blieb ident. An<br />
anderer Stelle wurde die SS-Be zeich -<br />
nung „gottgewollt“ durch „naturgewollt“<br />
ersetzt.<br />
„Da fragt man sich: Sind die Ideologen<br />
dieser Partei bloß so dreist oder wirklich<br />
so dumm, dass sie dachten damit durchzukommen?“,<br />
so Zenker. Er fordert <strong>als</strong><br />
Konsequenz die Auflösung und das<br />
Verbot der NVP: „Wer in seinem Par -<br />
teiprogramm wortwörtlich und dies über<br />
einen Abschnitt, der ein Achtel des Ge -<br />
samttextes ausmacht, Schulungs texte des<br />
SS-Hauptamtes wie der gibt, ist nicht mehr<br />
rechtsextrem, sondern neonazistisch.“<br />
POLITIK • INLAND<br />
SS-Zitate im NVP-Parteiprogramm<br />
„Hier könnten Gren zen überschritten<br />
wor den sein“, erklärte der Leiter des<br />
ober österreichischen Landesamtes für<br />
Terrorismusbekämpfung und Ver fas -<br />
sungsschutz (LVT), Michael Tisch lin ger.<br />
Die Behörden müsste ihre Panne korrigieren<br />
und die NVP verbieten, ap -<br />
pellierte Robert Eiter, Sprecher des OÖ<br />
Netzwerks gegen Rassismus und<br />
Rechts extremismus, in einer Presse -<br />
kon ferenz in Linz an das Innenminis -<br />
te rium. Seine und mehr <strong>als</strong> 40 andere<br />
Gruppierungen sowie Künstler, u.a.<br />
Er win Steinhauer, Willi Resetarits,<br />
Franzobel und Maxi Blaha, unterstützen<br />
den „Lichterzug gegen Rechts“.<br />
Die NVP versuche einen österreichischen<br />
Ableger der NPD „am extremistischen<br />
Rand“ aufzubauen, warnte<br />
Michael Lindner, Vorsitzender der So -<br />
zialistischen Jugend Oberös ter reich<br />
und mitorganisator der Kundgebung<br />
in Linz. Die aktuelle Wirtschaftskrise<br />
sei weiterer Nährboden für fremdenfeindliche<br />
Tendenzen, daher seien auch<br />
die Katholische Jugend Oberöster reich<br />
und die Gewerkschaftsjugend dem<br />
Bündnis beigetreten, erklärte deren<br />
mit glieder Markus Feichtinger und<br />
Gottfried Lichtenberger.<br />
Eine für 1. mai in Linz angekündigte<br />
NVP-Kundgebung wurde bisher be -<br />
hördlich nicht genehmigt. Eine Ver -<br />
an staltung, die in Braunau stattfinden<br />
sollte, hatte die Bezirks haupt mann -<br />
schaft bereits Ende märz untersagt. Die<br />
Begründung: „Die NVP ist eine rechtsextreme,<br />
fremdenfeindliche und rassistische<br />
Partei.“<br />
Zum Gedenken an 1.000 Tage Gefangenschaft des von der Hamas nach Gaza verschleppten<br />
israelischen Soldaten Gilad Shalit, fand eine Kundgebung vor der Zentrale des Roten Kreu zes<br />
in der Wiedner Hauptstraße statt. Die Kund ge bung wurde von der B'nai B'rith, ei ner der<br />
größten jüdischen Men schen rechtsorganisationen, der <strong>Israelitische</strong>n Kultusge mein de (IKG)<br />
sowie anderen Organisationen veranstaltet.<br />
Das Internationale Rote Kreuz wurde kritisiert, keine ernsthaften Bemühun gen zur Einhal -<br />
tung der Rechte und für die Freilassung von Gilad Shalit unternom men zu haben.<br />
Prozess gegen Holocaust-<br />
Leugner Gerd Honsik<br />
Der Holocaust-Leugner Gerd Honsik<br />
musste sich wieder wegen nation<strong>als</strong>ozialistischer<br />
Wiederbetätigung nach<br />
§ 3 g Verbotsgesetz (VG) vor einem<br />
<strong>Wien</strong>er Schwurgericht verantworten.<br />
Die 90 Seiten dicke Anklageschrift der<br />
Staatsanwaltschaft <strong>Wien</strong> umfasst 28<br />
An klagepunkte.<br />
Honsik war bereits im Jahr 1992 auf<br />
Basis seines Buchs „Freispruch für Hit -<br />
ler?“ von <strong>Wien</strong>er Geschworenen we -<br />
gen Wiederbetätigung zu eineinhalb<br />
Jahren unbedingter Haft verurteilt<br />
worden. Statt die Strafe anzutreten,<br />
setzte er sich während des offenen<br />
Rechtsmittelverfahrens nach Spa nien<br />
ab, wo er 15 Jahre unbehelligt blieb<br />
und - so der Vorwurf der Anklage be -<br />
hörde - weiter seinen Ruf <strong>als</strong> führender<br />
Publizist der rechtsextremen Sze -<br />
ne gefestigt haben soll.<br />
Die Staatsanwaltschaft lastet dem<br />
mitt lerweile 68-Jährigen an, während<br />
seiner Flucht in seiner Zeitschrift<br />
‘Halt’, in Büchern und im Internet<br />
wei ter nation<strong>als</strong>ozialistisches Gedan -<br />
kengut verbreitet zu haben. Der Tat -<br />
zeitraum erstreckt sich von 1987 bis<br />
2003. Im Fall eines Schuldspruchs<br />
drohen Honsik jetzt bis zu 20 Jahre<br />
Haft, da der Ankläger von einer „be -<br />
son deren Gefährlichkeit des Täters oder<br />
der Betätigung“ ausgeht.<br />
Auf Basis eines Europäischen Haft -<br />
befehls war der 68-Jährige im August<br />
2007 bei malaga festgenommen und<br />
ausgeliefert worden. Das <strong>Wien</strong>er<br />
Ober landesgericht bestätigte im De -<br />
zember 2007 die 1992 verhängte Stra fe,<br />
die der gesundheitlich angeblich an -<br />
ge schlagene Honsik zur Gänze verbüßt<br />
hat. Seither sitzt er wieder in U-<br />
Haft. APA<br />
<strong>April</strong> <strong>2009</strong> - Nissan/Ijar 5769 7<br />
© B. Gilkarov<br />
©APA<br />
POLITIK
Wieder einmal versteht der Dritte Na -<br />
tionalratspräsident martin Graf die<br />
Aufregung nicht. Diesmal geht es um<br />
die Einladung eines mannes ins<br />
Parlament, der dem Dokumen ta ti ons -<br />
ar chiv des österreichischen Wi der -<br />
stands seit „vielen, vielen Jahren“ be -<br />
kannt ist, „rechts am Rand des Rechts ex -<br />
tremismus“ sei und offenbar „kaum Be -<br />
rüh rungsängste zum deutschen Natio nal -<br />
sozialismus“ habe.<br />
Auch SPÖ-Klubobmann Josef Cap<br />
versteht die Aufregung um den Auf -<br />
tritt des extrem rechten Professors<br />
Walter marinovic nicht. marinovic war<br />
schon Gastredner bei der rechtsextremen<br />
AFP und hat einen Appell unterzeichnet,<br />
dass das „biologisch-ge ne ti sche<br />
Erbe des deutschen Volkes“ ge fährdet sei<br />
durch eine „multikulturelle Gesellschaft“<br />
und „Hintergrund mäch te“, zu denen<br />
„Juden und Jüdin nen“ gehören.<br />
Caps Begründung: Das Ganze finde<br />
in Eigenverantwortung des Ver an stal -<br />
ters statt, und „damit haben wir glücklicherweise<br />
nichts zu tun“, meint Cap.<br />
Im Klartext: Im Parlament kann man<br />
alles machen, man muss es nur in Ei -<br />
gen verantwortung tun.<br />
So einfach kann sich Cap nicht abputzen.<br />
Der Klubobmann hat den Ab ge -<br />
ord neten der SPÖ freigestellt, ob sie<br />
Graf zum Dritten Nationalratspräsi -<br />
denten wählen. ÖVP-Obmann Josef<br />
Pröll, der zu dieser Causa bisher<br />
schweigt, hat sogar eine Wahl em pfeh -<br />
lung abgegeben. So kam ein Wahler -<br />
gebnis von 69,9 Prozent zustande.<br />
Am vehementesten ist die rechte Flü -<br />
gelstürmerin der ÖVP, maria Fekter,<br />
<strong>als</strong> Verteidigerin von Graf aufgetreten.<br />
Die Innenministerin hat die Wahl<br />
Grafs zu einem Testfall für die De -<br />
mokratie gemacht: „Demokratie lebt<br />
von Spielregeln und deren Einhaltung.<br />
Zu diesen Spielregeln gehört es, dass im<br />
Hohen Haus die drei stärksten Fraktio-nen<br />
das Vorschlagsrecht für die Besetzung des<br />
Präsidiums haben“, verteidigte sie die<br />
POLITIK • INLAND<br />
„Rechte Gesinnung im Parlament“<br />
SPÖ und ÖVP mitverantwortlich für Graf und<br />
seine Umtriebe im Hohen Haus<br />
VON ALEXANDRA FÖDERL-SCHMID<br />
„DER STANDARD“ - Kommentar: Ausgabe 16.04.<strong>2009</strong><br />
Wahl Grafs in eine der höchsten<br />
Staats funktionen. Denn nicht er oder<br />
die Burschenschaft Olympia, deren<br />
mit glied der FPÖ-Politiker ist, seien<br />
das Problem, sondern deren Gäste:<br />
„Das Gedankengut dieser Gäste ist<br />
graus lich. Daher ist die Debatte darüber,<br />
dass ein solches Gedankengut in der Re -<br />
publik und im Hohen Haus nichts verloren<br />
hat, berechtigt“, schrieb Fekter in<br />
einer Aussendung am 28. Oktober.<br />
Jetzt sind Gäste, die solches Gedan -<br />
kengut verbreiten, im Hohen Haus an -<br />
gelangt. Und Fekter verweist auf ih ren<br />
Parteifreund, den Zweiten Na tio nal -<br />
ratspräsidenten Fritz Neuge bau er.<br />
Der will sich erst erklären. Und Na tio -<br />
nalratspräsidentin Barbara Pram mer<br />
verlangt einmal mehr eine Erklä rung<br />
Grafs und bedauert, eigentlich keine<br />
Handhabe gegen Graf zu haben.<br />
Graf hat Plakate für den umstrittenen<br />
Burschenschafter-Ball im Parlament<br />
aufgehängt. Der FPÖ-Politiker hat mit -<br />
arbeiter engagiert, die bei einem Ver -<br />
sand „Nazidreck“ (Zitat martin Graf)<br />
bestellt haben. Graf darf auf seiner<br />
Ho mepage historisch nicht belegbare<br />
Horrorzahlen über sudetendeutsche<br />
Opfer verbreiten und seinen Wider -<br />
stand mit niemand Geringerem <strong>als</strong><br />
Hitler-Attentäter Claus Stauffenberg<br />
vergleichen, der „seinen Einsatz mit dem<br />
Leben bezahlt“ habe.<br />
Was muss noch geschehen? Ein Auf -<br />
marsch von rechten Recken im Parlament?<br />
Die Verteilung von Bestell zet -<br />
teln für den Aufruhr-Versand oder das<br />
Singen von Nazi-Liedern? Graf lotet<br />
ganz offensichtlich die Grenzen aus.<br />
ÖVP und SPÖ sind mit schuld daran,<br />
dass rechtes Gedankengut im Parla -<br />
ment Einzug gehalten hat und ver brei -<br />
tet wird. Es war vor der Wahl be kannt,<br />
welche Gesinnung der FPÖ-Politiker<br />
vertritt. Er selbst hat nie ein Hehl daraus<br />
gemacht, sich nicht von der Bur -<br />
schenschaft Olympia distanziert - ge -<br />
wählt wurde er dennoch von mehr <strong>als</strong><br />
zwei Drittel der Volksvertreter im Ho -<br />
hen Haus. Nicht nur das Parlament,<br />
das Ansehen des Landes ist beschädigt.<br />
OTS<br />
Rechtsextremismus - Szene größer und besser organisiert<br />
Wenig überrascht von der Anzeigenstatistik zeigte sich Heribert Schiedel,<br />
Rechts extremismus-Experte des Dokumentationsarchiv des Österreichischen<br />
Widerstandes (DÖW): „Das DÖW warnt seit Jahren, dass sich etwas tut. Wir<br />
sind mit einem Wachstum in der Szene konfrontiert, sowohl in quan titativer <strong>als</strong><br />
auch in qualitativer Hinsicht“. Die Szene wer de einerseits größer, andererseits<br />
sei sie besser organisiert und strukturierter. „Entscheidend ist die Reaktion der<br />
Behörde“, sagte Schiedel. Als Unter mau e rung brachte er einen Vergleich zwischen<br />
Vorarl berg und <strong>Wien</strong>. In beiden Bundesländern habe das Neonazi-<br />
Skinhead-Netz werk Blood and Honour etwa zur gleichen Zeit versucht,<br />
Organisationsstrukturen aufzubauen. In <strong>Wien</strong> blieb es beim Versuch, in<br />
Vorarlberg gab es im <strong>April</strong> einen Skinheadaufmarsch, bei dem „die Blood and<br />
Honour-Führungsriege, international gesehen, teilnahm“, so der DÖW-Ex per te. „Wo<br />
sind wir denn? Und ein Beamter nennt das Gedenkmarsch für einen Kame ra den,<br />
wörtlich.“<br />
Stark steigenden Anzeigenzahlen stehe ein massiver Rückgang der Verur tei -<br />
lungen nach dem Verbotsgesetz gegenüber. „2006 gab es 24 Verurteilungen nach<br />
dem Verbotsgesetz, 2007 waren es zehn. Das ist ein Rückgang um mehr <strong>als</strong> 50 Pro -<br />
zent.“ Auch der Umfang im Verfassungsschutzbericht des Innen minis te ri ums<br />
habe sich verringert. Schiedel verwies außerdem auf einen „all gemeinen gesellschaftlichen<br />
Rechtsruck“. Dieser äußere sich „in mehr Gewalt be reit schaft und<br />
Mili tanz“. So sei etwa die Wahl von martin Graf und die Affäre um die Be stel -<br />
lungen seiner mitarbeiter bei einem rechtsextremen Versand ein Aus druck<br />
dafür. In den Verfassungsschutzberichten werden ab 2002 Bur schen schaf ter<br />
nicht mehr genannt.<br />
8 <strong>April</strong> <strong>2009</strong> - Nissan/Ijar 5769
gegen<br />
Iran-Reise<br />
der Wirtschaftskammer<br />
und<br />
Durban-II-<br />
Konferenz<br />
Das überparteiliche Bündnis STOP<br />
THE BOmB, das sich für Sanktionen<br />
gegen das iranische Regime und für<br />
die Unterstützung der Opposition<br />
engagiert, kritisiert eine vom 25. bis<br />
28. <strong>April</strong> geplante „Erkundungsreise“<br />
der Wirtschaftskammer Österreich in<br />
den Iran und die Teilnahme Österreichs<br />
an der so genannten „Antiras -<br />
sis mus-Konferenz“ in Genf, für die<br />
der iranische Präsident Ahmadinejad<br />
seine Teilnahme angekündigt hat.<br />
STOP THE BOmB-Sprecherin Simone<br />
Dinah Hartmann sieht in der WKO-<br />
Reise in den Iran eine Unter minie rung<br />
des internationalen Drucks auf das<br />
Regime in Teheran: „Während europaweit<br />
eine Ausweitung von Sanktionen ge -<br />
gen das Regime diskutiert wird, um es zu -<br />
mindest von seinem Nuklearpro gramm<br />
abzubringen, marschiert Österreich in<br />
die entgegen gesetzte Richtung.“<br />
Ursula Stenzel, die zu den Unter -<br />
zeich nern der STOP THE BOmB-Pe ti -<br />
tion gegen Geschäfte mit dem iranischen<br />
Regime zählt, fordert von der<br />
WKO ein verantwortliches Vorgehen:<br />
„Die Iran-Reise der WKO sendet das f<strong>als</strong>che<br />
Signal. Natürlich sollen internationale<br />
Geschäftsbeziehungen ausgebaut werden.<br />
Aber bei einem Regime wie dem iranischen<br />
müssen kurzfristige Wirtschafts in -<br />
POLITIK • ILAND<br />
ter essen zurückstehen. Mit einem Regi me,<br />
das Holocaust-Leugnung zu einem Be -<br />
standteil seiner Außenpolitik macht und<br />
Israel mit der Vernichtung droht, kann es<br />
kein business as usual‚ geben.“<br />
Das iranische Regime, das maßgeblich<br />
an der Produktion und Verbreitung<br />
an tisemitischer Propagandaschriften<br />
wie der „Protokolle der Weisen von<br />
Zi on“ beteiligt ist, war an der Vor be -<br />
reitung der Zweiten „Antiras sis mus“-<br />
Konferenz der UN in Genf be teiligt.<br />
Die ehemalige SPÖ-Politikerin Eli -<br />
sabeth Pittermann, eine der Erstun ter -<br />
stützerinnen von STOP THE BOmB,<br />
stellt die Durban II-Konferenz prinzipiell<br />
in Frage: „Die Konferenz in Genf<br />
dient nicht der dringend gebotenen Be -<br />
kämpfung des Rassismus, sondern der<br />
De legitimierung Israels. Sie fördert nicht<br />
Simone Dinah Hartmann bei der Mahnwache<br />
vor dem <strong>Wien</strong>er Parlament<br />
die Einhaltung der Menschenrechte, sondern<br />
bietet den schlimmsten Menschen -<br />
rechts verletztern wie dem iranischen Re -<br />
gime ein Podium.“<br />
Madeleine Petrovic, Vorsitzende der<br />
Grünen Niederösterreichs, die kürzlich<br />
die STOP THE BOmB-Petition<br />
für Sanktionen gegen den Iran unterzeichnet<br />
hat, fordert von der Bundes -<br />
re gierung: „Durch die Teilnahme Ahma -<br />
di nejads hätten die europäischen Re gie -<br />
rungen nur noch einen weiteren gu ten<br />
Grund, diese Konferenz zu boykottieren.<br />
Die österreichische Regierung sollte sich<br />
nicht nur klar gegen die Bemü hun gen der<br />
Wirtschaftskammer zum Ausbau des ös -<br />
ter reichischen Iran-Handels aussprechen,<br />
sondern auch dem offensichtlichen Miss -<br />
brauch des Antirassismus, wie er bei der<br />
Durban-Folgekonferenz in Genf zu er war -<br />
ten ist, eine klare Absage erteilen.“<br />
„Das heißt, die großen Völker Ame ri -<br />
kas und verschiedener Nationen in<br />
Europa müs sen den Forderungen und<br />
Wün schen einer kleinen Zahl habgieriger<br />
und invasiver Leute gehorchen.<br />
Diese Nationen ge ben ihre Würde und<br />
ihre Ressourcen für die Verbrechen und<br />
Besatzungen und Bedrohungen der<br />
zionistischen Netz werks gegen ihren<br />
Wille her…“<br />
Ahmadinejad am 23.09.08<br />
vor der UN-Vollversammlung<br />
<strong>April</strong> <strong>2009</strong> - Nissan/Ijar 5769 9<br />
-
Seit Dezember 2007 mobilisiert die<br />
Kam pagne STOP THE BOmB gegen<br />
Ge schäfte mit dem iranischen Regi -<br />
me, insbesondere gegen das geplante<br />
milliardengeschäft der ÖmV. Im<br />
Rahmen unserer Aktivitäten sind wir<br />
immer wieder mit den gleichen Ein -<br />
wän den konfrontiert. Einige dieser<br />
gängigen Argumentationen und<br />
Nach fragen sollen im Folgenden aufgegriffen<br />
und widerlegt bzw. beantwortet<br />
werden.<br />
Selbst die US-amerikanischen Geheim -<br />
dien ste gehen davon aus, dass der Iran<br />
keine Atomwaffen baut.<br />
Gerade jene Formulierungen des Na tio -<br />
nal Intelligence Estimate von 2007, die<br />
in der internationalen Presse begierig<br />
aufgegriffen wurden, sind politische<br />
Einschätzungen, keine nachrichtendienstlichen<br />
Feststellungen und werden<br />
mittlerweile selbst von einigen<br />
der Autoren des Berichts in Zweifel<br />
ge zogen. Selbst wenn sie richtig wä -<br />
ren – der Inhalt des Berichts hat kaum<br />
etwas mit dem zu tun, was in den<br />
deutschen und österreichischen me -<br />
di en <strong>als</strong> Entwarnung hinsichtlich des<br />
iranischen Nuklearprogramms über<br />
die NIE verlautbart wurde. In dem<br />
Bericht war lediglich die Rede davon,<br />
dass vermutlich einzelne Komponenten<br />
des Atomwaffenprogramms eingestellt<br />
wurden.<br />
POLITIK • IRAN<br />
Das iranische Regime<br />
und die Möglichkeiten<br />
einer Sanktionspolitik<br />
Fragen, Einwände und Antworten<br />
Von Stephan Grigat<br />
Der Iran hat Jahre lang versucht, sein<br />
angeblich ziviles Nuklearprogramm<br />
ge heim zu halten und wiederholt ge -<br />
gen internationale Abkommen verstoßen.<br />
Ein ziviles Atomprogramm im<br />
Iran ist sowohl ökonomisch <strong>als</strong> auch<br />
ökologisch völlig unsinnig. Heute ar -<br />
bei tet der Iran an Raketen, die auf<br />
Grund ihrer Zielungenauigkeit militärisch<br />
nur dann Sinn machen, wenn<br />
sie mit nuklearen Gefechtsköpfen<br />
ausgerüstet werden.<br />
Israel hat auch Atomwaffen. Warum<br />
sollte man sie dem Iran verweigern?<br />
Israel ist im Gegensatz zum Iran eine<br />
rechtsstaatliche Demokratie, die keinem<br />
anderen UN-mitglied mit der<br />
Aus löschung droht. Im Iran herrscht<br />
ein totalitäres Regime, das Israel seit<br />
fast 30 Jahren mit der Vernichtung<br />
droht. Jedes arabische Land konnte<br />
und kann darauf vertrauen, dass Is -<br />
rael seine offiziell nicht deklarierten<br />
Nuklearwaffen niem<strong>als</strong> zur Durch set -<br />
zung territorialer Expansion oder im<br />
‚Krieg der Ideen’, der in der Re-gion<br />
mit Israel <strong>als</strong> Frontstaat ausgefochten<br />
wird, einsetzen würde. Dem Iran hingegen<br />
trauen auch Länder wie Ägypten<br />
oder Saudi-Arabien zu, die Tech -<br />
no logie der massenvernichtung zur<br />
Umsetzung ebenso mörderischer wie<br />
selbstmörderischer Ziele anzustreben.<br />
Daher würden iranische Nu klear waf -<br />
fen, anders <strong>als</strong> die israelischen, ein<br />
atomares Wettrüsten im Nahen Osten<br />
verursachen.<br />
Würde der Nahost-Konflikt gelöst,<br />
ließen sich auch die Probleme mit dem<br />
Iran regeln.<br />
Dem iranischen Regime geht es nicht<br />
um einen Ausgleich und Kompro miss<br />
mit Israel oder um eine Verbesserung<br />
der Situation der Palästinenser, sondern<br />
um die Vernichtung des jüdischen<br />
Staates. Das Regime unterstützt<br />
jene palästinensischen Gruppen und<br />
die Hisbollah im Libanon, die jegliche<br />
Verhandlungslösung torpedieren.<br />
Nach dem Willen der mullahs muss<br />
der Zionismus aus der Weltge schich -<br />
te verschwinden.<br />
Ahmadinejad hat gar nicht davon<br />
gesprochen, Israel von der Landkarte<br />
tilgen zu wollen. Es handelt sich um<br />
einen Übersetzungsfehler.<br />
Ahmadinejad selbst hat auf seiner<br />
eng lischsprachigen Homepage die<br />
ent sprechende Rede veröffentlicht.<br />
Aber auch die mittlerweile kolportierte<br />
deutsche Übersetzung, wonach Ah -<br />
ma dinejad gesagt habe, „Das Re gi me,<br />
das Jerusalem besetzt hält, muss aus den<br />
Annalen der Geschichte getilgt werden“,<br />
bedeutet nichts anderes <strong>als</strong> die For -<br />
derung nach der Zerstörung Is ra els.<br />
10 <strong>April</strong> <strong>2009</strong> - Nissan/Ijar 5769
Iran ist nicht Hitler-Deutschland.<br />
Das behauptet auch niemand, aber es<br />
existieren ideologische Schnittmen gen.<br />
Durch die offensichtlichen Unter -<br />
schie de wird der Iran auch nicht<br />
weniger gefährlich. Im Nation<strong>als</strong>o zia -<br />
lismus gab es keine Nuklearwaffen,<br />
die es heute einem Schwellenland er -<br />
möglichen, eine existenzielle Bedrohung<br />
darzustellen. Im Zeitalter von<br />
mas senvernichtungswaffen ist es kei ne<br />
Beruhigung, wenn darauf verwiesen<br />
wird, dass der Iran nicht über eine der -<br />
art schlagkräftige National öko no mie<br />
verfügt wie Nazi-Deutschland. man<br />
benötigt heute zum massenmord kei -<br />
ne Wehrmacht mit knapp 20 milli o nen<br />
Soldaten und auch nicht die Unter -<br />
stüt zung einer Volksgemeinschaft.<br />
Ahamdinejad hat gar nicht so viel zu<br />
sagen im Iran.<br />
Das stimmt, macht aber das Problem<br />
größer, nicht kleiner. Die macht des<br />
Präsidenten ist zum einen durch das<br />
komplizierte Institutionengeflecht im<br />
Iran eingeschränkt, zum anderen<br />
durch die allen Institutionen übergeordnete<br />
„Herrschaft der Rechtsge lehr -<br />
ten“, durch welche die Entscheidungs -<br />
befugnisse beim Obersten Geistlichen<br />
Führer Ali Khamenei konzentriert<br />
sind, der wiederholt zur „Vernich tung<br />
und Zerstörung des jüdischen Staates“<br />
aufgerufen hat. Das bedeutet, auch mit<br />
einer Abwahl Ahmadinejads wären die<br />
Probleme keineswegs verschwunden.<br />
Der Iran ist ein rationaler Akteur, der<br />
eine Atombombe niem<strong>als</strong> einsetzen<br />
würde.<br />
Die Bombe bräuchte von Teheran gar<br />
nicht eingesetzt zu werden, um die<br />
Zukunft Israels zu gefährden: Atom -<br />
waffen in der Hand der iranischen<br />
mullahs würden es jedem arabischen<br />
Regime in der Zukunft verunmögli -<br />
chen, einen Friedensschluss mit Israel<br />
anzustreben. Israel könnte selbst ge -<br />
gen massiven Raketenbeschuss durch<br />
die iranischen Verbündeten an der<br />
Nord- und Südgrenze des Landes<br />
angesichts der Drohung mit der Tehe -<br />
raner Bombe nicht mehr adäquat reagieren.<br />
Ohne einen einzigen Schuss<br />
abzugeben, könnte Ahmadinejad oder<br />
einer seiner Nachfolger eine Ent völ -<br />
ke rung Israels herbeizwingen: Schon<br />
heute überlegen 27 Prozent der Israe -<br />
lis, das Land zu verlassen, so bald der<br />
POLITIK • IRAN<br />
Iran über Nuklearwaffen verfügt.<br />
Aber auch der Einsatz von mas sen -<br />
vernichtungswaffen wird vom Regi me<br />
nicht ausgeschlossen. Das iranische<br />
Regime trägt die märtyrerideologie<br />
nicht <strong>als</strong> Rhetorik vor sich her, sondern<br />
macht ausgehend von ihr Po li tik. 2001<br />
spekulierte Ex-Präsident Raf sand -<br />
scha ni bei einer Kundgebung zum Al-<br />
Quds-Tag darüber, dass bereits der<br />
Einsatz einer Atombombe, gezündet<br />
in der Nähe von Tel Aviv, ausreichen<br />
werde, um Israel zu vernichten und<br />
fügte hinzu: „Auch wenn dies der islamischen<br />
Welt Schaden zufügen wird, ist<br />
es nicht widersinnig, so eine Möglichkeit<br />
in Betracht zu ziehen.“ Solche Überlegungen<br />
stehen in der Tradition von<br />
Ajatollah Khomeini, der schon kurz<br />
nach der Revolution von 1979 erklärt<br />
hatte, der Iran könne ruhig untergehen,<br />
wenn nur der Islam den Sieg im<br />
weltweiten Kampf gegen die Un gläu -<br />
bigen davon trage.<br />
Auch andere Diktaturen im Nahen<br />
Osten verletzten die Menschenrechte<br />
und sind antiisraelisch.<br />
Es gibt auch keinen Grund, diese Re -<br />
gime von der Kritik auszunehmen.<br />
Den noch besteht ein wichtiger Un ter -<br />
schied zum Iran. Die spezifische Ge -<br />
fährlichkeit des iranischen Regimes<br />
resultiert aus der Kombination von<br />
apokalyptischem märtyrertum, Anti -<br />
semitismus und dem Streben nach der<br />
Technologie der massen ver nich tung.<br />
Der Antisemitismus dient dem<br />
Regime nur zur Ablenkung<br />
von innenpolitischen Problemen.<br />
Der Antisemitismus ist keine taktische<br />
Strategie, sondern gehört zum ideologischen<br />
Kern des islamischen Djiha -<br />
dis mus. Aus der Erfahrung mit dem<br />
Nation<strong>als</strong>ozialismus sollte man begrif<br />
fen haben, dass Antisemiten die<br />
An kündigung ihrer Verbrechen, so irr -<br />
sinnig und selbstmörderisch sie auch<br />
erscheinen mögen, ernst meinen. Das<br />
gilt insbesondere für ein Regime, das<br />
Konferenzen zur Leugnung des Holo -<br />
causts veranstaltet und regelmäßig<br />
für die Neuauflage der „Protokolle der<br />
Weisen von Zion“ sorgt.<br />
Was soll am iranischen Regime<br />
antisemitisch sein? Im Iran existiert<br />
eine große jüdische Gemeinde.<br />
Im Pseudo-Parlament ist sogar ein<br />
Platz für einen Vertreter der jüdischen<br />
minderheit vorgesehen. Juden werden<br />
im Iran nicht in dem maße systematisch<br />
verfolgt wie beispielsweise die<br />
Baha’i. Nichtsdestotrotz sind sie kei ne<br />
gleich berechtigten Staatsbürger. Die<br />
im Iran verbliebenen Juden bekommen<br />
die Rolle von ‚Dhimmis’ (‚Schutz -<br />
befohlenen’) zugewiesen, die der Is -<br />
lam für bestimmte minderheiten vorsieht.<br />
Wenn sie sich damit abfinden,<br />
dass sie <strong>als</strong> eine weit gehend entrechtete<br />
und diskriminierte minderheit in<br />
islamischen Ländern existieren, wird<br />
ihnen das Lebensrecht nicht vorenthal-<br />
<strong>April</strong> <strong>2009</strong> - Nissan/Ijar 5769 11<br />
© Reuters
© Reuters<br />
ten. Juden im Iran müssen sich be stän -<br />
dig von Israel und dem Zionis mus<br />
dis tanzieren, um sich nicht dem Ver -<br />
dacht der Kollaboration auszusetzen.<br />
Auf Grund der ideologischen Aus -<br />
richtung des Regimes kann die systematische<br />
Diskriminierung jederzeit<br />
in offene Verfolgung umschlagen.<br />
Der Khomeinismus richtet sich keineswegs<br />
nur gegen den israelischen<br />
Staat, sondern hat offen seine Feind -<br />
schaft zum Judentum erklärt.<br />
Die Kampagne STOP THE BOMB<br />
beteiligt sich an der Kriegshetze gegen<br />
den Iran.<br />
Wir fordern umfassende wirtschaftliche<br />
Sanktionen gegen den Iran und<br />
die Förderung der auf Rechtsstaat -<br />
lich keit zielenden säkularen Opposi ti -<br />
on. Wir zeigen damit die letzte verbliebene<br />
nichtmilitärischen möglichkei -<br />
ten auf, das iranische Regime, das seit<br />
30 Jah ren einen Krieg gegen die eigene<br />
Be völ kerung führt, von seinem Atom -<br />
pro gramm abzubringen und das Re -<br />
gi me zu schwächen. militärische Aus -<br />
ein an dersetzungen werden von jenen<br />
beför dert, die sich gegen diese maß -<br />
nah men stellen.<br />
Sanktionen bringen nichts.<br />
Die iranische Industrie ist von Zulie -<br />
fe rungen aus Europa abhängig. Al lein<br />
zwei Drittel der Unternehmen sind<br />
beispielsweise auf Ersatzteile aus<br />
Deutschland angewiesen, das mit ei -<br />
nem Handelsvolumen von 3 bis 4 mrd.<br />
Euro pro Jahre zu den wichtigs ten Ge -<br />
schäftspartnern des iranischen Re gi -<br />
POLITIK • IRAN<br />
mes gehört. Konsequente Sanktionen<br />
seitens der europäischen Länder würden<br />
die iranische Wirtschaft, und da mit<br />
auch das Nuklearprogramm, in ner halb<br />
weniger monate zusam men bre chen<br />
lassen – und damit das Regime in existenzielle<br />
Schwierigkei ten stürzen.<br />
Vier Resolutionen des UN-Sicherheitrates<br />
Mit der Resolution 1696 (2006) wurden dem<br />
Iran völkerrechtlich bindende Anweisungen<br />
gemacht. Nachdem der Iran die ser Resolution<br />
nicht nachkam, verhängte das Gre mium am<br />
23.12.06 durch seine Re so lu tion 1737 (2006) ein<br />
Embargo auf be stimm te Güter. Dabei handelte<br />
es sich um Material, Aus rüstungen, Dienst -<br />
leis tungen und sonstige Unterstüt zun gen, die<br />
dem iranischen Atom pro gramm dienen. Aus<br />
dem Bericht des Gene raldirektors der IAEO vom<br />
22.02.07 ging her vor, dass Iran auch weiterhin<br />
die Anord nun gen der IAEO und der Resolu tio -<br />
nen 1696 und 1737 nicht umgesetzt hat. Des -<br />
wegen er wei terte der Sicherheitsrat diese<br />
Sank tionen um eine Reihe von Institutionen und<br />
Privat per so nen und gab Iran sechzig Tage Zeit,<br />
die Reso lu tion 1747 (2007) zu erfüllen. Alle die se<br />
Re solu tio nen wurden nach Kapitel VII der<br />
UN-Char ta verabschiedet und sind damit völkerrechtlich<br />
bindende und durchsetzbare Ent -<br />
scheidungen; die Verab schie dung er folgte aber<br />
jeweils unter den Be schrän kungen des Arti kels<br />
41 der UN-Char ta, womit eine mi li täri sche Lö -<br />
sung zur Erfüllung der Re so lu tionen ausgeschlossen<br />
ist.<br />
Die Resolution 1803 (2008) vom 3.03.08 be -<br />
kräftigt die vorangegangenen Resolutionen und<br />
erweiterte die Sanktionen auf den Handel mit<br />
Gütern die sowohl für den zivilen <strong>als</strong> auch mi -<br />
li tärischen Bereich Anwendung finden können.<br />
Nach Angaben des amerikanischen UN-Bot -<br />
schaf ters Zalmay Khalilzad sei der Iran auf der<br />
Suche nach Plänen für einen nuklearen Spreng -<br />
kopf und nach Wegen zur Minia turi sie rung<br />
des sen zum Einbau auf einer Atom ra ke te.<br />
Warum sollte Europa zugunsten von<br />
Russland oder China auf Iran-Geschäfte<br />
verzichten?<br />
Im Hochtechnologiebereich, in dem<br />
die Lieferungen aus Europa in den<br />
Iran für das Regime in Teheran be son -<br />
ders wichtig sind, können solche<br />
Länder kurz- und mittelfristig nicht<br />
in die Bresche springen, sollten sich<br />
die eu ro päischen Staaten zu konsequenten<br />
Sanktionen entschließen.<br />
Sanktionen treffen nur die Bevölkerung.<br />
Die iranische Bevölkerung leidet seit<br />
30 Jahren unter dem Regime der Aja -<br />
tollahs, das versucht, sich durch eine<br />
florierende Ökonomie zu legitimieren.<br />
Wirtschaftliche Schwierigkeiten delegitimieren<br />
das Regime in den Augen<br />
der iranischen Bevölkerung. Die relative<br />
Stabilität des Regimes beruht auf<br />
brutaler Unterdrückung in Kombina -<br />
tion mit materiellen Zugeständ nis sen.<br />
Anders <strong>als</strong> beispielsweise im Irak Sad -<br />
dam Husseins kann das iranische Re -<br />
gime die Kosten der Sanktionen nicht<br />
einfach auf die Bevölkerung ab wäl -<br />
zen. Zudem existiert die mög lich keit<br />
von smart sanctions, die bewusst darauf<br />
achten, kein unnötiges Leid über die<br />
Bevölkerung zu bringen, aber das Re -<br />
gi me zu treffen. Für einen Re gi me -<br />
wech sel von innen ist keine Ver bes -<br />
serung der wirtschaftlichen Situa tion<br />
nötig, sondern eine Unterstützung<br />
der iranischen Opposition, die für<br />
einen säkularen und rechtsstaatlichen<br />
Iran kämpft. Daher unterstützen<br />
große Teile dieser Opposition auch<br />
die Forderungen nach Sanktionen<br />
und der Isolierung des Regimes.<br />
Dr. Stephan Grigat ist<br />
Lehrbeauftragter für<br />
Po litik wissen schaft an<br />
der Uni ver sität <strong>Wien</strong><br />
und wissenschaftli cher<br />
Be ra ter von STOP THE<br />
BOMB.<br />
www.stopthebomb.net<br />
buch-tipp<br />
Literatur:<br />
Stephan Grigat/<br />
Simone Dinah<br />
Hartmann (Hg.):<br />
Der Iran – Analyse einer<br />
islamischen Diktatur<br />
und ihrer europäischen<br />
Förderer.<br />
Studienverlag: <strong>Wien</strong> –<br />
Innsbruck – Bozen 2008<br />
12 <strong>April</strong> <strong>2009</strong> - Nissan/Ijar 5769
August 2002 - Iranische Exilanten berichten vom<br />
Bau einer großen Uran-Anreicherungs an la ge in<br />
Natanz und einer Schwerwasser-Anlage in Arak.<br />
Teheran hat die UNO nicht informiert<br />
Dezember 2002 - Die USA werfen Teheran vor,<br />
heimlich an einem Atomwaffenprogramm zu ar -<br />
bei ten. Iran stimmt Prüfungen durch die In ter -<br />
nationale Atomenergiebehörde (IAEA) zu.<br />
Februar 2003 - Der iranische Präsident Moham -<br />
mad Khatami teilt mit, Iran habe mit der Uran-<br />
För derung begonnen und plane einen nuklearen<br />
Brennstoffkreislauf. IAEA-Chef Mohammed El Ba -<br />
radei reist mit Inspektoren zu Proben in den Iran.<br />
Juni 2003 - IAEA-Chef ElBaradei wirft Iran vor,<br />
nicht seine gesamte nukleare Arbeit offenzulegen.<br />
September 2003 - Nachdem zum wiederholten<br />
Mal hoch angereichertes Uran gefunden wurde,<br />
soll Iran ein freiwilliges Zusatzprotokoll unterzeichnen,<br />
das weitere Inspektionen ermöglicht.<br />
Dezember 2003 - Iran unterzeichnet in <strong>Wien</strong> das<br />
Zusatzprotokoll der IAEA.<br />
September 2004 - IAEA fordert den Stopp der ira -<br />
nischen Vorbereitungen für eine Uran-An rei che -<br />
rung im großen Maßstab. US-Außen minis ter Co lin<br />
Powell nennt Iran eine wachsende Gefahr und ruft<br />
den Weltsicherheitsrat zu Sanktionen auf.<br />
November 2004 - Bei Gesprächen mit Frank reich,<br />
Deutschland und Großbritannien (EU-3) ver -<br />
spricht Iran, alle Anreicherungs-Aktivitäten vorübergehend<br />
einzustellen.<br />
Februar 2005 - Präsident Mohammed Khatami:<br />
„Keine iranische Regierung wird das Atom pro gramm<br />
aufgeben.“<br />
Mai 2005 - Die EU-3 warnt davor, bei Wiederauf -<br />
nahme der Uran-Anreicherung alle Handel- und<br />
Wirtschafts-Verhandlungen abzubrechen. Iran will<br />
bis Ende Juli detaillierte Vorschläge der Europäer<br />
abwarten.<br />
August 2005 - Hardliner Mahmud Ahmadine -<br />
dschad wird iranischer Präsident. Teheran kündigt<br />
die „unumkehrbare“ Wiederaufnahme der Uran-<br />
An reicherung an. Iran lehnt die jüngsten europäischen<br />
Vorschläge zur Beilegung der Atomkrise ab.<br />
Iran ernennt den konservativen Politiker Ali<br />
Larijani zum Atom-Chefunterhändler und nimmt<br />
Arbeiten am Brennstoffkreislauf bei Isfahan wieder<br />
auf.<br />
September 2006 - IAEA bestätigt, dass der Iran<br />
die Uran um wand lung in Isfahan wieder aufgenom -<br />
men hat.<br />
November 2005 - Das Direktorium der IAEA vertagt<br />
weitere Aktionen zu Irans Atomprogramm.<br />
Damit soll der Verhandlungsweg über einen russischen<br />
Kompromiss-Vorschlag eröffnet werden, wo -<br />
nach Iran in Russland unter strengen Kon trol len<br />
Uran anreichern könnte.<br />
Dezember 2005 Teheran weist das Angebot Mos -<br />
kaus zur Uran-Anreicherung in Russland zu rück.<br />
Januar 2006 - Iran bricht in Natanz die UNO-Ver -<br />
sie ge lung auf und nimmt die Forschungen an<br />
Atom treibstoffen wieder auf.<br />
Februar 2006 - IAEA entschließt sich, dem UNO-<br />
Si cher heitsrat über die Vorgänge im Iran Be richt zu<br />
POLITIK • IRAN<br />
CHRONOLOGIE DES IRANISCHEN ATOMPROGRAMMS<br />
erstatten. Tags darauf verweist Iran UN-Inspek to ren<br />
des Landes und nimmt nach zweieinhalb Jahren<br />
Pause die Einspeisung von Uran-Gas in Zentrifu gen<br />
in Natanz wieder auf.<br />
März 2006 - IAEA berichtet dem UNO-Si cher heits -<br />
rat: Verifizierung der rein friedli chen Ab sich ten des<br />
iranischen Atompro gramms ist un mög lich.<br />
<strong>April</strong> 2006 - Der Iran verkündet, er sei in der La ge,<br />
an ge reichertes Uran für den Betrieb von Kraft wer -<br />
ken herzustellen. Die IAEA be stätigt dies.<br />
Juni 2006 - EU-Außenminister Javier Solana eröffnet<br />
Teheran bei einem Besuch ein Pa ket von An -<br />
ge bo ten, sollte der Iran seine Uran an rei cherung<br />
einstellen.<br />
Juli 2006 - Der UNO-Sicherheitsrat fordert eine<br />
Aus set zung des iranischen Nuklear pro g ramms<br />
bis 31. August. Erstm<strong>als</strong> liegt eine Resolution vor,<br />
die für den Iran rechtlich bindend ist und mit Sank -<br />
tionen droht. Der Iran weist die Resolution zu rück.<br />
August 2006 - Iran lässt die Frist des Weltsicher -<br />
heits rats verstreichen.<br />
September 2006 - Russland und der Iran ver ein -<br />
ba ren, dass der Reaktor von Bu schehr bis Sep tem ber<br />
2007 fertig sein und im November 2007 ans Netz<br />
gehen soll.<br />
Oktober 2006 - Nach vier Monaten intensiver Ge -<br />
spräche über die Unterbrechung der iranischen Nu -<br />
klearaktivitäten ist nach Aussage des EU-Außen -<br />
be auftragten Solana keine Einigung in Sicht. Der<br />
Dialog kann nicht unbegrenzt fortgesetzt werden,<br />
so Solana.<br />
November 2006 - IAEA: Der Iran verfolgt weiter<br />
seine Urananreicherung, hat in eine Kette von 164<br />
Zentrifugen Uran-UF6-Gas zur Anreiche rung ge -<br />
füllt und sperrt sich gegen Inspektionen.Bis März<br />
2007 sollen 3.000 Zentrifugen installiert werden.<br />
Dezember 2006 - Die Resolution 1737 des UNO-<br />
Sicherheitsrats beschließt erstm<strong>als</strong> Sank tionen<br />
ge gen den Iran. Alle Lieferun gen von Techno lo gie<br />
und Materialien sollen unterbunden werden, die<br />
die iranische Atom- und Raketen pro gramme för -<br />
dern. Die Vermögen von zehn iranischen Fir men<br />
und zwölf Einzelpersonen werden ein gefro ren. Der<br />
Iran bezeichnet diese Maß nah men <strong>als</strong> illegal.<br />
Präsident Ahmadinedschad sagt, die Resolution<br />
1737 habe „keinen Einfluss“ auf das Atom pro -<br />
gramm des Iran.<br />
März 2007 - Der UN-Sicherheitsrat stimmt einstimmig<br />
für eine Verschärfung der Sanktionen ge -<br />
gen den Iran. Der Beschluss enthält unter anderem<br />
ein Verbot von Waffenausfuhren und das Einfrie ren<br />
weiterer Konten. Teheran nennt die neuen Maß -<br />
nah men „unnötig und nicht gerechtfertigt“.<br />
<strong>April</strong> 2007 - Nach Angaben von Präsident Ahma -<br />
di nedschad kann Iran nuklearen Brennstoff im in -<br />
dustriellen Maßstab produzieren. Zehn Tage später<br />
bestätigt die IAEA, dass Iran in seiner unterirdischen<br />
Anreicherungsanlage mit der Herstellung von<br />
nuklearem Brennstoff begonnen und über 1.300<br />
Zentrifugen installiert hat.<br />
Mai 2007 - In einem neuen IAEA-Bericht, der zeitgleich<br />
mit Ablauf einer weiteren Frist des Weltsi -<br />
cherheitsrates erscheint, hält sich der Iran nach wie<br />
vor nicht an die Forderungen der Weltgemein schaft<br />
und intensiviert sogar die Uran-Anreicherung.<br />
Juni 2007 - Im Iran wird das Benzin rationiert. Pri -<br />
vaten Autofahrern stehen nur noch 100 Liter Treib -<br />
stoff pro Monat zur Verfügung. In Teheran kommt<br />
es zu gewaltsamen Unruhen.<br />
August 2007 - Iran und IAEA einigen sich auf ei nen<br />
„Arbeitsplan“ zur Beantwortung der ausstehenden<br />
Fragen zu Irans Atomprogramm. In Na tanz arbeiten<br />
1.968 Zen trifugen an der Anrei che rung von Uran.<br />
September 2007 - Der französische Außen mi nis -<br />
ter Bernard Kouchner meint, die Welt solle sich<br />
auf einen Krieg mit dem Iran vorbereiten – nachdem<br />
sein Präsident Nicolas Sarkozy davon ge spro -<br />
chen hatte, dass die einzige Alternative „eine iranische<br />
Bombe oder den Iran zu bombardieren“ sei.<br />
Oktober 2007 - Die USA verschärfen die Sank tio nen<br />
gegen Iran und werfen dem Iranischen Re vo lu ti ons -<br />
gardekorps die Verbreitung von Massen ver nich -<br />
tungs waffen vor.<br />
November 2007 - Die fünf ständigen Mitglieder im<br />
UN-Sicherheitsrat (USA, Großbritannien, Frank reich,<br />
Russland und China) sowie Deutsch land ver han -<br />
deln über eine dritte Sanktionsrunde gegen Iran.<br />
15. November 2007 - Die Beurteilung der IAEA über<br />
Irans Zusammenarbeit im Rahmen des neu en „Ar -<br />
beitsplans“ zur Aufklärung strittiger Fragen fällt ge -<br />
mischt aus. Der Iran weigert sich weiterhin, der<br />
Forderung des UN-S i cherheitsrats nach einer Ein -<br />
stellung des Uran-Anreicherungsprogramms nach -<br />
zukommen.<br />
Dezember 2007 - Nach einem Bericht aller 16 US-<br />
Geheimdienste, veröffentlicht am 3.12.2007, habe<br />
der Iran aller Wahrscheinlichkeit nach im Herbst<br />
2003 sein Atomwaffenprogramm eingestellt.<br />
Januar 2008 - Präsident Ahmadinedschad verkündet<br />
in einer vom staatlichen Fernsehen übertragenen<br />
Rede: sein Land werde in einem Jahr über<br />
Atomenergie verfügen.<br />
Juni 2008 - EU-Außenbeauftragter Javier Solana<br />
übergibt ein neues „Paket von Vorschlägen“ an<br />
die iranische Regierung, die diese zur Aussetzung<br />
der Urananreicherung bewegen soll. Darin stellte<br />
die Sechser-Verhandlungsgruppe (China, Deutsch -<br />
land, Frankreich, Großbritannien, Russland und<br />
die USA) dem Iran technische und finanzielle Hil -<br />
fe zur Entwicklung der zivilen Atomenergie in Aus -<br />
sicht, darunter auch Atomreaktoren und Lie fe -<br />
rungen von Kernbrennstoff. Im Gegenzug müsse<br />
der Iran die Urananreicherung aussetzen.<br />
Juli 2008 - Die erstmalige Teilnahme der USA an<br />
den Gesprächen wird <strong>als</strong> Wen de punkt in der US-<br />
Politik gegenüber Teheran ge wertet.<br />
März <strong>2009</strong> - US-Geheimdienstchef Dennis C.<br />
Blair: „Der Iran besitzt nach Einschätzung der US-Ge -<br />
heimdienste kein waffenfähiges Uran und hat auch<br />
noch nicht über dessen Herstellung entschieden.“<br />
<strong>April</strong> <strong>2009</strong> - Präsident Mahmud Ahmadinedschad<br />
die Eröffnung einer betriebsbereiten Uranfabrik in<br />
Isfahan bekannt, die unter anderem den 40-Me -<br />
ga watt-Forschungsreaktor in Arak mit Brenn stä ben<br />
versorgen soll. Weiteren Angaben zufolge verfügt<br />
das Land über 7000 einsatzbereite Uranzen trifu -<br />
gen. Irans Atomprogramm habe damit die letzte<br />
Stufe erreicht. red<br />
<strong>April</strong> <strong>2009</strong> - Nissan/Ijar 5769 13
© EPA/Salvatore di Nolfi<br />
Vor zwei Jahren beschloss die UN-<br />
Ge neralversammlung, die „Durban<br />
Re visions-Konferenz“ einzuberufen, <strong>als</strong><br />
Nachfolgerin der „Weltkonferenz gegen<br />
Rassismus, Rassendiskriminierung, Xe no -<br />
phobie und damit in Verbindung stehende<br />
Intoleranz“, abgehalten in Durban im<br />
September 2001.<br />
Diese Konferenz war zu einem Fo rum<br />
für Vorwürfe und Aufhetzung gegen<br />
Israel verkommen, der Zionismus<br />
wurde attackiert und <strong>als</strong> Form des<br />
Ras sismus bezeichnet, die Einzig ar tig -<br />
keit der Gräuel des Holocaust relativiert<br />
sowie die Bedeutung des Wortes<br />
„Anti-Semitismus“ verzerrt.<br />
Obwohl es schon im Vorfeld viele<br />
Grün de gab zu glauben, dass die Re -<br />
vi sions-Konferenz bloß eine Wieder -<br />
ho lung von Durban I sein würde, kündigte<br />
Israel im Februar 2008 an, auf die<br />
Versicherung warten zu wollen, dass<br />
die Exzesse und der missbrauch der<br />
Konferenz 2001 sich in der Revisions-<br />
Konferenz nicht wiederholen würden.<br />
Leider haben wir seit diesem Zeit -<br />
punkt nicht einen einzigen Beweis für<br />
POLITIK • DURBAN II<br />
DURBAN II<br />
eine Besserung erhalten, eher im Ge -<br />
gen teil.<br />
Das Papier der Asien-Gruppe, das dem<br />
Organisationskomitee der Konferenz<br />
vorgelegt wurde, beinhaltete dieselben<br />
Ausdrücke des Hasses, die schon<br />
Durban I behindert hatten. Tatsäch lich<br />
wurde hier beinahe Wort für Wort die<br />
Rhetorik des Teheran-Planungs-Tref -<br />
fens 2001 wiederholt, die dam<strong>als</strong> zur<br />
Durban-Farce geführt hatte.<br />
Auch diesmal beharrten extremistische<br />
arabische und moslemische Staa -<br />
ten darauf, die Inhalte der Konferenz<br />
zu kontrollieren und von ihrer ur -<br />
sprüng lichen mission abzulenken.<br />
Bedauerlicherweise wurde das Asia ti -<br />
sche Dokument später in einem Er geb -<br />
nis-Papier zusammengefasst, in dem<br />
kein einziges Land beim Namen ge -<br />
nannt wurde, abgesehen von Israel.<br />
Israel ist sich vollkommen über die Be -<br />
deutung des internationalen Kamp fes<br />
gegen Rassismus, Xenophobie und die<br />
damit verbundene Intoleranz be wusst<br />
und blickte dem Ergebnis der Re vi -<br />
sions-Konferenz deshalb erwartungsvoll<br />
entgegen.<br />
Der hasserfüllte Tonus und Kontext<br />
des finalen Dokuments unterminiert<br />
auch weiterhin die ursprünglichen Ab -<br />
sichten und Ziele der Konferenz von<br />
Durban. Deshalb hatte Israel keine an -<br />
dere Wahl, <strong>als</strong> seine Teil nah me da ran<br />
abzusagen. Israel wird keiner Re vi si -<br />
ons-Konferenz durch seine An we sen -<br />
heit Legitimation verleihen, die <strong>als</strong><br />
Plattform für weitere antiisraelische<br />
und antisemitische Aktivitäten missbraucht<br />
wird.<br />
Kanada hatte bereits im Januar 2008<br />
angekündigt, nicht an Durban II teilzunehmen.<br />
Auch andere Staaten verweigerten<br />
eine Wiederholung von<br />
Durban I.<br />
Die usa realisierten, dass die Ver hand -<br />
lungen über das Dokument Durban II<br />
alles noch viel schlimmer gemacht<br />
ha ben und nicht mehr wieder gut<br />
gemacht werden können. Daraufhin<br />
entschieden die USA, sich weder auf<br />
weitere Gespräche über den Text ein-<br />
14 <strong>April</strong> <strong>2009</strong> - Nissan/Ijar 5769
zulassen, noch auf einer Konferenz,<br />
die darauf basiert, teilzunehmen.<br />
Schließlich erklärten die Vereinigten<br />
Staaten, dass ihrer meinung nach<br />
kein praktizierbarer Text für die Revi -<br />
sions-Konferenz die missglückte De -<br />
kla ration von Durban 2001 oder de ren<br />
Aktionsplan bestätigen dürfe und kein<br />
Staat oder Konflikt ausgesondert<br />
werden dürfe.<br />
italien zog sich ebenfalls von der<br />
UN-Rassismus-Konferenz zurück, die<br />
von vielen westlichen Staaten <strong>als</strong> von<br />
moslemischen antiisraelischen Res sen -<br />
timents infiltriert angesehen wird,<br />
um in der Folge den Islam vor Kritik<br />
zu bewahren. Außenminister Franco<br />
Frattini bestätigte, dass sein Land sei ne<br />
Delegation von den Verhand lun gen<br />
zu Durban II aufgrund „aggressiver<br />
und antisemitischer Aussagen“ bei der<br />
Verfassung eines Papieres zur Kon fe -<br />
renz abgezogen hätte.<br />
hollands Außenministerin Maxime<br />
Verhagen meinte gegenüber dem UNmenschenrechtsrat,<br />
dass jene State -<br />
ments, die auf der Durban Revisions-<br />
POLITIK • DURBAN II<br />
Konferenz in Genf geplant seien, mit -<br />
glieder der Europäischen Union von<br />
einer Teilnahme abhalten könnten.<br />
„Ich bin sehr von der Richtung beunruhigt,<br />
in die diese Versammlung sich be wegt“,<br />
so Verhagen. „Die Weltkonfe renz wird<br />
von manchen dazu missbraucht, ihr Kon -<br />
zept der Diffamierung von Religio nen zu<br />
verbreiten und ihren Fokus auf einen speziellen<br />
regionalen Konflikt an uns alle<br />
weiter zu reichen.“<br />
Schließlich reagierten die Orga nisa to -<br />
ren von Durban II auf den Druck von<br />
Außen. Anspielungen auf die palästinensischen<br />
Gebiete – welche einige<br />
westliche Staaten dazu veranlasst<br />
hatten, ihren möglichen Boykott der<br />
Konferenz in den Raum zu stellen –<br />
wurden aus jener, der Versammlung<br />
vorangehenden, Erklärung eliminiert.<br />
Auch Passagen, die mit einer so ge -<br />
nannten Diffamierung von Religio nen<br />
in Verbindung gebracht werden könn -<br />
ten, wurden gestrichen. Allerdings<br />
erst, nachdem die EU ihren vollständigen<br />
Rückzug von der Konferenz<br />
angedroht hatte.<br />
Der überarbeitete und drastisch ge -<br />
kürzte Entwurf, den die AFP erhielt,<br />
entledigte sich auch noch einer Stelle,<br />
in der es um von afrikanischen Staa -<br />
ten geforderte Reparationszahlungen<br />
für Sklaverei ging sowie einer Pas -<br />
sage über die Diskriminierung von<br />
Homosexuellen.<br />
Das dann vorliegende Papier, verfasst<br />
vom russischen Vermittler Yuri Boy -<br />
chen ko mit belgischen, ägyptischen<br />
und norwegischen Diplomaten, wur -<br />
de von regionalen Gruppie rungen in<br />
den Vereinten Nationen überprüft.<br />
Das größte Problem des neuen Textes<br />
ist seine Bestätigung der bei Durban I<br />
verfassten Deklaration, in der Israel<br />
an den Pranger gestellt wurde. Dies<br />
bricht sowohl mit amerikanischen <strong>als</strong><br />
auch mit europäischen Gepflogen hei -<br />
ten, die das spezielle Herausstreichen<br />
einer bestimmten Region völlig ab -<br />
leh nen.<br />
Es darf niem<strong>als</strong> vergessen werden:<br />
Diese Konferenz sollte sich mit den<br />
millionen von echten Opfern befassen,<br />
die täglich und überall auf der Welt<br />
von Rassismus betroffen sind, und<br />
nicht mit dem politischen Willen un -<br />
demokratischer Staaten. EITAN LEVON<br />
Außenministerium - Israel<br />
Abt. Internationale Organisationen<br />
Durban I<br />
<strong>April</strong> <strong>2009</strong> - Nissan/Ijar 5769 15
POLITIK • DURBAN II<br />
EU gegen Verurteilung von Einzelstaaten<br />
Die an der Anti-Rassismus-Kon fe renz<br />
der UNO in Genf teilnehmenden EU-<br />
Staaten wollen in der Abschluss er klärung<br />
keine Verurteilung einzelner<br />
Staa ten, Religionen oder antisemitische<br />
Äußerungen dulden. Dies sagte<br />
die Sprecherin der EU-Kommission,<br />
Christiane Hohmann, in Brüssel.<br />
Insgesamt nehmen nach Angaben der<br />
Kommission und Luxemburgs 22 der<br />
27 EU-Staaten an der Konferenz teil.<br />
Neben luxemburg gehören deutsch -<br />
land, italien, Polen und die nieder -<br />
lan de zu jenen EU-Staaten, die der<br />
Konferenz fernbleiben.<br />
Hohmann sagte, im Entwurf für die<br />
Schlusserklärung seien die „roten Li -<br />
ni en“ der EU gewahrt geblieben. „Wir<br />
wissen, dass der Text nicht ideal ist“,<br />
sag te sie. „Aber er ist das Ergebnis eines<br />
Kom promisses.“ Wichtig sei, dass der zu<br />
ver abschiedende Text „keine Spra che<br />
enthält, mit der Religionen diffamiert<br />
wer den, die antisemitischer Art ist oder<br />
mit der einzelnen Länder oder Religionen<br />
angegriffen werden“.<br />
Pressestimmen<br />
Die Kommission, die <strong>als</strong> Beobachter<br />
an der Konferenz teilnimmt, werde bei<br />
„inakzeptablen Erklärungen“ während<br />
der Tagung „angemessen reagieren“.<br />
„Wir sind uns völlig klar darüber, dass<br />
die Gefahr besteht, dass diese Kon ferenz<br />
zur Geisel anderer Fragen genommen<br />
wird, die überhaupt nichts mit den Men -<br />
schenrechten oder dem Thema der Be kämp -<br />
fung des Rassismus zu tun haben.“ Die<br />
EU-Kommission sei dennoch der An -<br />
sicht, dass die Konferenz „eine wichtige<br />
Gelegenheit sein könnte, über viele konkrete<br />
Maßnahmen zur Bekämp fung von<br />
Diskriminierung auf regionaler, nationaler<br />
und internationaler Ebene zu sprechen“.<br />
Die Kritik der boykottierenden Staa -<br />
ten, darunter auch die usa und is ra el,<br />
entzündet sich an geplanten Rede des<br />
iranischen Präsidenten mah moud<br />
Ah madinejad und am Abschluss do ku -<br />
ment. Ahmadinejad hat wiederholt den<br />
Holocaust in Zweifel gezogen und ge -<br />
sagt, Israel müsse aus den An nalen<br />
der Geschichte getilgt werden. APA/dpa<br />
„de Volkskrant“ (Amsterdam) - „Das Nachfolge-Treffen der Weltkonferenz gegen<br />
Rassismus und Rassendiskriminierung, Xenophobie und damit verbundene<br />
Intoleranz in Durban wird von Zwietracht überschattet. Großbritannien und<br />
Frankreich sind allerdings dabei, ähnlich wie der Iran, dessen Präsident mit einer<br />
Rede das Scheinwerferlicht sucht. (...) Die Absagen aus der westli chen Welt<br />
haben Wut bei den UN ausgelöst. Die UN-Kommissarin für Men schen rechte,<br />
Navi Pillay, machte kein Hehl aus ihrer Verärgerung, <strong>als</strong> sie er klärte, eine Hand<br />
voll Staaten würden ihre gesamte Haltung durch ein, zwei Fra gen bestimmen lassen.<br />
Ihr ist es wichtig, dass Rassismus und Diskrimi nierung auf Weltniveau<br />
besprochen werden, ‘wie peinlich und mühselig das auch immer sein mag’.“<br />
„La Croix“ (Paris) - „Ein trauriges Paradox: Einige Monate nach dem Einzug eines<br />
schwarzen Präsidenten ins Weiße Haus werden die USA ihren Stuhl in Genf freilassen<br />
- bei der (...) Konferenz der UNO zum Kampf gegen Rassismus. Was die<br />
Europäer anbelangt, so sie sind gespalten. Dabei ist es nicht wünschenswert, dieser<br />
Konferenz fernzubleiben und damit die Farben der UNO den Ex tre mis ten zu<br />
überlassen. (...) Nach intensiven Debatten konzentriert sich der Entwurf für die<br />
Abschlusserklärung nun auf das Wesentliche. Er verdient es, bis zum Schluss<br />
verteidigt zu werden.“<br />
„Tages-Anzeiger“ (Zürich) - „Der Boykott spielt den Extremisten in die Hän de.<br />
Irans Präsident Mahmoud Ahmadinejad tritt ausgerechnet am Gedenktag des<br />
Holo caust, an der Konferenz gegen Rassismus auf. Eine Politik der leeren Stühle<br />
ist die f<strong>als</strong>che Antwort auf die Provokation des Holocaust-Leugners und größten<br />
Feindes Israels. Ein Barack Obama, eine Hillary Clinton oder Angela Merkel müsste<br />
ihm Paroli bieten. Die Uno-Bühne dürfte ihm nicht einfach überlassen werden.(...)<br />
Der Boykott schadet dem Kampf gegen Rassen diskriminierung und<br />
Frem denfeindlichkeit mehr, <strong>als</strong> dass er ihm nützt. Denn die Abwertung der Kon fe -<br />
renz trifft letztlich Millionen Opfer von Rassismus.“<br />
EU verließ UNO<br />
mit antiisraelischen Äußerungen hat<br />
der iranische Staatspräsident mah -<br />
moud Ahmadinejad - wie erwartet -<br />
für einen Eklat auf der Anti-Ras sis -<br />
mus-Konferenz der Vereinten Natio -<br />
nen in Genf ge sorgt. Israel sei das<br />
„grausamste und rassistischste Regime“,<br />
erklärte Ahmadinejad am Tag der<br />
Eröffnung vor den Delegierten und<br />
sprach von „barbarischem Rassismus“.<br />
Eine ganze Nation sei heimatlos ge -<br />
worden, meinte er unter Hinweis auf<br />
Palästina. „Zionisten“ und ihre Ver -<br />
bün deten hätten den Krieg im Irak<br />
geplant. Der Zionismus sei der „per -<br />
sonifizierte Rassismus“.<br />
16 <strong>April</strong> <strong>2009</strong> - Nissan/Ijar 5769
Dutzende Delegierte europäischer<br />
Staa ten verließen daraufhin aus Pro -<br />
test den Konferenzsaal.<br />
Der Staat Israel sei mit Unterstützung<br />
der USA und Europas unter dem „Vor -<br />
wand jüdischen Leidens“ im Zweiten<br />
Weltkrieg gegründet worden, sagte<br />
Ahmadinejad. Seine Rede wurde von<br />
mehreren Demonstranten mit Rufen<br />
wie „Schande!“ und „Rassist!“ unterbrochen.<br />
Rund 100 mitglieder vor al -<br />
lem pro-israelischer und jüdischer<br />
Grup pen hinderten Ahmadinejad<br />
spä ter an der Teilnahme an einer Pres -<br />
se konferenz.<br />
POLITIK • DURBAN II<br />
© Michael J. Jordan<br />
-Konferenz während Ahmadinejads Rede<br />
Frankreich hatte mit dem geschlossenen<br />
Auszug aller anwesenden EU-<br />
Vertreter gedroht, wenn der iranische<br />
Staatschef seine früheren negationistischen<br />
Äußerungen zum „mythos“<br />
des massenmordes an den Juden durch<br />
Nazideutschland wiederholen sollte.<br />
UNO-Gener<strong>als</strong>ekretär Ban Ki-moon<br />
kri tisierte in seiner Eröffnungsrede,<br />
dass viele Länder ihre Teilnahme an<br />
der Konferenz abgesagt hätten. „Ich<br />
be dauere zutiefst, dass einige sich entschlos -<br />
sen haben, beiseitezutreten“, sagte Ban.<br />
Russland verurteilte den Boykott. Of -<br />
fenbar seien nicht alle Regierungen be -<br />
reit, sich den wachsenden Heraus for -<br />
derungen von Rassismus, Frem den -<br />
feindlichkeit und Ausgrenzung zu<br />
stel len, so der russische Vize-Außen -<br />
mi nis ter Alexander Jakowenko.<br />
Das Fernbleiben Deutschlands, Itali ens,<br />
Polens und der Niederlande sei „kein<br />
Stä rkezeichen der EU“, sagte Österreichs<br />
Außenminister Michael Spin del eg ger<br />
dem ORF – Österreich hatte Beamte<br />
<strong>als</strong> Vertreter nach Genf entsandt.<br />
tschechien, das derzeit die EU-Rats -<br />
prä sidentschaft ausübt, hat seine Teil -<br />
nah me an der Konferenz abgebrochen,<br />
um gegen die Rede des iranischen<br />
Präsidenten zu protestieren.<br />
<strong>April</strong> <strong>2009</strong> - Nissan/Ijar 5769 17<br />
© REUTERS/Denis Balibouse
Werbekampagnen mit Holocaust-Ver -<br />
gleichen können das Persönlichkeits -<br />
recht der Juden in Deutschland verletzen<br />
und dürfen deshalb gerichtlich<br />
verboten werden. Das folgt aus einem<br />
Beschluss des Bundesverfassungs ge -<br />
richts zu einer Tierschutzkampagne.<br />
Das Karlsruher Gericht billigte das Ver -<br />
bot einer Kampagne aus dem Jahr 2004,<br />
bei der unter dem Slogan „Der Ho lo -<br />
caust auf Ihrem Teller“ Bilder von le -<br />
benden und toten KZ-Häftlingen ne -<br />
ben Aufnahmen aus der massentier -<br />
hal tung plakatiert werden sollten.<br />
Auf Klage des Zentralrats der Juden<br />
war die Aktion der Tierrechts-Or ga ni -<br />
sa tion PETA (People for the Ethical Treat -<br />
ment of Anim<strong>als</strong>) vom Kammer ge richt<br />
Berlin untersagt worden. Die Ver -<br />
fassungsbeschwerde der Tier schüt zer<br />
nahm das Gericht in einem veröffentlichten<br />
Beschluss nicht zur Entschei -<br />
dung an.<br />
Zwar sahen die Karlsruher Richter -<br />
anders <strong>als</strong> das Kammerge richt - die<br />
Aktion nicht <strong>als</strong> Verletzung der men -<br />
schenwürde an; in diesem Fall wäre kei -<br />
nerlei Abwägung mit der mei nungs -<br />
freiheit der Tierschützer mög lich ge -<br />
wesen. Daraus, dass sich die Kam pa -<br />
gne bildlicher Darstellun gen schwe rer<br />
menschenwürde ver let zungen be die ne,<br />
sei nicht zu folgern, dass die Tie r -<br />
schüt zer ihrerseits gegen den Schutz<br />
der menschenwürde verstießen, ur -<br />
teilte das Gericht. Auch wenn die Or -<br />
gani sa tion von der Gleich wer tigkeit<br />
menschlichen und tierischen Leidens<br />
überzeugt sei, liege darin noch „keine<br />
verächtlich machende Tendenz“.<br />
POLITIK • AUSLAND<br />
Bundesverfassungsgericht untersagt<br />
Tierschützern Holocaust-Vergleich<br />
Allerdings kann nach den Worten des<br />
Gerichts eine solche Kampagne, ähnlich<br />
der „Auschwitzlüge“, eine „schwe -<br />
re Persönlichkeitsverletzung auch der<br />
heute lebenden Juden“ darstellen.<br />
Denn die hinter der Strafbarkeit der<br />
„Au schwitzlüge“ stehende Überlegung<br />
lasse sich auch auf diesen Fall<br />
übertragen. Danach gehöre zum personalen<br />
Selbstverständnis der heute<br />
in Deutschland lebenden Juden, <strong>als</strong><br />
eine durch das Schicksal herausgehobene<br />
Personengruppe begriffen zu<br />
werden, der gegenüber eine besondere<br />
moralische Verantwortung bestehe,<br />
heißt es in der Begründung der 1. Kam -<br />
mer des Ersten Senats. APA<br />
Russland kauft<br />
erstm<strong>als</strong> Waffen in Israel<br />
Russland hat erstm<strong>als</strong> ein Waffen ge -<br />
schäft mit Israel abgeschlossen und<br />
bei der Regierung in Tel Aviv unbemannte<br />
Spionageflugzeuge im Ge samt -<br />
wert von 37 mio. Euro bestellt. Der<br />
Kauf sei auch eine Reaktion auf den<br />
Südkaukasus-Krieg im August 2008,<br />
<strong>als</strong> Georgien solche Drohnen wirkungsvoll<br />
gegen Russland eingesetzt<br />
habe, sagte ein militärexperte.<br />
moskau hatte sich zu dem Geschäft<br />
entschlossen, obwohl Israels politische<br />
Gegner Iran und Syrien der Zu -<br />
sam menarbeit skeptisch gegenüberstehen.<br />
Beide Länder sind Rüs tungs -<br />
kunden moskaus. Laut Vize-Vertei -<br />
di gungsminister Wladimir Popowkin<br />
kauft Russland die Drohnen auch zu<br />
Testzwecken. „Wir wollen unter anderem<br />
unseren einheimischen Waffenpro du -<br />
zenten zeigen, welche Bedürfnisse unsere<br />
Armee hat.“ Die russische Rüstungs -<br />
in dustrie solle sich mit der Bauweise<br />
israelischer Aufklärungsflugkörper<br />
„vertraut machen“, sagte Popowkin.<br />
„In einem Krieg würden wir aber natürlich<br />
eigene Produkte einsetzen.“<br />
Laut russischen medien kauft das auf<br />
seine Waffen bisher so stolze Russ -<br />
land damit erstm<strong>als</strong> seit 1940 wieder<br />
militärtechnik im Ausland ein. Zahl -<br />
reich Duma-Abgeordnete hatten ge -<br />
gen die Pläne gestimmt.<br />
Todesurteil wegen E-Mail an Olmert<br />
Ein Staatssicherheitsgericht im Jemen hat einen jungen mann zum Tode ver -<br />
urteilt, weil er sich angeblich dem israelischen Auslandsgeheimdienst mos sad<br />
<strong>als</strong> Agent angeboten hatte. Zwei weitere Angeklagte erhielten in dem gleichen<br />
Prozess nach Angaben von Augenzeugen Haftstrafen in Höhe von drei<br />
und fünf Jahren.<br />
Das Vergehen des Jemeniten, der nun hingerichtet werden soll: Nach An -<br />
gaben der Staatsanwaltschaft schrieb er ein E-mail an den israelischen<br />
ministerpräsidenten Ehud Olmert, um sich <strong>als</strong> Informant für den mossad<br />
anzudienen. Die Antwort aus Israel sei positiv gewesen, hieß es.<br />
Außerdem sollen der Hauptangeklagte und die beiden anderen männer f<strong>als</strong>che<br />
Bekennerschreiben veröffentlicht haben. Laut Anklage bekannten sie<br />
sich unter dem Namen „Islamischer Heiliger Krieg im Jemen“ zu Angriffen auf<br />
ausländische Einrichtungen in der Hauptstadt Sanaa im vergangenen Jahr.<br />
Die drei männer im Alter zwischen 23 und 26 Jahren hatten vor Ge richt ihre<br />
Unschuld beteuert. Der Richter sagte jedoch in seiner Urteilsbe grün dung,<br />
die Beweislage sei „so eindeutig, dass das Gericht überzeugt genug sei für eine<br />
Verurteilung“. Drei weitere Verdächtige waren im Laufe des Verfahrens aus<br />
mangel an Beweisen freigelassen worden.<br />
18 <strong>April</strong> <strong>2009</strong> - Nissan/Ijar 5769
© arciv<br />
Am 26. märz <strong>2009</strong> haben Israel und<br />
Ägypten das 30jährige Jubiläum des<br />
Friedensabkommens zwischen Isra els<br />
Premier Menachem Begin und Ägyptens<br />
Präsident Anwar Sadat begangen.<br />
Ägypten war das erste arabische Land,<br />
dass Frieden mit Israel schloss.<br />
Dieses Abkommen sollte der Beginn<br />
einer neuen Ära der friedlichen Ko -<br />
exis tenz zwischen dem jüdischen Staat<br />
und seinen Nachbarn einläuten. Doch<br />
lediglich Jordanien schloss sich im<br />
Jahr 1995 dem friedlichen Weg an.<br />
Doch auch der Friedensvertrag mit<br />
Ägypten konnte die an ihn gestellten<br />
Erwartungen nicht wirklich erfüllen.<br />
In Israel hatte man sich darauf ge freut,<br />
nun endlich normale Beziehun gen<br />
zum Nachbarn aufnehmen zu können,<br />
inklusive Tourismus, Handels -<br />
ak tivitäten etc. Doch auf ägyptischer<br />
Seite wurde dieser Enthusiasmus nicht<br />
geteilt, vielmehr haben sich Spannun -<br />
gen aufgebaut. Immer wieder gab es<br />
unterschiedliche Ansichten über politisches<br />
Vorgehen, außerdem stellte<br />
Ägyp ten sich im Konflikt zwischen<br />
POLITIK • ISRAEL<br />
Israel und Ägypten:<br />
30 Jahre in Frieden<br />
Von Michtell G. Bard<br />
Übersetzung: Karin Fasching-Kuales 26. März 1979<br />
Israel und arabischen Staaten eher<br />
auf die arabische Seite.<br />
Auch die Weigerung von Präsident<br />
Hos ni mubarak, abgesehen vom Be -<br />
gräbnis Yitzhak Rabins, Israel zu be su -<br />
chen, führte zu lange währenden Irri -<br />
tationen, ebenso wie die mehrmalige<br />
Abberufung des ägyptischen Bot -<br />
schaf ters, um die Opposition Ägyptens<br />
zu verschiedenen politischen<br />
Ent scheidungen Israels zum Aus -<br />
druck zu bringen.<br />
Dennoch darf man die Bedeutung des<br />
Vertrages zwischen Israel und Ägypten<br />
keineswegs unterschätzen, hat sie<br />
doch das geostrategische Bild des Na -<br />
hen Ostens entscheidend geprägt. Die<br />
Entscheidung des mächtigsten und<br />
ein flussreichsten arabischen Staates<br />
zur Einigung auf einen Frieden mit<br />
Israel machte die Wahrscheinlichkeit<br />
eines groß angelegten arabisch-israelischen<br />
Krieges ungleich geringer,<br />
brachte für Ägypten eine Allianz mit<br />
dem Westen und trug dazu bei, die<br />
moderaten Kräfte in der Region zu<br />
stärken.<br />
Auch Israel ließ sich dieses Friedens -<br />
ver sprechen viel kosten – Ölfelder<br />
wur den aufgegeben, ebenso militär -<br />
ba sen, Siedlungen und ein entscheidender,<br />
<strong>als</strong> Puffer dienender Streifen<br />
Land.<br />
Und Ägypten hielt sein Versprechen.<br />
Israel hatte 30 Jahre auf einen arabischen<br />
Staatschef gewartet, der mut<br />
und Entschlossenheit genug haben<br />
würde, um diese Friedensvision wahr<br />
zu machen. Dann kam Sadat nach<br />
Jerusalem – und nun sind weitere 30<br />
Jahre in Frieden vergangen.<br />
König Hussein von Jordanien brauchte<br />
fünfzehn Jahre mehr, um diesen<br />
mut aufzubringen.<br />
Und die Israelis hoffen, dass sie nicht<br />
allzu viel länger auf weitere Friedens -<br />
ver träge mit ihren arabischen Nach -<br />
barn werden warten müssen, ist die<br />
Islamische Republik doch der größte<br />
Sponsor des internationalen Terro ris -<br />
mus und könnte Nuklearwaffen in<br />
die Hände der Terroristen gelangen<br />
las sen.<br />
<strong>April</strong> <strong>2009</strong> - Nissan/Ijar 5769 19
POLITIK • ISRAEL<br />
Chronik der bilateralen Beziehungen zwischen Israel und Ägypten<br />
19. November 1977 – Sadat besucht Israel<br />
Präsident Anwar Sadat ist der erste arabische<br />
Regierungschef, der, auf ei ne Einladung<br />
von Israels Premier minis ter Menachem Be gin<br />
hin, den jüdischen Staat besucht.<br />
Während dieses historischen Termins wandte<br />
Sadat sich an die Knesset. In seiner Rede<br />
wiederholte er bereits bekannte ägyptische<br />
For derungen, aber auch die Versi che rung,<br />
dass Israel in der Region willkommen sei.<br />
Seine Bereitschaft, nach Jerusalem zu kommen,<br />
riss eine psy cho logische Barriere nieder,<br />
die Israel von seiner Aufrichtigkeit überzeugte<br />
und das Vertrauen gab, um jene Risi -<br />
ken einzugehen, die ein Friedensab kom men<br />
mit Ägypten erfordern wür de.<br />
17. September 1978 – Das Camp-David-<br />
Abkommen<br />
Nach 12-tägigen Gesprächen hinter verschlossenen<br />
Türen im US-amerikanischen Camp<br />
David unterzeichnen die israelische und die<br />
ägyptische Delegation das ausgehandelte<br />
Zwei-Stufen-Abkommen. Die erste Stufe be -<br />
handelt die Zukunft der Sinai-Halb in sel und<br />
den Frieden zwischen Israel und Ägypten so -<br />
wie einen innerhalb von drei Monaten zu<br />
unterzeichnenden Friedensvertrag, der einen<br />
vollständigen Rückzug Israels von der Si nai-<br />
Halbinsel vorsieht. Der zweite Teil beinhaltet<br />
einen Fahrplan zur Etablierung einer autonomen<br />
palästinensischen Verwaltung in West -<br />
jor dan land und Gazastreifen.<br />
26. März 1979 – Das israelischägyptische<br />
Friedensabkommen<br />
Der israelische Premierminister Me nachem<br />
Begin und Ägyptens Präsi dent Anwar Sadat<br />
unterzeichnen, un ter Mitwirkung von US-Prä -<br />
sident Jim my Carter, im Weißen Haus den ge -<br />
meinsamen Friedensvertrag, der vorsieht, dass<br />
beide Staaten jegliche feindselige Aktivitäten<br />
einstellen und die Sinai-Halbinsel demilitarisieren.<br />
Außerdem verpflichtet der Vertrag Is ra -<br />
el dazu, im Gegenzug zur Normali sie rung der<br />
Beziehungen zu Ägypten, sich hinter die Gren -<br />
zen vor 1967 gültigen Grenzen zurück zu ziehen,<br />
sei ne Militärbasen, Siedlungen, Straßen<br />
und die Sinai-Ölfelder aufzugeben.<br />
In der Zwischenzeit lehnen alle anderen arabischen<br />
Staaten den Vertrag ab und Ägypten<br />
wird aus der Arabi schen Liga ausgeschlossen.<br />
1980 – Botschaften werden eröffnet<br />
Die israelische Botschaft in Kairo öffnet <strong>als</strong><br />
erste in der arabischen Welt ihre Tore im Fe -<br />
bruar 1980. Die ägyptische Botschaft in Isra el<br />
beginnt ihre Arbeit im März 1980.<br />
5. Januar 1980 – Der erste Botschafter<br />
Ägypten bestellt Saad Mortada <strong>als</strong> seinen<br />
ersten Botschafter in Israel. Dr. Eliyahu Ben<br />
Elissar wird Israels erster Botschafter in<br />
Ägypten sein.<br />
25. <strong>April</strong> 1982 – Ägypten<br />
übernimmt Kontrolle über Sinai<br />
In Übereinstimmung mit dem Camp-David-<br />
Abkommen schließt Israel seinen vollständigen<br />
Rückzug von der Sinai-Halbinsel ab.<br />
6. Oktober 1981 – Attentat auf Sadat<br />
Moslemische Extremisten verüben einen An -<br />
schlag auf Präsident Sadat. Vizepräsident<br />
Hos ni Mubarak übernimmt sein Amt und<br />
be kundet die Ab sicht, den Weg des Friedens -<br />
ab kom mens weiter zu gehen.<br />
21. September 1982 – Botschafter wird<br />
zurückgerufen<br />
Der ägyptische Botschafter in Israel, Saad<br />
Mor tada, wird in Anlehnung auf die verheerenden<br />
Angriffe auf Pa läs ti nenser in den<br />
Flüchtlingslagern Sa bra und Shatila in West-<br />
Beirut von seinem Posten abberufen.<br />
1986-1987 – Wirtschaftliche Verbindungen<br />
Zwischen 1986 und 1987 entwickelte sich Is -<br />
rael zu Ägyptens Hauptab neh mer für Öl und<br />
deckte damit 60% seines Bedarfs ab. Im Jahr<br />
1987 kamen 170.000 israelische Touristen<br />
nach Ägyp ten – die größte Zahl an Rei sen -<br />
den aus einem einzigen Land.<br />
1987 – Nubaseed Landwirtschafts-<br />
Musterbetrieb<br />
Eine Kooperation zwischen Ägypten, Israel<br />
und den USA ermöglichte die Er öffnung des<br />
Nu baseed Muster be trie bes in Ägypten. Land -<br />
wirtschaft li che Schlüsselthemen werden hier<br />
hochtechnologisch bearbeitet und die Er geb -<br />
nisse und neuen Methoden mit den Bauern<br />
der Region geteilt.<br />
1989 – Mubarak verweigert Treffen mit<br />
israelischer Regierung<br />
Anfang 1989 plante der ägyptische Prä sident<br />
Hosni Mubarak eine Reise nach Israel, erhob<br />
jedoch bald darauf diesbezügliche Forderun -<br />
gen, die auch die Verhandlungsbereitschaft<br />
Israels mit der PLO beinhalteten. Die Reise<br />
wurde abgesagt.<br />
Im selben Jahr besuchte Mubarak die USA<br />
und wurde von den Israelis ge be ten, seinen<br />
Aufenthalt zu verlängern, um Israels Premier<br />
Yitzhak Sha mir zu treffen. Doch Mubarak lehn -<br />
te ab und setzte seinen Boykott bis 1989 fort.<br />
27. Februar 1989 – Das Taba-Grenz abkom<br />
men<br />
In Folge eines internationalen Ge richts -<br />
entscheides bezüglich der Grenz ziehung der<br />
im Sinai-Gebiet gelegenen Stadt Taba, erklärt<br />
Israel sich dazu bereit, Ägypten den Badeort<br />
Taba zu überlassen. Israelische Touristen<br />
dürfen aber auch weiterhin die Grenze dort<br />
passieren und das „Aqaba Küstengebiet von<br />
Sinai“ besuchen.<br />
4. Mai 1994 – Das Gaza-Jericho-Abkommen<br />
Israel und die Palästinenser schließen ein Ab -<br />
kommen, dass Israels Rückzug aus dem Gaza -<br />
streifen und Jericho so wie die Schaffung der<br />
Palästinen si schen Autonomiebehörde (PA)<br />
vorsieht. Doch obwohl Israel einem Ab zug<br />
sämtlicher Militärkräfte aus be sag ten Gebie -<br />
ten (und in weiterer Fol ge aus den palästinensischen<br />
Städten des Westjordanlandes)<br />
zu stimmt, verfehlt Yasser Arafats PA die<br />
Sicherheits auflagen, die die weitere Unter -<br />
stüt zung von terroristischen Grup pie run gen<br />
wie der Hamas und dem Paläs ti nensischen<br />
Islamischen Jihad unterbinden sollen.<br />
2. Februar 1995 –<br />
Friedenskonferenz von Kairo<br />
Bei einer Zusammenkunft von Regie rungs -<br />
mit gliedern aus Ägypten, Isra el, Jordanien<br />
und der PLO in Kairo wird von allen Seiten<br />
die Absicht zur Schaf fung eines dauerhaften<br />
Friedens in der Region bekräftigt. Ägyptens<br />
Prä si dent Hosni Mubarak initiierte das Tref fen,<br />
es nahmen Jordaniens König Hussein so wie<br />
Yasser Arafat von der Palästinensi schen Au -<br />
tonomiebe hör de teil und markierte das erste<br />
Mal, dass Israels Premier Yitzhak Rabin mit<br />
arabischen Führern an einem Tisch saß.<br />
12. Juli 1995 – Zitrusimporte<br />
Das israelische Landwirtschafts mi nis terium<br />
kündigt den Import von jähr lich zehntausenden<br />
Tonnen Zi trus früch ten aus Ägypten für<br />
industrielle Zwecke an.<br />
6. November 1995 – Begräbnis von Yitzhak<br />
Rabin<br />
Ägyptens Präsident Hosni Mubarak nimmt<br />
an Yitzhak Rabins Begräbnis teil und hält eine<br />
Grabrede. Es ist sei ne einzige Reise nach Is -<br />
rael, alle weiteren Einladungen lehnte er bis<br />
zum heutigen Tag ab.<br />
6. Juni 1997 – Ägypten nimmt<br />
Vermittlerrolle auf<br />
Israel begrüßt Ägyptens Bemü hun gen <strong>als</strong> Ver -<br />
mittler im Friedensprozess mit den Paläs ti nen -<br />
sern. Die Ägypter nehmen damit jene Rol le<br />
ein, die die USA zuvor bekleidet hatten. Be -<br />
richte besagen, dass Osama el-Baz, Se ni or be -<br />
rater von Präsident Hosni Muba rak, versucht,<br />
ein Treffen zwischen Israels Premier mi nister<br />
Benjamin Netanjahu und PA-Präsi dent Yas ser<br />
Arafat auf die Beine zu stellen und diese zu -<br />
rück an den Verhandlungstisch zu brin gen.<br />
1999 – Tourismusrekord<br />
Im Jahr 1999 erreicht der stetige Tou ris ten -<br />
strom von Israel nach Ägyp ten ein Hoch von<br />
415.000 Reisenden. Erst da nach beginnt die<br />
Zahl wieder zu fal len.<br />
1995 kamen 28.000 ägyptische Tou ris ten<br />
nach Israel, in der ersten Hälfte des Jahres<br />
2002 waren es nur noch 2.500.<br />
20 <strong>April</strong> <strong>2009</strong> - Nissan/Ijar 5769
4. September 1999 – Das Memorandum<br />
von Sharm el-Sheikh<br />
Das von Israels Premier Ehud Barak und<br />
PLO-Chef Yasser Arafat in Ägypten unterzeichnete<br />
Memorandum von Sharm el-Sheikh<br />
behandelt die Um set zung der im Oslo-Ab -<br />
kommen geforderten Sicherheitsauflagen<br />
durch die Palästinenser und die daraus re sul -<br />
tierende israelische Weigerung, angesichts<br />
der wachsenden Terrorgefahr, ihre Truppen<br />
zu verschieben. Barak und Arafat bekräftigen<br />
erneut ihren Willen zur Umsetzung des Oslo-<br />
Ab kom mens und setzen den 13. Sep tem ber<br />
2000 <strong>als</strong> Deadline für die Been di gung der<br />
Friedensgespräche fest. Ägyptens Präsident<br />
Hosni Mubarak, Jordaniens König Abdullah<br />
und die US-Außenministerin Madeleine Al -<br />
bright sind bei der Zeremonie in Sharm el-<br />
Sheikh anwesend.<br />
21. November 2000 – Ägypten<br />
zieht Botschafter ab<br />
Aufgrund anhaltender Gewalt zwischen Is ra -<br />
elis und Palästinensern be ruft Ägypten seinen<br />
Botschafter in Is ra el, Mohammed Bassouni,<br />
in die Heimat zurück.<br />
2000-2001 - Wirtschaftliche Verbindungen<br />
Im Jahr 2000 betrugen Israels Exporte nach<br />
Ägypten US$ 58,1 Mio., fielen im Jahr darauf<br />
allerdings um 20% auf US$ 47,1 Mio. Ägypten<br />
exportierte (ab gesehen von Öl und Dienst -<br />
leis tun gen) 2001 Waren im Wert von US$ 20<br />
Mio. nach Israel.<br />
26. Oktober 2002 – Antisemitische<br />
TV-Serie zu Ramadan<br />
Die von einem ägyptischen TV-Kanal während<br />
des Ramadan ausgestrahlte 41teilige<br />
Se rie „Pferd ohne Reiter“ wird mit Inhalten<br />
aus den antisemitischen Schriften „Die Pro -<br />
to kolle der Weisen von Zion“ in Verbindung<br />
ge bracht. Die Serie behandelt die Ge schichte<br />
des Nahen Ostens von 1855 bis 1917 aus der<br />
Sicht eines Ägypters, der gegen die britischen<br />
Besatzer und die zionistische Be we -<br />
gung kämpft.<br />
Dies ist nur eines von vielen Bei spie len von<br />
Antisemitismus in den ägyptischen Medien.<br />
10. August 2003 – Antisemitische Cartoons<br />
Die ägyptische Tageszeitung al-Wafd veröffentlicht<br />
antisemitische Car toons, die Israels<br />
Premier Ariel Sharon <strong>als</strong> satanische Figur mit<br />
Hörnern, einem Schwanz und einer Haken -<br />
kreuz-Kra watte darstellen. Darin spricht er zu<br />
einer Gruppe hakennasiger Juden uns sagt:<br />
„Baut schnell zehn neue Sied lungen auf, da -<br />
mit wir diese vor den Kameras niederreißen<br />
können.“<br />
5. Dezember 2004 – Azzam Azzam wird<br />
freigelassen<br />
Auf Premier Sharons Bemühungen hin, ordnet<br />
Ägyptens Präsident Hosni Mubarak die<br />
Verkürzung der Haft stra fe von Azzam Az zam<br />
an, einem der Spionage überführten Israeli,<br />
der acht Jahre in ägyptischen Gefängnissen<br />
ver bracht hat.<br />
POLITIK • ISRAEL<br />
Im Gegenzug entlässt Israel sechs Ägyp ter aus<br />
dem Arrest und überlegt, auch das Strafaus -<br />
maß palästinensischer Gefangener zu verringern.<br />
14. Dezember 2004 – Teilweises<br />
Handelsabkommen<br />
Ägypten, Israel und die USA unterzeichnen<br />
ein teilweises Handelsab kom men, das den<br />
US-Markt für ägyp tische, mit israelischer Be -<br />
tei li gung produzierte Waren öffnet. Dies ist<br />
die wichtigste wirtschaftliche Vereinba rung<br />
zwischen den beiden Nahost-Staaten innerhalb<br />
der vergangenen zwei Jahrzehnte und<br />
soll zum Frie dens erhalt betragen.<br />
17. März 2005 – Neuer Botschafter in Israel<br />
Muhammed Assem Ibrahim ist Ägyp tens<br />
neuer Botschafter in Israel. Seine Ernennung<br />
beendet die mehr <strong>als</strong> dreijährige Phase, in der<br />
Ägypten gegen IDF-Einsätze während der In -<br />
t ifa da durch Abziehen seines Botschafters<br />
protestiert hatte.<br />
30. Juni 2005 – Erdgasabkommen<br />
Ägypten und Israel unterzeichnen einen US$<br />
2,5 Mrd. schweren Vertrag über die Lieferung<br />
von ägyptischem Erdgas an Israel. 1,7 Mrd.<br />
Ku bik me ter Gas sollen über einen Zeitraum<br />
von 15 Jahren mittels einer Unterwasser-Pi pe -<br />
line von der ägyptischen Stadt el-Arish in die<br />
israelische Stadt Ashkelon geleitet werden.<br />
26. Juni 2006 – Verhandlungen zur<br />
Freilassung Gilad Shalits<br />
Am 25. Juni 2006 wird der israelische Soldat<br />
Gilad Shalit von der durch den Iran unterstützten<br />
Hamas und zwei anderen Terroris -<br />
ten gruppen entführt. Zwei weitere Soldaten<br />
werden getötet, vier verletzt. In den darauf<br />
folgenden Verhandlungen über Shalits Frei -<br />
las sung fungiert Ägypten <strong>als</strong> Vermittler.<br />
24. August 2006 – Philadelphi-Abkommen<br />
Israel und Ägypten einigen sich über die Sta -<br />
tio nierung von 750 ägyptischen Sicherheits -<br />
leu ten entlang der Philadelphi-Route an der<br />
Grenze zwi schen Gaza und Ägypten, um<br />
Waf fen schmuggelaktivitäten zu verhindern.<br />
Im letztlich gültigen Vertrag wird festgelegt,<br />
dass Ägypten den offenen Transfer von Waf -<br />
fen an die Paläs ti nen ser unterlassen muss.<br />
21. November 2007 – Sicherheitsab kom men<br />
gegen Gaza-Waffenschmuggel<br />
Israels Premierminister Ehud Olmert und<br />
Ägyptens Präsident Hosni Mubarak einigen<br />
sich auf gemeinsame Sicherheitsmaß nahmen<br />
zur Bekämpfung des Waffen schmug gels von<br />
Sinai in den Gazastreifen.<br />
19. Juni 2008 – Sechsmonatiger<br />
Waffenstillstand<br />
Ein sechs Monate andauerndes, von Ägypten<br />
vermitteltes Waffenstillstandsab kom men, ge -<br />
trennt von Hamas und Israel unterzeichnet,<br />
tritt in Kraft. Von palästinensischer Seite soll<br />
der Raketenbeschuss Israels und der Waf fen -<br />
schmuggel aus dem Iran gestoppt werden,<br />
Israel wiederum erklärt sich dazu bereit, die<br />
Hu manitäre Hilfe für den Gazastreifen aufzustocken.<br />
Bis zum Ende des Abkommens am 18. De -<br />
zem ber 2008 feuert die Hamas jedoch insgesamt<br />
362 Geschosse auf zivile israelische<br />
Ziele im südlichen Negev ab.<br />
Dezember 2008 – Ägypten schließt die<br />
Grenze<br />
Ägypten schließt während Israels Militärein -<br />
satz seine Grenze zum Gazastreifen. Präsi -<br />
dent Hosni Mubarak erklärt, dass diese erst<br />
wieder dauerhaft geöffnet werde, wenn die<br />
Bedingungen des Abkommens aus dem Jahr<br />
2005 erfüllt werden.<br />
Die Schmugglertunnel von Ägypten nach<br />
Gaza sind aber nach wie vor aktiv.<br />
17. Jänner <strong>2009</strong> – Waffenstillstand in Gaza<br />
Israel erklärt einen einseitigen Waffenstill stand<br />
und beendet damit seinen Militärein satz im<br />
Gazastreifen, nachdem mit Ägypten, den USA<br />
und verschiedenen europäischen Staaten eine<br />
Einigung über verstärkte Bemühungen zum<br />
Stopp der Bewaffnung der vom Iran gestützten<br />
Hamas via Iran und Syrien erzielt werden<br />
konnte.<br />
Die Hamas lehnt Israels Waffenstill stands an -<br />
gebot ab, erklärt aber 12 Stunden später selbst<br />
die Waffenruhe. Außerdem kritisiert sie Ägyp -<br />
ten dafür, keine stärkere Position zur Hilfe für<br />
Gaza während des Konflikts eingenommen<br />
zu haben.<br />
2008 – Handel<br />
Israel importierte 2008 Waren im Wert von<br />
US$ 132 Mio. aus Ägypten. 2007 waren es<br />
noch US$ 94 Mio. gewesen. Israel Exporte<br />
nach Ägypten beliefen sich auf insgesamt<br />
US$ 139 Mio. im Jahr 2008, im Vergleich zu<br />
US$ 154 Mio. 2007.<br />
20. März <strong>2009</strong> – Kooperation zur<br />
Beendigung des Waffenschmuggels<br />
Israels Premierminister Ehud Olmert und<br />
Ägyptens Präsident Hosni Mubarak kommen<br />
überein, die Bemühungen zur Unterbindung<br />
des Waffenschmuggels von Sinai in den Ga za -<br />
streifen zu verstärken. Wöchentliche Tref fen<br />
sollen abgehalten und gemeinsame Sicher -<br />
heits aktivitäten gesetzt werden. Auch sachdienliche<br />
Geheimdienstinformationen sollen<br />
mittels einer Hotline umgehend ausgetauscht<br />
werden.<br />
<strong>April</strong> <strong>2009</strong> - Nissan/Ijar 5769 21
© JTA<br />
„Buscheir oder Jitzhar“. Ram Emanuel,<br />
Stabschef im Weißen Haus, soll im<br />
Gespräch mit einem amerikanischen<br />
Juden den Bau einer iranischen Atom -<br />
bombe mit Israels Siedlungs politik<br />
im Westjordanland auf eine Ebene<br />
gestellt haben. Busheir ist das von der<br />
deutschen Firma Siemens gebaute<br />
und von den Russen fertig gestellte<br />
Atomkraftwerk im Iran. Jitzhar ist ei ne<br />
berüchtigt radikale Siedlung nahe<br />
Nablus im Westjordanland.<br />
Die gereimte Schlagzeile „Buscheir<br />
oder Jitzhar“ in der Zeitung ‘Jedijot<br />
Achronot’ hat am Tag vor der An -<br />
kunft des amerikanischen Nahost ver -<br />
mitt lers George mitchell in Israels me -<br />
dien Empörung, Angst und Sorge aus -<br />
gelöst.<br />
Der Bau einer iranischen Atom bombe<br />
mitsamt wiederholten Drohungen iranischer<br />
Politiker, Israel zu zerstören,<br />
wird <strong>als</strong> akute Gefahr für den physischen<br />
Bestand des jüdischen Staates<br />
gesehen. Emanuels angebliche Äußerung,<br />
Israels Existenz von einem En de<br />
der Siedlungspolitik abhängig zu ma -<br />
chen, wurde schon <strong>als</strong> radikale Wen de<br />
amerikanischer Interessen im Nahen<br />
Osten gewertet, obgleich diese Äußerung<br />
nicht einmal bestätigt wurde.<br />
Inhaltliche Kontroversen oder gar ein<br />
Wandel der amerikanischen Interes -<br />
sen lassen sich noch nicht ausmachen.<br />
Doch bei diplomatischen Symbolen<br />
erkennt man leicht neue Töne aus<br />
Wa shington. Da gab es den Bückling<br />
des Präsidenten Barack Obama vor<br />
dem saudischen König, der freilich<br />
nach amerikanischen Angaben kein<br />
Bückling war. Obama besuchte <strong>als</strong><br />
POLITIK • ISRAEL<br />
Israel-USA: belastete Beziehungen<br />
VON ULRICH W. SAHM<br />
erstes nahöstliches Land die Türkei<br />
und machte nicht einmal einen Ab ste -<br />
cher nach Israel. Obama drückte Hu go<br />
Chavez, einen notorischen An ti se mi -<br />
ten und Israel-Hasser sowie bester<br />
Freund von mahmoud Ahmadine d -<br />
schad die Hand. In Washington dürfen<br />
der jordanische König und andere<br />
arabische Staatschefs dem neuen<br />
amerikanischen Präsidenten die Auf -<br />
wartung machen, noch ehe der An -<br />
tritts besuch des israelischen minister -<br />
präsident fixiert wurde. Angeblich<br />
gibt es „Terminprobleme“. Seitdem<br />
die Amerikaner Anfang der siebziger<br />
Jahre Israel zu ihrem wichtigsten Ver -<br />
bündeten in Nahost machten, hatte es<br />
keine derartige diplomatische Abfuhr<br />
gegeben.<br />
Obgleich die „Annapolis-Intiative“<br />
nicht viel mehr <strong>als</strong> eine unverbindliche<br />
Empfehlung war, noch in der Amts zeit<br />
von Präsident George W. Bush ei nen<br />
palästinensischen Staat zu er rich ten,<br />
er klärte die neue amerikanische Re -<br />
gie rung Annapolis zum Grundstein<br />
amerikanischer Nahostpolitik. Das<br />
hatte Israels Außenminister Avigdor<br />
Lieberman provoziert, indem er An -<br />
na polis für irrelevant erklärt hat.<br />
Künstlich wird da eine Kontroverse<br />
ge schaffen, indem die Amerikaner<br />
pau senlos von der Zweistaaten lö sung<br />
<strong>als</strong> einzige Lösung für den israelischpalästinensischen<br />
Konflikt reden.<br />
Denn beide israelischen Spitzen po li -<br />
tiker, Netanjahu und Lieberman, ha -<br />
ben sich zu genau diesem Ziel verpflichtet,<br />
indem sie die „Roadmap“<br />
für bindendend erklärten. Darin<br />
kommt die Zweistaatenlösung sogar<br />
schon im Titel vor: „Ergebnisorien tierter<br />
Fahrplan (Roadmap) für eine dauerhafte<br />
Zwei-Staaten-Regelung zur Bei le gung des<br />
israelisch-palästinensischen Konflikts des<br />
Quartetts (EU, USA, Rus sische Förde ra -<br />
tion und die UN)“.<br />
Der amerikanische Nahostvermittler<br />
George Mitchell ließ nach seinen ersten<br />
Gesprächen in Jerusalem keine Span -<br />
nungen erkennen. mitchell betonte<br />
die amerikanische Verpflichtung zur<br />
Sicherheit Israels und redete ganz im<br />
Sinne Israels über „eine Zwei-<br />
Staatenlösung, bei der ein palästinensischer<br />
Staat in Frieden neben dem jüdischen<br />
Staat Israel leben würde.“ minister prä -<br />
si dent Ehud Olmert war bei den Vor -<br />
ver handlungen zum Gipfel in Anna -<br />
polis wegen palästinensischem Wi der -<br />
stand damit gescheitert, die Formel<br />
„jüdischer Staat“ in die Abschluss er -<br />
klä rung einzubringen.<br />
Ob es zu einem Bruch zwischen Israel<br />
und den USA kommt, dürfte sich vor<br />
Allem an der Frage der iranischen<br />
Atombombe entscheiden. Die Israelis<br />
reden von einer existenziellen Be dro -<br />
hung und wollen unter keinen Um -<br />
stän den dem Iran eine Atombombe<br />
zu gestehen. Erst am Wochenende er -<br />
zählten ungenannte israelische Si cher -<br />
heitskreise der Londoner Times, dass<br />
sich das israelische militär darauf vorbereite,<br />
innerhalb von Stun den oder<br />
Tagen für ein massives Bombar de ment<br />
im Iran bereit zu machen. Schon Bush<br />
hatte angeblich den Israe lis untersagt,<br />
ein derartiges Vorhaben zu verwirkli -<br />
chen. Doch während Bush mit viel<br />
Ener gie einen Boykott des Iran vorantrieb<br />
und deutlich machte, dass auch<br />
die USA keine iranische Bom be dulden<br />
könnten, bleibt Oba ma in diesem Punkt<br />
vage. Der neue amerikanische Präsi -<br />
dent will Iran per Dia log einbinden.<br />
Angesichts des politischen Klima -<br />
wan dels ergibt sich für die Israelis die<br />
extreme Befürchtung, ob die Ameri ka -<br />
ner bereit sind, wegen der Sied lungs -<br />
politik Israels Existenz in Frage zu stel -<br />
len oder gar zu opfern. Denn iranische<br />
Drohungen, Israel zu zerstören, ge -<br />
paart mit der Entwicklung von Lan g -<br />
stre ckenraketen, Urananreiche rung<br />
und dem möglichen Bau einer Atom -<br />
bom be ist für die Israelis eine ro te Li nie,<br />
die zur Not mit Gewalt verhindert<br />
werden müsse. Unklar ist, ob Obama<br />
dem Staat Israel das Risiko zu muten<br />
könnte, jederzeit mit einer Atom bom -<br />
be ausgelöscht zu werden zu können.<br />
22 <strong>April</strong> <strong>2009</strong> - Nissan/Ijar 5769
Ultraorthodoxe Juden<br />
streichen Ministerinnen<br />
aus Kabinettsfoto<br />
Im neuen israelischen Kabinett gibt es<br />
zwei Frauen. Einige Israelis jedoch<br />
mögen die ministerinnen aber lieber<br />
nicht sehen. Zwei Zeitungen, die sich<br />
an ultraorthodoxe Juden richten, ha -<br />
ben ein Foto manipuliert, das die mi -<br />
nis terriege nach ihrem Amtsantritt<br />
zeigt. Die beiden ministerinnen Limor<br />
Livnat und Sofa Landver wurden kur -<br />
zer hand aus dem Bild entfernt. Ultra -<br />
Ganz Israel steht unter<br />
Raketenbedrohung<br />
Die Heimatfront Israels begann mit<br />
dem Verteilen von Landkarten an die<br />
Bevölkerung, in der das Land in verschieden<br />
farbige Regionen aufgeteilt<br />
ist, basierend auf der Entfernung zur<br />
Bedrohung durch Terroristen.<br />
Diese Landkarte liefert eine Bestäti -<br />
gung, dass jeder Israeli unter Rake -<br />
ten bedrohung steht, sei es im Norden<br />
durch die Hisbollah oder durch die<br />
Hamas im Gazastreifen oder sogar von<br />
beiden gleichzeitig.<br />
POLITIK • ISRAEL<br />
orthodoxe Zeitungen halten Bil der<br />
mit Frauen für anstößig.<br />
Die Zeitung ‘Yated Neeman’ verschob<br />
mit digitalen Tricks zwei männ -<br />
liche minister an die Stelle, an der<br />
eigentlich die ministerinnen zu sehen<br />
waren. Die Wochenzeitung ‘Shaa<br />
Tova’ schwärzte die beiden Frauen in<br />
ei nem Foto, das in der Zeitung ‘maa -<br />
riv’ abgedruckt wurde.<br />
Im Wahlkampf waren Plakate von der<br />
damaligen Außenministerin Tzi pi<br />
Livni in der Nähe ultraorthodoxer<br />
Vier tel verunstaltet worden.<br />
Die Kampagne „Schütze dich rechtzeitig“<br />
begann vor kurzem und soll in<br />
einer bisher größten und landesweiten<br />
Übung ihren Höhepunkt finden, die<br />
Ende mai stattfinden soll. Das Land<br />
ist in 27 Regionen aufgeteilt, die in fünf<br />
Gruppen unterteilt sind. Jede Gruppe<br />
enthält die Zeit die die Einwohner die -<br />
ser Regionen haben, bei einem Sire -<br />
nenheulen wegen eines Angriffs sich<br />
in Sicherheit zu bringen.<br />
Im Norden Israels müssen sich die<br />
Ein wohner sofort in Sicherheit bringen<br />
während die Einwohner von Tel<br />
Aviv den „Luxus“ von zwei minuten<br />
haben. Die Einwohner von Jerusalem<br />
und Eilat haben drei minuten Zeit.<br />
VEREINBARUNGEN VON ROADMAP BIS ANAPOLIS-KONFERENZ<br />
Road Map für eine dauerhafte Zwei-Staaten-Lösung des israelisch-palästinensischen<br />
Konflikts (30.04.09):<br />
http://www.mfa.gov.il/MFA/Peace+Process/Guide+to+the+Peace+Process/<br />
A+Performance-Based+Roadmap+to+a+Permanent+Two-Sta.htm<br />
Israels Annahme der Road Map (25.05.09):<br />
http://www.mfa.gov.il/mfa/government/communiques/2003/<br />
goverment%20meeting%20about%20the%20prime%20minister-s%20state<br />
Israels Reaktion auf die Road Map (25.05.09):<br />
http://www.mfa.gov.il/MFA/Peace+Process/Reference+Documents/<br />
Israel+Response+to+the+Roadmap+25-May-2003.htm<br />
Palästinensisch-israelischer Sicherheits-Arbeitsplan (Tenet-Plan) (26.05.09):<br />
http://www.mfa.gov.il/MFA/Peace+Process/Guide+to+the+Peace+Process/<br />
Palestinian-Israeli+Security+Implementation+Work+P.htm<br />
Zinni-Plan für einen Frieden zwischen Israel und der Palästinensischen<br />
Autonomiebehörde (26.03.09):<br />
http://www.mfa.gov.il/MFA/Peace+Process/Reference+Documents/<br />
Zinni_Peace_Plan_between_Israel_and_Palestinian_Authority_26-Mar-2002.htm<br />
Annapolis-Konferenz (27.11.09):<br />
http://www.mfa.gov.il/MFA/History/Modern+History/Historic+Events/<br />
The+Annapolis+Conference+27-Nov-2007.htm<br />
Die internationale jüdische<br />
EHE-PARTNER-VERMITTLUNG<br />
Weber José<br />
PF 180182<br />
D-60082 Frankfurt a.M.<br />
Telefon +49/69-597 34 57<br />
+49/17/267 14940<br />
Fax +49/69-55 75 95<br />
eMail: weber@simantov.de<br />
www.simantov.de<br />
Human Rights Watch:<br />
Hamas tötet gezielt Gegner<br />
Bericht zur Lage in palästinensischen<br />
Autonomiegebieten Ramallah<br />
Die radikale palästinensische Hamas-<br />
Organisation hat nach Angaben internationaler<br />
menschenrechtsexperten<br />
während und nach der israelischen<br />
In tervention im Gazastreifen Dut zen -<br />
de politischer Gegner töten oder verstümmeln<br />
lassen. Die Hamas halte<br />
ih re Herrschaft in dem Küsten strei -<br />
fen mit Folter und Hinrichtungen im<br />
Schnellverfahren aufrecht, erklärte<br />
die New Yorker Organisation Human<br />
Rights Watch (HRW) am 20. <strong>April</strong>.<br />
Im dreiwöchigen Krieg mit Israel An -<br />
fang des Jahres seien bis zum 18.<br />
Januar 18 palästinensische Hamas-<br />
Geg ner von vermummten mitglie dern<br />
der Organisation erschossen worden,<br />
berichtete HRW. 14 weitere seien nach<br />
dem Waffenstillstand getötet worden.<br />
Es habe sich um politische Gegner oder<br />
Personen gehandelt, die <strong>als</strong> In for man -<br />
ten oder Kollaborateure Isra els verdächtigt<br />
worden seien. Zudem sei en<br />
49 Palästinenser mit Schüs sen in die<br />
Beine verletzt worden, 73 seien die Ar -<br />
me oder Beine gebrochen worden.<br />
Hamas-Sprecher Fawzi Barhoum wies<br />
den Bericht der menschen rechts or ga -<br />
nisation zurück. Die Hamas sei be -<br />
reit, Ermittlungen zu derartigen Vor -<br />
wür fen aufzunehmen. Die Orga ni -<br />
sation gehe nicht mit Gewalt gegen<br />
politische Gegner vor.<br />
Die Hamas hat seit ihrem Sieg über<br />
die Fatah-Organisation von Präsident<br />
mahmoud Abbas im Juni 2007 die<br />
Kontrolle im Gazastreifen. Abbas<br />
und die Fatah regieren im Westjor -<br />
dan land. HRW zufolge nimmt auch<br />
im Westjordanland die Gewalt gegen<br />
politisch Andersdenkende zu.<br />
<strong>April</strong> <strong>2009</strong> - Nissan/Ijar 5769 23
Neonazis<br />
nutzen Facebook<br />
für Propaganda<br />
Adolf Hitler hat viele Fans - zumindest<br />
im Online- Netzwerk Facebook.<br />
Gibt man dort den Namen des Dik -<br />
tators in die Suchmaske ein, kommen<br />
zwölf Seiten mit Treffern. Das entspricht<br />
mehr <strong>als</strong> 100 Gruppen und<br />
Fan-Profilen, die den Begriff „Adolf<br />
Hitler“ im Namen tragen. Nur wenige<br />
dieser Seiten betrachten den Natio nal -<br />
sozialismus kritisch. In einem Groß -<br />
teil der Einträge wird Hitler zur Kult -<br />
fi gur erhoben. Das US-Unternehmen<br />
hat nach der Kritik von Bloggern be -<br />
reits einige Seiten gesperrt – doch bei<br />
weitem nicht alle. Jugendschützer<br />
wollen sich die neonazistischen Ein -<br />
trä ge jetzt genauer ansehen.<br />
Nach wie vor finden sich Nazi-Glo -<br />
rifizierung und unverhohlener Anti se -<br />
mitismus auf Facebook. Es gibt Be nut -<br />
zer, die sich unter Namen wie „Jo sef H<br />
Goebbel S“ anmelden, ein Bild von Hit -<br />
ler oder ein Hakenkreuz-Symbol <strong>als</strong><br />
Profilfoto hochgeladen haben oder mit<br />
Tattoos mit eindeutig rechtsradikaler<br />
Symbolik posieren. Sie schließen sich<br />
zu Gruppen zusammen, die sich „An -<br />
tisemiten und Holocaust-Leugner“ nennen<br />
und kommentieren Fotos aus der<br />
Zeit des Nation<strong>als</strong>ozialismus mit „Heil<br />
Hitler“. Viele der Seiten verstoßen ge -<br />
gen geltendes deutsches Recht und<br />
sind damit auch gemäß der Nut zungs -<br />
bedingungen von Facebook verboten.<br />
Dass Neonazis das Internet nutzen,<br />
um Jugendliche für ihre verfassungsfeindliche<br />
Ideologie zu ködern, ist kein<br />
neues Phänomen. Bislang standen<br />
aber vor allem Online-Angebote wie<br />
die deutschsprachigen Netzwerke<br />
Stu diVZ und SchülerVZ und das Vi -<br />
deoportal YouTube in der Kritik, von<br />
rechtsradikalen Gruppierungen für<br />
Propagandazwecke missbraucht zu<br />
werden. Weil das US-amerikanische<br />
Netzwerk Facebook seine Dienste erst<br />
seit 2008 auch auf Deutsch anbietet,<br />
sind die rechtsradikalen Umtriebe auf<br />
diesem Portal bislang weitgehend<br />
unentdeckt geblieben.<br />
Ein auf der Internet-Seite www.boocompany.com<br />
veröffentlichter offener Brief<br />
der anonymen Bloggerin „Lanu“ listet<br />
im Anhang rund 200 Beispiele von<br />
Facebook-Seiten mit rechtsradikalen<br />
POLITIK • ANTISEMITISMUS<br />
und antisemitischen Aussagen und<br />
Sym bolen auf. Bei den meisten Ein -<br />
trä gen handelt es sich um offene Grup -<br />
pen, denen die Facebook-User ohne<br />
weiteres beitreten können. So weit dies<br />
anhand der Benut zer pro file nachvollziehbar<br />
ist, stammen die we nigsten<br />
Gruppengründer aus Deutsch land.<br />
Auch die meisten mitglieder, die ei ner<br />
solchen Gruppe beigetreten sind und<br />
ein Heimatland angegeben ha ben,<br />
kommen aus dem Ausland, vor allem<br />
aus den USA, Italien, Süd amerika, In -<br />
do nesien, der Türkei oder aus arabischen<br />
Ländern. Es gibt aber auch ge -<br />
fälschte („fake“) Profile oder solche<br />
von fiktiven oder historischen Perso -<br />
nen - darunter Diktatoren und mas sen -<br />
mörder.<br />
Dass immer mehr Seiten, Videos und<br />
Benutzerprofile mit rechtsradikaler<br />
Propaganda im Internet zu finden sind,<br />
beobachtet auch die länderübergreifende<br />
Überwachungsstelle jugendschutz.net.<br />
Dort durchkämmt ein Team<br />
im Auftrag der Bundeszentrale für<br />
politische Bildung das Internet nach<br />
unzulässigen rechtsextremen Inhal ten<br />
und fordert Provider auf, diese zu ent -<br />
fernen. Über die menge an neonazistischen<br />
Seiten auf Facebook zeigte sich<br />
der Projektleiter von jugendschutz.net,<br />
Stefan Glaser, jedoch über rascht. „Aus -<br />
ländische Profile haben wir normalerwei se<br />
nicht auf dem Schirm“, sagte er. „Diese<br />
Auflistung wird für uns jedoch ein An -<br />
lass sein, die deutschsprachigen Profile zu<br />
sichten und zu bewerten und bei Ver stößen<br />
auch an den Provider heranzutreten.“<br />
Holocaust-Leugner<br />
Toben in Australien<br />
verurteilt<br />
Der von den deutschen Behörden we -<br />
gen Leugnung des Holocausts gesuchte<br />
64-jährige Gerald Toben ist nun auch<br />
von der australischen Justiz <strong>als</strong> Wie -<br />
derholungstäter verurteilt worden.<br />
Bundesrichter Bruce Lander sprach<br />
den deutschstämmigen Aus tra lier<br />
schuldig, die Anweisungen der Justiz<br />
miss achtet zu haben, in dem er fortgesetzt<br />
material über Juden und den<br />
Holo caust im Internet verbreite, ob -<br />
wohl ihm dies bereits seit 2002 untersagt<br />
sei.<br />
Die Betreiber von Facebook wollen<br />
ih re Benutzer indes nicht mit einer zu<br />
strengen Zensur verschrecken. „Wir<br />
neh men unsere Nutzungsbedingungen<br />
sehr ernst und reagieren schnell und sper -<br />
ren Gruppen, die diese Regeln verletzen“,<br />
sagt Firmensprecher Barry Schmidt.<br />
Allerdings wolle man das empfindliche<br />
Gleichgewicht zwischen mei -<br />
nungs freiheit und dem Schutz von<br />
menschen und Völkern, die sich<br />
bedroht fühlen könnten, wahren.<br />
In Deutschland haben sich mittlerweile<br />
mehr <strong>als</strong> zwei millionen menschen ein<br />
kostenloses Profil auf Facebook zu ge -<br />
legt, sind mit Freunden, Be kann ten,<br />
mitschülern und Arbeitskollegen vernetzt,<br />
laden persönliche Fotoalben<br />
hoch und teilen mit, was sie gerade<br />
machen. Darüber hinaus gründen sie<br />
Gruppen zu Bands, Filmen, Städten<br />
oder Personen, in die man einfach per<br />
mausklick eintreten kann oder für de -<br />
ren Teilnahme man sich erst beim<br />
Gründer der Gruppe bewerben muss.<br />
Wegen rechtsextremer Einträge im On -<br />
line-Netzwerk Facebook stoppte auch<br />
die Deutsche Telekom - und noch un -<br />
bestätigt Apple - ihre dortige Wer bung.<br />
Der Konzern hat die Wer bung für sein<br />
Videoportal 3min zu rück ge zo gen,<br />
sag te eine Telekom-Spre cherin in Bonn<br />
und bestätigte ei nen Bericht des Ber -<br />
liner Webradios „multicult 2.0“. Die<br />
Anzeige für das Portal sei „neben rechts -<br />
radikalen, Hitler verherrlichenden Sei ten“<br />
erschienen, „und das möchten wir na tür -<br />
lich nicht“, sagte die Spre che rin.<br />
APA/newsroom.at<br />
Das Strafmaß für Toben soll in den<br />
kommenden Wochen verkündet werden.<br />
Toben sagte vor Journalisten, er<br />
stehe zu seinen Taten. Wer an etwas<br />
glaube und die meinungsfreiheit be -<br />
an spruche, müsse „zu Opfern be reit“<br />
sein, sagte Toben. Im Oktober war er<br />
auf der Grundlage eines europäischen<br />
Haftbefehls in Großbri tan ni en festgenommen,<br />
dann aber nicht nach<br />
Deutsch land ausgeliefert worden.<br />
Auch die deutschen Behörden legen<br />
Toben zur Last, antisemitische Doku -<br />
mente im Internet veröffentlicht zu<br />
haben, in denen der Völkermord an<br />
den Juden durch die Nazis geleugnet<br />
wird. Er saß wegen Anstachelung zum<br />
Rassenhass bereits in Deutschland in<br />
Haft.<br />
24 <strong>April</strong> <strong>2009</strong> - Nissan/Ijar 5769
Die USA haben den mutmaßlichen<br />
frü heren KZ-Aufseher Josias Kumpf<br />
nach Österreich abgeschoben. Wie<br />
das Justizministerium in Wa shington<br />
mitteilte, soll der heute 83-jährige<br />
während des Zweiten Welt kriegs im<br />
Konzentrationslager Sac h senhausen<br />
im Einsatz gewesen sein so wie im<br />
Zwangs arbeitslager Traw ni ki im von<br />
Deutschland besetzten Polen und in<br />
ähnlichen Lagern im besetzten Frank -<br />
reich. In Trawniki soll er 1943 an der<br />
Erschießung von 8.000 jüdischen män -<br />
nern, Frauen und Kindern beteiligt<br />
gewesen sein.<br />
Kumpf habe selbst zugegeben, Wa che<br />
gestanden zu sein, <strong>als</strong> die Er schie ßun -<br />
gen stattfanden. Er habe den Befehl<br />
ge habt, auf Gefangene zu schießen,<br />
sollten sie zu flüchten versuchen, er -<br />
klärte die stellvertretende US-Jus tiz -<br />
ministerin Rita Glavin. Den US-Er -<br />
mittlern zufolge trat Kumpf, der im<br />
heutigen Serbien geboren wurde, 1942<br />
den SS-Totenkopfverbänden bei.<br />
POLITIK • ANTISEMITISMUS<br />
Früherer KZ-Aufseher Kumpf von USA<br />
an Österreich ausgeliefert<br />
Nach dem Krieg lebte er zu -<br />
nächst in Österreich, bevor<br />
er 1956 in die USA auswanderte.<br />
Dort ließ er<br />
sich in Ra cine im Staat<br />
Wis con sin nieder<br />
und wurde 1964<br />
US-Staats bür ger.<br />
Ein Gericht in<br />
mil waukee hat<br />
schon vor einiger<br />
Zeit herausgefunden,<br />
dass<br />
Kumpf sei ne SS-<br />
Vergan genheit bei der Einreise in die<br />
USA verschwiegen hatte, um nicht<br />
abgewiesen zu werden - die US-Staats -<br />
bürgerschaft wur de Kumpf bereits<br />
aberkannt.<br />
Österreich nimmt sei ne Verpflichtung<br />
wahr, Kriegs verbrechen aufzuklären<br />
und zu verfolgen. Im Falle Kumpf ha be<br />
man die US-Behörden jedoch wie der -<br />
holt darauf hingewiesen, dass Kumpf<br />
in Ös terreich nicht strafrechtlich ver-<br />
Auslieferung von mutmaßlichem Nazi<br />
Der mutmaßliche ungarische Nazi-<br />
Kriegsverbrecher Charles Zentai (Ka -<br />
roly Zentai) darf nach Entscheidung<br />
eines australischen Gerichts an Un -<br />
garn ausgeliefert werden, zitierte die<br />
Ungarische Nachrichtenagentur mTI<br />
das australische Nachrichtenportal<br />
WA Today. Der nach dem Zweiten<br />
Weltkrieg nach Australien ausgewanderte<br />
Zentai (90) soll im November<br />
1944 <strong>als</strong> Soldat den 18-jährigen ungarischen<br />
Juden Peter Balazs in Ungarn<br />
gequält, ermordet und seine Leiche in<br />
der Donau versenkt haben. Auf der<br />
durch das Simon-Wiesenthal-Zen trum<br />
geführten Liste der zehn meist ge such -<br />
ten - wahrscheinlich noch lebenden -<br />
Nazi-Kriegsverbrecher nimmt Zentai<br />
den siebenten Platz ein.<br />
Bereits im August 2008 hatte ein australisches<br />
Gericht in erster Instanz für<br />
die Auslieferung Zentais an die ungarischen<br />
Behörden gestimmt. Zentai<br />
hatte Berufung eingelegt. Sein Ver tei -<br />
di ger hatte argumentiert, dass der „an -<br />
gebliche Mord“ seines mandanten nach<br />
den damaligen ungarischen Ge setzen<br />
„nicht <strong>als</strong> Kriegsverbrechen angesehen<br />
werden kann“. Das dementierte nun das<br />
australische Gericht, in dessen Ur teil<br />
es heißt, der konkrete mord gel te <strong>als</strong><br />
Kriegsverbrechen und diene <strong>als</strong><br />
Grund lage der Auslieferung. Das Ge -<br />
richt gab sieben Tage Zeit für die Um -<br />
set zung des Urteils. Während dieser<br />
Zeit können die Anwälte Zentais Be -<br />
rufung beim Bundesgericht einlegen.<br />
Das letzte Wort habe der australische<br />
Justizminister. Zentai leugnete von An -<br />
fang an die Tat und behauptete, sich<br />
zu jenem Zeitpunkt nicht in Un garn<br />
aufgehalten zu haben.<br />
Dabei wurde <strong>als</strong> „entscheidender Be weis“<br />
gegen diese Darstellung ein 1957 aus-<br />
folgt werden könne. Es sei en die 1945<br />
in Österreich geltenden Straf gesetze<br />
an zuwenden, und die Ta ten des zur<br />
Tat zeit un ter 20jährigen Kumpf seien<br />
mit te der 60er-Jahre verjährt.<br />
Österreich sei je doch ge gen über<br />
den USA verpflichtet, Per -<br />
so nen zu rück zu neh men,<br />
die ih re Ein rei se be wil li -<br />
gung in den Ver einigten<br />
Staaten durch f<strong>als</strong>che An -<br />
gaben er schlichen ha ben.<br />
Österreich darf kein<br />
sicherer Hafen<br />
für Kumpf sein<br />
„Der mutmaßliche NS-Ver -<br />
bre cher Kumpf darf in Österreich<br />
keinen sicheren Hafen finden. Wenn<br />
es Anhaltspunkte für die Be teiligung von<br />
Kumpf an der Erschießung von KZ-In -<br />
sassen gibt, müssen wir die Verjährungs -<br />
be stimmungen für NS-Ver bre chen überdenken“,<br />
fordert der Jus tiz sprecher der<br />
Grünen, Albert Stein hau ser. Steinhauser<br />
kann sich vorstellen, dass die Ver jäh -<br />
rungsbestimmungen für schwere NS-<br />
Verbrechen aufgehoben werden. „Die<br />
besondere historische Si tu ation und die<br />
unfassbare Grausamkeit des NS-Regimes<br />
rechtfertigen ein Abge hen von den übli chen<br />
Verjährungsbestim mun gen. Niemand<br />
ver steht, wenn einem mutmaßlichen<br />
Kriegsverbrecher kein Pro zess gemacht<br />
wird und er in Österreich un behelligt spa -<br />
zieren gehen kann." Für den Justiz -<br />
sprecher der Grünen steht Österreich<br />
besonders in der Pflicht. „Tatsache ist,<br />
dass seit über 30 Jahren in Österreich kein<br />
NS-Verbre cher verurteilt wurde. Das ist<br />
in einem Tä ter land bemerkenswert.<br />
Rechtliche Ausreden sind nicht zulässig,<br />
denn in anderen Ländern werden immer<br />
wieder NS-Verbrecher verurteilt", schließt<br />
Steinhauser APA<br />
gefüllter Antrag auf Erwerb der australischen<br />
Staatsbürgerschaft durch Zen tai<br />
gefunden. Darin gibt der Ver dächtige<br />
an, im märz 1945 nach Deutsch land<br />
ge flohen zu sein, wobei er das „Durch -<br />
einander“ nutzte, das nach der „Befrei -<br />
ung durch die Rote Ar mee" entstanden<br />
war. Demnach hätte sich Zentai 1944<br />
noch in Ungarn aufgehalten.<br />
Die ungarischen Behörden hatten nach<br />
einer Anzeige des Wiesenthal-Zen -<br />
trums vor vier Jahren Er mitt lun gen ge -<br />
gen Zentai aufgenommen und einen<br />
internationalen Haftbefehl er lassen.<br />
<strong>April</strong> <strong>2009</strong> - Nissan/Ijar 5769 25<br />
©EPA
WIRTSCHAFT<br />
Ob in Israel oder in Frankreich,<br />
ob in alteingesessenen<br />
Gewerbebetrieben oder in<br />
Divisionen großer Lebensmittel-<br />
Gruppen, Matzebacken ist ein<br />
zyklisches und heikles Geschäft.<br />
VON REINHARD ENGEL<br />
Von November bis <strong>April</strong> sind die Fa -<br />
brikshallen nur mehr am Schabbat ru -<br />
hig und dunkel. Sonst wird rund um<br />
die Uhr produziert, 24 Stunden lang.<br />
„In der Saison vor Pessach verbrauchen<br />
wir rund 2000 Tonnen Mehl,“ erzählt<br />
Noam Wolf, der mit seinem Bruder<br />
David gemeinsam das Unternehmen<br />
matzot aviv besitzt und führt. „Im<br />
Oktober stellen wir von der normalen<br />
Back-Produktion um, alles wird sorgfältig<br />
gereinigt. Was man nicht absolut sauber<br />
bekommt, wird ausgetauscht. Erst<br />
dann beginnt die Arbeit für Pessach.“<br />
Diese Saison stellt im Jahresablauf<br />
der Bäckerei im israelischen Bnei Brak<br />
eine einsame Spitze dar. Während im<br />
Normalbetrieb in den übrigen mo na -<br />
ten des Jahres in einer Schicht pro Tag<br />
rund 40 männer und Frauen Kekse<br />
und andere Backwaren herstellen,<br />
schnellt die Belegschaftszahl im Win -<br />
ter und Frühjahr auf 150 hinauf.<br />
Allein sechs meschgiachs überwachen<br />
unter der Leitung des Oberrabbiners<br />
von Givatayim Yosef m. Gliksberg<br />
die Einhaltung aller Vorschriften.<br />
(Siehe den Kasten: maschine gegen<br />
mensch). Die matzen, ob „klassisch“<br />
nur aus mehl und Wasser, oder mit<br />
Zusatz von Ei und Zwiebel, werden<br />
in 25 Länder exportiert: in die USA<br />
und nach England, nach Frankreich,<br />
Australien und Österreich. „Für<br />
Osteuropa kauft vor allem Joint ein und<br />
schenkt die Matzot dann den einzelnen<br />
Gemeinden,“ berichtet Aviv-Chef Wolf.<br />
Israel: Immigranten,<br />
Gründer, Exporteure<br />
Das maschinelle matzebacken äh nelt<br />
in seinem Grundgerüst der indus tri -<br />
ellen Produktion herkömmlicher Bro te<br />
oder Kuchen, nur muss es noch sauberer<br />
und schneller hergehen. „Die<br />
zeitliche Obergrenze vom Augenblick, wo<br />
das Mehl mit dem Wasser vermischt<br />
ISRAEL • WIRTSCHAFT<br />
Die Matze-Unter<br />
David Wolf & Roy Wolf<br />
26 <strong>April</strong> <strong>2009</strong> - Nissan/Ijar 5769
nehmer<br />
Matzot Aviv - seit 1946<br />
© Brian Hendler/JTA<br />
ISRAEL • WIRTSCHAFT<br />
wird, bis die Matze fertig gebacken sein<br />
muss, beträgt nur 18 Minuten,“ erklärt<br />
Josef Pardess, Rabbiner der misrachi-<br />
Gemeinde am <strong>Wien</strong>er Judenplatz, der<br />
selbst aus Jerusalem stammt. „Und es<br />
ist besser, wenn es noch schneller geht,<br />
viel leicht in 14 Minuten.“ Diese knappe<br />
Zeitvorgabe soll verhindern, dass der<br />
feuchte Teig aufgehen kann. Und da -<br />
mit das auch nicht in ganz kleinem<br />
Um fang passiert, wenn etwa winzige<br />
Teigreste im Rührgefäß bleiben, nachdem<br />
der größere Teil längst im Ofen<br />
bäckt, wird abwechselnd in mehreren<br />
Gefäßen geknetet, und ebenso ab wech -<br />
selnd immer wieder sorgfältig ge putzt.<br />
„Das Backen im Ofen geht ganz schnell,<br />
in eineinhalb Minuten, bei großer Hitze,“<br />
beschreibt matze-Unter neh mer Wolf.<br />
„Natürlich macht das viele Reini gen die<br />
Produktion teurer,“ so Rabbiner Par dess.<br />
Bäcker Wolf ist das zwar selbstverständlich,<br />
aber er beklagt sich über ei -<br />
nen anderen Wettbewerbsnachteil,<br />
den er mit weiteren israelischen Er -<br />
zeu gern, etwa Yehuda matzot der Fa -<br />
milie Ludmir in Jerusalem, gegenüber<br />
europäischen oder amerikanischen<br />
Konkurrenten teilt. „Unser Mehl-Lie -<br />
ferant in Israel hat ein Monopol, daher<br />
kaufen wir deutlich teurer ein <strong>als</strong> Her stel -<br />
ler in anderen Ländern.“<br />
matzot Aviv ist ein israelischer Fa -<br />
mi lienbetrieb, der auf einen europäischen<br />
Gründer zurückgeht. 1887 er -<br />
öffnete David Zelivansky, ein geborener<br />
Russe in Neve Zedek im Süden von<br />
Tel Aviv nahe Jaffa eine kleine matze-<br />
Bäckerei. Seine Enkelin Sarah Wolf,<br />
die mutter der heutigen Besitzer, er -<br />
innert sich noch an den frommen al ten<br />
mann, der täglich in die Synagoge<br />
ging. Sie selbst begann <strong>als</strong> Zwölfjäh ri -<br />
ge in der Bäckerei zu arbeiten, 1946<br />
eröffnete sie mit ihrem Vater und ih -<br />
rem Ehemann die Fabrik am heutigen<br />
Standort in Bnei Brak. mittlerweile ist<br />
bereits die fünfte Generation im Un -<br />
ternehmen: Den beiden Chefs Noam<br />
und David treten schon deren Kinder<br />
in die Fußstapfen: Roy, der neben seinem<br />
Wirtschaftsstudium Patisserie in<br />
Schweizer und französischen Traditi -<br />
ons betrieben wie Kambly und Fau -<br />
chon gelernt hat und vor einigen<br />
Jahren erfolgreich zusätzlich verschiedene<br />
Kekssorten einzuführen begann,<br />
und seine Cousine michal Wolf-Kut -<br />
chins ky.<br />
<strong>April</strong> <strong>2009</strong> - Nissan/Ijar 5769 27
Die Anfänge von Matzot Aviv<br />
Frankreich: Fünfte<br />
Generation im Elsass<br />
Ebenfalls bereits in fünfter Gene ra -<br />
tion wird im elsässischen Wasselonne<br />
matze gebacken. Jean-Claude Ney mann<br />
führt heute das Unternehmen René<br />
Neymann, das seine Vorfahren 1850<br />
gründeten und das <strong>als</strong> älteste matze-<br />
Bäckerei Frankreichs gilt. Paul Heu -<br />
mann in Soultz-sous-Forets, ebenfalls<br />
im Elsass, hat „erst“ 1907 begonnen.<br />
Neymann, ein Gewerbebetrieb mit 14<br />
Beschäftigten in der Produktion, bäckt<br />
von Januar bis märz speziell für Pes -<br />
sach, unter der Aufsicht des Rabbi ners<br />
von Straßburg. Dessen Vertreter konzentrieren<br />
sich beim Produktions ab -<br />
lauf routiniert auf die heiklen Stel len,<br />
zwischen Knetschüssel und Ofen, im -<br />
mer wieder wird dort mit Bürsten<br />
und Pressluft sorgfältig gereinigt.<br />
In der übrigen Zeit des Jahres stellt<br />
man Bio-Gebäck und Vollkorn-Crac ker<br />
für Reformhäuser her. „In den sechziger<br />
Jahren ist uns klar geworden,“ erin nert<br />
sich Jean-Claude Neymann, „wel ches<br />
Potential in dem uralten Pro dukt Matzot<br />
steckt.“ Vor zwei Jahren unterbrach<br />
ein Brand im Unternehmen einmal<br />
kurz das Backen, aber schon nach we -<br />
nigen monaten war die Produktion<br />
wieder im Gang. Neymann exportiert<br />
mehr <strong>als</strong> 60 Prozent seiner Erzeugnis<br />
se, vor allem in andere europäische<br />
Länder, aber auch nach marokko,<br />
selbst nach Asien. Regelmäßig werden<br />
ISRAEL • WIRTSCHAFT<br />
Lebensmittelmessen besucht, nicht<br />
nur solche für koschere Erzeugnisse,<br />
sondern auch große für ein allgemeines<br />
Publikum, etwa im Vorjahr die<br />
SIAL im chinesischen Shanghai.<br />
USA: Gefillte Fisch vom<br />
Hedgefonds<br />
In einer ganz anderen Spielklasse<br />
bewegt sich manischewitz, der größte<br />
US-amerikanische matzehersteller.<br />
Zwar reicht auch dieses Unterneh men<br />
ins 19. Jahrhundert zurück, der Grün -<br />
der Dov Behr Manischewitz kam <strong>als</strong> ge -<br />
Produktion bei Manischewitz<br />
bürtiger Litauer, dessen Heimat da -<br />
m<strong>als</strong> zu Russland gehörte, via Ost -<br />
preußen nach Amerika. In Cincinnati,<br />
in Ohio, begann er in den 1880er Jah -<br />
ren in einem Kellerlokal mit der<br />
matze-Erzeugung, aber bald wandte<br />
er sich neuen Technologien zu: dem<br />
maschinellen Backen. Nach seinem<br />
Tod im Jahr 1914 übernahmen seine<br />
fünf Söhne das Geschäft, und unter<br />
ih nen und den nächsten Genera tio nen<br />
wurde dieses zum größten Anbieter<br />
haltbarer koscherer Nahrungsmittel<br />
in den USA. Nicht nur entwickelte sich<br />
die gleichnamige Weinmarke beinahe<br />
zum Synonym für Kiddusch-Wein im<br />
ganzen Land, unter der marke mani -<br />
sche witz gibt es Gefillte Fisch, Hüh ner -<br />
suppe und Borscht im Glas, fertige<br />
maz ze-Knödel-mischungen, oder ko -<br />
sche re Nudeln mit den dazu passenden<br />
Spaghetti-Saucen. Außerdem ge -<br />
hören zur Gruppe noch weitere Le -<br />
bensmittel-marken, die mit jüdischem<br />
Leben zu tun haben, Brands wie Car -<br />
mel, Elite, Rokeach oder mrs. Adler´s.<br />
Aber manischewitz ist längst nicht<br />
mehr im Besitz der ursprünglichen<br />
Familie. 1990 verkaufte sie an das In -<br />
vestmenthaus Kohlberg, für 42 mio.<br />
Dollar. Dieses reichte nach acht Jah -<br />
ren die Firmengruppe an den Lebens -<br />
mittel-mischkonzern R.A.G. Group<br />
weiter, inzwischen hatte sich der Wert<br />
schon auf 124 mio. Dollar gesteigert.<br />
2007 wurde dann die ganze R.A.G. ge -<br />
fressen, von einem Hedgefonds, der<br />
aus Alabama stammt, Harbinger Ca -<br />
28 <strong>April</strong> <strong>2009</strong> - Nissan/Ijar 5769
© Reuters<br />
pi tal management. Sein Haupt ei gen -<br />
tümer und Fondsverwalter – insgesamt<br />
ist Harbinger rund 13 mrd. Dollar<br />
schwer – ist Philip Falcone. Er spezialisiert<br />
sich einerseits auf Sanie rungs fäl le,<br />
anderseits hält er immer wieder mehr<br />
oder weniger große Aktienpakete an<br />
Unternehmen unterschiedlichster<br />
Bran chen, etwa am riesigen US-Last -<br />
wagen-Hersteller Navistar, an der<br />
Kabel-TV-Kette Cablevision oder am<br />
Biotechnik-mittelbetrieb SeraCare.<br />
ISRAEL • WIRTSCHAFT<br />
Harbinger vergrößerte noch den<br />
markt anteil von manischewitz im<br />
Ko sher-Business. Im Vorjahr verflocht<br />
er die Gruppe mit Cuisine Innova ti ons.<br />
Das brachte weitere einschlägige mar -<br />
ken dazu, etwa Herb´s Speciality<br />
Foods mit Fischgerichten oder die Her -<br />
steller unterschiedlicher koscherer<br />
Produkte King Kold/Ratner´s. Die<br />
Eigentümer von Cuisine Inno va tions,<br />
Alain Bankier und Paul Bensabat, halten<br />
jetzt neben Harbinger Anteile an ma -<br />
ni schewitz. Und Harbinger investierte<br />
weiter kräftig, etwa in eine hochmoderne<br />
automatisierte Fabrik in<br />
Newark um 14 mio. Dollar. Allein dort<br />
stand für Pessach <strong>2009</strong> die Ausliefe -<br />
rung von drei millionen matze-<br />
Schachteln in der Planungsrechnung.<br />
Aber auch in den Vereinigten Staa -<br />
ten gibt es noch einen bekannten mat -<br />
ze-Bäcker im Familienbesitz: Streit.<br />
1916 eröffnete Aron Streit gemeinsam<br />
mit einem Rabbiner namens Wein ber -<br />
ger auf New Yorks Lower East Side ei -<br />
ne erste matze-Bäckerei, dort wurde<br />
dam<strong>als</strong> noch ausschließlich in Hand -<br />
ar beit erzeugt. Heute führen seine<br />
Groß enkel und Enkelinnen das Un ter -<br />
nehmen, das sich auf maschinenmatze<br />
spezialisiert hat. Für Pessach<br />
gibt es außerdem Schokoladekekse<br />
und Pasta aus matzemehl, und im<br />
übri gen Jahr kann man auch Nudel -<br />
suppe in der Dose, Kuchenmix für<br />
Blueberry Cake oder Couscous bei<br />
Streit kaufen.<br />
Matze-Maschine (Anfang 20. Jahrhundert)<br />
Maschine<br />
gegen<br />
Mensch<br />
Als in Ame ri -<br />
ka mitte des 19.<br />
Jahr hunderts erste Patente für die<br />
ma schinelle Produktion von mat ze<br />
zur Anwendung kamen, enspann<br />
sich eine hitzige Debatte unter<br />
Rabbi nern, ob denn maschi nen -<br />
mat ze akzeptabel sei. „Heute ist es<br />
nur eine Frage der Tradition,“ so<br />
Rab biner Josef Pardess, „es gibt vie le<br />
Rabbiner, die ziehen Maschinen matze<br />
vor, und andere wiederum handgemachte.“<br />
Er selbst war kurz vor Pessach in<br />
Is ra el, um nach einer alten Fami -<br />
lientra dition in einer Jerusalemer<br />
Bäcke rei – bei Cohen Halperin –<br />
beim Backen dabei zu sein. „Wir<br />
sind heute eine riesige Familie – Enkel<br />
und Urenkel – insgesamt haben wir<br />
bestimmt 200 Kilo Matze gekauft.“<br />
Eine Besonderheit dabei, und<br />
dafür haben die Pardess schon seit<br />
70 oder 80 Jahren ein An recht, ist<br />
die so genannte Tamur Ri schon.<br />
Dabei handelt es sich um die erste<br />
Back-Charge nach der Nacht ruhe<br />
in der Bäckerei, da ist das Werk -<br />
zeug besonders sauber. Rabbi Par -<br />
dess vergleicht das mit der ersten<br />
Pres sung bei Olivenöl.<br />
Eine weitere Besonderheit ist die<br />
handgemachte runde bis ovale<br />
Schmu re Matze. Bei ihr wird der ge -<br />
samte Prozess von der Ähre bis zur<br />
fertig ge backenen matze kontrolliert.<br />
„Da muss schon bei der Ernte<br />
ein Mesch giach dabei sein,“ so Par -<br />
dess, „man ern tet nur bei Sonnen -<br />
schein, da mit auf keinen Fall etwas<br />
feucht werden kann.“ Und auch das<br />
mahlen und Auf be wah ren des<br />
mehls wird besonders überwacht.<br />
Zu Pessach gibt es noch eine spezielle<br />
Variante, handgemachte<br />
Mat zot Mitz wa. Diese werden erst<br />
am Nach mit tag vor dem Seder -<br />
abend gebacken, dabei spricht man<br />
bestimmte Se gens sprüche. Back -<br />
stuben dafür befinden sich etwa in<br />
der <strong>Wien</strong>er Tempelgasse oder in<br />
der Lilienbrunngasse im Zwei ten<br />
Bezirk.<br />
<strong>April</strong> <strong>2009</strong> - Nissan/Ijar 5769 29
WISSENSCHAFT<br />
die israelische firma „mindcite“<br />
hat eine neue software entwickelt,<br />
die informationen im internet<br />
aufspürt und bestimmten Personen,<br />
orten oder ereignissen zuordnet.<br />
Binnen kürzester zeit können<br />
so täterprofile ergänzt werden.<br />
zudem kann die software<br />
verschiedene da tenquellen, etwa<br />
Verbre cher da tei en aus mehreren<br />
ländern, zu sam men führen.<br />
Auch in der Verbrechensbekämpfung<br />
spielt das Internet eine zunehmend<br />
größere Rolle. Ein Problem für die Er -<br />
mittler: Die ungeheure Datenfülle im<br />
Netz. Die israelische Softwarefirma<br />
„mindCite“ hat nun ein Programm<br />
entwickelt, mit dem Sicherheits be am te<br />
der ungeheuren Datenfülle Herr werden<br />
können: „Unsere neue Technologie<br />
sammelt eine große Anzahl an Infor ma -<br />
tionen zu einzelnen Themen und führt<br />
diese mit Daten aus anderen Quellen zu -<br />
sammen“, erläutert Hadar Himmel man,<br />
Leiter von „mindCite“, das Pro gramm<br />
gegenüber dem Nachrichtenportal<br />
„Israel 21c“. „So kann eine Sam mel map -<br />
pe erstellt werden, die den Mitar bei tern in<br />
Geheimdiensten präzise und genaue<br />
Informationen liefert.“<br />
Hierzu überprüft das Programm Ein -<br />
träge in Internet-Quellen, etwa in<br />
Blogs, Chats, Internetforen oder Onli -<br />
ne-Datenbanken. Finden sich dort<br />
etwa Angaben über eine gesuchte<br />
Person, schlägt das Programm Alarm<br />
und ergänzt das Täterprofil um die<br />
gefundenen Informationen. So können<br />
Spuren von Tätern im Netz schnell<br />
nachvollzogen werden - ohne langwierige<br />
Ermittlungsarbeiten von Si -<br />
cherheitsbeamten.<br />
„Wir sehen großes Potential“<br />
Zu den Vorzügen zählt, dass so eine<br />
große Anzahl an Webseiten gleichzeitig<br />
überwacht werden kann. Da die Soft -<br />
ware multilingual ist, kann sie in verschiedenen<br />
Ländern zum Einsatz kom -<br />
men. Ein weiterer Vorteil ist, dass sie<br />
Informationen aus verschiedenen Da -<br />
ten banken zusammenführen kann -<br />
sollten sich etwa Länder zu einer in ten -<br />
siveren Zusammenarbeit bei der Ver -<br />
brechensbekämpfung entschließen,<br />
könnten die vorhandenen Infor ma -<br />
tionen schnell abgeglichen werden.<br />
ISRAEL • WISSENSCHAFT<br />
Israelische Firma entwickelt Software<br />
zur Verbrechensbekämpfung<br />
Wo das Programm zukünftig zum Ein -<br />
satz kommt, ist aber noch unsicher.<br />
„Wir sehen ein großes Potential. Sowohl<br />
der heimische Sicherheitssektor <strong>als</strong> auch<br />
andere Behörden, die sich mit präventiver<br />
Verbrechensbekämpfung beschäftigen,<br />
sind am wachsen“, zeigt sich Him mel -<br />
man zuversichtlich. inn<br />
Israelische Erfindung<br />
erleichtert<br />
Hautkrebsfrüherkennung<br />
Eine israelische Firma hat ein Gerät<br />
entwickelt, das womöglich einen<br />
Durch bruch bei der Früherkennung<br />
von Hautkrebs darstellt. mittels optischen<br />
Faserkabeln zum Absuchen<br />
nach bösartigen Leberflecken ermöglicht<br />
es eine weitaus präzisere Erfas -<br />
sung <strong>als</strong> das bloße Auge des Arztes.<br />
Das Gerät der Firma Skin Cancer Scan -<br />
ning befindet sich derzeit noch in der<br />
klinischen Testphase im Beilinson-<br />
Kran kenhaus in Petach Tikva. Es hat<br />
jedoch bereits eine Treffgenauigkeit<br />
von 92% bei der Identifizierung verschiedener<br />
Hautkrebsarten bewiesen.<br />
Die neue Technologie beruht auf dem<br />
Prinzip, dass Krebszellen sich schneller<br />
vermehren <strong>als</strong> gesunde Zellen und<br />
ihre gesteigerte metabolische Aktivi tät<br />
Energie in einer höheren Frequenz<br />
frei setzt. Diese Aktivität wird von<br />
dem Gerät erfasst. Haaretz<br />
Stammzellen zur<br />
Krebszellen-Mimikry<br />
in Mäusen<br />
mit Hilfe embryonaler Stammzellen<br />
haben Wissenschaftler des Technion<br />
und des Rambam Medical Center Krebs -<br />
zellen in menschlichem Gewebe in<br />
einer maus herstellen können.<br />
Die Leiter der Forschung, Prof. Karl<br />
Sko recki und Dr. Maty Tzukerman,<br />
habe ein experimentelles modell entwickelt,<br />
bei dem von Patienten entnommene<br />
Eierstock-Krebszellen in<br />
mäusen in mitten eines menschlichen<br />
Gewebes einen Tumor bilden können.<br />
Dies geschieht mit Hilfe von em -<br />
bryonalen Stammzellen, da das<br />
mensch liche Ge webe anderenfalls in<br />
den mäusen nicht wachsen und sich<br />
vermehren würde. Diese mimikry ver -<br />
anschaulicht die eigentliche Ent wick -<br />
lung der Tumorzellen im menschen<br />
und die lässt der Entwicklung von<br />
Behand lungs möglichkeiten zu.<br />
Die Arbeiten wurden im Rahmen der<br />
Diplomarbeit von Ehood Katz ausgeführt,<br />
der verschiedene Subpopu la tio -<br />
nen des Eierstock-Krebses einer Pa -<br />
tientin isolierte und charakterisierte<br />
und mit Hilfe eines modells die Über -<br />
tragung auf andere Patienten zulässt.<br />
Die Veröffentlichung erfolgte in der<br />
Online-Ausgabe des „Clinical Can cer<br />
Research“-Journ<strong>als</strong> in der Januar-Aus -<br />
gabe.<br />
http://pard.technion.ac.il/archives/presseng/<br />
Html/PR_matyE_31_12.Html<br />
Jüdisch-arabischer Stammzellen-Workshop<br />
an der Hebräischen Universität<br />
Am Youth Center for Advanced Studies der Hebräischen Universität Jeru sa -<br />
lem ist im märz ein Workshop zur Stammzellenforschung für jüdische und<br />
arabische Jugendliche aus Jerusalem und Abu Gosh veranstaltet worden. Über<br />
das Internet waren zudem Studenten aus Deutschland zugeschaltet.<br />
Neben den wissenschaftlichen Entwicklungen der Stammzellenforschung<br />
standen auch ethische und religiöse Aspekte des Themas auf dem Programm.<br />
Für Dr. Devora Lang, die Direktorin des Youth Center, lag die Besonderheit des<br />
Workshops darin, dass er Schülern verschiedener Glaubensrichtungen in Israel<br />
die Gelegenheit geboten habe, gemeinsam über die Stammzellenfrage zu dis -<br />
kutieren.<br />
Die Hinzuziehung der deutschen Studenten war insofern besonders interessant,<br />
<strong>als</strong> der Einsatz embryonaler Stammzellen für die Forschung in Deutschland<br />
sehr stark eingeschränkt ist. Im Hintergrund steht dabei der missbrauch von<br />
Wissenschaft für die Eugenik während des Nation<strong>als</strong>ozialismus.<br />
Hebräische Universität Jerusalem<br />
30 <strong>April</strong> <strong>2009</strong> - Nissan/Ijar 5769
Erstes ‚grünes Haus’<br />
im Negev<br />
Im Moshav Ashalim ist kürzlich das<br />
erste ‚grüne Haus’ seiner Art im<br />
Negev errichtet worden. Es handelt<br />
sich dabei um ein Wohnhaus, das<br />
voll ständig gemäß ökologischen<br />
Grund sätzen und mit ökologischer<br />
Technologie gebaut ist. Das Haus hat<br />
eine Grundfläche von 170 m² und um -<br />
fasst eine Küche, ein Wohnzimmer<br />
und vier Schlafzimmer. Errichtet<br />
wurde es von der Kreisverwaltung<br />
Ramat Hanegev, die neue Bewohner<br />
in die Wüstenregion locken will.<br />
Die Wände des Hauses bestehen aus<br />
vor Ort hergestellten Erdziegeln und<br />
sind mit thermischem mörtel verputzt,<br />
wodurch Energiekosten eingespart<br />
werden. Öffnungen an den Decken<br />
und hohe Fenster sorgen für optimale<br />
natürliche Beleuchtung, und ein spezielles<br />
Wasserwiederauf bereitungs -<br />
sys tem hilft beim Wassersparen. Von<br />
der Firma Sunday wurde das Haus<br />
mit einer Solaranlage ausgestattet, die<br />
mehr Strom produziert <strong>als</strong> den Ei gen -<br />
bedarf.<br />
Die Baukosten von etwa 150.000 Euro<br />
wurden von der norwegischen Or ga -<br />
nisation „Exodus Nord“ übernommen,<br />
die die Entwicklung des Kreises Ra mat<br />
Hanegev fördert. Die Organisa tion hat<br />
bereits acht Häuser im moshav Asha -<br />
lim finanziert, die an israelische Fa -<br />
milien verkauft wurden.<br />
Informationen zum moshav Ashalim<br />
gibt es unter dem folgenden Link:<br />
http://eng.negev-net.org.il/HTMLs/article.aspx?C2004=12616&BSP=12606<br />
My Negev<br />
Peretz<br />
Lavie<br />
neuer<br />
Technion-<br />
Präsident<br />
Der Psychologe<br />
Prof. Peretz Lavie<br />
ist zum neuen<br />
Präsidenten des Technion in Haifa<br />
gewählt worden. Er löst Prof. Yitzhak<br />
Apeloig ab, der zwei vierjährige Amts -<br />
zeiten hinter sich hat.<br />
ISRAEL • WISSENSCHAFT<br />
Lavie ist der Pionier der israelischen<br />
Schlafmedizin. 1979 gründete er das<br />
erste israelische Schlaflabor zur Diag -<br />
no se von Schlafstörungen und war<br />
auch an der Eröffnung des Schlafla -<br />
bors der Harvard University beteiligt.<br />
Zu den zahllosen Veröffentlichungen<br />
des 60jährigen zählt der Bestseller<br />
„Die wundersame Welt des Schlafes“. In<br />
medizinischen Fachzeitschriften hat<br />
er mehr <strong>als</strong> 300 Artikel veröffentlicht.<br />
1980 kämpfte er für die Einführung<br />
der Sommerzeit. Jerusalem Post<br />
Blutgerinnungstest<br />
per Laser<br />
menschen mit Infarkt-Risiko müssen<br />
oftm<strong>als</strong> monatlich oder wöchentlich<br />
zum Arzt, um dort durch Blutab nah -<br />
me die Blutgerinnung kontrollieren<br />
zu lassen. Damit könnte bald Schluss<br />
sein. Eine israelische Firma hat jetzt<br />
eine möglichkeit entwickelt, mit welcher<br />
der Blutfluss ohne den leidigen<br />
Pieks mittels Laserlicht von zu Hause<br />
aus bestimmt werden kann.<br />
Entwickelt wurde die Überwachungstechnik<br />
von der Firma Elfi Tech. Durch<br />
Laserlicht (Laser Speckle Contrast<br />
Ima ging) wird der Blutfluss von zu<br />
Hause aus bestimmt. Die Daten werden<br />
dann per Wi-Fi oder Handy an<br />
den behandelnden Arzt übermittelt.<br />
Besonders vorteilhaft ist dabei auch,<br />
dass der Blutfluss in Echtzeit getestet<br />
werden kann. Die Auswertung ist da -<br />
durch genauer, <strong>als</strong> bei der Entnahme<br />
einer Blutprobe, die erst im Labor<br />
überprüft werden muss.<br />
Bei Elfi Tech hoffen die Entwickler,<br />
dass die Tests in Zukunft so populär<br />
werden, wie das Blutdruck messen<br />
oder Insulin Spritzen von zu Hause<br />
aus.<br />
Laut dem Bericht befindet sich das<br />
Überwachungsgerät im letzten Ent -<br />
wick lungsstadium. In den kommenden<br />
monaten soll es dem europäischen<br />
Gesundheitsamt zur Prüfung vorgelegt<br />
werden. israel21c/inn<br />
Ori Allon,<br />
Entwickler der<br />
Orion-Such -<br />
maschine<br />
Neuer Google-Service<br />
in Israel entwickelt<br />
Google Israel hat einen weiteren Er -<br />
folg feiern können. Der internationale<br />
Service „Google Suggest“, der von<br />
einem israelischen Team entwickelt<br />
wurde, ist in lokalen Versionen in Be -<br />
trieb gegangen. Der neue Service des<br />
Suchmaschinenanbieters besteht da -<br />
rin, Wörter zu vervollständigen, die<br />
der Benutzer in das Suchfeld eintippt,<br />
und in Echtzeit Vorschläge anzubieten.<br />
Das israelische Team, das Google<br />
Sug gest entwickelt hat, wird von Mi ki<br />
Herkovitz und Dr. Yoel Mark geleitet,<br />
der dem Forschungs- und Ent wick -<br />
lungs zentrum von Google Israel vorsteht.<br />
Auf google.com ist der Dienst schon<br />
seit einigen monaten in Betrieb, seit<br />
dieser Woche können ihn aber auch<br />
alle Länderversionen nutzen – in 51<br />
Sprachen. Neben der Sprache sind<br />
dabei auch kulturelle Faktoren in<br />
Rech nung gestellt worden. So bietet<br />
Google Suggest etwa auf den englischen<br />
und australischen Websites<br />
unterschiedliche Vorschläge an.<br />
„In Australien, zum Beispiel, wird man,<br />
wenn man ‚kan’ eintippt, Ergebnisse<br />
bekommen, die das Wort ‚kangaroo’ beinhalten“,<br />
erzählt Produktmanager Da -<br />
vid Kadosh. „Dies ist Information, die<br />
normalerweise an anderen Orten nicht<br />
relevant ist, so dass sie nur in Australien<br />
erscheinen wird.“<br />
Google Suggest ist auch bei youtube.com<br />
verfügbar. Yedioth Ahronot<br />
<strong>April</strong> <strong>2009</strong> - Nissan/Ijar 5769 31<br />
© Ori Allen
JÜDISCHE WELT<br />
Oskar Deutsch beim Treffen<br />
der Maccabi Welt-Uni0n<br />
Das Eis ist gebrochen: wenn im Juli<br />
2011 in <strong>Wien</strong> die 13. Europäischen<br />
Makkabi Spiele über die Bühne gehen,<br />
wird es das erste Mal sein, dass sich<br />
nach 1945 jüdische Sportler aus<br />
dutzenden Nationen auf dem Boden<br />
des ehemaligen Deutschen Reiches<br />
dem Wettkampf stellen.<br />
„Die Gemeinde“ sprach mit IKG-<br />
Vizepräsident Oskar Deutsch, dem<br />
Vorsitzenden der <strong>Wien</strong>er Spiele.<br />
VON ALEXIA WEISS<br />
Es sollen die „Spiele der kurzen Wege“<br />
werden, betont Oskar Deutsch – und<br />
sieht in diesem Konzept auch einen<br />
der Gründe, warum schließlich <strong>Wien</strong><br />
von der Europäischen makkabi Fö de -<br />
ration (EmC) im vergangenen Okto -<br />
ber den Zuschlag für die Austragung<br />
der 13. Europäischen makkabi Spiele<br />
erhielt. Vier Städte hatten sich insgesamt<br />
beworben: neben <strong>Wien</strong> waren<br />
dies Stockholm, madrid und St. Pe -<br />
ters burg.<br />
Nun steht den Verantwortlichen<br />
eine arbeitsintensive Zeit bevor: während<br />
acht Tagen werden rund 2.000<br />
Sportler in 13 bis 15 Disziplinen an -<br />
treten. Das heißt einerseits, wie bei<br />
JÜDISCHE WELT • INLAND<br />
„Es sollen die Spiele der<br />
kurzen Wege werden“<br />
jedem sportlichen Großereignis: perfekte<br />
Organisation parallel stattfindender<br />
Wettkämpfe. Das heißt aber<br />
auch: dafür sorgen, dass täglich drei<br />
mal 2.000 koschere mahlzeiten zur<br />
Ver fügung stehen. Und das heißt: sich<br />
um die sichere Unterbringung und<br />
den sicheren Transport der Teilneh mer<br />
von den Hotels zu den Sportstätten<br />
und wieder zurück zu kümmern.<br />
Als stellvertretender Vorsitzender<br />
steht Deutsch für diese Aufgabe Mau -<br />
rizi Berger zur Seite. Im <strong>April</strong> wird<br />
zudem das Organisationskomitee ge -<br />
bildet: dieses sieht unter anderem<br />
einen Sportdirektor, einen Finanzchef<br />
sowie Verantwortliche für die Berei che<br />
Sicherheit, Logistik, Öffentlichkeitsarbeit,<br />
Transport, Catering, IT, Zere -<br />
mo nien und Events sowie Edu ca tion<br />
(Programmangebot für die ju gend -<br />
lichen Teilnehmer) vor. Ein mit glied<br />
des Komitees wird sich zudem um<br />
die Einbindung und Koordinie rung<br />
von Freiwilligen kümmern, die dringend<br />
gebraucht werden. „Ein Bei spiel“,<br />
so Deutsch: „Beim Einmarsch der Na -<br />
tionen muss es für jede Mann schaft einen<br />
Freiwilligen geben, der eine Tafel mit dem<br />
Namen des Landes vorausträgt.“<br />
Oskar Deutsch und maurizi Berger,<br />
aber auch die mitglieder des Organi -<br />
sa tionskomitees werden auf ehrenamtlicher<br />
Basis die Spiele organisieren.<br />
(Das Komitee wird, sobald alle Funk -<br />
tionen vergeben sind, noch ge son dert<br />
in der „Gemeinde“ vorgestellt werden.)<br />
Die einzig bezahlte Funktion<br />
wird die eines Gener<strong>als</strong>e kretärs sein,<br />
der mit Januar 2010 seine Arbeit aufnehmen<br />
soll.<br />
Den Finanzbedarf für die Austra -<br />
gung der Spiele haben die Organi sa -<br />
toren rund um Deutsch mit drei milli -<br />
onen Euro kalkuliert. Inkludiert sind<br />
darin die Kosten für die Unterbrin -<br />
gung der Sportler, das Training und<br />
die Wettkämpfe an den verschiedenen<br />
Sportstätten (neben dem zur Verfü -<br />
gung stehenden neuen Hakoah Sport -<br />
zentrum im Prater müssen weitere<br />
Plätze, Hallen und Stadien, alle im<br />
Um feld des IKG-Campus gelegen,<br />
an gemietet werden), der Transport der<br />
Teilnehmer, das Catering sowie die<br />
technische und organisatorische Ab -<br />
wicklung des Großevents von der Er -<br />
öffnungsfeier am Rathausplatz bis<br />
zur Closing Ceremony.<br />
Derzeit gehen die Organisatoren da -<br />
von aus, dass 40 Prozent der Kosten<br />
von den Teilnehmern beziehungswei se<br />
deren Verbänden getragen werden.<br />
Jeder Sportler bezahlt über seinen<br />
Verband 920 Euro. Weitere jeweils 25<br />
Prozent – das sind je 750.000 Euro –<br />
hofft Deutsch in Verhandlungen mit<br />
dem Bund und der Stadt <strong>Wien</strong> für die<br />
Spiele zu erhalten. Der Rest der nötigen<br />
mittel soll über Sponsoring aufgebracht<br />
werden.<br />
Bereits jetzt lobt Deutsch das Enga -<br />
gement des <strong>Wien</strong>er Bürgermeisters<br />
mi chael Häupl (SPÖ), der die Kan -<br />
didatur des Jüdischen Sportverbands<br />
Österreichs (JSVO) bei diesem Projekt<br />
von Anfang an unterstützt habe. Die<br />
Investition in diese Veranstaltung<br />
rechne sich aber auch für Stadt und<br />
Bund, ist Deutsch überzeugt: nicht nur<br />
das Image von <strong>Wien</strong> und Österreich<br />
werde so verbessert, die eingesetzten<br />
mittel „bleiben ja auch in <strong>Wien</strong>“.<br />
Und was war die motivation der<br />
IKG, sich für die Austragung der<br />
Spie le zu bewerben? „Wir können uns<br />
hier präsentieren und einmal einer größeren<br />
jüdischen Öffentlichkeit zeigen, wie<br />
das jüdische <strong>Wien</strong> und wie unsere Infra -<br />
struktur funktioniert“, so Deutsch.<br />
„Für die Gemeinde ist das eine tolle Sa che,<br />
wenn sie sagen kann, hier gibt es florierendes<br />
jüdisches Leben.“<br />
Repräsentanten des jüdischen Eu -<br />
ro pa zu zeigen, „was es hier alles gibt“,<br />
ist der IKG-Führung vor allem deshalb<br />
ein Anliegen, da die Vergröße rung der<br />
Gemeinde durch Zuzug weiter im<br />
Auge behalten wird. Wenn eines Ta -<br />
ges auch die politischen Rahmenbe -<br />
dingungen dafür stimmen, „dass wir<br />
die Möglichkeit haben, Leute nach <strong>Wien</strong><br />
32 <strong>April</strong> <strong>2009</strong> - Nissan/Ijar 5769
zu bringen, um hier zu leben“, dann ge be<br />
es „Letten, Litauer, Ungarn, Deutsche<br />
und viele andere, die bei den Spielen wa -<br />
ren und wissen, wie es in <strong>Wien</strong> aussieht,<br />
wie man hier lebt“.<br />
Wert wird seitens der Organisation<br />
daher auch darauf gelegt, dass nicht<br />
nur viele Jugendliche nach <strong>Wien</strong><br />
kommen, sondern sich diese auch mit<br />
der <strong>Wien</strong>er Jugend austauschen. In<br />
rund 15 Sportarten (Fixstarter sind<br />
Fuß ball, Basketball, Golf, Tennis, Tisch -<br />
tennis, Volleyball, Beach volley ball,<br />
Schach, Bridge und Karate; an de re<br />
Disziplinen, wie etwa die verschiedenen<br />
Schwimm-Bewerbe, sind abhängig<br />
von der Anzahl der von den na tio nalen<br />
Verbänden einlangenden Nominie -<br />
run gen) kämpfen die Teilnehmer in<br />
drei Altersklassen um die Plätze am<br />
Sie gertreppchen. Unterschieden wird<br />
zwischen „Offenen Spielen“, „Mas ters“<br />
(<strong>als</strong>o die älteren Sportler ab 35 Jahre)<br />
und den „Junior European Mac cabi<br />
Games“, an denen Jugend li che der<br />
Ge burtsjahrgänge 1995 bis 1997 teilnehmen<br />
können.<br />
Deutsch ist es dabei ein Anliegen,<br />
dass die teilnehmenden jüdischen<br />
Jugendlichen aus <strong>Wien</strong> gemeinsam<br />
mit den Jugendlichen aus anderen<br />
Ländern in einem Hotel untergebracht<br />
werden. Damit solle neben<br />
dem sportlichen Event auch die persönliche<br />
Begegnung groß geschrieben<br />
werden. Außerdem werde es für die<br />
nach <strong>Wien</strong> reisenden mädchen und<br />
Burschen ein Education Program ge -<br />
ben, mit dem Fokus auf dem Thema<br />
Holocaust.<br />
Jugendliche, aber auch Erwachse ne,<br />
sollen sich auch am von den Org a ni -<br />
sa toren aktuell ausgeschriebenen Lo -<br />
go-Wettbewerb für die makkabi Spie le<br />
in <strong>Wien</strong> beteiligen. Einsendeschluss<br />
ist der 30. <strong>April</strong>. Erwartet werden in<br />
<strong>Wien</strong> Teilnehmer aus an die 40 Län -<br />
dern. 34 Staaten gehören derzeit der<br />
Europäischen makkabi Konfö dera tion<br />
an. Traditionell kommt aber eine<br />
auch rund 25-köpfige Junioren mann -<br />
schaft aus Israel zu den europäischen<br />
Spie len. Und es werden im Sinn der<br />
globalen Verbundenheit der jüdischen<br />
Ge mein den auch immer wieder ger -<br />
ne Sport ler, die in anderen Kon ti nen -<br />
ten leben, eingeladen. manch mal<br />
kann so auch die Durchführung eines<br />
Wettbewerbs oder Turniers sicherge-<br />
JÜDISCHE WELT • INLAND<br />
stellt werden. Haben sich beispielsweise<br />
15 mann schaf ten für das Fuß -<br />
ballturnier angemeldet, sichert ein 16.<br />
Team aus ei nem Land außerhalb<br />
Europas die optimale Durchführung.<br />
Fußballer stellen bei den Euro päi -<br />
schen Spielen übrigens erfahrungsgemäß<br />
et wa 40 bis 50 Prozent der<br />
Teilneh mer. Geht es nach den<br />
Organisatoren wird es in <strong>Wien</strong><br />
Konkurrenz durch Sport ler einer ähnlichen<br />
Disziplin geben: ge dacht wird<br />
daran, auch ein Futsal-Turnier zu veranstalten.<br />
Für alle, die von dieser<br />
Sportart bisher noch nichts gehört<br />
haben: Futsal ist eine Fußball -<br />
variante, die in der Halle, aber ohne<br />
Ban denbegrenzungen, gespielt wird.<br />
Jedes Team tritt mit einer fünfköpfigen<br />
Feldmannschaft und einem Tor mann<br />
an, gespielt wird allerdings auf Hand -<br />
balltore und mit einem sprungreduzierten<br />
Ball.<br />
Von österreichischer Seite nehmen nor -<br />
malerweise rund 20 bis 40 Sport ler an<br />
der alle vier Jahre in Israel abgehaltenen<br />
maccabiah (die nächste findet<br />
diesen Sommer statt) teil. 50 bis 80<br />
Sport ler reisen meist zu den Euro päi -<br />
schen Spielen (zuletzt 2007 in Rom).<br />
„Wir hoffen, dass in <strong>Wien</strong> 150 bis 200<br />
Sport ler aus Österreich teilnehmen“, sagt<br />
Deutsch. mit der Zusammenstellung<br />
der heimischen mannschaft wurde<br />
bereits Jair Zelmanovic <strong>als</strong> „Head of<br />
Delegation“ betraut.<br />
Der stellvertretender Vorsitzende Maurizi Berger bei<br />
der Vertragsunterzeichung in Paris (November 2008)<br />
Die Europäischen<br />
Makkabi Spiele<br />
Die ersten Europäischen Makkabi<br />
Spiele wurden 1929 in Prag abgehalten,<br />
ein Jahr später wurden sie<br />
in Antwerpen ausgetragen. Erst 29<br />
Jahre später kam es wieder zu jüdischen<br />
Spielen in Europa: und zwar<br />
in Kopenhagen, das 1959 <strong>als</strong> Gast -<br />
ge ber fungierte.<br />
Seit Ende der 1960-er Jahre werden<br />
die Europäischen Makkabi Spie le<br />
im Vier-Jahres-Rhythmus abgehalten<br />
– jeweils um zwei Jahre versetzt<br />
zu der ebenfalls alle vier Jahre in<br />
Israel veranstalteten Maccabiah.<br />
Zuletzt richtete Rom 2007 die<br />
Europäischen Spiele aus.<br />
Die Organisation der Spiele wird<br />
jeweils in enger Kooperation zwischen<br />
der Europäischen Makkabi<br />
Konföderation (derzeit 34 Mit glieds -<br />
nationen), der nationalen Makkabi<br />
Föderation (in Österreich der Jüdi<br />
s che Sportverband Österreichs,<br />
dem die Vereine Hakoah <strong>Wien</strong> und<br />
Maccabi <strong>Wien</strong> angehören) und der<br />
Gastgeberstadt durchgeführt.<br />
Quellen: Jerusalem Post, www.maccabiworld.org<br />
<strong>April</strong> <strong>2009</strong> - Nissan/Ijar 5769 33
© Ben Harris/JTA<br />
Die Zion-Synagoge - mit einem Davidstern auf<br />
der Kuppel - dominiert die Skyline von Oradea.<br />
zwei junge akademiker sind<br />
für das gut organisierte jüdische<br />
leben in einer rumänischen<br />
Kleingemeinde verantwortlich.<br />
all ihre freizeit widmen sie der<br />
arbeit mit den Jugendlichen.<br />
sie könnten ihre studien in<br />
stockholm, london oder an der<br />
lauder-Busi ness school in wien<br />
gleich fortsetzen. doch auch<br />
die zeitweilige trennung von ihren<br />
aktivitäten in der gemeinde von<br />
oradea (großwardein/nagyvárad)<br />
fällt ihnen schwer.<br />
Doppelinterview mit Edith<br />
Homonnai und Christian Ezri<br />
aus der Jüdischen Gemeinde Oradea,<br />
Rumänien<br />
Gemeinde: Wie kommt ein Jude zu dem<br />
Vornamen Christian?<br />
christian: Dieser Vorname ist zu ei -<br />
nem echten Eisbrecher für mich ge -<br />
worden. Überall wo ich mich vorstelle,<br />
weiß man zuerst nicht, dass ich Jude<br />
bin. Dieser Name hat mit der Ge -<br />
schichte mei ner Eltern zu tun, denn<br />
mein jüdischer Name ist moshe Arie.<br />
JÜDISCHE WELT • AUSLAND<br />
Wieder offen<br />
Woher stammen denn Ihre Eltern?<br />
christian: Ursprünglich kamen die<br />
Eltern vä terlicherseits aus Budapest<br />
nach Ora dea. meine mutter hatte<br />
zwölf Ge schwister, von denen die<br />
Hälfte in Au schwitz mit den Groß -<br />
eltern ge mein sam ermordet wurde.<br />
Weder mein Vater noch meine mutter<br />
genossen eine jü dische Erziehung. Sie<br />
wussten, dass sie Juden sind, aber das<br />
war auch schon alles.<br />
Kamen viele Juden nach der Shoah nach<br />
Oradea zurück?<br />
christian: Vor der Shoah gab es ein<br />
blühendes jüdisches Leben in Oradea.<br />
Von den dam<strong>als</strong> 90.000 Einwohnern<br />
wa ren 30.000 jüdisch. Die jüdische<br />
Be völke rung hatte großen Anteil am<br />
Erfolg der Chemieindustrie, der<br />
Architektur und des Handels. Die Stadt<br />
kann auf eine reiche jüdische Ge -<br />
schichte und Tradition zurückblicken,<br />
sogar der Wisch nitzer Rebbe stammt<br />
aus Groß war dein. Aber nach dem<br />
Krieg ka men nur 3.000 men schen zu -<br />
rück.<br />
Gab es da nach dem Krieg ein jüdisches<br />
Gemeinwesen?<br />
christian: Zuerst sehr zögerlich. Das<br />
jüdisch sein<br />
Pro blem war nämlich, dass wir rund<br />
2.300 männer aber nur 700 jüdische<br />
Frauen hatten, daher waren misch -<br />
ehen oft die Regel. Aus Angst haben<br />
die Ehepart ner oft ihre jüdischen<br />
Wur zeln verleugnet. meine Eltern<br />
hatten es auch sehr schwer, sie durften<br />
nicht studieren - wegen des numerus<br />
clausus für Ju den. Dreimal richteten sie<br />
ein Haus her und ebenso oft wurden<br />
sie enteignet. Aber der Oberrabbiner<br />
von Rumä ni en, moses Rosen, war<br />
dann doch ihr großes Glück.<br />
Sie meinen während der kommunistischen<br />
Herrschaft?<br />
christian: Ja, denn durch seine kluge<br />
Poli tik ermöglichte er noch unter Ce -<br />
au sescu ein jüdisches Gemein de le ben.<br />
Er hat te einen guten Draht zum kommunistischen<br />
Regime und wusste,<br />
dass der Staatschef nach einem guten<br />
Image im Westen lechzte. So hat er<br />
Ceausescu eingeredet, jüdische Chöre<br />
in hebräischer Sprache zuzulassen.<br />
Und <strong>als</strong> er das erreicht hatte, ging er<br />
wieder hin und sagte, jetzt brauchen<br />
wir eine Talmud Thora-Schule, damit<br />
die Sänger auch verstehen, was sie<br />
singen. Und bis heute sind das jene<br />
beiden Institu tio nen, auf die das jüdi-<br />
34 <strong>April</strong> <strong>2009</strong> - Nissan/Ijar 5769
sche Gemein de leben aufbaut.<br />
Sie sind heute 24 Jahre alt, seit wann<br />
wissen Sie über Ihr Judentum Bescheid?<br />
christian: Ich erinnere mich an einen<br />
sonnigen Sonntag, <strong>als</strong> meine Eltern<br />
mit uns in den Park spazieren gingen,<br />
mein jüngerer Bruder Norbert war<br />
auch dabei, und plötzlich sagten sie:<br />
„Ihr seid Juden“. Und wir schauten sie<br />
er staunt an und sagten: „Großartig!<br />
Und bitte schön was ist das?“ Ich ahnte<br />
schon früher, dass irgendetwas bei<br />
uns anders war: In der Schule ärgerte<br />
ich mich über meinen Familiennamen<br />
Ezri. Er klang einfach nicht rumänisch,<br />
wie bei den anderen Kindern.<br />
Wie fanden Sie dann doch zu Ihrer<br />
ausgeprägten jüdischen Identität?<br />
christian: Nach der Wende – und ih rer<br />
plötz lichen Ankündigung - schickten<br />
uns die Eltern dann zum jüdischen<br />
Chor. Dort war ich zwar stimmlich ei ne<br />
Niete, unversehens aber in jüdischer<br />
Gesellschaft. Der Chor war eine Art<br />
Ein trittskarte in die jüdische Ge mein -<br />
schaft. Nur wer im Chor war, durfte<br />
auch ins Sommercamp mitfahren, und<br />
dieses war ebenfalls eine große At trak -<br />
tion.<br />
Sie sind aber heute Präsident der Ju gend -<br />
gruppe des JCC (Jewish Commu ni ty<br />
Center) und der wichtigste „Aktivist“.<br />
Wie kam es dazu?<br />
christian: Im Sommercamp in Ru -<br />
mänien ha be ich den religiösen Ritus<br />
zum ersten mal erlebt, konnte aber<br />
nichts damit anfangen. Es war sogar<br />
peinlich, <strong>als</strong> man mich <strong>als</strong> Kohen aufgefordert<br />
hat zu beten: Christian der<br />
Kohen!<br />
Der Wendepunkt in meinem Leben<br />
kam mit dem ersten Besuch im un -<br />
gari schen Szarvas 1995. Das war der<br />
JÜDISCHE WELT • AUSLAND<br />
Treffpunkt jüdischer Kinder aus dem<br />
gan zen mitteleuropäischen Raum:<br />
Das war das Ferienlager der Ronald S.<br />
Lauder Foundation gemeinsam mit dem<br />
American Jewish Joint Distribution Com -<br />
mittee. In diesem International Sum mer<br />
Camp fühlte ich mich pudelwohl, un ter<br />
500 lautstarken, verrückten Kin dern<br />
aus neun verschiedenen Ländern. Hier<br />
konnte ich mich öffnen. Hier wurde<br />
die Saat für meine Zukunft aus gesät.<br />
Sie haben Ihren Studienabschluss in<br />
Computer-Wissenschaften gemacht.<br />
Wie ist sich das mit der Universität und<br />
der intensiven Arbeit für das Jewish<br />
Community Center (JCC) ausgegangen?<br />
christian: meine gesamte Freizeit<br />
habe ich im JCC verbracht. Und eines<br />
Tages habe ich im Computer-Zimmer<br />
Edith miriam entdeckt – und dann<br />
war ich gefangen. Ich hätte meine<br />
Ausbil dung auch in Cluj (Klausen -<br />
burg, Kolosvár) oder Timisoara (Te -<br />
meschwar, Temes vár) machen können,<br />
dort gibt es an spruchsvollere Uni ver -<br />
si täten. Aber ich wollte in Oradea<br />
bleiben und für die jüdische Gemein de<br />
arbeiten.<br />
edith: Ja, das stimmt. Seit wir uns<br />
kennen, haben wir viel gemeinsam<br />
für die Jugend aufgebaut.<br />
Ich war<br />
mit meinen beiden<br />
Ge schwistern schon<br />
viel früher im Ju -<br />
gend zentrum <strong>als</strong><br />
Christian. Und ob -<br />
wohl mein Vater<br />
kein Jude ist, hat er<br />
meine mutter in<br />
unserer jüdischen<br />
Erziehung immer<br />
voll unterstützt.<br />
Als ihn sein Pries -<br />
ter nach der zivilen<br />
Heirat mit einer Jü -<br />
din anspuckte, ließ er diese Vergan -<br />
© Ben Harris/JTA<br />
Christian Ezri und Edith Homonnai<br />
Christian Ezri mit Freund vor einer<br />
100-jährigen Synagoge in Oradea.<br />
genheit hinter sich. Er geht mit uns in<br />
die Synagoge und feiert alles mit.<br />
Wie viele Gemeindemitglieder gibt es<br />
heute?<br />
edith: Wir haben eine Liste von rund<br />
700 jüdischen menschen. Wenn Leute<br />
zu Pessach ihre Mazzot abholen, lassen<br />
wir sie gleich Fragebögen ausfüllen<br />
und so erweitern und aktualisieren wir<br />
unsere Listen. Gleichzeitig fragen wir<br />
sie nach ihren Interessen und Hob bies<br />
und so können wir sie dann besser in<br />
die diversen Freizeitgruppen einteilen.<br />
Bekommen Sie Unterstützung aus<br />
Bukarest?<br />
christian: Die Gemeinde in der Haupt -<br />
stadt initiierte die Organisation der<br />
Jugend in allen größeren rumänischen<br />
Städ ten. Damit bekam auch un -<br />
sere Arbeit eine kompakte Struk tur:<br />
Die Ju gend lichen sind in einer sicheren<br />
Umge bung, lernen He brä isch,<br />
spielen Tisch tennis, hören<br />
israelische musik und or -<br />
ga nisieren Tanz- und Koch -<br />
kurse. Und durch die fi -<br />
nan zielle Un terstützung<br />
konnten wir unsere Ar beit<br />
seit 2007 professionalisieren.<br />
Es muss trotzdem noch<br />
Freiwillige geben, denn<br />
wir kümmern uns um vier<br />
Gruppen: Kinder, Jugend -<br />
li che, sowie Middle und<br />
Golden Age.<br />
<strong>April</strong> <strong>2009</strong> - Nissan/Ijar 5769 35<br />
© Reinhard Engel<br />
© Ben Harris/JTA
Hat sich auch ein religiöses Leben entwickelt?<br />
christian: Ja, sogar meine Eltern kom -<br />
men jetzt oft in die Synagoge. Heute<br />
gibt es noch fünf Synagogen, vor dem<br />
Krieg waren es sogar 27 Bethäuser.<br />
Oradea und Bukarest sind die einzigen<br />
Städte in Rumänien, wo es täglich<br />
Minjanim gibt. Wir begehen viele Fest -<br />
tage gemeinsam und vermitteln da -<br />
mit auch jüdisches Wissen: Es gibt ein<br />
Purimspiel und ein musical über mo ses<br />
zu Pessach. Die Kinder haben eigene<br />
Sedertische und da ist jeweils ein Er -<br />
wach senen dabei, der ihnen alles er -<br />
klärt.<br />
edith: Die exklusiven Lernabende für<br />
Frauen, wo etwa 30 daran teilnehmen,<br />
sind ein großer Erfolg geworden. In<br />
den besten monaten haben wir schon<br />
einen „Umsatz“ von 1.900 Besuchern<br />
gehabt.<br />
Sie haben Psychologie und Europäische<br />
Studien gleichzeitig abgeschlossen?<br />
edith: Ja, und das ist auch in unserem<br />
Day-Care-Center eine große Hilfe.<br />
Sie hätten jetzt beide die Chance, in <strong>Wien</strong><br />
ein post-graduate Studium zu machen?<br />
christian: Ja, ich würde gerne Busi ness<br />
Administration hier an der Lauder Bu -<br />
siness School studieren. Edith und ich<br />
haben die Aufnahmsprüfung bestanden.<br />
Ich arbeite gerne mit menschen,<br />
und wir haben beide viel praktische<br />
JÜDISCHE WELT • AUSLAND<br />
Erfahrung gesammelt, aber ich möchte<br />
dazu noch die Theorie beherrschen,<br />
um auch meine Kenntnis der leadership<br />
zu verbessern.<br />
edith: Ich würde wahrscheinlich auch<br />
nach <strong>Wien</strong> kommen, obwohl ich eine<br />
enge Bindung zu Schweden habe: Ich<br />
habe in Schweden Jewish Studies in -<br />
skri biert, denn ich wollte die men schen<br />
dort kennen lernen: Dieses Land hat<br />
meine Großmutter und mutter vor<br />
dem Holocaust gerettet. Ich habe<br />
meine Großmutter, die drei Jahre dort<br />
gelebt hatte, gut verstanden: Ich wäre<br />
auch noch gerne länger dort geblieben.<br />
Ich war auch vier monate in Israel und<br />
habe meine Beziehung zum Juden -<br />
tum noch verstärkt.<br />
Sie sind in <strong>Wien</strong> Hausgäste bei der<br />
Familie Michael und Annette Feyer.<br />
Woher stammt diese Bekanntschaft?<br />
christian: Das Ehepaar Feyer be -<br />
such te uns mit der im Vorjahr verunglückten<br />
Eeva Huber-Huber und ih -<br />
rem mann (siehe Kasten), die unendlich<br />
viel für unsere Gemeinde und<br />
vie le andere in Rumänien geleistet<br />
ha ben. Sie versorgten die Ärmsten der<br />
Armen mit medizin, Lebensmittel und<br />
Bekleidung. Sie bereisten mehrm<strong>als</strong><br />
im Jahr das Land, gingen in die entlegensten<br />
Dörfer und taten dies mit ei -<br />
ner Bescheidenheit, die unbeschreiblich<br />
ist.<br />
edith: Im Pizza-Ofen, den uns das<br />
Das Kin der spielzimmer verdankt die Gemeinde dem Ehepaar Huber-Huber<br />
Ehe paar Feyer mitgebracht hat, backen<br />
die Kinder und die Erwachsenen mit<br />
großer Freude ihre Pizzen, Pitot und<br />
einmal im Jahr sogar die Mazzot. Die<br />
gesamte Einrichtung unserer Kin der -<br />
spielzimmer, die von 23 Kindern von<br />
acht Uhr früh bis sechs Uhr am Abend<br />
frequentiert werden, verdanken wir<br />
dem Ehepaar Huber-Huber.<br />
Eeva und Berti Huber-Huber waren<br />
kurz vor dem Unfall noch bei Ihnen in<br />
der Gemeinde?<br />
christian: Ja, sie hatten uns Sachen für<br />
Pessach gebracht, das war am 18. <strong>April</strong><br />
2008. Ein ORF-TV-Team reiste mit ih -<br />
nen, und sie wollten Seder in Turgu<br />
mures feiern. Drei Stunden nach dem<br />
sie uns verlassen hatten, geschah der<br />
tödliche Verkehrsunfall.<br />
Wer wird Ihre Arbeit im JCC in Oradea<br />
fortsetzen, wenn sie zum weiteren<br />
Studium nach <strong>Wien</strong> kommen?<br />
edith: Niemand ist unersetzlich. Wir<br />
haben schon die nächste Generation<br />
für die Übernahme trainiert, Tibór ist<br />
22 und sehr engagiert.<br />
christian: Wir haben einen 30-jährigen<br />
Rabbiner, der nach dem Studium in<br />
seine alte Heimat Rumänien zurück ge -<br />
kehrt ist. Für personellen Nach schub<br />
ist Gott sei Dank vorgesorgt.<br />
das interview führte:<br />
marta s. halPert<br />
36 <strong>April</strong> <strong>2009</strong> - Nissan/Ijar 5769
ORADEA/GROSSWARDEIN/<br />
NAGYVÁRAD<br />
Oradea liegt 15 km hinter der un -<br />
garischen Grenze, weit im Westen<br />
des Landes und ist heute die<br />
Haupt stadt des rumänischen Krei -<br />
ses Bihor mit rund 210.000 Ein -<br />
wohnern. Die habsburgerische Ar -<br />
chitektur im alten Kern der ehemaligen<br />
österreichischen Stadt erin -<br />
nert stark an <strong>Wien</strong>.<br />
Nach dem Ersten Weltkrieg musste<br />
Ungarn laut Vertrag von Trianon<br />
auch Oradea an das neue Groß-Ru -<br />
mänien abtreten. Durch den Zwei -<br />
ten <strong>Wien</strong>er Schiedsspruch fiel Ora -<br />
dea 1940 an Ungarn zurück.<br />
Anfang des 20. Jahrhunderts erlebte<br />
die Stadt einen großen wirtschaftlichen<br />
Aufschwung, nicht zuletzt<br />
dank der relativ hohen Zahl jüdischer<br />
Einwohner, die kurz vor dem<br />
Zweiten Weltkrieg fast ein Drittel<br />
der dam<strong>als</strong> 100.000 Bürger stellte.<br />
Im Mai 1944 wurden aus zwei<br />
Ghettos im Stadtgebiet – nach Bu -<br />
da pest die größte Zusammenpfer<br />
chung von Menschen – etwa<br />
38.000 Juden aus Oradea nach<br />
Auschwitz deportiert. Erst am 12.<br />
Oktober 1944 wurde die Stadt durch<br />
rumänische und sowjetische Truppen<br />
eingenommen und ge hört<br />
seit her wieder zum rumänischen<br />
Staatsgebiet.<br />
JÜDISCHE WELT • AUSLAND<br />
Verein „HILFE UND HOFFNUNG“<br />
sucht neues Lokal<br />
„Seit dem Tod meiner Eltern, Eeva-Elisheva und Adalbert Huber-Huber am<br />
18.04.2008 habe ich die Leitung des Vereins „Hilfe und Hoffnung“ gemeinsam<br />
mit dem finnischen Ehepaar Anne und HannuYlitalo übernommen“, erzählt<br />
Tamara Huber-Huber, die bereits <strong>als</strong> junges mädchen ihre Eltern begleitet<br />
hat, <strong>als</strong> diese Hilfstransporte an notleidende jüdische menschen und Ge -<br />
meinden in Rumänien und moldawien geliefert haben.<br />
Seit dem plötzlichen Verlust ihrer Eltern bei einem schrecklichen Auto -<br />
unfall im <strong>April</strong> 2008 hat sie selbst sieben Hilfstransport nach Rumänien<br />
organisiert und durchgeführt. „Wir betreuen vor allem das Jüdische Alters heim<br />
in Arad das Kinder- und Jugendzentrum in Oradea. Aber fahren auch zu den<br />
Gemeinden in Cluj Napoca, Timisoara, Brasov, Gheorgheni, Iasi, Piatra Neamt,<br />
Tirgu Mures und viele andere.“ Tamara Huber-Huber sorgt sich derzeit be -<br />
sonders um Frau mehler in Vatra Dornei, sie ist die Präsidentin der jüdischen<br />
Gemeinde vorort, die schwer krank ist und diverse Behandlungen<br />
braucht. „Für sie sowie zwei weitere Familien sammeln wir Geld, da sie dringend<br />
ärztliche Behandlung benötigen“, so Tamara Huber-Huber.<br />
Derzeit erhält „Hilfe und Hoffnung“ die größte finanzielle Unter stüt zung<br />
aus Finnland von einem humanitären Verein, doch private Spenden<br />
kom men auch aus Österreich. „Einige ehrenamtliche Helfer aus Finnland un -<br />
terstützen unsere Arbeit weiterhin tatkräftig und bleiben sogar mehrere Wo chen<br />
und Monate in <strong>Wien</strong>, um zu helfen.“ Benötigt werden hauptsächlich medi -<br />
ka mente, Lebensmittel und Hygieneartikel.<br />
Die Suche nach einem neuen Vereinslokal ist zurzeit die Hauptsorge von<br />
Tamara, denn das magazin in der Schüttelstraße muss aufgegeben werden.<br />
„Das Lokal sollte gut gelegen sein, damit uns die Spender leicht erreichen<br />
können. So um die 70m², ebenerdig, mit leichter Zufahrt für das Lieferauto,“<br />
wünscht sich Tamara Huber-Huber, die dieses Jahr in Tirgu mures den<br />
Seder gefeiert hat. An jenem Ort und bei der Gemeinde, wo ihre Eltern<br />
letztes Jahr nicht mehr angekommen sind.<br />
Adalbert Huber-Huber<br />
beim Ausladen von<br />
Hilfsgütern im Hof des<br />
Gemeinde zentrums<br />
in Oradea<br />
Eeva-Elisheva Huber-Huber<br />
beim Besuch eines Ehepaars<br />
in Oradea, der sie Unter -<br />
stützung gebracht hat.<br />
<strong>April</strong> <strong>2009</strong> - Nissan/Ijar 5769 37
Panorama<br />
Kurznachrichten aus der jüdischen Welt<br />
Quelle: JTA/Guysen u.a.; Übersetzung: Karin Fasching/Foto:©JTA u.a.<br />
israel-website für Papstbesuch<br />
Das Israelische Tourismusminis te -<br />
rium hat anlässlich des Papstbesuchs<br />
im Heiligen Land im mai <strong>2009</strong> eine<br />
eigens dafür vorgesehene Website<br />
eingerichtet. Die Site www.holylandpilgrimage.org<br />
wird in sieben Spra chen<br />
aufrufbar sein und Hinter grund -<br />
informationen, Fotos, Video ma terial<br />
über christliche Pilgerstätten in Israel<br />
sowie detaillierte Informationen über<br />
die Reiseroute Papst Benedicts XVI.<br />
bereitstellen.<br />
Es ist sein erster Besuch in Israel und<br />
soll von 8. - 15. mai sowohl Auf ent -<br />
halte in Israel <strong>als</strong> auch in Jordanien<br />
und den Palästinensergebieten um -<br />
fassen.<br />
australisch-jüdischer comedian<br />
gekreuzigt<br />
Der australisch-jüdische Komiker<br />
John Safran, 36, ließ sich am Karfreitag<br />
für seine neue Show auf den Phi -<br />
lippinen kreuzigen. Gemeinsam mit<br />
ihm wurden auch einige andere Frei -<br />
willige nahe manila im Zuge eines<br />
Ritu<strong>als</strong>, das Jesu Leiden verdeutlichen<br />
soll, ans Kreuz genagelt.<br />
Safran, der ein orthodoxes Yeshiva<br />
College absolviert hat, war, wie Fotos<br />
zeigen, von den Hüften aufwärts nackt<br />
und trug eine Langhaarperücke.<br />
Nachdem die Nägel durch seine Haut<br />
getrieben worden waren, wurde er in<br />
einem Erste Hilfe Zelt versorgt.<br />
massengrab in der ukraine entdeckt<br />
In der Ukraine wurde ein massen -<br />
grab aus dem Zweiten Weltkrieg mit<br />
200 ermordeten Juden entdeckt.<br />
Rabbi Mendel Teichman, Oberrabbiner<br />
der Stadt Uzhhorod an der Grenze<br />
zur Slowakei hatte auf dem örtlichen<br />
jüdischen Friedhof ein Gebiet ohne<br />
Zaun und Grabsteine gefunden.<br />
Jahrzehnte alte, historische Doku -<br />
men te wiesen den Platz <strong>als</strong> letzte Ru -<br />
hestätte von mehr <strong>als</strong> 200 durch die<br />
Nazis ermordeten Juden aus. Vor dem<br />
Krieg gehörte Uzhhorod zu Ungarn<br />
und war unter dem Namen Ungvar<br />
bekannt.<br />
Das Europäische Rabbinerzentrum<br />
JÜDISCHE WELT • AUSLAND<br />
sucht nun Verwandte der dort Er mor -<br />
deten, um ein Denkmal errichten zu<br />
können.<br />
shmurah-matzah Preise nur leicht<br />
gestiegen<br />
Shmurah-matzah werden üblicherweise<br />
für das sechs- bis siebenfache<br />
des Preises von herkömmlichen mat -<br />
zot gehandelt. Doch in diesem Jahr<br />
sind die Preise für Shmurah-matzah<br />
aufgrund der Wirtschaftskrise nur<br />
um moderate 50 Cent oder wenig mehr<br />
gestiegen und kosten zwischen US$<br />
18,50 und US$ 23,- für 500 Gramm.<br />
Koscherer Wein, wie der Generation<br />
VIII 2006 Cabernet Sauvignon von der<br />
Herzog Weinkellerei in den To Kalon<br />
Weinbergen, wird wiederum für US$<br />
200,- pro Flasche angeboten – ein<br />
neuer Rekord bei den Preisen für<br />
koscheren Wein.<br />
Yeshiva schüler protestierte nackt<br />
Um seinem Protest gegen den Ver kauf<br />
nicht für Pessach geeigneter Produkte<br />
in einem Tel Aviver Supermarkt Aus -<br />
druck zu verleihen, zog sich der<br />
Yeshiva-Schüler Arieh Yerushalmi, 28,<br />
in aller Öffentlichkeit aus – bis auf eine<br />
Socke, die sein Geschlecht bedeckte.<br />
Er war bereits im Jahr zuvor für die<br />
selbe Handlung in einem Geschäft in<br />
Bat Yam verhaftet worden.<br />
mit seinem eigenwilligen Auftritt<br />
woll te Yerushalmi gegen ein im Jahr<br />
2008 erlassenes Gesetz protestieren,<br />
das den Verkauf von Chametz zu Pes -<br />
sach in Supermärkten und einigen<br />
Res taurants erlaubt, da diese nicht <strong>als</strong><br />
„öffentliche Orte“ eingestuft werden.<br />
An „öffentlichen Orten“ ist der Ver -<br />
kauf von Chametz in ganz Israel zu<br />
Pessach verboten. Yerushalmi wiederum<br />
argumentierte daraufhin, er kön ne<br />
nicht wegen „Nackt heit in der Öffentlichkeit“<br />
verhaftet werden, da er sich<br />
ja nicht an einem „öffentlichen Ort“<br />
be finde.<br />
israelische arbeitslosenzahlen auf<br />
rekordniveau<br />
Das israelische Arbeitsamt musste nun<br />
die höchste Zahl an Arbeits platz -<br />
verlusten innerhalb eines monats be -<br />
kannt geben. mehr <strong>als</strong> 20.000 Israelis<br />
verloren ihren Job im märz <strong>2009</strong>.<br />
2008 waren es noch 11.800 gewesen.<br />
Buslinie mit geschlechtertrennung<br />
in Jerusalem<br />
Eine Gruppe streng orthodoxer Juden<br />
will trotz massiven Widerstandes<br />
auch weiterhin eine neue Buslinie, in<br />
der Geschlechtertrennung herrscht,<br />
betreiben. Das israelische Verkehrs mi -<br />
nisterium hatte sich gegen die Li nie,<br />
die am 19. märz ihre Fahrt zwischen<br />
den hardischen Jerusalemer Gebieten<br />
und der Klagemauer aufnahm, ausgesprochen.<br />
ukraine gibt torah-fragmente<br />
zurück<br />
Das Historische Zentr<strong>als</strong>taatsarchiv<br />
der Ukraine gab der jüdischen Ge -<br />
mein de von Lvov 14 alte Torah-Frag -<br />
mente zurück. Laut Mordechai Shlomo<br />
Bold, dem Oberrabbiner von Lvov,<br />
werden diese nach jüdischem Gesetz<br />
bestattet.<br />
Schon länger verlangen Ge mein de -<br />
rabbiner, dass alle Torahrollen und<br />
Fragmente, die im Ukrainischen<br />
Staats archiv lagern, an ihre ursprünglichen<br />
Besitzer zurückgegeben werden<br />
müssen.<br />
Zwei museen von Lvov beherbergen<br />
während des Sowjetregimes aus den<br />
Synagogen entwendete religiöse Ob -<br />
jekte: das museum für Geschichte und<br />
Religion und das museum für Eth no -<br />
graphie und Handwerk. Etwa 1.000<br />
Objekte sind in jedem von ihnen, darunter<br />
mehr <strong>als</strong> 420 Torahrollen und<br />
Fragmente aus dem 15. bis hin zum<br />
20. Jahrhundert.<br />
38 <strong>April</strong> <strong>2009</strong> - Nissan/Ijar 5769
1989 waren einige Stücke an die jüdische<br />
Gemeinde von Lvov zurückgegeben<br />
worden, wo heute etwa 1.000-<br />
2.000 Juden leben.<br />
2007 hatte der ukrainische Präsident<br />
Viktor Yuschenko ein Dekret erlassen,<br />
das die Restaurierung religiöser Ob jek -<br />
te an die jüdischen Gemeinden den<br />
Landes verlangte. Inzwischen sind die<br />
meisten der in den ukrainischen Sy -<br />
na gogen verwendeten Torahrollen<br />
ehem<strong>als</strong> von den Kommunisten und<br />
Nazis gestohlene und später in Ar -<br />
chive verbrachte Artefakte.<br />
die gewinner des rohr-Preises<br />
Der mit US $ 100.000,- dotierte Rohr-<br />
Preis <strong>2009</strong> für Jüdische Literatur geht<br />
an Sana Krasikov für ihr Kurzge -<br />
schich ten-Debüt „One more Year“.<br />
Darin porträtiert sie u.a. russische und<br />
georgische Immigranten in den USA<br />
in der Zeit nach dem Kalten Krieg.<br />
Krasikov wurde in der Ukraine geboren<br />
und wuchs in der ehemaligen<br />
sowjetischen Republik Georgien und<br />
den USA auf.<br />
Den mit US$ 25.000,- dotierten Sami<br />
Rohr-Auswahlpreis <strong>2009</strong> erhält Dalia<br />
Sofer, Autorin von „The September of<br />
Shiraz“. Sie wurde 1972 in Teheran<br />
geboren und kam mit 11 Jahren nach<br />
New York City.<br />
Die Preise werden im mai im mu seum<br />
of Jewish Heritage in man hat tan überreicht.<br />
umfrage: großteil der israelis<br />
ist glücklich<br />
In einer Umfrage für das Jerusalemer<br />
Institut für marktforschung zur Zu -<br />
frie denheit der israelischen Bevölke -<br />
rung bezeichneten sich 86% aller Is -<br />
raelis <strong>als</strong> „glücklich“ mit ihrem Le ben<br />
– 30% bezeichneten sich <strong>als</strong> „sehr<br />
glücklich“ und 56% <strong>als</strong> „glücklich“.<br />
Verheiratete Befragte gaben an, zu 53%<br />
„sehr glücklich“ und zu 44% in ihrer<br />
Ehe „glücklich“ zu sein. Befragte mit<br />
höherem Einkommen ten dierten auch<br />
dazu, glücklicher zu sein, <strong>als</strong> jene mit<br />
niedrigeren Einkommen. mehr Ein -<br />
kom men löste bei Singles größeres<br />
Glück aus <strong>als</strong> bei Ver hei ra te ten.<br />
JÜDISCHE WELT • AUSLAND<br />
Immigranten bezeichneten sich eher<br />
<strong>als</strong> „glücklich“ <strong>als</strong> in Israel geborene<br />
Personen und je größer der Wunsch<br />
nach der Aliyah gewesen war, umso<br />
glücklicher waren die befragten Im -<br />
mi granten.<br />
zweites israelische<br />
erdgasvorkommen entdeckt<br />
Vor der mittelmeer-Küste der Stadt<br />
Hadera im Norden Israels wurde, nur<br />
wenige Wochen nach der Entdeckung<br />
des ersten Vorkommens nahe Haifa,<br />
die zweite große Erdgasquelle lokalisiert.<br />
Allerdings kann über die ge nau e<br />
Quantität und Qualität des Gases<br />
noch nicht viel gesagt werden.<br />
ukraine ehrt direktor des<br />
Jüdischen theaters<br />
Nikolay Berson, der Direktor des Jü -<br />
dischen Theaters, wurde vom ukrainischen<br />
Präsidenten Victor Yuschen ko<br />
mit dem Verdienstorden Zweiten<br />
Gra des ausgezeichnet. Berson habe<br />
mit seiner Arbeit zur „Entwicklung der<br />
ukrainischen Theaterkunst, kreativen<br />
Weiterentwicklung und einem hohen professionellen<br />
Niveau“ beigetragen.<br />
Janet rosenberg Jagan gestorben<br />
Janet Rosenberg Jagan, die einzige<br />
weibliche Präsidentin Guyanas und<br />
eines der wenigen jüdischen Regie -<br />
rungs mitglieder in der karibischen Ge -<br />
schichte, ist verstorben. Es wurde vermutet,<br />
sie wäre die einzige Jüdin in dem<br />
740.000 Einwohner zählenden und<br />
von Hindus und moslems ostindischer<br />
sowie Christen afrikanischer Ab stam -<br />
mung dominierten karibischen Staat.<br />
Ihr Ehemann, Cheddi Jagan, wurde<br />
1992 zum Präsidenten gewählt, seine<br />
Frau übernahm seinen Posten kurz<br />
nach seinem Tod im Jahr 1997. Nach<br />
zwei Jahren im Amt musste sie aufgrund<br />
eines Herzinfarkts zurücktreten.<br />
idf: ein Viertel der opfer im<br />
gazakrieg waren zivilisten<br />
Von den 1.166 während der israelischen<br />
Gazaoffensive getöteten Pa läs -<br />
ti nensern wurden 709 Personen von<br />
einem Untersuchungsausschuss des<br />
israelischen militärs (IDF) <strong>als</strong> aktive<br />
Hamas-Kämpfer oder mitglieder an -<br />
derer terroristischer Gruppierungen<br />
identifiziert. 295 Personen seien „nicht<br />
involvierte Palästinenser“ gewesen.<br />
Weitere 162 Getötete seien noch nicht<br />
endgültig identifiziert worden, so die<br />
IDF. Von den zivilen Todesopfern wa -<br />
ren 89 unter 16 Jahre alt und 49 wa ren<br />
Frauen. Palästinensischen Angaben<br />
zufolge sind in Gaza 1.417 menschen<br />
getötet worden, darunter mehr <strong>als</strong><br />
900 Zi vi listen. „Die IDF möchten noch<br />
einmal betonen, dass es das Ziel der Ope -<br />
ra tion ... war, die Terrororganisation Ha -<br />
mas zu be kämpfen und nicht die Bür ger<br />
des Gaza streifens.“, so ein IDF-Sprecher.<br />
„Es muss hervorgehoben werden, dass die<br />
Kämpfe auf einem sehr komplexen Gebiet<br />
stattfanden, das die Hamas selbst definierte.<br />
Die Terrororganisation Hamas platzierte<br />
das hauptsächliche Kampfgebiet im He r zen<br />
ziviler Wohngebiete, missbrauchte Wohn -<br />
häuser, feuerte aus Schulen heraus und<br />
benutzte Zivilisten <strong>als</strong> menschliche<br />
Schutzschilder.“<br />
Jüdischer arzt erhält<br />
saudiarabische auszeichnung<br />
Der Chef der Onkologischen Ab tei -<br />
lung an der Stanford University me -<br />
dical School, Ronald Levy, wurde mit<br />
dem Internationalen Saudiarabischen<br />
King Faisal Preis für Medizin <strong>2009</strong> für<br />
seine Pionierarbeit in der Immun the -<br />
ra pie ausgezeichnet.<br />
Bereits 30 Jahre zuvor hatte er Anti kör -<br />
per entwickelt, die zwischen gutartigen<br />
und bösartigen Tumorzellen unterscheiden<br />
können und so eine probate<br />
Basis für Diagnose und Therapie ge -<br />
schaffen, heißt es auf der Preis-Web si te.<br />
Außerdem werde ein von Levy entdecktes<br />
medikament seit mehr <strong>als</strong> ei -<br />
nem Jahrzehnt zur Behandlung von<br />
Lymphom-Patienten verwendet und<br />
da mit bemerkenswerte Besserungsund<br />
Überlebensraten erziehlt.<br />
Bei der Preisübergabe in Saudia rabi en<br />
seien er und seine Familie sehr freund -<br />
lich willkommen geheißen worden,<br />
hatte Levy ‘Ha´aretz’ gegenüber be -<br />
richtet. Seine Frau und eine seiner<br />
Töchter sind gebürtige Israelis.<br />
<strong>April</strong> <strong>2009</strong> - Nissan/Ijar 5769 39
KULTUR<br />
KULTUR<br />
<strong>Wien</strong> gratuliert Tel Aviv<br />
zum ersten Zentenarium<br />
VON MARCUS G. PATKA<br />
„In Jerusalem wird gebetet, in Haifa<br />
gearbeitet, und in Tel Aviv wird gelebt“ –<br />
so ein altes Sprichwort, das niem<strong>als</strong><br />
mehr zutraf <strong>als</strong> in der ersten <strong>April</strong> -<br />
woche <strong>2009</strong>. Zusammen mit dem<br />
Früh lingseinbruch nach einem ungewöhnlich<br />
langen Winter ergab sich die<br />
mondänste metropole der Levante<br />
ihren Feierlichkeiten zum 100. Jah res -<br />
tag ihrer Gründung.<br />
In der ersten Rei he der Gratulanten<br />
stand dabei auch die Stadt <strong>Wien</strong>, aus<br />
der vor langer Zeit nicht wenige En thu -<br />
siasten aufgebrochen waren, um dieses<br />
Tel Aviv mit eigenen Händen aufzubauen.<br />
Um die enge Verbundenheit der<br />
beiden Städ te zu betonen, schickte<br />
<strong>Wien</strong> ein komplexes und überaus mon -<br />
dänes Kul turpaket nach Tel Aviv: Ein<br />
Clubbing mit den DJs Michael Dorf -<br />
meister und Stefan Mörth im „Comfo rt“<br />
eröffnete die <strong>Wien</strong>-Woche, ist doch das<br />
coole mi xen von elektronischen<br />
Sounds für bewegungsintensive<br />
Nacht schwär mer die auffälliges Ge -<br />
mein samkeit zweier Städte in einem<br />
Bereich der Unter hal tungsmusik, der<br />
sonst von der angloamerikanischen<br />
musikindustrie be herrscht wird und<br />
nur allzuselten seinen Weg auch in<br />
die Spalten einer traditionell orien-<br />
tierten Kulturbericht er stattung findet.<br />
An gut besuchten Jazz-Clubs dürfte<br />
Tel Aviv reicher sein, dem Publikum<br />
im „milestone Club“ und im „Levon ti -<br />
ne 7“ heizte das Wie ner „Trio Ex klu siv“<br />
mit einer mi schung aus Funk, Acid<br />
Jazz, Disco und zeitgenössichen Elek -<br />
tronik-Sounds und Rhythmen ein.<br />
Zwar hätten auch die <strong>Wien</strong>er Philhar -<br />
moniker begeisterte Hörer gefunden,<br />
doch die Bedeutung der Kultur me tro -<br />
pole Tel Aviv liegt eben in der mit prä -<br />
gung der aktuellsten internationalen<br />
Trends.<br />
Nur wenige Tage zuvor hatte Kul -<br />
tur stadtrat Andreas Mailath-Pokorny in<br />
<strong>Wien</strong> die Ausstellung „Lichtflecke –<br />
Frau sein im Holocaust“ im Theater<br />
im Nestroyhof-Hamakom mit einem<br />
starken Bekenntnis zur Erinne rungs -<br />
ar beit eröffnet. Als Tribut an die Ver -<br />
gan genheit eröffnete er nun im Foyer<br />
des „Cameri-Theaters“ die Aus stel lung<br />
„Authentic Silhouette of Viennese Jewish<br />
Personalities“. Diese präsentiert prägnante<br />
und zugleich ironisch ge schnit -<br />
tene Schattenrisse, die sich überraschend<br />
harmonisch in die mo der ne Ar -<br />
chitektur des Theaters einfügen. Zu<br />
sehen sind neben Theodor Herzl und<br />
Sigmund Freud die Schrift steller Ar -<br />
thur Schnitzler, Hugo von Hofmanns -<br />
thal und Franz Werfel, Regisseure wie<br />
max Reinhardt und Fritz Lang, insbesondere<br />
aber Kom po nisten wie Ar nold<br />
Schönberg, Jo hann Strauss und Erich<br />
Wolfgang Korn gold, wobei auf die As -<br />
pekte von erfolgreicher und misslungener<br />
Assimilation eingegangen wird.<br />
Diese Präsen ta ti on steht in Zu sam -<br />
menhang mit einem Internationalem<br />
Theaterfestival und damit verbundenen<br />
Aufführungen von Schatten-, Ob -<br />
jekt- und Schwar zem Theater auf dieser<br />
Bühne, darunter „Schwarzes Thea ter<br />
für Mozart“ oder „Legende von der Kräu -<br />
tertruhe von Martin Buber“.<br />
Am darauffolgenden Tag besuchte<br />
Stadtrat mailath-Po kor ny das Grab<br />
Si mon Wiesenth<strong>als</strong> in Herzliya und<br />
auch ein Abend mit den altösterreichischen<br />
Pensionisten um ihren Präsi den -<br />
ten Gideon Eckhaus durfte nicht fehlen.<br />
Der weitere Verlauf des Kulturpro -<br />
gramms wurde vom „Oy-Vienna Film -<br />
fes tival Israel“ geprägt, wobei die Auf -<br />
führungen mit hebräischen Un ter ti teln<br />
auch auf Jerusalem und Hai fa ausgedehnt<br />
wurden. Eröffnet wurde es vom<br />
österreichischen Botschafter Michael<br />
Rendi. Im Vordergrund standen zeitgeschichtliche<br />
Dokumenta tio nen über<br />
40 <strong>April</strong> <strong>2009</strong> - Nissan/Ijar 5769<br />
© M.Patka<br />
© Etichen Breier
Verfolgung und Vertrei bung wie<br />
„Freud’s verlorene Nachbarn“ oder die<br />
uneingestandene NS-Ver gan genheit<br />
wie „The End of the Neu ba cher Project“.<br />
Als generelle Auseinan dersetzung mit<br />
migration und damit verbundenen<br />
zeit losen Phänomenen wie Stereoty -<br />
pen bildung und Aus gren zung sind die<br />
Filme „Operation Spring“, „Ceja Stoj ka“<br />
und „Gurbet – Away From Home“ zu<br />
verstehen.<br />
Doch auch das Spielfilm-Programm<br />
bot eine reiche Palette. Als cineastische<br />
Leckerbissen wurde „Theodor Herzl –<br />
der Bannträger des jüdischen Volkes“ von<br />
1921, „Misrach un Marew/Ost und West“<br />
von 1923 und „Stadt ohne Ju den“ von<br />
1924 mit Hans moser nach dem gleich -<br />
namigen Roman von Hugo Bet tau er<br />
geboten. An aktuellen Filmen glitten<br />
der KZ-Film „Hasenjagd“, der Anti-<br />
Hei matfilm „Die Siebtelbauern“, die Se -<br />
mi-Doku über mädchenhandel „Kurz<br />
davor ist es passiert“ und auch der Film<br />
„Revanche“, der kürzlich für den Aus -<br />
lands-Oscar nominiert worden war,<br />
über die Leinwand der Tel Avi ver Ci ne -<br />
mateque. Alldies ist in jeder Hin sicht<br />
ein Programm, das sich sehen lassen<br />
kann.<br />
Vor Ort gemanagt wurde das Wie ner<br />
Kulturgroßevent in bewährter Weise<br />
von Kulturattaché Arad Benkö, der<br />
mo nat für monat im Rahmen des Aus -<br />
trian Cultural Forums Künstlern und<br />
Wissenschaftlern aller Sparten Auf trit -<br />
te in ganz Israel organisiert. So wird<br />
in den kommenden monaten neben<br />
Konzerten und Lesungen die His tori -<br />
kerin Heidemarie Uhl von der Aka de mie<br />
der Wissenschaften das Se minar „Er -<br />
in nerung in Europa nach 1945“ an der<br />
© Etichen Breier<br />
KULTUR<br />
Hebräischen Universität in Je ru sa lem<br />
leiten. Ebenfalls in Jerusalem wird ab<br />
mitte Juni die Manès Sper ber-Wan der -<br />
ausstellung des Jüdischen museums<br />
<strong>Wien</strong> gezeigt, dies im 1. Stock des in<br />
der Altstadt gelegenen Österreichischen<br />
Hospizes, das sich in den letzten<br />
Jahren dank der um sichtigen Leitung<br />
von Rektor Markus Bugnyar und des<br />
wunderschön renovierten Empfangsa<br />
lons auch zu ei nem über die Gren -<br />
zen der Stadt hinaus bekannten Treff -<br />
punkt für Kammer mu sik und sogar<br />
zu einem multikulturellen Zentrum<br />
entwickelt hat. Zur Zeit ist dort noch<br />
eine Ausstellung ar menischer Künst ler<br />
zu sehen, <strong>als</strong> Dau erausstellung im 2.<br />
Stock wurde aus dem <strong>Wien</strong>er Dom -<br />
mu seum die Schau „Szepter und Pil -<br />
gerstab“ übernommen, die sich insbesondere<br />
der Erstellung einer funktionierenden<br />
Infrastruktur wie Post und<br />
Straßen im Heiligen Land während der<br />
Regenschaft von Kaiser Franz Josef I.<br />
widmet.<br />
Insofern kann auch das aktuelle Wie -<br />
ner Kulturevent unter veränderten<br />
Vor zeichen <strong>als</strong> Fort setzung einer weit<br />
älteren Tradi ti ons linie gesehen werden.<br />
Um so ge spann ter darf man auf den<br />
kommenden Kulturaustausch in die<br />
an dere Rich tung sein: Dies sind die<br />
Fotoaus stel lung „Tel Aviv – Hot City of<br />
Cool“ im Jüdischen museum ab 10. Juni<br />
und be reits ab 29. <strong>April</strong> der „Tel Aviv<br />
Beach“ am Donaukanal auf der Leo -<br />
pold stadt-Seite. mit Falafel und Hu -<br />
mus im magen, die Füße im Sand,<br />
coolem Techno-Beat im Ohr und den<br />
Blick in den Sonnenuntergang über das<br />
vor Hitze flimmernde Häuser meer ge -<br />
richtet, kann einen auch der schwülste<br />
Sommer in <strong>Wien</strong> nicht mehr schrecken.<br />
Stadtrath Mailath-Pokorny am<br />
Grab von Si mon Wiesenthal<br />
Goldener Rathausmann<br />
für Gideon Eckhaus<br />
Tel Aviv Partys<br />
Am morgen des 4. <strong>April</strong> wurde in<br />
allen Synagogen Tel Avivs das 1959<br />
eigenes für diese Stadt verfasste Ge bet<br />
von Oberrabbiner Isser Jehuda Un ter man<br />
rezitiert. Am Abend begannen die<br />
welt lichen Feierlichkeiten mit einem<br />
mega-Konzert am Kikar Rabin, an dem<br />
das Israel Philharmonic Or ches tra<br />
unter Zubin metha sowie die Pop stars<br />
Dana International, miri mesika und<br />
Berry Saharof zu hören waren. Bereits<br />
davor hatte ein Konferenz mit 150 Ex -<br />
perten aus aller Welt über Urbanität<br />
und Stadtplanung im 21. Jahrhundert<br />
getagt. Das Tel Aviv museum of Art<br />
Square zeigte von Kinderen gefertigte<br />
mobiles und Arbeiten von Kunst stu -<br />
denten; in den Sarona Gardens wurden<br />
einige aufwendig renovierte, historische<br />
Gebäude der Öffentlichkeit präsentiert.<br />
Am 17. <strong>April</strong> versammelten<br />
sich Anghörige jener legendären 66<br />
Fa milien am Strand von Tel Aviv zu<br />
einem Gruppenfoto, die dort im Jahr<br />
1909 im Zuge einer ebenfalls fotografisch<br />
dokumentierten Versammlung<br />
den Grundstein für die Stadt legten.<br />
Für ihrem Bürgermeister meir Di zen -<br />
goff wurde ein Denkmal hoch zu Ross<br />
am Rothschild Boulevard enthüllt.<br />
Auch der alljährliche Marathon-Lauf<br />
und das Konzert am Vorabend des<br />
Ge denktags für die Gefallenen der<br />
Za hal boten sich zur Integration in<br />
die Zentenariumsfeierlichkeiten an.<br />
Neben verschiedenen Straßenfesten<br />
sind auch noch in den folgenden Wo -<br />
chen die Ausstellungen „Tel Aviv Ti me“<br />
im Kunstmuseum und „Secret History<br />
of tel Aviv“ im Eretz Israel museum zu<br />
bewundern. Das Internationale Thea -<br />
ter festival im Cameri wird noch bis De -<br />
zember andauern. Weitere Hin weise<br />
finden sich unter www.tlv100.co.il<br />
<strong>April</strong> <strong>2009</strong> - Nissan/Ijar 5769 41<br />
© Etichen Breier
Ein jüdischer Sammler hinterließ nach<br />
seinem Tod eine umfangreiche Silber-<br />
Sammlung, die auch Judaika um -<br />
fasste. Die Söhne lassen die Preziosen<br />
nun im <strong>Wien</strong>er Dorotheum versteigern,<br />
und zwar in zwei Tranchen: die<br />
erste Hälfte wird bei einer Silber-<br />
Auktion am 11. mai angeboten, die<br />
zweite wird im Herbst, voraussichtlich<br />
ende november, zu ersteigern sein.<br />
Ein Kidduschbecher aus Augsburg<br />
dürf te Sammlerherzen höher schlagen<br />
lassen: den im 17. Jahrhundert gefertigten<br />
(meisterzeichen: Johann Betz),<br />
teilweise vergoldeten Silberbecher<br />
zieren neben eingravierten Trauben<br />
und Weinlaub auch drei medaillons<br />
mit religiösen Darstellungen. Eine In -<br />
schrift gibt zudem Auskunft über ei -<br />
nen früheren Besitzer des Stücks: „Ge -<br />
hört Eliezer, Sohn des Mosche Katz“.<br />
Georg Ludwigstorff, Experte für Sil -<br />
ber und metallarbeiten des Doro the -<br />
ums, datiert den Becher mit „um 1690“,<br />
„die hübschen Gravuren wurden im 19.<br />
Jahrhundert angebracht, es sind aber originale<br />
Gravuren“.<br />
Aus Salzburg stammt ein weiterer<br />
Kid duschbecher, der ebenfalls in der<br />
zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts<br />
an gefertigt wurde und die Inschrift<br />
„Der die Frucht des Weinstocks erschaffen<br />
hat“ trägt. Der Becher wurde mit<br />
getriebenem Blattdekor und drei me -<br />
dail lons mit Tier- und Blumen dar stel -<br />
lungen gestaltet und ist, wie auch das<br />
Exponat aus Augsburg, teilweise vergoldet.<br />
Versteigert werden zudem: Thora -<br />
kronen, -schilder und -zeiger, Cha nuk -<br />
ka-Leuchter, Besomimbüchsen und<br />
Rimonin. Die Exponate stammen aus<br />
mittel- und Osteuropa, so Ludwig s -<br />
torff. Die geographische Bandbreite<br />
KULTUR<br />
Eine Gelegenheit für<br />
Judaika-Liebhaber<br />
Am 11. Mai kommen im Rahmen einer<br />
Silber-Sonder-Auktion im Dorotheum<br />
in <strong>Wien</strong> auch zwei Dutzend jüdischer<br />
ritueller Gegenstände unter den<br />
Hammer. Die ältesten Stücke<br />
stammen aus dem 17. Jahrhundert.<br />
VON ALEXIA WEISS<br />
Augsburger Kidduschbecher <strong>Wien</strong>er Thorakrone<br />
reicht von <strong>Wien</strong> über Budapest bis nach<br />
Lemberg. Das Gros der Ge genstände<br />
wurde im 19. Jahrhundert, manche<br />
Stücke wurden zu Beginn des 20.<br />
Jahrhunderts gefertigt.<br />
Interessant ist etwa eine Gegen -<br />
über stel lung der beiden bei der Auk -<br />
tion angebotenen Chanukka-Leuch ter:<br />
bei de entstanden im 19 Jahrhundert.<br />
Der aus mitteleuropa stammende<br />
Leuch ter wurde mit einem Relief ge -<br />
staltet, der in Osteuropa gefertigte<br />
dagegen mit Filigranarbeit verziert.<br />
Erstm<strong>als</strong> seit rund sieben Jahren<br />
bringt das Dorotheum wieder eine<br />
größere menge an Judaika in eine<br />
Auk tion ein, erzählt Ludwigstorff.<br />
Der Grund: in den vergangenen Jah -<br />
ren kämpfe dieser markt zunehmend<br />
mit „Fäl schun gen aus dem Osten“.<br />
„In Polen und Russland ist man draufgekommen,<br />
dass, wenn man einen alten<br />
Silberbecher nimmt, diesen graviert und<br />
dann <strong>als</strong> Kidduschbecher verkauft, man<br />
einen weit höheren Preis erzielt“, so der<br />
Experte.<br />
mit dem Problem, dass Judaika aus<br />
zweifelhaften Besitz kommen und es<br />
sich dabei um möglicherweise in der<br />
NS-Zeit „arisierte“ Stücke handelt, ist<br />
man dagegen nicht konfrontiert. „Ri -<br />
tu elle Gegenstände wurden unter den<br />
Nazis entweder zerstört oder, wenn sie<br />
aus Silber waren, meist eingeschmolzen“,<br />
sagt Ludwigstorff. Es sei nur der ma te -<br />
rialwert von Belang gewesen. An de -<br />
rer seits würden Judaika bis heute fast<br />
ausnahmslos von Juden gesammelt,<br />
womit sich bei der Einbringung von<br />
Sammlungen in eine Auktion ebenfalls<br />
die Frage nach einer möglicherweise<br />
dubiosen Herkunft nicht stel le.<br />
Neben jüdischen Sammlern aus Ös -<br />
ter reich und anderen Staaten – „hier<br />
gibt es durchaus auch internationales<br />
Interesse“ – sind es meist vor allem In -<br />
stitutionen, wie etwa museen, die an<br />
Judaika interessiert seien, sagt der Sil -<br />
ber-Experte. Private Sammler und mu -<br />
seumsexperten können sich be reits ab<br />
2. mai ein Bild der angebotenen Stü cke<br />
machen: dann nämlich beginnt m<br />
Palais Dorotheum die Besichtigung<br />
der zur Versteigerung angebotenen Ju -<br />
daika.<br />
SILBER-AUKTION<br />
Termin: 11. Mai <strong>2009</strong>, 16.00 Uhr<br />
Ort: Palais Dorotheum, 1010 <strong>Wien</strong><br />
Katalog: ab Mitte <strong>April</strong> erhältlich,<br />
online abrufbar auf: www.dorotheum.at<br />
Besichtigung: 2. bis 11. Mai <strong>2009</strong>,<br />
täglich von 10.00 Uhr bis 18.00 Uhr<br />
„Jüdische Zeitung“ -<br />
Einzige unabhängige deutschsprachige<br />
jüdische Zeitung eingestellt.<br />
Die „Jüdische Zeitung“ ist seit drei -<br />
einhalb Jahren einmal im monat mit<br />
einer Auflage von 41.000 Exemplaren<br />
unter dem Dach der Werner media<br />
Group in Berlin erschienen. Sie stand<br />
in Konkurrenz zur ‘Jüdischen Allge -<br />
mei nen Zeitung’, die vom Zentralrat<br />
der Juden in Deutschland herausgegeben<br />
wird.<br />
„Die Weltfinanzkrise macht auch um uns<br />
keinen Bogen“, schreibt Nicholas Wer ner,<br />
der Herausgeber und Verleger der<br />
‘Jüdischen Zeitung’. Falls sich kein<br />
privater Investor oder Verband finde,<br />
der die Zeitung unterstützt, werde<br />
die „Jüdische Zeitung“ „pausieren“<br />
bis die Werner media Group sie wieder<br />
eigenständig finanzieren könne.<br />
42 <strong>April</strong> <strong>2009</strong> - Nissan/Ijar 5769
In der Nacht zum Donnerstag, den<br />
9. <strong>April</strong> <strong>2009</strong>, am Sederabend, ist<br />
die <strong>Wien</strong>er Lyrikerin Elfriede Gerstl<br />
gestorben. Sie gehört zu den unvergesslichen<br />
Persönlichkeiten des Wie -<br />
ner Kulturlebens, die, weil sie nicht<br />
viel Aufhebens um ihre eigene Person<br />
machte, im Leben wie im Literatur be -<br />
trieb ein poetisches Außenseiter da -<br />
sein führte. Wer hat sie nicht gekannt,<br />
wie sie tagtäglich wie ein bunter<br />
Schmetterling durch die <strong>Wien</strong>er Kaf -<br />
fee hausszene flatterte, nirgends lang<br />
verweilend, aber immer wieder ins<br />
Café Korb zurückkehrend, das ihr<br />
Stammlokal war. Sie war eine Städterin<br />
und eine Kosmopolitin, elegant,<br />
geistreich, witzig, kurz: eine klassische<br />
Vertreterin der <strong>Wien</strong>er Kaffee -<br />
hausliteratur. Elfriede Gerstl war eine<br />
meisterin der pointierten, knappen<br />
For mulierung. Ihre Gedichte und<br />
kurzen Prosastücke bieten sich geradezu<br />
an, zwischendurch im Kaffee -<br />
haus gelesen zu werden, nicht weil es<br />
sich um eine leichte Lektüre handelt,<br />
sondern weil sie es verstanden hat, das<br />
Wesentliche sehr klar und ohne überflüssige<br />
Worthülsen auszudrücken.<br />
Sie hatte jedoch auch noch andere<br />
Leidenschaften außer der Literatur.<br />
So war sie eine manische Sammlerin<br />
nicht nur von Büchern, sondern auch<br />
von Kleidern. Unvergesslich bleiben<br />
für jeden, der einmal bei ihr zu Gast<br />
war, die literarisch-philosophischen<br />
Soiréen in ihrem Kleiderdepot. Bei ei -<br />
nem Glas Wein wurde in der Tradi-tion<br />
der <strong>Wien</strong>er Salons philosophische<br />
Konversation betrieben, aber es wurden<br />
auch ihre unzähligen Kleider aus<br />
verschiedenen Epochen begutachtet<br />
und probiert und das eine oder andere<br />
Stück, falls sich Elfriede Gerstl schweren<br />
Herzens davon trennen konnte,<br />
erworben. In ihrem in der Edition<br />
Split ter erschienenen Buch „Klei der -<br />
flug“ reflektiert die Dichterin ihre<br />
Sammelleidenschaft, die für sie wie ein<br />
„Trostpflaster“ wirkte, denn „Sammlungen<br />
wachsen wie Hühner augen, ir -<br />
gend einen Schmerz oder Druck mildernd/<br />
ab polsternd.“ Über ihr Judentum und<br />
ihre schwere Kindheit hat Elfriede<br />
Gerstl sonst selten gesprochen. Sie<br />
über lebte die Kriegsjahre mit ihrer<br />
mut ter in <strong>Wien</strong> <strong>als</strong> „U-Boot“ in verschiedenen<br />
Wohnungen versteckt.<br />
Klei der oder vielmehr der Verlust der<br />
Kleider erscheinen in ihrem Gedicht<br />
KULTUR<br />
Nachruf - Elfriede Gerstl<br />
VON GABRIELE KOHLBAUER-FRITZ, Jüdisches Museum <strong>Wien</strong><br />
„Kleiderflug“ <strong>als</strong> metapher jüdischer<br />
Existenz.<br />
„1942 packte mutter den kleinen fluchtkoffer<br />
schwarze tuchmäntel aus den 30ern<br />
zurücklassend<br />
wir werden nicht mehr soviel brauchen<br />
sagt sie für mich merkwürdig rätselhaft<br />
nie mehr beim zwieback kleider kaufen<br />
beim süssen mädel mäntel und hüte<br />
anfangs kam die hausschneiderin ins versteck<br />
die aus zwei kleidern eines nähte<br />
eines rosa-hellblau ich war gewachsen<br />
weg mit dem ozelotmäntelchen nicht auffallen<br />
nichts zum bügeln nichts mit schleifen<br />
die strickjacken – das wollkleid – anstatt heizen<br />
in der kälte im bette anzubehalten“<br />
Eine Installation des „Kleiderflugs“<br />
<strong>als</strong> Karussell war eines der Highlights<br />
in der Ausstellung „Beste aller Frau -<br />
en. Weibliche Dimensionen im Juden -<br />
tum“, die 2007 im Jüdischen mu seum<br />
<strong>Wien</strong> und anschließend im Jüdischen<br />
museum Frankfurt gezeigt wurde<br />
(Foto). Es war nicht leicht, die Instal -<br />
la tion so zu gestalten, wie El frie de<br />
Gerstl sie sich vorgestellt hatte. Sie<br />
wusste eben ganz genau, was sie wollte.<br />
So sanft und charmant sie bei jeder<br />
Begegnung wirkte, so unerschütterlich<br />
hielt sie an ihrem künstlerischen An -<br />
spruch fest.<br />
Erst in den letzten Jahren erhielt die<br />
Dichterin die offizielle Anerkennung,<br />
die ihr schon viel früher zugestanden<br />
hätte: 1999 wurden ihr der Erich-Fried-<br />
Preis und der Georg-Trakl-Preis verlie -<br />
hen, 2003 erhielt sie die Goldene Ehren -<br />
me daille der Stadt <strong>Wien</strong>, 2004 den Ben-<br />
Witter-Preis und 2007 den Heimrad-<br />
Bäcker-Preis.<br />
Ihr einziger Roman „Spielräume“<br />
er schien 1977 in der edition neue texte<br />
und wurde 1993 vom Grazer Lite ra -<br />
turverlag Droschl wiederaufgelegt.<br />
Ebenfalls im Droschl-Verlag erschienen<br />
unter anderen auch ihre Bücher<br />
„<strong>Wien</strong>er mischung“ (1982), „neue<br />
wiener mischung“ (2001) und „mein<br />
papierener garten“ (2006). In der Edi -<br />
tion Splitter in <strong>Wien</strong>, von Batya Horn<br />
mit viel Engagement betrieben, wurden<br />
ihr Jugendbuch „Die fliegende<br />
Frieda“ (1998) mit Illustrationen von<br />
Angelika Kaufmann und 1995 be sag -<br />
ter „Kleiderflug“ (in einer er wei ter ten<br />
Auflage auch 2007) veröffentlicht.<br />
Sonderprogramm<br />
zum 10 jährigen Bestehen<br />
der Gedenkstätte Karajangasse<br />
5. Mai <strong>2009</strong>, 17 Uhr<br />
IRMA TRKSAK<br />
Die authentische Erzählung einer<br />
Widerstands kämpferin und Überlebenden<br />
von Ravensbrück<br />
Pause mit koscherem Buffet<br />
In der NS-Zeit verbotene Musik und Texte<br />
präsentiert von SchülerInnen des Brigittenauer<br />
Gymnasiums<br />
EINTRITT FREI<br />
1200, Karajangasse 14<br />
<strong>April</strong> <strong>2009</strong> - Nissan/Ijar 5769 43
VARIANTEN EINES<br />
EMIGRANTEN<br />
70 Jahre nach dem Tod von<br />
Joseph Roth ist noch Vieles<br />
zu entdecken<br />
VON ANITA POLLAK<br />
Sozialist und monarchist, Pazifist und<br />
Soldat, Journalist, Chronist, Feuil -<br />
letonist und Romancier, Kakanier,<br />
Ostjude und Katholik, Österreicher,<br />
Exilant und Trinker.<br />
Das alles und viel mehr war er. Ei ni -<br />
ges davon hintereinander, manches,<br />
das sich scheinbar ausschließt, sogar<br />
gleichzeitig. Der Widerspruch gehörte<br />
zu seinem kurzen Leben, in dem er<br />
doch alt geworden ist. In dem er<br />
unendlich viel gereist und umgesiedelt<br />
ist, unendlich viel geschrieben und<br />
gearbeitet hat. Seine Habe passte in<br />
wenige Koffer, sein Schaffen ist riesig.<br />
Joseph Roth. 70 Jahre nach seinem<br />
Tod sind noch viele biografische Fra -<br />
gen offen. Sein Werk aber liegt glasklar<br />
und endgültig vor uns. Die großen Ro -<br />
mane „Hiob“, „Radetzky marsch“, „Das<br />
f<strong>als</strong>che Gewicht“, „Die Kapu zi ner gruft“,<br />
Erzählungen wie die „Die Le gen de<br />
vom Heiligen Trinker“, zahl reiche Es -<br />
says und Artikel. Wo immer man hinein<br />
sticht, hineinliest in seinen großen<br />
wunderbaren Erzählkosmos, man<br />
wird sich verfangen und hängen bleiben.<br />
Und man wird es nicht be reu en.<br />
Berühmt, ja sogar ein Bestseller au -<br />
tor, war Roth bereits zu seinen frühen<br />
Leb zeiten und ist es nahezu ohne<br />
Unterbrechung bis heute geblieben.<br />
Vor seinem 70. Todestag am 27. mai<br />
widmete ihm 3sat Anfang <strong>April</strong> einen<br />
zwei Wochen langen Programm-<br />
Schwer punkt, bei dem unter anderem<br />
wieder die unübertroffenen Roth-Ver -<br />
filmungen michael Kehlmanns zu<br />
sehen waren. Und es erschienen neue<br />
Biographien. Eine ganz neue des<br />
deutschen Publizisten Wilhelm von<br />
Sternburg und eine Neuausgabe der<br />
großen Bildbiografie des <strong>Wien</strong>er For -<br />
scherpaares Heinz Lunzer und Victo ria<br />
Lunzer-Talos.<br />
„Wo man hin greift, findet man was“,<br />
erklärt Heiz Lunzer. Bei soviel For -<br />
scherglück musste man dem zu Roths<br />
100. Geburtstag erstm<strong>als</strong> erschiene-<br />
KULTUR<br />
nen Text-Bildband eine neue, er weiterte<br />
Auflage hinzufügen. Obwohl<br />
die Zeitzeugen ja bereits tot sind, gä -<br />
be es „noch große Chancen, viel zu entdecken.<br />
Die Forschungsgeschichte ist noch<br />
lange nicht beendet. Bei intensiver Be schäf -<br />
tigung findet man laufend Material.“<br />
Briefe, Fotos und Zeugnisse aller Art<br />
tauchen aus Erbschaften und Ar ch i ven<br />
in verschiedenen Teilen der Welt auf.<br />
Der eigentliche Roth-Nachlass liegt<br />
im Leo-Baeck-Institut in New York.<br />
In <strong>Wien</strong>, wo Roth ja nur wenige Jah -<br />
re seines Lebens verbrachte – hier hat<br />
er studiert, seine journalistische Lauf -<br />
bahn begonnen, seine Frau im Paz ma -<br />
nitentempel geheiratet - in <strong>Wien</strong>, das<br />
ihm Sehnsuchts- und Fluchtort zu -<br />
gleich war, hat nun Heinz Lunzer eine<br />
Internationale Joseph-Roth-Ge sell schaft<br />
gegründet. Anlässlich des Jahrestages<br />
ist die Aufmerksamkeit für so ein Un -<br />
ternehmen natürlich größer und über -<br />
dies wird ein Autor 70 Jahre nach seinem<br />
Tod urheberrechtlich „frei“, d.h.<br />
es fallen keine Copyright-Gebühren<br />
mehr an, was oft Druck-Schleusen öff -<br />
net. Vielleicht wird es eine neue Brief -<br />
ausgabe geben, die alte sei fehlerhaft,<br />
meint Lunzer. Das Ziel der Gesell -<br />
schaft umreißt er ganz einfach: „Mehr<br />
Wissen über Joseph Roth zu verbreiten.“<br />
Bereits im Vorjahr gestaltete Lun zer,<br />
dam<strong>als</strong> noch Hausherr im <strong>Wien</strong>er<br />
Literaturhaus, dort eine Ausstellung<br />
„Joseph Roth im Exil in Paris 1933 bis<br />
1939“, die jetzt in drei Varianten durch<br />
Europa reisen wird. Den Sommer<br />
über wird sie in Paris Station machen,<br />
wo Roth seine letzten Lebensjahre<br />
verbrachte und schließlich in einem<br />
Spital an den Folgen seines Alkoho -<br />
lis mus starb. Paris hat er geliebt. Er<br />
lebte und schrieb in Hotels und Cafés<br />
und war ein Zentrum der intellektu -<br />
ellen Emigrantenszene. In seiner Unbe<br />
haustheit war er ja auch quasi ein<br />
geborener Exilant.<br />
Die Erinnerungen seines Schriftstel -<br />
ler freundes Soma morgenstern, der<br />
seine <strong>Wien</strong>er Jahre und das Pariser<br />
Exil zum Großteil mit ihm teilte, sind<br />
kürzlich <strong>als</strong> Taschenbuch erschienen.<br />
„Joseph Roths Flucht und Ende“, eine<br />
mischung aus Biografischem, Lite ra -<br />
rischem, Anekdotischem, Philoso phi -<br />
schem und Zeitgeschichtlichem, ist<br />
eine jedenfalls lohnende, höchst geistreiche<br />
Lektüre, auch wenn sich Dich -<br />
tung und Wahrheit vielleicht nicht<br />
immer ganz trennen lassen.<br />
Was bei Roth weniger Rolle spielt,<br />
weil er selbst ja seine Lebens ge schich -<br />
ten immer wieder neu erfand bzw.<br />
erdichtete. Was zur Folge hatte, dass<br />
diverse Freunde auch diverse „au -<br />
thentische“ Fassungen aus dem mund<br />
des Dichters zu hören bekamen. Das<br />
beginnt schon mit seiner Ge burt in<br />
Brody bzw. mit den verschiedenen Va -<br />
rianten seiner Vater-Ge schich te. Tat sa -<br />
che ist, dass Roth vaterlos aufwuchs<br />
und darunter lebenslang gelitten hat.<br />
Sein Erzeuger ist irgendwann von<br />
einer Reise nicht heimgekehrt und der<br />
Sohn hat dieses Verschwinden mit<br />
mehreren Fantasien besetzt.<br />
Und der Variantenreichtum endete<br />
nicht einmal mit seinem Tod. War er<br />
getauft oder nicht? Darüber gab Roth<br />
selbst gern verschiedene Auskünfte.<br />
„Ich bin nicht getauft“, soll er noch am<br />
Sterbebett gesagt haben. Was, so es<br />
überhaupt stimmt, jedenfalls verschieden<br />
gedeutet wurde. Er will nicht ka -<br />
tho lisch begraben werden, meinten<br />
sei ne jüdischen Freunde. Er will noch<br />
getauft werden, glaubten die Priester,<br />
die ihn katholisch begruben und vielleicht<br />
noch davor tauften. Auf schluss -<br />
reich ist hier vielleicht ein Witz, den<br />
Roth gern erzählt haben soll. Ein from -<br />
mer Jude lässt sich am Sterbebett taufen.<br />
Seine Familie ist entsetzt. Der alte<br />
Jude sagt: „Meine Stunde ist ge kom men.<br />
Mir ist lieber, dass ein Goj stirbt <strong>als</strong> ein<br />
Ju de“. Jiddisch, „die Schicks<strong>als</strong>sprache<br />
der Ju den“, hat Roth gern gesprochen<br />
und ge hört, aber <strong>als</strong> „goyischer Ro man -<br />
schrift steller“ das Deutsche zu höchs ter<br />
Sprachkunst verfeinert.<br />
Einen leichten und schönen Tod hat<br />
er für sich und alle Trinker erbeten, in<br />
seiner „Legende vom heiligen Trin ker“.<br />
Erhört ist dieses Gebet nicht worden.<br />
Oder doch. „Was hätte er noch erlebt?“,<br />
fragt sich Soma morgenstern. „Bald<br />
wä re er ins Konzentrationslager gekommen.<br />
Er hätte das keine acht Tage überlebt.<br />
(…) Ist er nicht zu den Weisen zu<br />
zäh len, die vor der Zeit gestorben sind. Er<br />
hat so lange gelebt, <strong>als</strong> er schreiben konnte“.<br />
BÜCHER ZUM JUBILÄUM<br />
* Heinz Lunzer. Victoria Lunzer-Talos<br />
„Joseph Roth. Leben und Werk in Bildern“<br />
Kiepenheuer & Witsch<br />
* Wilhelm von Sternburg<br />
„Joseph Roth. Eine Biographie.<br />
Kiepenheuer & Witsch<br />
* Soma Morgenstern<br />
„Joseph Roths Flucht und Ende“. Erinnerungen<br />
KiWi Paperback<br />
buch-tipp<br />
44 <strong>April</strong> <strong>2009</strong> - Nissan/Ijar 5769
„Mama, wir werden<br />
zusammen sterben“<br />
Frauen im Holocaust: selbst verfolgt,<br />
hat ten sie sich auch um die Kinder und<br />
die ältere Generation zu kümmern. Sie<br />
entwickelten dabei unglaubliche Kräfte –<br />
und wurden dennoch über Jahrzehnte in<br />
der historischen Bewertung vernachlässigt.<br />
Seit 15 Jahren widmen sich His to -<br />
rikerinnen aus Yad Vashem verstärkt der<br />
Situation jüdischer Frauen im NS-Terror -<br />
regime. Im Nestroyhof in <strong>Wien</strong> ist nun<br />
die von Yehudit Inbar kuratierte Schau<br />
„Lichtflecke. Frau sein im Holocaust“ zu<br />
sehen.<br />
Von Alexia Weiss<br />
Es sind teils erschütternde Briefe und<br />
Tagebucheinträge in denen Yehudit In -<br />
bar verfolgte Frauen zu Wort kommen<br />
lässt. Und dann wieder dokumentieren<br />
Notizen oder Erinnerungen Überlebender,<br />
wie Frauen in der für sie<br />
selbst bedrohlichen Situation versuchten,<br />
für ihre Familie den Alltag<br />
so normal <strong>als</strong> möglich zu gestalten, für<br />
menschlichkeit zu sorgen. Im Theater<br />
Nestroyhof Hamakom geben derzeit<br />
auf Leinwände projizierte Texte, Fo tos<br />
und Abbildungen handschriftlicher<br />
Aufzeichnungen einen Eindruck darüber,<br />
wie Frauen bis zum Tod versuchten,<br />
das Leben lebbar zu gestalten.<br />
Inbar hat dazu Dokumente von und<br />
über 60 Frauen herangezogen und sie<br />
den Themenblöcken Weiblichkeit, Es -<br />
sen, Freundschaft, Glaube, mutterschaft,<br />
Liebe, Kreativität, Für andere<br />
sorgen, Partisanen und Untergrund<br />
zu geordnet. Die projizierten Texte<br />
wechseln einander ab, man kann<br />
lange in den Kellerräumlichkeiten des<br />
Nestroyhofs verweilen, um all die Ge -<br />
schichten in sich aufzunehmen.<br />
mancher Besucherin stehen Tränen in<br />
den Augen. „Mama, wir werden zusammen<br />
sterben“, flüsterte der siebenjährige<br />
michál seiner mutter Genia zu und<br />
um armte sie, ist da etwa zu lesen.<br />
Genia Judzki und ihr Sohn wurden<br />
nach Jahren im Ghetto Sosnowiec 1944<br />
nach Auschwitz deportiert und er -<br />
mordet.<br />
60 Frauen treten in dieser Ausstellung<br />
in Kontakt mit dem Besucher. Aber<br />
was sind 60 Frauen im Vergleich zu<br />
den millionen Ermordeten? Yehudit<br />
Inbar bedauert im Gespräch mit „Die<br />
Gemeinde“, dass sie die Ausstellung<br />
KULTUR<br />
nicht <strong>als</strong> Glaskastenschau konzipieren<br />
konnte. Sie hatte dazu schlicht kein<br />
material. „Drei Millionen Frauen sind ge -<br />
storben – und nichts ist übrig geblieben.“<br />
Texte, ein paar Fotos – aber keine Ob -<br />
jekte. Und auch die wenigen Notizen,<br />
Briefe, Aufzeichnungen wurden von<br />
den Historikerinnen aus verschiedensten<br />
Archiven mühsam zusammengetragen.<br />
Inbar hat für die Ausstellung übrigens<br />
nahezu ausschließlich Fotografien be -<br />
nutzt, die nicht von den Nazis ge macht<br />
wurden, die aber vor allem nicht die<br />
Vernichtung zeigen. Frauen im Ghet to,<br />
die sich für einen Spaziergang hübsch<br />
gemacht haben, Porträtaufnahmen<br />
aus der Zeit vor dem Holocaust oder<br />
knapp nach 1945 bieten einen Blick<br />
auf fröhliche Frauen, lebenslustige<br />
Frauen. Es ist dieser menschliche Blick,<br />
der die menschen von heute eine Ver -<br />
bindung zu den Opfern von dam<strong>als</strong><br />
aufbauen lässt – eine Heran ge hens -<br />
wei se an das Thema Holo caust, die<br />
die Visualisierung des Grauens vermeidet<br />
und den Besucher dennoch<br />
schaudernd zurücklässt.<br />
Yehudit Inbar<br />
In Israel habe die Ausstellung von Yad<br />
Vashem in Jerusalem bei vielen Kin -<br />
dern von Überlebenden dazu geführt,<br />
dass diese sagten, „das ist das erste Mal,<br />
dass wir sehen, wie tapfer unsere Mutter<br />
eigentlich war“, erzählt Inbar. Zuvor<br />
war in den Familien häufig nicht viel<br />
über die Verfolgungsgeschichte ge -<br />
spro chen worden, man schämte sich<br />
teilweise sogar, dass die mutter in<br />
einem KZ gewesen war.<br />
Bereits zu sehen war die Schau auch in<br />
Dresden, mit großem Erfolg: 16.000 Be -<br />
sucher in drei monaten, so die Bilanz,<br />
mehrheitlich nichtjüdischer Herkunft.<br />
Dabei sei besonders gut angekommen,<br />
„nicht wieder eine Holocaust-Aus stel lung<br />
mit dem Blick auf die Gas kam mern zu zeigen“,<br />
so die Kuratorin. mit persönli -<br />
chen Geschichten sei die Ju gend von<br />
heute besser zu erreichen <strong>als</strong> mit Bil -<br />
dern des Grauens. Sie hofft, dass in<br />
<strong>Wien</strong> vor allem viele Schulklassen die<br />
Schau besuchen.<br />
Neben den projizierten Texten und<br />
Fotos erwartet den Besuchern auch<br />
die Videoarbeit „mensch Sein“ von<br />
Michal Rover. „Jede von euch erlebte dieses<br />
historische Ereignis, das <strong>als</strong> Holo caust be -<br />
kannt ist: jenes Ereignis, das man nur<br />
schwer fassen kann“, wird die Künst le -<br />
rin in dem Begleitheft zur Schau zi tiert.<br />
„Auch wenn es noch so viele Orte wie Yad<br />
Vashem gäbe, die sich der Sammlung, Do -<br />
kumentation, Erhaltung und Darstel lung<br />
von Zeugenaussagen und Materialien wid -<br />
men, können diese niem<strong>als</strong> all die Leben<br />
und Lebensabschnitte, die existierten und<br />
ausgelöscht wurden, erfassen, ebensowenig<br />
die damit verbundenen Prozesse und<br />
Gefühle. Während dieses langen Mo ments<br />
des Realitätsbruchs war jede von euch eine<br />
Welt für sich.“<br />
Und, so Rover weiter: „Ich begegne euch<br />
mit Respekt und Ehrfurcht. Mein Wunsch<br />
ist, mich auf eure innere Kraft zu beziehen<br />
und nicht auf das, was euch angetan<br />
wur de; auf eure Handlungsfähigkeit an<br />
einem bestimmten Zeitpunkt, auf eure Ent -<br />
scheidungen. Ich möchte euren eigenen Ge -<br />
danken, Sinn oder besonderen Blick win kel<br />
finden, der euch in dieser Realität half.“<br />
Welche Kraft schon junge Frauen entwickeln<br />
konnten, zeigt die Lyrik von<br />
Selma Meerbaum-Eisinger, die im<br />
Dezember 1942 18-jährig im Zwangsar<br />
beiterlager michailowska an Ty phus<br />
starb. Am 7. Juli 1941 hatte sie in ihr<br />
kleines Büchlein geschrieben:<br />
„Ich möchte leben.<br />
Ich möchte lachen und Lasten heben<br />
und möchte kämpfen und lieben und hassen<br />
und möchte den Himmel mit Händen fassen<br />
und möchte frei sein und amten und schrein:<br />
Ich will nicht sterben. Nein!<br />
Nein …“<br />
meerbaum-Eisinger war die Cousine<br />
des Lyrikers Paul Celan. „Hätte sie über -<br />
lebt, sie wäre womöglich eine noch größere<br />
Dichterin geworden <strong>als</strong> es Celan war“,<br />
sagt Inbar, die es traurig stimmt, wie<br />
wenig Wertschätzung der Leistung<br />
jü discher Frauen im Holocaust über<br />
Jahrzehnte auch von der Geschichts -<br />
wis senschaft entgegengebracht wur de.<br />
mit „Lichtflecke. Frau sein im Holo caust“<br />
rückt sie nun über sechs Jahr zehnte<br />
nach Ende des Grauens die weib liche<br />
Perspektive in den mittel punkt.<br />
„Lichtflecke. Frau sein im Holocaust“<br />
Multimedia Ausstellung der YAD VASHEM<br />
Gedenkstätte für Holocaust, Jerusalem.<br />
Bis 31. Mai <strong>2009</strong> im Theater Nes troy hof<br />
Ha ma kom (Nestroyplatz 1, 1020 <strong>Wien</strong>),<br />
Sonntag bis Freitag, 12.00 Uhr bis 20.00 Uhr<br />
<strong>April</strong> <strong>2009</strong> - Nissan/Ijar 5769 45
Überall & nirgendwo<br />
Wartesalon Frankreich<br />
Ab 1933, mit der machtergreifung<br />
Hitlers in Deutschland, begann sich<br />
Frankreich, vor allem Paris, mit Hun -<br />
derten Flüchtlingen aus allen Berei -<br />
chen der Kunst und Wissenschaften<br />
zu füllen. Künstler aller Art drängten<br />
sich in Aushilfsquartieren, verbrachten<br />
ihre Tage mit endlosen und zu -<br />
meist nutzlosen Behördenwegen, mit<br />
dem Kampf um das blanke Überleben.<br />
Selbst berühmte Schriftsteller wie<br />
Joseph Roth oder Heinrich mann<br />
oder weltbekannte musiker wie Bru -<br />
no Walter hatten sich im mutterland<br />
der Demokratie, in Frankreich, im<br />
Unwillen der Bürokratie verfangen.<br />
mit dem Einmarsch der deutschen<br />
Truppen in Österreich bewegte sich<br />
ein weiterer Flüchtlingsstrom, insbesondere<br />
aus <strong>Wien</strong>, aber auch aus Bu -<br />
dapest, zum Teil über abenteuerliche<br />
Fluchtwege in Richtung Frank reich.<br />
Über die Schweiz, über Belgien, wo<br />
immer sich eine möglichkeit zum<br />
Flüchten ergab. mit dem Ende des<br />
Jahres 1938 hatte die intellektuelle und<br />
künstlerische Elite mitteleuropa verlassen.<br />
Frankreich wurde in den folgenden<br />
drei Jahren zum Wartesalon<br />
für eine Überfahrt nach Übersee oder<br />
für die vielen, die es nicht schafften,<br />
zur letzten Station vor dem Ab trans -<br />
port in die deutschen Vernich tungs la -<br />
ger. Sehr bald hatten sie endlose Tage<br />
in französischen Anhalte- oder Ar beits -<br />
lagern zu verbringen, meist unter<br />
miserabelsten Umständen, da selbst<br />
rudimentärste sanitäre Einrichtungen<br />
fehlten.<br />
Aus <strong>Wien</strong> und seinem Pendant Bu da -<br />
pest, befanden sich bemerkenswert<br />
vie le musiker unter diesen Flücht -<br />
lingen. Berühmte Komponisten wie<br />
Alexander Zemlinsky, Arnold Schön -<br />
berg oder Oscar Strauss, weltbekannte<br />
Sänger wie Joseph Schmidt und Un -<br />
ter haltungskünstler wie Fritz Spiel -<br />
mann, Leon Askin oder Karl Farkas<br />
teilten sehr oft das gleiche Schicksal<br />
(und Lager). Aus dem Wartesalon<br />
Frankreich exportierte Europa seine<br />
Kultur: nach mexiko, Kuba und in die<br />
USA. Aber nicht nur die deutsch-<br />
KULTUR<br />
österreichischen Flüchtlinge versuchten<br />
den Nazis zu entkommen. Auch<br />
Frankreich bereicherte die überseeische<br />
Kultur: Darius milhaud gehörte<br />
zum Beispiel dazu. Spätestens ab<br />
1939 setzte in Europa eine Periode<br />
barbarischer Unkultur ein, die, wie<br />
sich zeigen sollte, bezüglich ihrer<br />
Auswirkungen bis in den Beginn der<br />
Sechzigerjahre dauern sollte.<br />
Es ist das große Verdienst der beiden<br />
Herausgeber, michel Cullin und Pri -<br />
mavera Driessen-Gruber, mit ihrem<br />
Band Douce France? (der Originalton<br />
des in Frankreich überaus beliebten<br />
Liedes Douce France von Charles Tre -<br />
net kann übrigens unter http://www.<br />
youtube.com/watch?v=80-F-XXFFGI<br />
abgehört werden), erschienen im<br />
Böh lau Verlag, 2008, insbesondere auf<br />
die vielen musiker unter den Flücht -<br />
lingen einzugehen.<br />
Wie schnell sich eine österreichische<br />
Subkultur innerhalb weniger monate<br />
entwickelte, soll folgende Passage aus<br />
diesem Buch (Seite 23) belegen: Im<br />
Juli 1939 wurde Joseph Roths Roman<br />
„Hiob. Die Geschichte eines armen Man -<br />
nes“ in einer dramatischen Fassung aufgeführt.<br />
Die Aufführung wurde zu einer<br />
nicht ganz unumstrittenen Gedächtnis -<br />
feier für den Autor, der am 27. Mai verstorben<br />
war. Leo Askenazy (Leon Askin)<br />
las einleitende Worte von Stefan Zweig.<br />
Die Prolog-Musik und „Menuchims<br />
Lied“ stammten von Erich Zeisl, der<br />
auch die musikalische Leitung innehatte<br />
... . Stefan Zweig verübte 1942 Selbst -<br />
mord in Brasilien, Erich (Eric) Zeisl<br />
verstarb 1959 in Los Angeles und<br />
Leon Askin kehrte erst 1994 nach<br />
<strong>Wien</strong> zurück, wo er 2005 verstarb.<br />
Die Vielfalt der größtenteils noch in<br />
Frankreich entstandenen Stücke ist<br />
verblüffend: sie reicht von der Verto -<br />
nung Jura Soyfers „Dachaulied“ durch<br />
marcel Rubin (ab den Fünfziger jah ren<br />
übrigens ein gefürchteter musik kriti -<br />
ker in <strong>Wien</strong>) bis zu den Verfassern be -<br />
rühmter Chancons, die von Edith Piaf<br />
oder Yves montand vorgetragen wurden.<br />
Viele der Komponisten der mu sik<br />
zu berühmt gewordenen Filmen (max<br />
Steiner: Casablanca, Vom Winde verweht)<br />
hatten Europa bereits 1933 in<br />
Fol ge der Aussperrung von Juden in<br />
Film oder anderen Kontrakten verlassen.<br />
Andere wie Walter Jurmann (A<br />
Night at the Opera, marx Brothers) hat-<br />
ten im Wartesalon Frankreich eine<br />
Zeit lang zu verbringen, bevor das<br />
rettende Visum einlangte.<br />
Das alles und noch mehr kann in Dou -<br />
ce France? von michel Cullin und Pri -<br />
ma vera Driessen Gruber nachgelesen<br />
werden. Zeithistorisches wie die Auf -<br />
lis tung und geographische Verteilung<br />
der Lager, Berührendes wie der Bei -<br />
trag Das Mädchen mit dem Fahrrad von<br />
Dominique Lassaigne, aber auch Ana -<br />
lytisches wie im Beitrag von Prima -<br />
vera Driessen Gruber, in dem sie zwei<br />
vollkommen verschiedene Kultur ebe -<br />
nen und Flüchtlingsnetzwerke ge gen -<br />
über stellt, nämlich an Hand der Bio -<br />
graphien von Erwin Weiss und des<br />
Kantors Samuel Taube. Douce France?<br />
zu lesen ist ein „muss“ für alle, die an<br />
den Reichtum, von den Nazis zerstörter<br />
europäisch-jüdischen Kultur interessiert<br />
sind.<br />
PS: Über Hanns Eislers Zeit in Paris<br />
wird in diesem Buch in einigen<br />
Beiträgen berichtet. Es ist somit eine<br />
hervorragende Ergänzung zu der<br />
derzeit im Jüdischen museum in <strong>Wien</strong><br />
laufenden hervorragenden Aus -<br />
stellung Hanns Eisler – Mensch und<br />
Masse.<br />
Gewinnbringende Bewirtschaftung seit 1959<br />
Hausverwalter<br />
dkfm. Viktor & dr. Peter maier<br />
ges.m.b.h.<br />
Ankauf und Verkauf von Immobilien jeder Art<br />
A-1030 <strong>Wien</strong> Fasangasse 18<br />
Tel.: 798 44 99 Fax:798 44 99-22<br />
www.hausverwalter.at<br />
46 <strong>April</strong> <strong>2009</strong> - Nissan/Ijar 5769
©Naftali Moskovics<br />
©Naftali Moskovics<br />
Alle 28 Jahre wird zur Tag-und-<br />
Nacht-Gleiche im Frühjahr das Gebet<br />
Birkat HaChamah, das „Lob der Son ne“,<br />
gesprochen. Nach jüdischer Tradition<br />
kehrt in diesem Zyklus die Sonne an<br />
den Punkt im Weltall zurück, an dem<br />
sie geschaffen wurde. Der biblische<br />
Schöpfungsbericht geht davon aus,<br />
dass die Sonne am vierten Schöp fungs -<br />
tag, am mittwoch der Schöp fungs -<br />
woche, erschaffen wurde.<br />
Ein Jude, der die Sonne an ihrem<br />
Wendepunkt beobachtet, so der Tal -<br />
mud im Traktat Berachot 59b, muss sa -<br />
gen: „Gelobt sei, der den Anfang macht!“<br />
„Und wann soll das geschehen?“, fragt<br />
der Talmud, worauf Rabbi Abaje antwortet:<br />
„Alle 28 Jahre…“ 28 Jahre<br />
KULTUR<br />
Birkat HaChamah - Das „Lob der Sonne“<br />
braucht die Sonne, um den Machsor<br />
HaGadol, den großen Kreislauf, zu vollenden.<br />
Hunderttausende Juden auf der<br />
ganzen Welt hatten sich am frühen<br />
mittwochmorgen, dem 8. <strong>April</strong> <strong>2009</strong>,<br />
auf den Weg gemacht, um an einem<br />
hohen Punkt den Sonnenaufgang<br />
mit zuerleben. An der Westmauer in<br />
Je rusalem sprachen zudem Hunderte<br />
von Priestern den Aaronitischen Segen.<br />
Die Westmauer ist einer der letzten<br />
Überreste aus der Zeit des Zweiten<br />
Tempels und der Ort, an dem fromme<br />
Juden ihrem zerstörten Heiligtum am<br />
nächsten kommen dürfen. Die großen<br />
rabbinischen Lehrer Israels hatten<br />
sich hier zum „Lob der Sonne“ ver-<br />
sammelt und mit ihnen Zehn tau -<br />
sende Israelis. „Andere Völker beten die<br />
Sonne an“, erklärte ein Rabbiner. „Wir<br />
verehren den, der die Sonne geschaffen<br />
hat, und danken ihm dafür.“<br />
In diesem Jahr fiel das Ereignis zu -<br />
dem mit dem Vorabend des Pes sach -<br />
festes zusammen, mit dem Seder -<br />
abend. Das ist in den Jahrtausenden<br />
der Geschichte des jüdischen Volkes<br />
erst zwölf mal passiert, verkünden<br />
Ex perten im israelischen Rundfunk.<br />
Somit beginnt Pessach in diesem Jahr<br />
genau am „Geburtstag“ der Sonne.<br />
Fotos: (oben) <strong>Wien</strong>er Augarten - Gemeinsames<br />
Gebet aller orthodoxen Gruppierungen<br />
(Umschlag) Jerusalem<br />
<strong>April</strong> <strong>2009</strong> - Nissan/Ijar 5769 47<br />
© Ossi Goldberger<br />
© Ossi Goldberger<br />
© Ossi Goldberger<br />
© Ossi Goldberger
© REUTERS/Ammar Awad