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2 Steroide<br />
Die Steroide zählen mit zu den wichtigsten Naturstoffen überhaupt. Zahlreiche<br />
biologisch wichtige Substanzklassen wie die Gallensäuren, die Sexual- und die<br />
Nebennierenrindenhormone, die herzaktiven Verbindungen (Cardenolide und Bufadienolide),<br />
Steroid-Sapogenine und Steroid-Alkaloide zählen zu ihnen. Wegen<br />
ihrer biologischen Wirksamkeit sind sie nicht nur von großem wissenschaftlichem<br />
Interesse, sondern auch von eminenter industrieller Bedeutung im Hinblick auf ihre<br />
pharmazeutische Verwendung.<br />
Steroide leiten sich biogenetisch von den Triterpenen ab. Alle Steroide besitzen<br />
als Grundgerüst ein tetracyclisches System, das Steran (Gonan, 1,2-Cyclopentanoperhydrophenanthren),<br />
das in der Regel jedoch noch durch zwei anguläre<br />
Methylgruppen (C-18 und C-19) ergänzt wird. Die Stereochemie und die Bezifferung<br />
sollen am Beispiel des Androstans dargestellt werden, wobei die Ringe mit<br />
Buchstaben und die einzelnen C-Atome mit Ziffern bezeichnet werden.<br />
2<br />
3<br />
1<br />
10<br />
A B<br />
4<br />
11<br />
19<br />
5<br />
9<br />
6<br />
12<br />
13<br />
C D<br />
14<br />
8<br />
7<br />
18<br />
17<br />
15<br />
16<br />
Androstan<br />
Substituenten, die oberhalb der Molekülebene stehen, werden als β-ständig,<br />
solche die unterhalb der Molekülebene stehen, als α-ständig bezeichnet. Als Bezugspunkt<br />
wird die Methylgruppe an C-13 gewählt, die oberhalb der Ringebene<br />
liegt. Ist die räumliche Stellung eines Substituenten nicht sicher, so wird dies<br />
durch den griechischen Buchstaben ξ (xi) gekennzeichnet. In der Strukturformel<br />
werden β-ständige Substituenten durch ausgezogene oder dicke Striche, αständige<br />
durch eine gestrichelte Linie, ξ-ständige durch eine Wellenlinie angegeben.<br />
Die angulären Methylgruppen und die Seitenkette an C-17 sind in den natürlichen<br />
Steroiden grundsätzlich β-ständig. Die Ringe A und B können sowohl cis-<br />
als auch trans-verknüpft sein, die Ringe B und C sind stets trans-verknüpft, die<br />
Ringe C und D weisen in der Regel trans-Verknüpfung auf; Ausnahmen finden<br />
sich z. B. bei den herzwirksamen Glykosiden. Bezogen auf ein Grundsystem wird<br />
das Fehlen eines C-Atoms mit dem Präfix Nor- angegeben, ein zusätzliches C-<br />
Atom wird mit dem Präfix Homo- gekennzeichnet. Ringspaltungen werden mit<br />
dem Präfix Seco- gekennzeichnet.
56 2 Steroide<br />
H<br />
H<br />
H<br />
H<br />
R<br />
H<br />
5ξ-Androstan: R = H<br />
5ξ-Pregnan: R = C2H5<br />
5ξ-Cholan a : R = CH(CH3)CH2CH2CH3<br />
5ξ-Cholestan a : R = CH(CH3)CH2CH2CH2CH(CH3)2<br />
5ξ-Ergostan a,b : R = CH(CH3)CH2CH2CH(CH3)CH(CH3)2<br />
5ξ-Stigmastan a,c : R = CH(CH3)CH2CH2CH(C2H5)CH(CH3)2<br />
a 20R-, b 24S-, c 24R-Konfiguration<br />
2.1 Cholesterin und verwandte Sterine<br />
Das in der Natur am weitesten verbreitete Steroid ist das Cholesterin (Cholesterol).<br />
Es nimmt eine zentrale Stellung im gesamten Steroidstoffwechsel des tierischen<br />
Organismus ein. Selbst ohne jede physiologische Aktivität, stellt es das<br />
Ausgangsmaterial für alle übrigen Steroide im Organismus dar. Ein erwachsener<br />
Mensch besitzt in Blut, Fett und Leber ständig ca. 300 g Cholesterin. Es ist außerdem<br />
ein wesentlicher Bestandteil der Galle (griechisch χολη = Galle) und wurde<br />
hieraus schon 1775 von Conradi isoliert. Es hat zwei Hauptfunktionen im Organismus:<br />
Es ist im Darm an der Resorption von Fettsäuren beteiligt, und es ist Bestandteil<br />
der Zellmembranen.<br />
Etwa 300–500 mg Cholesterin werden pro Tag über tierische Fette aufgenommen,<br />
weitere 800–1200 mg werden im Körper synthetisiert. Die Absorptionsrate<br />
für Cholesterin liegt bei 50 % und damit deutlich über den Werten für Phytosterine,<br />
die für Sitostanol nur 1 %, für Sitosterin 4 %, für Campesterin 10 % und für<br />
Campestanol 13 % betragen.<br />
HO<br />
H<br />
H<br />
21<br />
H<br />
20<br />
22<br />
23<br />
24<br />
27<br />
25<br />
Cholesterin<br />
26<br />
In wirbellosen Tieren kommen außer Cholesterin noch weitere Sterine vor, wie<br />
z. B. das 24-Dehydrocholesterin. Die Steroide Stigmasterin (Sojabohne) und Sitosterin<br />
(Getreide) gewinnen zunehmend an industrieller Bedeutung für Steroid-<br />
Partialsynthesen. Das Ergosterin ist häufig als Bestandteil von Pilzen, Flechten<br />
und Algen nachweisbar.
HO<br />
HO<br />
H<br />
H<br />
H<br />
HO<br />
Stigmasterin Sitosterin<br />
H<br />
H<br />
H<br />
2.1 Cholesterin und verwandte Sterine 57<br />
HO<br />
H<br />
H<br />
H<br />
H H<br />
24-Dehydrocholesterin Ergosterin<br />
Phytosterine (Tabelle 2.1) besitzen, im Unterschied zum tierischen Cholesterin,<br />
eine zusätzliche Methyl- oder Ethylseitenkette. Sie sind essenzielle Bestandteile<br />
pflanzlicher Zellmembranen. Bisher wurden 44 verschiedene Phytosterine identifiziert.<br />
Die entsprechenden am B-Ring gesättigten Verbindungen bezeichnet man<br />
als Stanole, von denen am häufigsten das Sitostanol in der Nahrung vorkommt,<br />
besonders reichlich im Sojaöl und in geringen Mengen in Roggen und Weizen<br />
(Tabelle 2.2). Am häufigsten kommen in pflanzlichen Lebensmitteln β-Sitosterin<br />
mit 65 %, Campesterin mit 30 % und Stigmasterin mit 5 % der Nahrungsphytosterine<br />
vor. Die Phytosterine kommen hauptsächlich in den fettreichen Pflanzenteilen,<br />
den Samen und den daraus gewonnenen Ölen und den entsprechenden Verarbeitungsprodukten,<br />
z. B. Margarine, vor. Obwohl der Gehalt an Phytosterinen in<br />
Getreideprodukten mit bis zu 200 mg/100 g niedrig ist, werden mit ihnen durchschnittlich<br />
etwa 17 % aufgenommen. Bei der Raffination verliert Sojaöl etwa ¾<br />
seines Phytosteringehaltes im Vergleich zum nativen Öl. Die Absorptionsrate der<br />
Phytosterine und Phytostanole hängt von der Länge der Seitenkette ab und ist im<br />
Vergleich zum Cholesterin (>40 %) deutlich geringer. Phytosterine beeinträchtigen<br />
die Absorption des Cholesterins der Nahrung sowie das mit der Gallenflüssigkeit<br />
ausgeschiedene, worauf die Senkung des Plasmacholesteringehaltes beruht.<br />
Dies ist die Basis der Therapie von Hypercholesterinämien mittels Phytosterinen.<br />
Es gibt auch zahlreiche Hinweise auf eine protektive Wirkung gegen Dickdarm-,<br />
Brust- und Prostatakrebs; vermutlich beeinflussen sie die Bildung sekundärer<br />
Stoffwechselprodukte (sekundäre Gallensäuren, Abbauprodukte von Cholesterin)<br />
im Magen-Darm-Trakt. Mit einer gemischten Kost werden pro Person täglich<br />
100–500 mg Phytosterine und 20–50 mg Phytostanole aufgenommen. Bei Vegetariern<br />
liegt die Gesamtaufnahme viermal höher. An der C-3-Position liegen oft Ferulasäuren<br />
verestert vor. In Maisöl sind 50 % der Phytosterine an C-3 mit einer
58 2 Steroide<br />
langkettigen Fettsäure verestert. Glycosylierte Steroide sind vor allem bei Pflanzen,<br />
weniger bei Tieren zu finden, in der Regel ist deren Anteil gering.<br />
Zur Senkung des Plasmacholesteringehaltes werden Margarinesorten angeboten,<br />
die mit Phytosterinen angereichert sind. Da die freien Sterine schlecht löslich<br />
sind, werden Sterinester eingesetzt, die im Verdauungstrakt hydrolysiert werden.<br />
Extrahiert werden die Phytosterine aus pflanzlichen Ölen und aus Tallöl, welches<br />
als Nebenprodukt bei der Papier- und Zellstoffgewinnung anfällt. Tallöl ist reich<br />
an Phytostanolen, besonders β-Sitostanol.<br />
Tabelle 2.1. Ausgewählte Sterine in Lebensmitteln (die OH-Gruppe am C3 ist β-ständig)<br />
Sterin Ligand<br />
Zoosterine:<br />
Cholesterin (Cholest-5en-3β-ol)<br />
Dehydrocholesterin-(7)<br />
(Provitamin D3, Cho-<br />
lest-5,7-dien-3β-ol)<br />
Phytosterine:<br />
Δ 7 -Avenasterin (24-<br />
Ethyl-7,11-dien-3β-ol)<br />
Daucosterin (Glycosid:<br />
24-Ethyl-Cholest-5-en-<br />
3β-ol + 1 Mol Glucose)<br />
Brassicasterin (24-<br />
Ethyl-Cholest-5,22dien-3β-ol)<br />
Δ 5 -Avenasterin (24-<br />
Ethyl-cholest-5,11-<br />
dien-3β-ol)<br />
α-Spinasterin (Bessisterin)(24-Ethylcholest-7,22-dien-3βol)<br />
α1-Sitosterin (Cholestol,<br />
24-Ethyl-<br />
Cholest-5,8-dien-3β-ol)<br />
am C3<br />
Ligand<br />
am C 24<br />
Vorkommen und Gehalte (soweit nicht<br />
anders angegeben: mg je 100 g)<br />
-OH -H In allen tierischen Fetten, besonders<br />
reichlich im Rückenmark und Gehirn;<br />
Hühnereigelb: 1260; Rind- bzw. Schweinefleisch:<br />
60–70; Vollmilch (Kuh): 12;<br />
Gemüse und Obst: 1 mg bzw. >1 mg<br />
-OH -H Schweineschwarte, Haut<br />
-OH -C2H5 Haferöl; 100 g Erbsen enthalten 1 mg A.;<br />
100 g Tomaten ca. 0,4 mg A. (jeweils<br />
Summe von Δ 5 und Δ 7 -A., bezogen auf<br />
Frischsubstanz [Fr.-S.])<br />
- - Mohrrüben, Orangen, Grapefruit<br />
-OH -CH3 Rüböl, Zuckerrohrwachs, Gemüsepaprika<br />
(2,5 % der Gesamtsterine der Oberflächenlipide);<br />
Gehalte: Brokkoli 3 mg/kg<br />
(Fr.-S); Dill, Petersilie, Rosenkohl: jeweils<br />
2 mg/kg (Fr.-S.)<br />
-OH -C2H5 Haferöl, Sonnenblumenöl<br />
-OH -C2H5 Spinat, Koloquinten (Citrúllus colocýnthis<br />
[L.] Schrad.), Luzernesamenöl;<br />
Hauptsterin in Gurken: 3,7 (bes. in freier<br />
Form und als Glucoside); in 100 g Arganöl<br />
wurden 12 mg S. bestimmt (Sum-<br />
me von α-, β- und γ-S.)<br />
-OH -C2H5 sehr verbreitet, besonders in Mais-, Roggenkeim-,<br />
Weizenkeim-, Reiskeim-, Sonnenblumen-,<br />
Soja-, Sesam-, Lein-,<br />
Baumwollsamen-, Olivenöl sowie Apfeltrester
2.1 Cholesterin und verwandte Sterine 59<br />
Sterin Ligand Ligand Vorkommen und Gehalte (soweit nicht<br />
am C3 am C24 anders angegeben: mg je 100 g)<br />
β-Sitosterin (Cinchol, -OH -C2H5 β-Sitosterin ist das Hauptsterin der meis-<br />
24-Ethyl-Cholest-5-en-<br />
ten Obst- und Gemüsearten, Gurken: 3,9<br />
3β-ol)<br />
(bes. in freier Form und als Glucoside);<br />
Sojabohne (roh): 492 mg/kg Trockensubstanz<br />
(Tr.-S.); fermentierte Sojazubereitung<br />
mit B. subtilis: 788 mg/kg Tr.-S.<br />
-OH -C2H5 Weizen-, Roggenkeimöl<br />
Δ 7 -Stigmastenin (24-<br />
Ethyl-cholest-7-en-3β-<br />
ol)<br />
Stigmasterin (24-Ethylcholest-5,22-dien-3βol)<br />
Campesterin (24-<br />
Methyl-Cholest-5-en-<br />
3β-ol)<br />
Gramisterin<br />
(4α-Methyl-24methylen-5α-cholest-7-<br />
en-3β-ol)<br />
Mykosterine:<br />
Ergosterin (Provitamin<br />
D, 24-Methyl-cholest-<br />
5,7,22-trien-3β-ol)<br />
Fungisterin (24-<br />
Methyl-cholest-7-en-<br />
3β-ol)<br />
Fukosterin (24-Ethylcholest-5,24-dien-3βol)<br />
-OH -C2H5 Mais-, Kokosnuss-, Raps-, Reiskeim-,<br />
Sonnenblumen-, Sojaöl, Kakaofett,<br />
Hauptsterin in reifen Tomaten, Nebensterin<br />
vieler Obst- und Gemüsearten, besonders<br />
in Aubergine, Kopfsalat, Porree,<br />
Grünspargel und Möhre; Sojabohne<br />
(roh): 146 mg/kg Tr.-S.; fermentierte Sojazubereitung<br />
mit B. subtilis: 225 mg/kg<br />
Tr.-S.<br />
-OH -CH3 Raps-, Soja-, Weizenkeimöl, Nebensterin<br />
vieler Obst- und Gemüsearten, besonders<br />
in Rettich, Weiß- und Rosenkohl, Sonnenblume<br />
und Sonnenblumenöl, Puffbohne<br />
sowie Gemüsepaprika; Sojabohne<br />
(roh): 169 mg/kg Tr.-S.; fermentierte Sojazubereitung<br />
mit B. subtilis: 255 mg/kg<br />
Tr.-S.<br />
Methylsterin in Pflanzenölen<br />
-OH -CH3 Butter, Lebertran, Milch, Eigelb, Hefe,<br />
Pilze; in 100 g Shiitakepilz (kultivierte<br />
Art) kommen bis zu 680 mg E. vor.<br />
Ergosterin wird vermehrt bei Pilzbefall in<br />
Lebensmitteln gebildet, sodass es als In-<br />
dikator dafür gilt.<br />
-OH -CH3 Pilze, Mutterkorn; in 100 g Speisepilzen<br />
wie z. B. dem Shiitakepilz kommen bis<br />
-OH =CH-<br />
CH3<br />
zu 60 mg F. vor.<br />
Meeresalgen, in geringen Konzentrationen<br />
in Äpfeln
60 2 Steroide<br />
Tabelle 2.2. Phytosteringehalt von Lebensmitteln (in mg je 100 g essbarem Anteil)<br />
Lebensmittel Phytosterin- Lebensmittel Phytosteringehaltgehalt<br />
Gemüse Obst<br />
Bohnen 76 Äpfel 13<br />
Blumenkohl<br />
40<br />
Banane<br />
14<br />
Brokkoli<br />
39<br />
Birne<br />
12<br />
Karotten<br />
16<br />
Grapefruit<br />
22<br />
Kopfsalat<br />
38<br />
Kiwi<br />
9<br />
Oliven, schwarz 50<br />
Orange<br />
24<br />
Rosenkohl<br />
43<br />
Pfirsich<br />
15<br />
Tomaten<br />
5<br />
Öle<br />
Getreide 1–200 Palmöl 49<br />
Weizen 69 Maisöl 952<br />
Saaten und Nüsse Olivenöl 176<br />
Mandeln 143 Sojaöl, kalt gepresst 494<br />
Sesamsaat 714 Sojaöl, raffiniert 132<br />
Sonnenblumenkerne 534 Sonnenblumenöl 725<br />
Einige in Pflanzenölen vorkommende Phytosterine tragen am C-Atom 4 eine<br />
oder mehrere Methylgruppen, die zum Herkunftsnachweis von Fetten dienen.<br />
Hauptverbindungen mit einer Methylgruppe sind Obtusifoliol (4α,14α-Dimethyl-<br />
24-methylen-5α-cholest-8-en-3β-ol) und Gramisterin (4α-Methyl-24-methylen-<br />
5α-cholest-7-en-3β-ol). Obtusifoliol stellt das Hauptsteroid im Olivenöl (794 mg<br />
je kg). Da es in Haselnussöl nicht vorhanden ist, stellt es eine Möglichkeit zur Unterscheidung<br />
der beiden Pflanzenöle dar, deren Fettsäuremuster sehr ähnlich ist.<br />
Als Vertreter der 4,4-Dimethylsterine sind α- und β-Amyrin, Cycloartenol, Oleanolsäure<br />
und Lupeol (Lup-20[29]-en-3β-ol) zu nennen. α-Amyrin kommt in Beifuß<br />
(Artemisia vulgaris) und β-Amyrin in Form des Acetats in Traubenkernöl vor.<br />
Cycloartenol findet sich in Spuren in allen grünen, photosynthetisch aktiven<br />
Pflanzen als Zwischenprodukt der Cholesterin-Synthese. Oleanolsäure ist Bestandteil<br />
in zahlreichen Pflanzen wie Zwiebel, Zuckerrübe, Heidelbeere, Moosbeere,<br />
Olive, Basilikum, Thymian und Salbei. Lupeol findet sich besonders in<br />
Milchsäften, Samen und Rinden, z. B. im Kaugummi von Achras zapota, in der<br />
Sheanuss sowie in der Schale von Lupinensamen.<br />
HO<br />
H Obtusifoliol<br />
HO<br />
H<br />
H<br />
Gramisterol<br />
HO<br />
H Cycloartenol<br />
H<br />
H
HO<br />
HO<br />
H<br />
H<br />
H<br />
H<br />
α-Amyrin<br />
H<br />
Lupeol<br />
H<br />
H<br />
HO H<br />
HO<br />
2.1 Cholesterin und verwandte Sterine 61<br />
H<br />
H<br />
H<br />
H<br />
β-Amyrin<br />
H<br />
Oleanolsäure<br />
COOH<br />
Withanolide kommen in Nachtschattengewächsen wie in den Tomatillofrüchten<br />
vor. Es sind bioaktive pflanzliche Steroide mit anticarcinogenen und cytotoxischen<br />
Aktivitäten.<br />
H 3C<br />
O<br />
O<br />
OH O<br />
H<br />
O<br />
H OH<br />
H<br />
OH<br />
O<br />
OH O<br />
H<br />
O<br />
H R<br />
Withaphysacarpin: R = OH;<br />
2,3-Dihydro-3-methoxywithaphysacarpin<br />
24,25-Dihydrowithanolid: R = H<br />
Withanolide aus Physalis philadelphia und Physalis ixocarpa (Tomatillo)<br />
Die Doppelbindung in 5,6-Stellung lässt sich katalytisch hydrieren; dabei entstehen<br />
– je nach Reaktionsbedingungen – Isomerengemische. So führt die Reduktion<br />
im sauren Medium in die 5α-Reihe (mit trans-Verknüpfung der Ringe A und<br />
B). Verbindungen der 5β-Reihe (Koprostanole) erhält man dagegen bei der Reduktion<br />
des α,β-ungesättigten Ketons, das bei der Oppenauer-Oxidation des Cholesterins<br />
entsteht.<br />
O<br />
H<br />
H<br />
OH<br />
O
62 2 Steroide<br />
Pt/H 2<br />
H +<br />
HO HO<br />
Oppenauer-Oxidation<br />
Raney-Ni<br />
H2 /OH<br />
O HO<br />
-<br />
OH -<br />
H<br />
Δ<br />
HO<br />
H<br />
Cholestanol 3epi-Cholestanol<br />
OH -<br />
H<br />
Δ<br />
HO<br />
H<br />
Koprostanol 3epi-Koprostanol<br />
Der Mechanismus der Oppenauer-Oxidation am Beispiel von Koprostanol ist<br />
im folgenden Schema dargestellt.<br />
HO<br />
H<br />
Al(iso-OC 3 H 7 ) 3<br />
- Isopropanol<br />
O<br />
H<br />
O O<br />
Al<br />
O O<br />
H<br />
O<br />
H<br />
+ Al(iso-OC 3 H 7 ) 3<br />
Die an C-3 epimeren Cholestanole lassen sich durch Kochen mit stärkeren Basen<br />
(z.B. Alkoholat) isomerisieren; dabei ist in der A/B-trans-Reihe die 3β-OH-<br />
Verbindung, in der A/B-cis-Reihe die 3α-OH-Verbindung die stabilere. Der<br />
Grund hierfür liegt darin, dass die Verbindung mit einem äquatoralen Substituenten<br />
vergleichsweise stabiler ist als diejenige mit einem axialen Substituenten.<br />
HO<br />
HO<br />
H H<br />
H<br />
A<br />
A<br />
B<br />
B<br />
MeONa<br />
über Keton<br />
MeONa<br />
über Keton<br />
H<br />
OH H<br />
3β-OH H<br />
OH 3α-OH<br />
H<br />
H
2.1 Cholesterin und verwandte Sterine 63<br />
Aus den gleichen Gründen entstehen bei der NaBH4-Reduktion von 3-Ketosteroiden<br />
jeweils die 3-Hydroxyverbindungen, die die OH-Gruppe in äquatorialer<br />
Stellung tragen.<br />
O<br />
O<br />
H<br />
H<br />
NaBH 4<br />
NaBH 4<br />
HO<br />
HO<br />
H<br />
H<br />
3α-Hydroxy-Reihe<br />
3β-Hydroxy-Reihe<br />
Allgemein kann bei der Metallhydridreduktion von Ketonen beobachtet werden,<br />
dass in Abhängigkeit vom Raumbedarf der Substituenten im Ring die Addition<br />
des Hydrids entweder über sterische Annäherungskontrolle oder Produktbildungskontrolle<br />
verläuft. Da die 3-Ketogruppe in Cholestanonen sterisch kaum<br />
behindert ist, entsteht bei der Reduktion mit NaBH4 das thermodynamisch stabilere<br />
Produkt (Produktbildungskontrolle) mit einer äquatorialen Hydroxygruppe. Die<br />
thermodynamisch weniger stabilen axialen 3α-Alkohole in der A/B-trans-Serie<br />
können durch eine Veresterung unter Inversion dargestellt werden. Die Umsetzung<br />
der 3β-Hydroxygruppe mit Diazodicarbonsäureester/Triphenylphosphin und<br />
einer Carbonsäure ergibt den 3α-Ester (Mitsunobu-Verfahren).<br />
O C R<br />
EtOOC<br />
H O<br />
N N<br />
COOEt<br />
R<br />
H<br />
C 6 H 5<br />
H<br />
O<br />
O<br />
H H<br />
P C6H5 C6H5 O H<br />
- EtOOC-NH-NH-COOEt<br />
C 6 H 5<br />
C6H5 O<br />
P +<br />
C 6 H 5<br />
- (C 6 H 5 ) 3 PO<br />
H H<br />
R<br />
O<br />
C<br />
O
64 2 Steroide<br />
Die Reaktionen des 3β-Tosylcholesterins mit Nucleophilen, wie z. B. MeOH in<br />
CHCl3, ergeben 3,5-Cyclocholestane.<br />
TsO<br />
H<br />
CH 3 OH<br />
H<br />
- TsOH<br />
H<br />
Ts = CH3-pC6H4-SO2 O CH3 O CH3 Eine weitere wichtige Reaktion an Steroiden ist die α-Bromierung von Ketonen,<br />
wobei die Regio- und Stereoselektivität im Folgenden diskutiert werden soll.<br />
O<br />
O<br />
H<br />
H<br />
[Br]<br />
[Br]<br />
Br<br />
O<br />
O<br />
H<br />
H<br />
Br<br />
Die Bromierung erfolgt nach Corey primär axial, da der Übergangszustand<br />
energetisch begünstigt ist, wenn das Orbital des enolisierten C-Atoms, welches<br />
nucleophil am Brom angreift, mit dem π-Orbital des Carbonylkohlenstoffatoms<br />
überlappt. Dies ist nur in der Sesselkonformation möglich, wenn das Orbital axial<br />
orientiert ist. Eine zweite Erklärung geht von der Überlegung aus, dass über eine<br />
Bromonium-Zwischenstufe des Enols und diaxiale Öffnung des cyclischen Intermediats<br />
das α-Bromketon entsteht.<br />
O<br />
Br<br />
O<br />
H<br />
H<br />
Br<br />
H<br />
H
O<br />
Br +<br />
O<br />
O<br />
Br<br />
Br<br />
H<br />
H<br />
Isomerisierung<br />
H<br />
α-Bromketon<br />
2.1 Cholesterin und verwandte Sterine 65<br />
- HBr<br />
Im nächsten Schritt erfolgt eine Isomerisierung über das entsprechende Enol<br />
zum stabileren Bromketon. Die thermodynamische Stabilität ergibt sich sowohl<br />
aus dem Dipoleffekt als auch aus der 1,3-diaxialen Wechselwirkung. Bei den 2-<br />
Brom- bzw. 4-Brom-oxo-Steroiden überwiegt der sterische Effekt. Dagegen überwiegt<br />
in sterisch nicht fixierten Verbindungen, wie z. B. im α-Bromcyclohexanon,<br />
der Dipoleffekt. Die bevorzugte Konformation der Bromverbindungen<br />
ist diejenige, in der der Substituent die axiale Position einnimmt.<br />
H<br />
Br<br />
O<br />
Die Regioselektivität bei der Bromierung von 3-Ketonen hängt von der Richtung<br />
der Enolisierung ab. In der 5α-Reihe (Cholestanon) ist die 2-Doppelbindung<br />
stabiler als das 3-Alken. Dagegen ist in der 5β-Reihe (Koprostanon) das 3-Alken<br />
bevorzugt.<br />
Cholesterinderivate sind pharmakologisch interessant aufgrund ihrer Wirkung<br />
auf die Cholesterinbiosynthese. Die Kontrolle dieser Biosynthese sollte die Cholesterinmenge<br />
im Blut reduzieren, womit eine Verhinderung bzw. Behandlung von<br />
Arteriosklerose möglich sein sollte.<br />
HO<br />
HO<br />
HO<br />
Br +<br />
Br +<br />
Br<br />
H<br />
Br<br />
O<br />
Br<br />
Br<br />
H<br />
H<br />
H