zeitschrift des humanistischen verbandes - Humanistischer Verband ...
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A 59349; 22. Jahrgang; 3. Quartal, Nr. 84/2008; E 4,25<br />
Zeitschrift <strong>des</strong> <strong>humanistischen</strong> verban<strong>des</strong>
<strong>zeitschrift</strong> <strong>des</strong> <strong>humanistischen</strong> verban<strong>des</strong><br />
Inhalt<br />
<strong>Humanistischer</strong> <strong>Verband</strong><br />
Deutschlands<br />
Nr. 84 3/2008<br />
Editorial Arne Lund 1<br />
Landauf/landab 2<br />
Aus den Ländern berlin: Jugendgästehaus heiligensee Margit Witzke 6<br />
Berlin: Familienhaus Felix Kerstin Volgmann 7<br />
Nürnberg: Grundlagendebatte Humanismus Helmut Fink 8<br />
halle: darwin-Konferenz Edmund Fröse 9<br />
Zwischenruf horte nicht an freie träger Norbert Böhnke 10<br />
Menschen im diesseits 11<br />
Titel Wenn das Leben zur Qual wird – alterssuizide Michael Bauer, Gita Neumann 12<br />
ich bestimme mein ende selbst – interview mit ingrid sander Patricia Block 15<br />
Einblicke/Ausblicke forsa-umfrage zu Lebenskunde Gerd Eggers 17<br />
Forum Lebenskunde international Bernhard Stolz 18<br />
Wozu brauche ich Gott? Fiona Lorenz 22<br />
studium der <strong>humanistischen</strong> Lebenskunde Dorothea Janowitz<br />
Susan Navissi<br />
Ulla Ringe 24<br />
Magazin Karl emil franzos und der „Pojaz“ Ralf Bachmann 26<br />
robert blum- ein tragischer held Michael Bauer 29<br />
ein tag im november Ralf Bachmann 32<br />
Kreuz/quer 34<br />
Auslese 36<br />
Angesehen rhythm is it! Assia Maria Harwazinski 38<br />
Aussprache 39<br />
Gedicht zweierlei Götterglück Christoph Martin Wieland 41<br />
humanisten im internet: http://www.humanismus.de e-mail: diesseits@humanismus.de<br />
Herausgeber: <strong>Humanistischer</strong> <strong>Verband</strong> Deutschlands, Wallstraße 61-65, 10179 Berlin, Telefon 030-613 904-41. Verantwortlich im<br />
Sinne <strong>des</strong> Berliner Pressegesetzes: Patricia Block. Mit Namen gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung <strong>des</strong><br />
Herausgebers wieder. Redaktion: Ralf Bachmann, Michael Bauer, Patricia Block, Gerd Eggers, Jürgen Ger<strong>des</strong>, Christian John, Jürgen<br />
Springfeld. Anzeigenleitung/Verwaltung: Bettina Kebschull. Titelgestaltung/Grafik/Layout: Jürgen Holtfreter, Berlin. Fotos: Evelin<br />
Frerk S.1, Patricia Block S.2, Daniel Nette S.3, Gabriele Groschopp S.4, Jens-Uwe Pröse S.5, Arne Lund S.5, Carmen Malling S.12,<br />
Patricia Block S.12, Neukölln-Kalender 2006 S.12, Daniel Paulmann S.15, Robert Michel S.20/21, Lydia Strauß S.32, Olaf Schäfer<br />
S.34, Patricia Block S.34. Zeichnungen: Lee&Kim 36/37. diesseits erscheint vierteljährlich am 1. März, 1. Juni, 1. September und<br />
1. Dezember. Redaktionsschluss ist sechs Wochen vor dem Erscheinen. Bezugspreise: Jahresabonnement 13,- E (inklusive Porto<br />
und Mehrwertsteuer), Ausland zuzüglich Portomehrkosten. Einzelexemplar 4,25 E. Satz/Reinzeichnung: Michael Pickardt, Berlin.<br />
Druck: H & P Druck, Körtestr. 10, 10967, Telefon 030-693 77 37. ISSN 0932-6162., diesseits wird auf umweltfreundlichem, zu<br />
50 % chlorfrei gebleichtem Papier mit 50 % Recyclingfaseranteilen gedruckt.
Liebe Leserin, lieber Leser,<br />
zum Jahresbeginn 2008 wurde ich vom erst seit September 2007<br />
amtierenden neuen Lan<strong>des</strong>vorstand zum Geschäftsführer <strong>des</strong> HVD<br />
Hamburg ernannt, eines zahlenmäßig (noch) kleinen Lan<strong>des</strong>verban<strong>des</strong>,<br />
den es nun gilt, aus einem mehr oder weniger langjährigen<br />
„Dornröschenschlaf“ zu erwecken, um eine humanistische Szene<br />
in der zweitgrößten deutschen Stadt aufzubauen und nachhaltig<br />
zu stärken.<br />
Hierzu wird sicherlich auch entscheidend die am 1. März 2008<br />
geschlossene Kooperationsvereinbarung zwischen dem HVD<br />
Hamburg und der in der Jugendarbeit etablierten Jugendweihe<br />
Hamburg e.V. beitragen.<br />
Durch die Teilnahme an verschiedenen Veranstaltungen (Geschäftsführertreffen,<br />
Bun<strong>des</strong>delegiertenversammlungen und -<br />
vorstandssitzungen, Fachtagungen) sowie vor allem durch meine<br />
Mitarbeit im Bun<strong>des</strong>arbeitskreis Humanistische Lebenskunde<br />
lernte ich als „Neuer“ die zuständigen Personen schnell persönlich<br />
kennen; Grundvoraussetzung für eine konstruktive und vertrauensvolle<br />
Zusammenarbeit. Besonders für die vielen Hilfsangebote<br />
aus dem Bun<strong>des</strong>verband und einigen Lan<strong>des</strong>verbänden möchte ich<br />
mich an dieser Stelle noch einmal sehr herzlich bedanken; stellvertretend<br />
seien hier Gerd Eggers und Werner Schultz erwähnt.<br />
Ein Schwerpunkt meiner Tätigkeit wird neben der Unterstützung<br />
<strong>des</strong> Vorstan<strong>des</strong> hinsichtlich der Planung und Durchführung interessanter<br />
öffentlicher Veranstaltungen auch zur Mitliederwerbung<br />
darin bestehen, die Humanistische Lebenskunde als Alternative<br />
zum Religionsunterricht in Hamburg einzuführen. Mir ist – auch<br />
im Hinblick auf die in anderen Bun<strong>des</strong>ländern diesbezüglich gemachten<br />
Erfahrungen – bewusst, dass vor uns auch in Hamburg ein<br />
langer und steiniger Weg liegen wird; das letzte Wort werden wohl<br />
die Gerichte haben. Die repräsentativen Umfrageergebnisse von<br />
Forsa im Auftrag <strong>des</strong> HVD belegen jedoch, dass eine sehr deutliche<br />
Editorial<br />
Nachfrage vorhanden ist; diesen Bedarf wollen wir nutzen. Davon,<br />
dass es sich lohnt, einen „langen Atem“ zu beweisen, konnte ich<br />
mich kürzlich bei Hospitationen in verschiedenen Klassenstufen in<br />
einer Berliner Grundschule wieder persönlich überzeugen, wo der<br />
Lebenskundeunterricht seit Jahren vorbildlich gestaltet wird.<br />
Meiner Meinung nach sollte jeder Mensch das uneingeschränkte<br />
Recht auf Selbstbestimmung und Würde am Lebensende haben<br />
und folglich für sich selbst entscheiden können, ob „im Fall der<br />
Fälle“ – und wenn ja, in welchem Umfang – medizinische Maßnahmen<br />
zur Lebensverlängerung in Anspruch genommen werden<br />
sollen. Nicht erst seitdem ich durch eine schwere Erkrankung im<br />
engsten Familienkreis persönlich betroffen bin, verfolge ich aufmerksam<br />
die Diskussion um die Patientenverfügung. Das aktuelle<br />
„Ziehen und Zerren“ um das von vielen herbeigesehnte Gesetz zur<br />
Patientenverfügung wird uns noch eine Zeitlang beschäftigen. Wer<br />
diesbezüglich Beratungsbedarf haben sollte, dem empfehle ich,<br />
sich an das kompetente Team<br />
um Gita Neumann (Bun<strong>des</strong>zentralstelle<br />
Patientenverfügungen<br />
<strong>des</strong> HVD) zu wenden. Der LV<br />
Hamburg wird durch verschiedeneInformationsveranstaltungen<br />
versuchen, die individuelle<br />
Patientenverfügung <strong>des</strong> HVD in<br />
Hamburg bekannt zu machen.<br />
Mit <strong>humanistischen</strong> Grüßen aus<br />
Hamburg<br />
Arne Lund<br />
3/2008
Bun<strong>des</strong>delegiertenversammlung 2008<br />
Stuttgart – Rund 50 Delegierte aus den<br />
Lan<strong>des</strong>verbänden <strong>des</strong> Humanistischen<br />
Verban<strong>des</strong> Deutschlands trafen sich am<br />
Wochenende vom 7./8. Juni mit zahlreichen<br />
Gästen im „Karl-Becker-Haus“<br />
der „Humanisten Württemberg“ zur<br />
Bun<strong>des</strong>delegiertenversammlung 008.<br />
Die Delegierten begrüßten, dass sich<br />
der Bun<strong>des</strong>verband für die Einführung<br />
<strong>des</strong> Schulfaches Humanistische<br />
Lebenskunde als ordentliches Lehrfach<br />
entsprechend der Lan<strong>des</strong>gesetzgebung<br />
im gesamten Bun<strong>des</strong>gebiet<br />
einsetzen wird. Die dafür notwendige<br />
Satzungsänderung war somit nur noch<br />
eine Formsache. Das Präsidium wird<br />
in Abstimmung mit den Mitgliedsverbänden<br />
Grundsätze für Humanistische<br />
Lebenskunde entsprechend Artikel 7<br />
Absatz 3 <strong>des</strong> Grundgesetzes sowie<br />
Rahmenrichtlinien für den Unterricht<br />
und die Qualifizierung der Lehrkräfte<br />
erlassen.<br />
Neu in die Reihen <strong>des</strong> Bun<strong>des</strong>verban<strong>des</strong><br />
aufgenommen wurde der kürz-<br />
3/2008<br />
lich gegründete Lan<strong>des</strong>verband Rheinland-Pfalz.<br />
Die Vorsitzende, Dr. Fiona<br />
Lorenz, erhielt viel Beifall für ihre Schilderung<br />
<strong>des</strong> Gründungsvorgangs und<br />
der Motivation der Aktiven vor Ort.<br />
Intensive Vorarbeiten gingen den verabschiedeten<br />
„Rechtspolitischen<br />
Grundpositionen“ voraus. Hinsichtlich<br />
vieler noch offener Punkte (Arbeitsrecht,<br />
Bestattungskultur) werden kontinuierlich<br />
Ergänzungen durch Experten<br />
vorgenommen werden. Das Material<br />
wird im Anschluss einem rechtspolitischen<br />
Kongress im September 009<br />
zum Arbeitsthema „Konfessionsfreie,<br />
ihre Interessen und Organisationen im<br />
Rahmen der Reformen <strong>des</strong> deutschen<br />
Religionsverfassungsrechts“ übergeben.<br />
Im Voraus kontrovers diskutiert wurden<br />
die „Bun<strong>des</strong>richtlinien“. So überraschte<br />
die Einhelligkeit, mit der diese<br />
organisatorischen Leitlinien dann<br />
schließlich beschlossen wurden. Sie<br />
traten im Juli in Kraft und werden 0<br />
landauf<br />
auf ihre Wirksamkeit hin überprüft.<br />
Darüber hinaus wurde eine umfängliche<br />
Position zu Rechten und Einflussmöglichkeiten<br />
der Jugendlichen<br />
im <strong>Verband</strong> erarbeitet.<br />
Bei den Wahlen zum neuen Präsidium<br />
wurde Dr. Horst Groschopp zum Präsidenten<br />
gewählt. Als Vizepräsidenten<br />
fungieren zukünftig: Susanne Jahn<br />
(Vorsitzende Bayern), Prof. Dr. Hero<br />
Janßen (Präsident Niedersachsen),<br />
Prof. Dr. Frieder Otto Wolf (Stellv. Vorsitzender<br />
Berlin). Schatzmeister wurde<br />
Helmut Fink (Vorsitzender Nürnberg).<br />
Ein herzliches Dankeschön geht an<br />
die Stuttgarter Gastgeber, vertreten<br />
durch Frau Dr. Gabriele Will und den<br />
Geschäftsführer Andreas Henschel.<br />
So sorgte die freundliche Atmosphäre<br />
wohl mit dafür, dass auch ausgiebige<br />
und zum Teil emotionale Debatten<br />
stets sachlich blieben und der Grundkurs<br />
<strong>des</strong> bisherigen Vorstan<strong>des</strong> und<br />
jetzigen Präsidiums bestätigt werden<br />
konnte.<br />
Das neue Bun<strong>des</strong>präsidium, v.l. Prof. Dr. Hero Janßen, Prof. Dr. Frieder Otto Wolf, Susanne Jahn, Dr. Horst Groschopp, Helmut Fink
drachenboote für mehr<br />
Toleranz<br />
Hannover – Der Arbeitskreis der<br />
Religionen und Weltanschauungen<br />
in Hannover hat am 22. Juni ein<br />
Drachenbootrennen der besonderen<br />
Art auf dem Maschsee in Hannover<br />
organisiert. Das Drachenbootfahren<br />
geht auf eine konkrete<br />
Begebenheit in China vor rund<br />
2000 Jahren zurück. So soll sich<br />
der Dichter Chu Yuan aus Kummer<br />
über eine ungerechtfertigte Verbannung<br />
in den Fluss Mi-Lo gestürzt<br />
haben. Am Rand stehende Fischer<br />
sprangen in ihre Boote und paddelten<br />
ihm mit lauten Trommeln zu<br />
Hilfe. Leider waren die hungrigen<br />
Fische schneller. Zur Abschreckung<br />
baute man später riesige Drachenköpfe<br />
und Schwänze an die Boote<br />
und paddelt je<strong>des</strong> Jahr an die Unglücksstelle.<br />
Drachenbootrennen<br />
symbolisieren den gemeinsamen<br />
Kampf für soziale Gerechtigkeit,<br />
verbunden mit der Zivilcourage <strong>des</strong><br />
Einzelnen. Sie widerspiegeln auch<br />
die Verpflichtung <strong>des</strong> Einzelnen,<br />
sich in eine Gruppe einzubringen<br />
und gemeinsam ein Ziel zu verfolgen.<br />
Folgerichtig gingen in Hannover<br />
Menschen aus verschiedenen<br />
Religionen und Kulturen an den<br />
Start. Die Mannschaften in den<br />
Booten waren bunt gemischt – ein<br />
Zeichen für ein friedliches und tolerantes<br />
Miteinander. Mit von der<br />
Partie waren auch die Juhus und<br />
Mitglieder der Humanisten Hannovers.<br />
Ganz egal in welcher Reihenfolge<br />
die Boote ins Ziel kamen,<br />
das Werben für mehr Toleranz<br />
machte an diesem Tag alle Teilnehmer<br />
zu Siegern.<br />
Humanismus-Preis 2009<br />
ausgeschrieben<br />
Berlin – Der HVD Berlin und<br />
die Humanismus Stiftung schreiben<br />
zum vierten Mal den mit<br />
2.500 Euro dotierten „Humanismus-Preis“<br />
aus. Mit dem Preis<br />
soll eine Persönlichkeit, Gruppe<br />
oder Institution geehrt werden,<br />
die sich durch ihr Wirken auf wissenschaftlichem,<br />
künstlerischem,<br />
politischem, weltanschaulich-philosophischem<br />
Gebiet oder durch<br />
praktisch-soziales Engagement für<br />
die Verwirklichung <strong>des</strong> Humanismus<br />
eingesetzt hat. Der Preis trägt<br />
den Namen Ossip K. Flechtheims,<br />
<strong>des</strong> 1998 verstorbenen Politologen<br />
und Zukunftsforschers sowie langjährigem<br />
Mitglieds <strong>des</strong> Verban<strong>des</strong>.<br />
Am 5. März 2009 wäre Flechtheim<br />
100 Jahre alt geworden. Aus diesem<br />
Grunde wird die Preisverleihung als<br />
eine besondere Festveranstaltung<br />
mit vielen prominenten Gästen<br />
konzipiert.<br />
Vorschläge für Preisträger (bitte mit<br />
ausführlicher schriftlicher Begründung)<br />
nimmt die Geschäftsstelle<br />
<strong>des</strong> HVD Berlin, Wallstraße 61-65,<br />
10179 Berlin, entgegen.<br />
Kurs ehrenamtliche<br />
Sterbebegleitung<br />
Berlin – Für Interessierte, die sich<br />
dem Thema „Sterben, Tod und<br />
landab<br />
Trauer“ nähern und auf diesem<br />
Gebiet ehrenamtlich mitwirken<br />
wollen, führt V.I.S.I.T.E., das ambulante<br />
Hospiz <strong>des</strong> HVD Berlin,<br />
ab September 2008 wieder Kurse<br />
zu ehrenamtlicher Sterbebegleitung<br />
durch. Der Grundkurs findet<br />
ab dem 26. September bis Dezember<br />
jeweils Freitags von 17 bis 20<br />
Uhr statt. Im anschließenden praktischen<br />
Aufbaukurs werden die<br />
Teilnehmer mit Schwerstkranken<br />
in Kontakt kommen. Insgesamt<br />
umfasst der Kurs 200 Unterrichtsstunden<br />
an 44 Abenden und beinhaltet<br />
zwei Wochenendseminare<br />
im Oktober 2008 und im April<br />
2009.<br />
Anmeldung: www.visite-hospiz.de,<br />
mail@visite-hospiz.de.<br />
Telefon 030 61390432; Fax 030<br />
61390478; Ansprechpartnerinnen:<br />
Gabriela von Oettingen und Gudrun<br />
Ott-Meinhold.<br />
Die Aufnahmegebühr beträgt 50<br />
Euro. Bei Vereinbarung einer zweijährigen<br />
ehrenamtlichen Mitarbeit<br />
im ambulanten Hospiz V.I.S.I.T.E.<br />
sind die weiteren Kursveranstaltungen<br />
kostenfrei.<br />
Integrativer unterricht<br />
für die Werteerziehung in<br />
Europa<br />
Falkensee – Der Dachverband<br />
Freier Weltanschauungsgemeinschaften<br />
e.V. (DFW) führt in Zusammenarbeit<br />
mit der European<br />
Humanist Federation (EHF) vom<br />
21. bis 23. November 2008 in der<br />
Jugendbildungsstätte Klingberg/<br />
Scharbeutz eine Konferenz über<br />
Werteerziehung in Europa durch.<br />
Auf dem Programm stehen u.a. folgende<br />
Themen:<br />
Prof. Dr. Peter Struck: Wie kann<br />
eine Werteerziehung im säkularen<br />
Europa <strong>des</strong> 21. Jahrhunderts<br />
aussehen? Beispielhaft werden<br />
Varianten der Werteerziehung in<br />
Deutschland, in England und in<br />
Holland durch die Referenten Werner<br />
Schultz, Peter Kriesel, Georges<br />
Lienard, Andrew Copson und<br />
Tryntsje de Groot vorgestellt.<br />
Anmeldung: Astrid Steinbach, Tel.<br />
04524 9388, Fax 04524 1483,<br />
info@bildung-klingberg.de bis<br />
zum 15. Oktober 2008, Konferenzgebühr<br />
40 Euro.<br />
3/2008 3
landauf<br />
Multikulturelles Sommerferienprogramm<br />
Berlin – In diesem Sommer zogen<br />
die Berliner JuHus mit einer bunten<br />
Sprachenmischung durch Berlin<br />
und seine Umgebung. Sieben<br />
Wochen lang betreuten 25 JuHus<br />
im Hotel4Youth 200 Sprachschüler<br />
aus Europa und Lateinamerika.<br />
Morgens lernten die Jugendlichen<br />
beim DID deutsch, nachmittags<br />
und abends boten ihnen die JuHus<br />
ein vielfältiges Freizeitprogramm<br />
neues Präsidium der freien<br />
akademie<br />
Falkensee – Auf der Mitgliederversammlung<br />
der Freien Akademie am<br />
1. Mai 2008 kandidierte der bisherige<br />
Präsident der Freien Akademie<br />
e.V., Prof. Dr. Jörg Albertz (Berlin),<br />
nach 29 Amtsjahren nicht wieder.<br />
Ihm wurde für seine sehr erfolgreiche<br />
Tätigkeit herzlich gedankt.<br />
Als Nachfolger wurde Dr. Volker<br />
Mueller gewählt.<br />
Als weitere Präsidiumsmitglieder<br />
wurden als Vizepräsidenten PD<br />
Dr. Dieter Fauth (Würzburg) und<br />
Prof. Dr. Michael Breuer (Berlin),<br />
als Schatzmeister Prof. Dr. Rolf<br />
Röber (Marzling) und als Beisitzer<br />
Winfried Zöllner wieder bzw., im<br />
Falle von Michael Breuer, neu gewählt.<br />
Freie Akademie, Dr. Volker Mueller,<br />
14612 Falkensee, Rudolf-<br />
Breitscheid-Str. 15<br />
3/2008<br />
aus den Bereichen Kultur, Sport<br />
und Kreatives. Auch die daheim<br />
gebliebenen JuHus konnten an<br />
diesem Programm teilnehmen und<br />
viel über andere Länder, Kulturen<br />
und Sprachen erfahren. Das Angebot<br />
reichte vom Paddeln auf der<br />
Havel über Fotowettbewerb und<br />
Improvisationstheater-Workshop<br />
bis zum Besuch der Gedenkstätte<br />
Sachsenhausen.<br />
Reederei mit Herz<br />
Berlin – Zugunsten <strong>des</strong> ambulanten<br />
Kinderhospizes „Berliner<br />
Herz“ veranstaltete die Reederei<br />
Starline am Internationalen Kindertag<br />
eine „Brücken-Piratenfahrt“.<br />
Während die Erwachsenen<br />
eine dreistündige Fahrt auf Spree<br />
und Landwehrkanal genossen,<br />
sorgte u.a. der Schauspieler Gregor<br />
Weber mit Piratengeschichten für<br />
das Amüsement der Kinder. Für<br />
täuschend echtes Piratenaussehen<br />
wurden die Mädchen und Jungen<br />
natürlich fachgerecht geschminkt<br />
und die Köche an Bord der MS<br />
„Blue Star“ sorgten für echtes Piratenessen.<br />
Diese Brücken-Piratenfahrt<br />
war der Auftakt für eine Spendenaktion<br />
der Reederei Starline für<br />
das „Berliner Herz“. Während der<br />
Sommerferien wurden 50 Cent<br />
pro verkauftem Ticket dem ambulanten<br />
Kinderhospiz gespendet.<br />
Kooperationsvertrag<br />
Berlin – Am Freitag, dem 4. Juli,<br />
haben der Humanistische <strong>Verband</strong><br />
Deutschlands und Jugendweihe<br />
Deutschland ihre Verhandlungen<br />
über Perspektiven der Zusammenarbeit<br />
beendet und einen Kooperationsvertrag<br />
abgeschlossen. Er<br />
wurde von Konny G. Neumann in<br />
Vertretung für den Präsidenten der<br />
Jugendweihe Wilfried Estel und<br />
von Dr. Horst Groschopp für den<br />
HVD unterschrieben.<br />
Von beiden Seiten wurde der Vertrag<br />
nach der Unterzeichnung als<br />
großer Schritt zur Stärkung <strong>des</strong><br />
organisierten Humanismus in<br />
Deutschland angesehen. Beide<br />
Vertragspartner haben sich verpflichtet,<br />
die Interessen <strong>des</strong> jeweils<br />
Anderen zu respektieren und gegebenenfalls<br />
gegenüber weiteren<br />
Partnern zum Ausdruck zu bringen.<br />
Beide Organisationen sehen<br />
es als für die Zukunft wichtig an,<br />
über Arbeitsteilungen und Gründung<br />
weiterer humanistischer<br />
Organisationen gezielt nachzudenken.<br />
Hervorzuheben ist, dass die getroffenen<br />
Vereinbarungen auf der<br />
gemeinsamen <strong>humanistischen</strong><br />
Weltanschauung und dem gemeinsamen<br />
Interesse an der Entwicklung<br />
von <strong>humanistischen</strong> Angeboten in<br />
der Jugendarbeit und der Erschließung<br />
neuer Arbeitsfelder darüber<br />
hinaus basieren. Im Zentrum der<br />
Partnerschaft steht die Förderung<br />
der gesellschaftlichen Partizipation<br />
von konfessionsfreien Menschen<br />
in Deutschland. Hierzu nutzen die<br />
Partner ihre Kompetenzen, Erfahrungen<br />
und Ressourcen im direkten<br />
Zusammenwirken mit weiteren<br />
Partnern, Einrichtungen, Freien<br />
Trägern, Verbänden und Vereinen<br />
sowie Schulen. In ihrer konkreten<br />
Bündnispolitik und in den Grundfragen<br />
ihrer Öffentlichkeitsarbeit<br />
werden sie sich künftig abstimmen.<br />
Die Unterzeichnung erfolgte am<br />
Rande einer Tagung über Arbeitsfelder<br />
<strong>des</strong> Praktischen Humanismus,<br />
die von der Humanistischen<br />
Akademie Berlin in Kooperation<br />
mit dem Humanistischen <strong>Verband</strong><br />
Berlin und Jugendweihe Deutschland<br />
durchgeführt wurde.<br />
Einhellige Freude bei den Vertragspartnern:<br />
Dr. Horst Groschopp (l.) und Konny Neumann nach der<br />
Unterzeichnung der Kooperationsvereinbarung
Aus Anlass <strong>des</strong> 90. Geburtstages von Nelson Mandela veranstaltete der Humanistische <strong>Verband</strong> Berlin am 27. Juni im Kammermusiksaal<br />
der Philharmonie ein Konzert mit Chormusik aus Afrika und der 5. Sinfonie von Beethoven. Mitwirkende waren die Junge Philharmonie<br />
Brandenburg, der JazzPopChor Fabulous Fridays von der Universität der Künste und der Kinder- und Jugendchor der Nelson-Mandela-<br />
Schule Berlin (hier im Bild), der die Gäste besonders charmant begeisterte.<br />
Radiosendung<br />
Nürnberg – In Bayern spricht die<br />
vergleichsweise großzügige Rechtslage<br />
nicht nur den großen Kirchen,<br />
sondern auch den Weltanschauungsgemeinschaften,<br />
die Körperschaft<br />
<strong>des</strong> öffentlichen Rechts sind,<br />
Sendezeiten im öffentlich-rechtlichen<br />
Rundfunk zu.<br />
Für die kleinen Religionsgemeinschaften<br />
(Baptisten, Zeugen Jehovas,<br />
Altkatholiken etc.) und die<br />
Weltanschauungsgemeinschaften<br />
gibt es dafür im Hörfunk unter<br />
dem Namen „Positionen“ eine Sendung<br />
auf Bayern 2, sonntags um<br />
7.05 Uhr.<br />
Bisher nutzte der Bund für Geistesfreiheit<br />
Bayern diese Sendemöglichkeiten.<br />
Nachdem sich der HVD-<br />
Nürnberg aber von dieser Organisation<br />
getrennt hat, forderten die<br />
Nürnberger Humanisten vom BR<br />
eine eigene Sendezeit – und bekamen<br />
sie sogleich: Vier bis fünf mal<br />
im Jahr jeweils 15 Minuten wurden<br />
den Nürnberger Humanisten<br />
eingeräumt.<br />
Anders als die bisher für dieses Format<br />
üblichen Rundfunkvorträge<br />
will der HVD-Nürnberg ein „Humanistisches<br />
Magazin“ senden.<br />
Es enthält Berichte, Interviews,<br />
Kommentare, Einspiel-Berichte<br />
und Gespräche mit Studiogästen.<br />
In einer eigenen Rubrik werden<br />
die Jungen HumanistInnen über<br />
ihre Themen und Aktivitäten berichten.<br />
Die Sendungen können anschließend<br />
im Podcast-Bereich von www.<br />
hvd-nuernberg.de jederzeit gehört<br />
und heruntergeladen werden. Die<br />
nächste Sendung in diesem Jahr ist<br />
für den 9. November geplant.<br />
landab<br />
Zum Fachvortrag „Das Gesetz zur Patientenverfügung – neuester<br />
Stand“ lud der Humanistische <strong>Verband</strong> am 28. Juni den<br />
Palliativmediziner Dr. Wolf Diemer (2.v.l.) und den SPD-<br />
Bun<strong>des</strong>tagsabgeordneten Swen Schulz (l.) ein. Dieser zählt zu den gut<br />
200 Parlamentariern, die sich bereits für den sogenannten Stünker-<br />
Entwurf ausgesprochen haben. Weiter auf dem Podium Frank Spade<br />
und Gita Neuman aus dem Bereich Patientenverfügung <strong>des</strong> HVD.<br />
3/2008 5
3/2008<br />
Margrit Witzke<br />
Kinder- und Jugendgästehaus<br />
Heiligensee<br />
im HVD<br />
berlin – Zum 1. august 2008 hat der Humanistische<br />
<strong>Verband</strong> berlin gemeinsam mit<br />
seinem Jugendverband, den Jungen HumanistInnen<br />
(JuHu), die Trägerschaft für ein<br />
Kinder- und Jugendgästehaus im norden<br />
berlins übernommen.<br />
n Wenn Kinder- und Jugendgruppen aus<br />
Kindertagesstätten und Schulen, von Jugendeinrichtungen<br />
und Jugendverbänden<br />
aus nah und fern auf eine Reise nach Berlin<br />
gehen wollen, dann haben Sie dafür ab<br />
sofort eine empfehlenswerte Adresse. Das<br />
vom zuständigen Bezirksamt in freie Trägerschaft<br />
überführte Haus liegt nahe der Havel<br />
und <strong>des</strong> Heiligensees, dicht am Tegeler Forst<br />
und ist auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln<br />
gut zu erreichen. Das zweigeschossige<br />
Haupthaus verfügt über insgesamt 45 Plätze.<br />
30 Kinder oder Jugendliche finden Platz<br />
in drei freundlichen 10-Bett-Zimmern, eine<br />
Kitagruppe ist im „Schneewittchenzimmer“<br />
bestens untergebracht (15 Kinder/2<br />
Erwachsene). Für Betreuer/innen steht im<br />
Obergeschoss neben einem Einzelzimmer<br />
auch ein Aufenthalts- und Beratungsraum<br />
zur Verfügung. Sanitäre Anlagen befinden<br />
sich auf beiden Etagen.<br />
Im Erdgeschoss gibt es große Gruppenräume<br />
für Mahlzeiten, gemeinsame Aktivitäten,<br />
Freizeit oder Veranstaltungen, die bei<br />
Bedarf verbunden werden können. Zusätzlich<br />
ist in einem ca. 25 qm großen Mehrzweckraum<br />
eine Spielecke für die Jüngsten<br />
eingerichtet. Separat gelegen sind zwei weitere<br />
Doppelzimmer für Betreuer/innen.<br />
Die fünf einfach ausgestatteten Bungalows<br />
sind flexibel nutzbar. Neben Räumen<br />
für Übernachtung, Aufenthalt oder Gruppenaktivitäten<br />
gibt es eine Küche zur Selbstverpflegung.<br />
Der hintere Bereich <strong>des</strong> schönen Waldgrundstücks<br />
ist mit Spielgeräten und Grillplätzen<br />
ausgestattet, dort können auch Zelte<br />
aufgeschlagen werden.<br />
Buchungsanfragen und Informationen:<br />
Kinder- und Jugendgästehaus Heiligensee<br />
Sandhauser Straße 76/Ecke Rallenweg 2<br />
13505 Berlin<br />
Tel. 030 4312639<br />
Email: info@juhu-heiligensee.de<br />
Internet: www.juhu-heiligensee.de
Kerstin Volgmann<br />
Familienhaus Felix –<br />
Kindertagesstätte und<br />
Familienzentrum <strong>des</strong><br />
HVD<br />
berlin – unter dem Motto „Gemeinsam<br />
leben und lernen, Helfen und Vernetzen“<br />
wurde nach einer erfolgreichen halbjährigen<br />
aufbauphase mit einer auftaktveranstaltung<br />
am 30. Juni 2008 aus dem Kinderhaus<br />
felix das familienhaus felix.<br />
n Das Familienhaus Felix, seit zehn Jahren<br />
in Trägerschaft <strong>des</strong> Humanistischen<br />
Verban<strong>des</strong> Berlin, ist von nun an Kindertagesstätte<br />
und Familienzentrum unter einem<br />
Dach, welches als familienstärkende und<br />
bildungsfördernde Einrichtung für Kinder<br />
und Eltern nachhaltig Chancengleichheit<br />
fördern will. Ziel ist es, gemeinsam mit Eltern<br />
für Eltern, Verwandte, Freunde und<br />
Nachbarn mit ihren Kindern eine offene<br />
Begegnungsstätte mit vielfältigen Angeboten<br />
zu schaffen.<br />
Selbstbestimmung und Gemeinschaftsfähigkeit<br />
sind sich gegenseitig bedingende<br />
zentrale Werte <strong>des</strong> <strong>humanistischen</strong> Selbstverständnisses<br />
und Voraussetzung für ein gelingen<strong>des</strong><br />
Leben in komplexen Gesellschaften.<br />
Die Familie ist der Ort, an dem Kinder die<br />
frühesten und wichtigsten Selbstwerterfahrungen<br />
ihres Lebens machen. Familien als<br />
Orte <strong>des</strong> gelebten Respekts zu stärken, ist<br />
daher zentrales Anliegen <strong>des</strong> Humanistischen<br />
Verban<strong>des</strong>.<br />
Das Familienzentrum, beheimatet im<br />
sozialen Brennpunkt Marzahn-Hellersdorf,<br />
möchte den Eltern ermöglichen, selbst Angebote<br />
organisieren und nutzen zu können,<br />
um sich auszutauschen und somit Unterstützung<br />
im Alltag zu erfahren. Selbst aktiv<br />
zu werden, stärkt die Kinder wie auch ihre<br />
Eltern und fördert ein positives Lebensgefühl.<br />
So heißt Familienhaus auch, einen Ort<br />
für Kinder zu entwickeln, der vielfältige Angebote<br />
zum Forschen und Experimentieren<br />
bietet, und wo gleichzeitig die Eltern Möglichkeiten<br />
finden, sich an den Bildungsprozessen<br />
zu beteiligen.<br />
Elfi Jantzen, Vorstandsmitglied <strong>des</strong><br />
HVD, LV Berlin, stellte auf der Eröffnungsfeier<br />
mit deutlichen Worten klar, wie<br />
wichtig in nächster Zukunft diese gemeinsame<br />
Arbeit von Erziehern und Eltern, aber<br />
auch die Zusammenarbeit mit den Kooperationspartnern<br />
im Sozialraum sein wird.<br />
Die Kita wird als ein wichtiger Bildungsort<br />
für Kinder und Erwachsene zunehmend an<br />
Bedeutung gewinnen. Bildung selbst wird<br />
immer mehr zum Indikator für Chancengleichheit<br />
bzw. Teilhabe am gesellschaftlichen<br />
Leben.<br />
Auch Bezirksbürgermeisterin Dagmar<br />
Pohle konnte sich an diesem Tag vom<br />
außerordentlich hohen Engagement aller<br />
Beteiligten überzeugen und zeigte sich so<br />
beeindruckt, dass sie gleich einen nächsten<br />
Besuchstermin vereinbart und weitere Unterstützung<br />
zugesagt hat.<br />
Der Kooperationspartner Zirkus Cabuwazi<br />
begeisterte an diesem Nachmittag<br />
nicht nur die Kleinen, sondern sorgte auch<br />
für große strahlende Augen.<br />
Im Augenblick können im Familienhaus<br />
regelmäßig das Elterncafe besucht und viele<br />
weitere unterstützende Angebote wahrgenommen<br />
werden. Das Elterncafé, von Eltern<br />
selbst organisiert, ist zur Zeit dienstags<br />
von 14 bis 16. 30 Uhr und donnerstags von<br />
9 bis 11.30 Uhr geöffnet und lädt dazu ein,<br />
sich gegenseitig kennenzulernen, neue Kontakte<br />
zu knüpfen und in gemütlicher Runde<br />
bei Kaffee oder Tee zu sitzen, zu spielen,<br />
zu planen, zu feiern oder einfach nur zu<br />
reden. Weitere Angebote wie eine Eltern-<br />
Kind-Gruppe oder einen Ernährungs-Bewegungs-Entspannungskurs<br />
(ab September<br />
2008) können telefonisch erfragt werden,<br />
030 32298631.<br />
Zurzeit wird gemeinsam ein Niedrigseilgarten<br />
geplant und gebaut. l<br />
Familienhaus Felix, Zühlsdorfer Str. 16-18,<br />
12679 Berlin, montags bis freitags von 6 bis 18<br />
Uhr geöffnet.
Helmut Fink<br />
Grundlagendebatte <strong>des</strong><br />
Humanismus<br />
nürnberg – auf einer hochkarätigen Tagung<br />
auf der nürnberger burg am 21./22. Juni<br />
wurden naturalismus und Humanismus<br />
miteinander gekreuzt. das Ergebnis ist ein<br />
naturalistischer Humanismus.<br />
n Das schönste Sommerwetter konnte die<br />
fast 200 Teilnehmer nicht davon abhalten,<br />
sich am Welthumanistentag in den Eppeleinsaal<br />
der Kaiserstallung auf der Burg<br />
zurückzuziehen, um den eingeladenen<br />
Philosophen und Naturwissenschaftlern<br />
zu lauschen, sich an den Diskussionen zu<br />
beteiligen, Kontakte zu pflegen und Bücher<br />
zum Thema zu erstehen.<br />
Titel der Tagung war „Der neue Humanismus.<br />
Wissenschaftliches Menschenbild<br />
und säkulare Ethik“. Inspiriert war dieser<br />
Titel durch das journalistische Schlagwort<br />
vom „neuen Atheismus“, mit dem seit wenigen<br />
Jahren kompromisslose Religionskritiker<br />
wie der britische Evolutionsbiologe<br />
Richard Dawkins belegt worden sind.<br />
Für die längerfristige Debatte um ein<br />
zeitgemäßes und fruchtbares Verständnis<br />
der säkularen Triebkräfte, die von naturwissenschaftlichen<br />
Erkenntnissen ausgehen,<br />
erschien den Veranstaltern jedoch der<br />
Übergang von „Atheismus“ zu „Humanismus“<br />
sinnvoll, ja geradezu geboten. Denn<br />
für die Orientierung <strong>des</strong> Menschen in einer<br />
erforschbaren Welt reicht Religionskritik<br />
nicht aus. Positive Werte und säkulare<br />
Ethik werden gebraucht, und hierfür bleibt<br />
die Tradition <strong>des</strong> Humanismus ein unverzichtbarer<br />
kultureller Hintergrund.<br />
Religion als Placebo-Effekt<br />
Das Eröffnungsreferat hielt der Vorstandssprecher<br />
der Giordano Bruno Stiftung, Michael<br />
Schmidt-Salomon. Die von ihm vertretene<br />
Ausprägung naturalistischen Denkens<br />
betont die Entzauberung traditioneller<br />
philosophischer Konzepte wie (Willens-)<br />
Freiheit, Würde, Gut und Böse und setzt<br />
statt<strong>des</strong>sen auf evolutionäre Erklärungen,<br />
spieltheoretische Betrachtungen und biologische<br />
Mechanismen. Auf dieser Grundlage<br />
soll die Menschwerdung in naturgeschichtlicher<br />
wie in ethischer Hinsicht verständlich<br />
werden: als Hominisierung einerseits und<br />
als Humanisierung andererseits.<br />
8<br />
3/2008<br />
Antike Wurzeln <strong>humanistischen</strong> Denkens<br />
wurden erschlossen von Theo Ebert<br />
aus Erlangen, der das Weltbild <strong>des</strong> Epikur<br />
erläuterte, und von Bernulf Kanitscheider<br />
aus Gießen, der über hedonistische Ethik<br />
sprach. Am Nachmittag ging es dann um<br />
Erklärungen für Religiosität aus evolutionärer<br />
Sicht: Eckart Voland aus Gießen und<br />
Gerhard Schurz aus Düsseldorf gingen der<br />
Frage nach, worin der Überlebensvorteil religiösen<br />
Verhaltens in der Menschheitsentwicklung<br />
zu suchen ist.<br />
Während Voland die bloße Fähigkeit zur<br />
Religiosität (nicht aber Grad oder Art ihrer<br />
Verwirklichung) als Teil der natürlichen<br />
Ausstattung <strong>des</strong> Menschen untersucht, betont<br />
Schurz eher die Ebene der kulturellen<br />
Evolution. Religion kann dann durch verallgemeinerte<br />
Placebo-Effekte erklärt werden.<br />
Bernulf Kanitscheider<br />
Der Biologe Josef H. Reichholf betrachtete<br />
die Mechanismen der Abgrenzung verschiedener<br />
Menschengruppen voneinander<br />
und erkannte Sprache und Kultur als die<br />
entscheidenden Faktoren. Kultur als die<br />
zweite Natur <strong>des</strong> Menschen und die Auseinandersetzung<br />
mit Ideologien sieht er als<br />
wesentliche Felder <strong>des</strong> Humanismus. Die<br />
biologischen Grundlagen ermöglichten<br />
Humanismus, bestimmten ihn aber nicht.<br />
Der Physiker Bernd Vowinkel gab einen<br />
kurzweiligen Überblick über Hoffnungen<br />
und Perspektiven <strong>des</strong> sogenannten Transhumanismus<br />
– der technischen Weiterentwicklung,<br />
Optimierung und Reparatur der<br />
Ausstattung <strong>des</strong> Menschen. Gentechnik,<br />
Prothetik und neuronale Implantate machen<br />
Fortschritte, lindern Leid und verlängern<br />
das Leben. Ohne kulturelle Verarbeitung<br />
<strong>des</strong> technischen Fortschritts, seines<br />
möglichen Missbrauchs und seiner Grenzen<br />
erscheinen allerdings manche Verspre-<br />
chungen – etwa eines ewigen Lebens auf<br />
künstlicher Basis – als überzogen und naiv.<br />
Mit dieser Diskussion um die technische<br />
Erweiterbarkeit menschlicher Fähigkeiten<br />
ging ein spannender Vortragstag zu Ende,<br />
abends noch abgerundet durch die Vorführung<br />
<strong>des</strong> Spielfilms „Wer den Wind sät“.<br />
Dieser hervorragende US-Film von 1960<br />
zeichnet den emotionalen Streit um Kreationismus<br />
vs. Evolution im amerikanischen<br />
Schulunterricht anlässlich <strong>des</strong> so genannten<br />
Affenprozesses von 1925 nach und vermittelt<br />
dabei ein heute rar gewordenes Wissenschaftspathos.<br />
die Tagung ist beendet, die debatte<br />
nicht<br />
Am folgenden Tag verglich Franz-Josef<br />
Wetz aus Schwäbisch-Gmünd „alten“<br />
und „neuen“ Humanismus, vor allem im<br />
Hinblick auf die Verankerung der menschlichen<br />
Selbstachtung. Der Theologe und<br />
Wissenschaftsphilosoph Winfried Löffler<br />
aus Innsbruck beleuchtete die Struktur <strong>des</strong><br />
wissenschaftlichen Erkenntnisprozesses und<br />
seiner weltanschaulichen Voraussetzungen<br />
und Auswirkungen. Dabei trat er der Erwartung<br />
einer „wissenschaftlichen Weltanschauung“<br />
entgegen und kritisierte die<br />
Schein-Alternativen weltanschaulich überspitzter<br />
Positionen.<br />
Für eine gehörige Portion säkularer<br />
Selbstkritik sorgte schließlich Armin Pfahl-<br />
Traughbers Frage nach strukturellen Analogien<br />
zwischen radikalem Atheismus und<br />
dogmatischer Religion. Somit hatte sich<br />
mehr als genug Stoff für ein kontroverses<br />
Rundtischgespräch angesammelt, bei dem<br />
das schwierige Verhältnis von Wissenschaft<br />
und Weltanschauung facettenreich und<br />
engagiert behandelt wurde. Die Tagung ist<br />
vorbei, die Debatte nicht am Ende.<br />
Die Zusammenarbeit der Nürnberger<br />
Humanisten, hier in Gestalt der Humanistischen<br />
Akademie Bayern und <strong>des</strong> turmdersinne,<br />
mit der Giordano Bruno Stiftung,<br />
hat sich nach beidseitiger Einschätzung<br />
bestens bewährt und soll im Darwin-Jahr<br />
2009 durch eine weitere wissenschaftliche<br />
Großveranstaltung fortgeführt werden. In<br />
der Zwischenzeit wird die Herausgabe der<br />
Tagungsbeiträge zum „Neuen Humanismus“<br />
in Buchform vorbereitet. Wer nicht<br />
hören konnte, soll wenigstens lesen dürfen.<br />
Denn Humanismus braucht Theorie. l<br />
Helmut Fink ist Vorsitzender der Nürnberger<br />
Humanisten.
Edmund Fröse<br />
Evolutionstheorie und<br />
Humanismus<br />
Eine Konferenznachlese<br />
Halle – aus anlass <strong>des</strong> 150-jährigen Jubiläums<br />
der Erstlesung von Charles darwins<br />
Schrift „Über den ursprung der arten…“,<br />
fand am 11. Juni 2008 ein gemeinsames<br />
Kolloquium „Evolutionstheorie und Humanismus“<br />
<strong>des</strong> Humanistischen Regionalverban<strong>des</strong><br />
Halle-Saalkreis e.V., der Rosaluxemburg-Stiftung<br />
Sachsen-anhalt e.V.<br />
(HRV) und der Humanistischen akademie<br />
statt.<br />
n Nach Aufklärung, Rationalisierung und<br />
wissenschaftlich-technischer Revolution<br />
wird von Politikern wieder die Aufnahme<br />
der christlichen Weltsicht in das deutsche<br />
Schulsystem gefordert. Aber die wissenschaftliche<br />
Evolutionstheorie steht den Lehren<br />
<strong>des</strong> Kreationismus diametral gegenüber.<br />
An der Interpretation der Evolutionstheorie<br />
entzünden sich auch heute, wie bereits vor<br />
150 Jahren, hitzige Debatten.<br />
Im Eröffnungsbeitrag von Dr. K. Stöber<br />
„Darwins Theorie und seine Kritiker – gestern<br />
und heute“ wurde die wissenschaftliche<br />
Bedeutung der Darwinschen Evolutionstheorie,<br />
mit der eine unerhörte, neuartige<br />
Denkweise ansetzte, verdeutlicht. Seine<br />
Theorie, die zugleich den Mechanismus <strong>des</strong><br />
Wandels der Arten durch natürliche Selektion<br />
und Variationen der Individuen erklärt,<br />
revolutionierte das biologische Denken,<br />
weil nunmehr der Wandel, die Entwicklung<br />
biologischen Lebens und nicht mehr<br />
die morphologische Klassifizierung <strong>des</strong> Lebendigen<br />
im Mittelpunkt <strong>des</strong> wissenschaftlichen<br />
Interesses stand.<br />
Darwins Werk, so Dr. H. Groschopp in<br />
seinem Beitrag „Zur Aufnahme von Darwins<br />
Lehre bei den Freidenkern“, gab dieser<br />
Bewegung einen enormen Schub. Darwin<br />
widerlegte nicht nur die göttliche Urheberschaft<br />
<strong>des</strong> Menschen, er verwies auch auf die<br />
gemeinsame Abstammungsgeschichte aller<br />
Lebewesen, insbesondere der von Affen und<br />
Menschen, was zu jener Zeit eine unerhörte<br />
Behauptung darstellte. Die biologische Tatsache<br />
der natürlichen Selektion wurde insbesondere<br />
von Haeckel auf die gesellschaftliche<br />
Entwicklung übertragen. Der Sozialdarwinismus<br />
folgerte, dass ebenso wie in der<br />
Natur sich auch auf der gesellschaftlichen<br />
Ebene der „Kampf ums Dasein“ vollzieht<br />
und stets der Stärkere gewinne. Um dies zu<br />
unterstreichen, führte Haeckel den Begriff<br />
„Lebenswert“, der den „Unwert“ wie das<br />
„unwerte Leben“ impliziert, ein. Über den<br />
„Lebenswert“ einer Rasse solle der Staat, so<br />
Haeckel, wachen. Hier wird deutlich, wie<br />
die Interpretation der Evolutionstheorie unmittelbar<br />
unsere weltanschaulichen Überzeugungen<br />
zur Frage nach der Entstehung<br />
<strong>des</strong> Lebens, zur Stellung <strong>des</strong> Menschen in<br />
Natur und Gesellschaft berührt. Im Kern<br />
geht es um die Möglichkeit zur individuellen<br />
und politischen Selbstbestimmung<br />
<strong>des</strong> Menschen und der Verantwortung <strong>des</strong><br />
Menschen für sein Handeln.<br />
Wie Dr. Fröse in seinem Beitrag „Wissenschaft,<br />
Ethik und Humanismus“ ausführte,<br />
kann aber die Frage, „Was soll ich tun?“<br />
von den Einzelwissenschaften nicht geklärt<br />
werden, denn sie geben Auskunft darüber<br />
was ist, ihr höchster Wert ist die objektive<br />
Erkenntnis. Handlungsanleitung geben uns<br />
ethische Maxime, die in weltanschauliche<br />
Überzeugungen, wie z.B. den atheistischen<br />
Humanismus, eingebettet sind.<br />
Von welchem Menschenbild, so kann<br />
im Anschluss an den Vortrag von Dr. V.<br />
Schubert-Lehnhardt „Das Prinzip der<br />
‚natürlichen Auslese’ und das Bild vom<br />
behinderten Menschen heute“, gefragt<br />
werden, lässt sich die moderne biomedizinische<br />
Debatte leiten? Wenn die Humanisierung<br />
<strong>des</strong> Menschen als Vernunft-Wesen<br />
als gescheitert angesehen wird, eröffnen<br />
uns nun die Perspektiven der Manipulation<br />
<strong>des</strong> Erbgutes die Möglichkeit der<br />
Referentin Dr. Viola Schubert-Lehnhardt<br />
„Verbesserung“ <strong>des</strong> Menschen? Bereits vor<br />
der Geburt wird nach Erbkrankheiten <strong>des</strong><br />
werdenden Menschen gesucht und entsprechend<br />
„selektiert“. Wer aber soll die<br />
Kriterien der Selektion festlegen? Eine<br />
solche Entscheidung setzt eine ethische<br />
Bewertung nach einem „Lebenswert“ voraus.<br />
Droht in diesen aktuellen Debatten<br />
ein neuer „Rassismus“ nach Erbmerkmalen?<br />
An diesen medizinethischen Fragen<br />
entzündete sich eine lebhafte Diskussion<br />
unter den Teilnehmern.<br />
Von besonderer aktueller Bedeutung<br />
in den weltanschaulichen Auseinandersetzungen<br />
sind Fragen der Bildung und Erziehung,<br />
wie im abschließenden Vortrag<br />
von Christoph Lammers „Zwischen Arche<br />
Noah und Beagle. Evolutionstheorie, Kreationismus<br />
und Bildung“ hervorgehoben<br />
wurde. Die Veränderungen im deutschen<br />
Bildungssystem, wie z.B. die Privatisierung<br />
oder die Umstellung von Wissens- auf reine<br />
Informationsvermittlung, leisten kreationistischen<br />
Positionen Vorschub. Auch<br />
in der Bun<strong>des</strong>republik wird der Ruf nach<br />
Einführung <strong>des</strong> christlichen Schöpfungsmythos<br />
in die Lehrpläne mit dem Argument<br />
der „Freiheit der Wissenschaften“<br />
gerechtfertigt. Doch die Lösung der aktuellen<br />
Probleme der Gerechtigkeit, <strong>des</strong> Klimawandels,<br />
der Verknappung der Rohstoffe<br />
und Nahrungsmittel verlangt nach einer<br />
aufgeklärten, wissenschaftlichen Weltsicht,<br />
die den ethischen Maximen <strong>des</strong> Humanismus<br />
verpflichtet ist. l<br />
Dr. Edmund Fröse ist Philosoph und Mitarbeiter<br />
im Humanistischen Regionalverband Halle-<br />
Saalkreis.<br />
3/2008 9
n In Berlin gibt es zur Zeit eine heftige<br />
und kontroverse Debatte zur Übernahme<br />
von Horten an staatlichen Schulen<br />
durch private Träger. Endlich kommen<br />
dadurch neue, innovative Ideen in die<br />
verkrustete Bildungslandschaft, sagen die<br />
Befürworter. Die Kritiker – vorwiegend<br />
aus dem gewerkschaftlichen Spektrum<br />
– entgegnen: Die Übernahmen finden<br />
auf dem Hintergrund der Sparvorhaben<br />
<strong>des</strong> Senats statt. Private Träger erreichen<br />
Kostensenkungen nur durch die Verschlechterung<br />
der Arbeitsbedingungen<br />
der Beschäftigten. Der Wechsel gefährdet<br />
in der Beziehungsarbeit mit Jugendlichen<br />
wichtige pädagogische Kontinuität, zudem<br />
erhalten private Träger oft nur zeitlich<br />
befristete Aufträge. Es ist ein Fortschritt,<br />
dass auch Horte nicht mehr als<br />
Betreuungseinrichtungen, sondern als<br />
Bildungsangebot definiert werden, folgerichtig<br />
haben die Hortmitarbeiterinnen<br />
auch ein Stimmrecht in den schulischen<br />
Mitbestimmungsgremien. Dieses entfällt<br />
an staatlichen Schulen bei von außen<br />
kommendem Personal.<br />
Nun gibt es auch im HVD Stimmen,<br />
die dem <strong>Verband</strong> raten, sich um Schulhorte<br />
zu bewerben. Dies würde die Einflussmöglichkeiten<br />
vergrößern und schließlich<br />
sei zu erwarten, dass sich auch die Kirchen<br />
um Horte bemühen werden. Spätestens<br />
hier erscheint mir ein Zwischenruf nötig.<br />
Die Kirchen sehen ihre Bildungsangebote<br />
als unverzichtbaren Bestandteil der abendländischen<br />
Kultur, wollen ihren Einfluss<br />
in den öffentlichen Schulen behalten oder<br />
vergrößern und drängen <strong>des</strong>halb gegenwärtig<br />
in Berlin darauf, die hier bestehende<br />
Trennung von Staat und Kirche abzuschaffen<br />
und ein Wahlpflichtfach Religion<br />
0<br />
3/2008<br />
Norbert Böhnke<br />
einzuführen. Dagegen verteidigt der HVD<br />
die Trennung von Staat und Kirche, die<br />
weltanschauliche Neutralität <strong>des</strong> Staates in<br />
der schulischen Bildung und das integrative<br />
Fach Ethik für alle Schülerinnen und<br />
Schüler. Viele Eltern sind auf den Besuch<br />
ihrer Kinder von Schulhorten angewiesen,<br />
diese stellen ein sinnvolles zusätzliches Bildungsangebot<br />
dar. Schulhorte sind an den<br />
einzelnen Schulen ein alternativloses Angebot.<br />
Ich hielte es nicht für angebracht,<br />
wenn am Vormittag in den Schulen weltanschauliche<br />
Neutralität herrscht und am<br />
Nachmittag dann die christliche Weltsicht.<br />
Umgekehrt ist aber auch religiösen<br />
Eltern und Kindern nicht zuzumuten,<br />
dass sie mit einer vorherrschenden <strong>humanistischen</strong><br />
oder atheistischen Sichtweise<br />
konfrontiert werden.<br />
Nun ziehen die Befürworter einer Hortübernahme<br />
durch den HVD den Joker<br />
und argumentieren, man müsse in der<br />
Hortarbeit die eigene Weltanschauung ja<br />
nicht allzu explizit vertreten, könne sich<br />
also sozusagen auf einen „Humanismus<br />
light“ bei dieser Arbeit verständigen. Nein<br />
– Einspruch! Bildungsarbeit an der öffentlichen<br />
Schule muss am Vor- und Nachmittag<br />
werteorientiert, aber weltanschaulich<br />
neutral sein. Es ist und bleibt eben ein<br />
Unterschied, ob ich ein um seine geliebte<br />
Oma trauern<strong>des</strong> Kind damit tröste, indem<br />
ich sage, sie wartet jetzt im Himmel auf<br />
dich, dort wirst du sie auch einmal wiedertreffen<br />
oder ich sage mit Immanuel Kant,<br />
tot ist nur, wer vergessen wird.<br />
Wer für sein Kind ein explizit weltanschaulich<br />
ausgerichtetes Bildungsangebot<br />
haben möchte, kann dies an der Berliner<br />
Schule im Religionsunterricht, der christlich,<br />
jüdisch, islamisch oder auch bud-<br />
Zwischenruf<br />
„All you can eat“ macht dicker,<br />
aber nicht stärker!<br />
dhistisch sein kann, oder im <strong>humanistischen</strong><br />
Lebenskundeunterricht erhalten.<br />
Aber dies sind eben freiwillige Angebote,<br />
zu denen niemand gezwungen wird. Wer<br />
dies noch umfangreicher haben möchte,<br />
der kann sein Kind in eine private Schule<br />
mit einer spezifischen Ausrichtung schicken.<br />
Damit plädiere ich keineswegs dafür,<br />
der HVD solle sich auf eine lebensferne<br />
„reine Lehre“ zurückziehen und sich in<br />
Zukunft ausschließlich einer freidenkerischen<br />
Ideologievermittlung widmen.<br />
Zu einem modernen, zunehmend in der<br />
Gesellschaft an Einfluss gewinnenden<br />
Humanismus gehören selbstverständlich<br />
die sozialen Angebote <strong>des</strong> HVD vom<br />
Kindergarten, der Sozialstation bis zum<br />
Hospiz. All dies sind aber Angebote, die<br />
die Menschen bewusst, freiwillig und<br />
selbstbestimmt wählen können. Diese<br />
Wahlfreiheit besteht bei Horten an öffentlichen<br />
Schulen nicht und es kann auch<br />
nicht sein, dass sich Schulkonferenzen je<br />
nach der augenblicklichen Mehrheitslage<br />
für einen kirchlichen oder <strong>humanistischen</strong><br />
Anbieter entscheiden. Sollten Kirchen eine<br />
solche Trägerschaft beantragen, so sehe ich<br />
die Aufgabe <strong>des</strong> HVD darin, vom Senat<br />
die Ablehnung eines solchen Ansinnens<br />
einzufordern.<br />
Horte sind Teil der Bildungseinrichtung<br />
Schule, sie haben an öffentlichen<br />
Schulen weltanschaulich neutral zu sein,<br />
die Trennung von Staat und Kirche ist zu<br />
beachten. l<br />
Norbert Böhnke (Oberstudienrat), unterrichtet<br />
als Fachleiter Sport an einer Gesamtschule<br />
sowie Deutsch und Ethik und verantwortet im<br />
Lan<strong>des</strong>vorstand Berlin <strong>des</strong> HVD das Fach humanistische<br />
Lebenskunde.
Menschen im Diesseits<br />
Am 6. Mai feierte das Berliner Fördermitglied<br />
Charlotte Konetznik<br />
ihren 100. Geburtstag. Die festliche<br />
Begrüßung der Gäste übernahm sie<br />
nicht selbst, „dazu reicht die Lautstärke<br />
meiner Stimme nicht mehr<br />
aus“. Umso mehr freute sie sich,<br />
in der großen Geburtstagrunde<br />
mit vielen Gästen ins Gespräch zu<br />
kommen. Seit langem hat sie diesen<br />
Tag herbeigesehnt. „Ich möchte so<br />
gerne noch ein wenig mitspielen<br />
auf dieser Welt“- so ihre Grundeinstellung<br />
zum Leben. Weiterhin viel<br />
Gesundheit für Sie!<br />
Am 27. Juli wurde das Berliner Ehrenmitglied<br />
Heinz Striek 90 Jahre<br />
alt. Das ehemalige Mitglied <strong>des</strong> Abgeordnetenhauses,<br />
<strong>des</strong> Bun<strong>des</strong>tages<br />
und ehemaliger Berliner Finanzsenator<br />
trat 1960 gemeinsam mit<br />
seiner Frau Ilse in den damaligen<br />
Freidenkerverband ein und wirkte<br />
über lange Jahre als „Türöffner“ <strong>des</strong><br />
Verban<strong>des</strong> in die Berliner Politik.<br />
Ein besonderes Geschenk machte<br />
ihm seine Familie, bestehend aus<br />
drei Kindern, acht Enkelkindern<br />
und zehn Urenkeln. Sie gaben ihm<br />
das Versprechen, „dass ein Jeder<br />
eintreten wird für den Anderen,<br />
heute und immerdar, dass keiner<br />
im Abseits steht oder – fallen gelassen<br />
wird“.<br />
Am 14. Juni heiratete Bun<strong>des</strong>koordinatorin Bettina Kebschull (rechts)<br />
ihre langjährige Lebenspartnerin Susanne Thederan auf dem Stan<strong>des</strong>amt<br />
Berlin-Pankow. Mit in die Familie kam Susannes Tochter Antonia.<br />
Am 20. Juni erhielt Lebenskundelehrerin<br />
Helga Boehrer aus den<br />
Händen von Brandenburgs Ministerpräsident<br />
Matthias Platzeck<br />
das „Band für Mut und Verständigung<br />
2008“. Frau Boehrer lebt mit<br />
ihrem, wie sie selbst sagt, “schwäbischen<br />
Migrationshintergrund“ seit<br />
20 Jahren in Berlin-Neukölln. Dort<br />
unterrichtet sie an zwei Grundschulen<br />
Klassen, die zu 90 Prozent<br />
aus Kindern aus Migrantenfamilien<br />
bestehen. Dies tut sie mit so viel<br />
Engagement, dass sie vom „Bündnis<br />
der Vernunft gegen Gewalt und<br />
Ausländerfeindlichkeit“ für diese<br />
hohe Ehrung vorgeschlagen wurde.<br />
Viel wichtiger für sie sind jedoch<br />
die sichtbaren sprachlichen und<br />
sozialen Erfolge ihrer Schüler, die<br />
Helga Boehrer Mut machen und<br />
Kraft geben.<br />
3/2008
Michael Bauer<br />
Für ein menschenwürdiges Ende<br />
Mit der „Suizidbegleitung“ von Roger Kusch hat<br />
Deutschland ein bizarres Sommerthema gefunden.<br />
Schnell waren die üblichen Verdächtigen wortmächtig<br />
auf den Bildschirmen – die ewig wiederkehrenden<br />
Bischöfinnen, Politikerinnen, Kommentatorinnen<br />
der Weltläufte aller Couleur – und dazwischen<br />
eingestreut, damit der Auftrieb authentischer<br />
werde, ein paar Betroffene. Sie, die erlebt haben,<br />
wie ein lieber Mensch selbst sein Leben beendete,<br />
sahen oftmals ein wenig verloren aus in all der<br />
wohlondulierten Pracht der medialen Selbstdarsteller.<br />
Verloren ging in diesem Jahrmarkt der Eitelkeiten oft<br />
auch die eigentliche, auf den ersten Blick gar nicht<br />
so komplizierte Frage: Soll ein Mensch sich selbst<br />
töten dürfen, und darf man ihm dabei helfen?<br />
Was die politische Forderung selbst betrifft, so<br />
ist die Sache schnell geklärt: Natürlich sollte die<br />
Selbstbestimmung <strong>des</strong> Menschen über sein Leben<br />
auch das Ende <strong>des</strong>selben einschließen, warum auch<br />
nicht. Strafrechtliche Schwierigkeiten gibt es dabei<br />
zwar im Bereich der unterlassenen Hilfeleistung, nicht<br />
aber in der Sache selbst. Die Selbstbestimmung eines<br />
würdigen Abschieds scheint auf den ersten Blick nur<br />
einen begrenzten argumentativen Schrecken zu haben.<br />
Alles klar also? Mitnichten. Denn: Darf das Ende eines<br />
Lebens so leicht zur Wahl stehen? Sollte zuvor nicht<br />
verlässlich alles getan werden, um es zu erhalten und um<br />
es erhaltenswert sein zu lassen? Ist der „Frei“-Tod wirklich<br />
immer frei? Würde der zu einfach gemachte, ja „normale“<br />
Suizid sich nicht irgendwann und irgendwie gegen das<br />
Leben wenden und schon aus wirtschaftlichen Gründen<br />
öfter erfolgen als ohne diese Implikation? Ja, wird es<br />
dann vielleicht einmal ein Krankenversicherungsmodell<br />
geben, in dem man sich die verkürzte Lebenszeit<br />
auszahlen lassen kann? Medizinökonomen<br />
diskutieren bereits die Rahmenbedingungen<br />
für die nutzenorientierte Rationierung von<br />
Gesundheitsleistungen. Es wäre naiv, es bei einem so<br />
heiklen Thema beim „Wertehimmel“ zu belassen und<br />
die ökonomischen Hintergründe auszublenden.<br />
Zweifellos führt das Thema <strong>des</strong> assistierten Suizids<br />
den HVD an eine Grenze. Denn er versteht sich<br />
als „Lebenshilfe-Verein“, und da passt zwar die<br />
hinwendungsvolle Begleitung beim Sterben sehr gut,<br />
die zum Tode selbst aber gar nicht so recht hinein.<br />
Es bedarf der Diskussion, auch darüber, wie und wie<br />
weit gehend der HVD sein Engagement definiert.<br />
Diesseits will mit den folgenden Beiträgen zum<br />
Nachdenken beitragen und sachlich informieren. Denn<br />
das Thema geht uns etwas an. Für das gelungene<br />
Leben – und auch für sein menschenwürdiges Ende.<br />
Michael Bauer ist Lan<strong>des</strong>beauftragter für Patientenverfügungen <strong>des</strong><br />
HVD-Bayern und Berater für Ethik in der Medizin.<br />
3/2008<br />
TiTel<br />
Gita Neumann<br />
Wenn das Altwerden zur<br />
Last wird<br />
Alterssuizid, Prävention, Ausmaß<br />
der Verzweiflung<br />
n Medienwirksam hat Ex-Senator Dr. Kusch den Suizid der<br />
79-jährigen Bettina Sch. inszeniert. Ins öffentliche Bewusstsein<br />
gerückt wurde ein letztes Tabu – worüber die Betroffenen<br />
selbst allerdings längst intensiv nachdenken: Alterssuizid.<br />
Oder zumin<strong>des</strong>t der dringende Wunsch, es so gern selbst in<br />
der Hand zu haben, wann Schluss sein soll. In Deutschland<br />
sind etwa 40 Prozent der jährlich rund 11.000 offiziellen Suizid-Toten<br />
im Rentenalter. Zur Zeit scheidet rein rechnerisch<br />
etwa alle zwei Stunden ein über 65-jähriger Mensch hierzulande<br />
freiwillig aus dem Leben. Tendenz steigend – das Risiko<br />
nimmt mit zunehmendem Alter deutlich zu (während die<br />
Zahl der jüngeren Suizidenten rückläufig ist).<br />
Eindeutiges Hauptmotiv: Die Angst, es zu Hause nicht<br />
mehr allein zu schaffen, ins Pflegeheim zu müssen. Hintergründe:<br />
Verminderte Lebensqualität durch vielseitige<br />
Krankheitsbeschwerden (Lähmungen, Atemnot, chronische<br />
Schmerzen, Inkontinenz, Minderung oder Verlust von Seh-<br />
oder Hörfähigkeit), Verlusterfahrungen, empfundene Sinnlosigkeit.<br />
So kommt es zum Bedürfnis, endlich nur noch Ruhe<br />
und Frieden zu finden. Oder zum bilanzierten Empfinden,<br />
mit 80 sei das eigene Leben jetzt doch abgerundet und man<br />
möchte entspannt in den Tod gehen. Ein besonderes Problem:<br />
Die suizidale Verstimmung durch Altersdepression – hier<br />
kann allerdings der nötige Antrieb verloren gegangen sein,<br />
den Sterbewunsch in die Wirklichkeit umzusetzen.<br />
Experten schätzen die versuchten Selbsttötungen min<strong>des</strong>tens<br />
zehnmal – manche meinen sogar: fünfzigmal – höher<br />
ein als die Zahl der vollendeten. Opferzahlen von Gewalttaten<br />
oder Verkehrsunfällen – alles verschwindend klein im<br />
Vergleich zu dieser unvorstellbaren Größe. Und fast ebenso<br />
unvorstellbar: Das (bisherige) öffentliche Schweigen darüber.<br />
Hinzu kommen die unzähligen „verkappten“ Fälle, die eigentlich<br />
gar kein richtiger Suizid sind: Ältere Menschen, die<br />
aufgehört haben, ihre Medikamente einzunehmen – oder zu<br />
essen oder zu trinken.<br />
Schockierende Ahnungslosigkeit <strong>des</strong> Umfel<strong>des</strong><br />
Es gibt ziemlich klare Unterscheidungskriterien zwischen dem<br />
Alterssuizid und dem Suizid anderer Gruppen. „Der unbedingte<br />
Wunsch zu sterben – das ist typisch für Selbsttötungen<br />
im Alter“, sagt Dr. Peter Klostermann, Rechtsmediziner an der<br />
Berliner Charité. „Hochbetagte Menschen wollen nicht gefunden<br />
oder von der Putzfrau gerettet werden. Das unterschei-
det sie von jüngeren Menschen, bei denen<br />
Suizidversuche oft Hilfeschreie sind, um<br />
mehr Aufmerksamkeit zu bekommen.“<br />
Klostermann weiß, wovon er spricht.<br />
Für seine Studie zum Alterssuizid (bereits<br />
2004) untersuchte er 172 Fälle 65-95-<br />
Jähriger, die sich das Leben genommen<br />
hatten. Er las Abschiedsbriefe, sprach mit<br />
den Hinterbliebenen, sichtete Obduktions-<br />
und Polizeiprotokolle. Es zeigte sich: Diese<br />
Selbsttötungen waren keine affektive Kurzschlussreaktionen,<br />
vielmehr lange geplant.<br />
Dennoch hatten weder die Angehörigen<br />
noch die Hausärzte bis auf seltene Ausnahmen<br />
nicht die geringste Ahnung. Suizid<br />
durch „Medikamentencocktails“ waren den<br />
„Gebildeten“, vorrangig selbst aus Medizinberufen,<br />
vorbehalten, die man oft in guter<br />
Bekleidung in der aufgeräumten Wohnung<br />
vor sortierten Dokumenten fand.<br />
„Harte“ Suizidmethoden und<br />
Abschiedsbriefe<br />
Die allermeisten der älteren Menschen wählen,<br />
wie Klostermann feststellte, allerdings<br />
so genannte harte Methoden: Erhängen,<br />
Ersticken, Stürzen, Erschießen; Mittel wie<br />
Chemikalien, Strom, Messer. Sie sehen sich<br />
oft gezwungen, gewaltsame Methoden zu<br />
wählen, bzw. grausame – wovon Protokolle<br />
eines To<strong>des</strong>kampfes zeugen. Diese können<br />
zudem noch andere Menschen in Mitleidenschaft<br />
ziehen. (Ein Thema, worüber in<br />
Zeitungen und Medien nicht berichtet werden<br />
darf: Durchschnittlich drei bis vier Mal<br />
pro Tag werfen sich suizidwillige Menschen<br />
vor Züge – ein Teil der Bahnverspätungen<br />
rührt daher.)<br />
Doch die vermeintlich „todsicheren“<br />
Wege, aus dem Leben zu scheiden, misslingen<br />
nicht selten und hinterlassen um<br />
so schwerere Schädigungen, insbesondere<br />
Querschnittslähmungen, Verstümmelungen,<br />
Organerkrankungen. Und das bei<br />
Menschen, die ohnehin darunter litten,<br />
keine Kraft zum Weiterleben mehr zu haben.<br />
Nun könnte man sagen: Würde man<br />
ihnen eine garantiert sichere, sanfte und<br />
schmerzfreie Option <strong>des</strong> begleiteten Suizidhilfe<br />
anbieten, würden davon ja noch mehr<br />
Gebrauch machen – so sind sie wenigstens<br />
abgeschreckt. Aber: Spricht nicht die empirische<br />
Realität der oben genannten Zahlen<br />
dagegen? Und: Ist das human? Lassen sich<br />
Suizide älterer Menschen überhaupt verhindern<br />
– etwa durch Zwangseinweisung in die<br />
Psychiatrie?<br />
Suizidalen entwicklungen vorbeugen<br />
– aber wie?<br />
Das Problem ist so gravierend, dass es endlich<br />
auch zum Thema zahlreicher Fachkongresse<br />
und Debatten unter Psychologen,<br />
Psychiatern, Altersforschern, Medizinern,<br />
Lebensberatern und Seelsorgern wird. 2002<br />
initiierte die Deutsche Gesellschaft für Suizidprävention<br />
(DGS) ein Nationales Suizidpräventionsprogramm.<br />
Deren Arbeitsgruppe<br />
„Alte Menschen“ hat das Heft „Wenn das<br />
Altwerden zur Last wird – Suizidprävention<br />
im Alter“ herausgegeben. Dieses wird auch<br />
vom HVD – das Heft ist kostenfrei – an<br />
Interessenten, Betroffene und professionell<br />
Tätige abgegeben – um bestehende Hürden<br />
bei der Bestellung per Internet oder dauerbesetztem<br />
Publikationsversand der Bun<strong>des</strong>regierung<br />
zu unterlaufen. Die Initiative<br />
zur Suizidprävention wird unterstützt vom<br />
Bun<strong>des</strong>gesundheitsministerium. Zahlreiche<br />
Verbände haben sich angeschlossen.<br />
Der Humanistische <strong>Verband</strong> Deutschlands<br />
trägt mit seinen Angeboten zur Lebensberatung<br />
und –hilfe ebenfalls dazu bei.<br />
Im vorigen Jahr wurden in Berlin – neben<br />
den traditionsreichen Hilfen und Gruppen<br />
zur Trauer- und Verlustbewältigung – die<br />
ersten <strong>humanistischen</strong> Berater ausgebildet.<br />
Sie sind ehrenamtlich tätig. Ihre Aufgabe:<br />
Zuhören; Selbstreflexion <strong>des</strong> Gegenübers<br />
begleiten; bestehende Anpassungsbereitschaft<br />
auch an widrige Umstände fördern;<br />
Verständnis zeigen – gegenüber vermin-<br />
dertem Selbstwertgefühl, gedrückter Stimmung,<br />
Kränkung. Vielleicht nicht viel mehr<br />
als ein Tropfen auf den heißen Stein? Aber<br />
etwas muss getan werden, Patentrezepte gibt<br />
es nicht. Auch keine medikamentösen oder<br />
therapeutischen gegen die Altersdepression<br />
– wenngleich hier oft ein Abklingen erreicht<br />
werden kann.<br />
Ein weiteres Problem: Alle Experten –<br />
wie z. B. vom Hamburger Therapiezentrum<br />
für Suizidgefährdete – sind sich einig: Die<br />
betroffenen alten Menschen suchen von<br />
selbst nie Beratungs- oder Therapiehilfe auf.<br />
Statt<strong>des</strong>sen wenden sie sich eher an Suizid-<br />
bzw. Sterbehilfegesellschaften wie Dignitas,<br />
Dignitate oder jetzt an den Verein von Dr.<br />
Kusch. Bei denen meinen sie – nicht zu unrecht<br />
– sicher sein können, mit ihrem Anliegen<br />
zunächst einmal Verständnis zu finden.<br />
Das Paradoxe: Die absolute Akzeptanz und<br />
das – nicht verurteilende – Ernstnehmen<br />
<strong>des</strong> Sterbewunsches eint Suizidprophylaxe<br />
und Suizidhilfe. Der Unterschied ist empirisch<br />
betrachtet viel geringer, als manche<br />
glauben möchten. Unabdingbar ist es nämlich<br />
auch in der Suizidvermeidung, sich auf<br />
die als unerträglich empfundene Situation<br />
<strong>des</strong> Gesprächspartners einzulassen. Und<br />
unbestritten ist, dass allein die Aussicht auf<br />
einen letzten „Ausgang“ zu einer spürbaren<br />
Entlastung führt. Oftmals wird dann diese<br />
mögliche Option nie in Anspruch genommen<br />
werden. Aber was, wenn doch einmal?<br />
Zur Wissenschaftlichen Fachtagung<br />
„Was ist heute Humanismus?“<br />
laden die Akademie der Politischen Bildung der Friedrich-Ebert-Stiftung<br />
(fes) und die Humanistische Akademie Deutschland (HAD) ein.<br />
Termin: 15./16. November 2008 in Berlin<br />
. Tag:<br />
Humanismus in Deutschland –<br />
zwischen Antikerezeption und Weltanschauungskampf<br />
Ort: Friedrich-Ebert-Stiftung, Hiroshimastr. 7, 0785 Berlin<br />
. Tag:<br />
„Neuer Atheismus“ und politischer Humanismus –<br />
Bedeutung für Konfessionsfreie<br />
Ort: Kulturzentrum Danziger50; Danziger Str. 50, 0 35 Berlin<br />
Nähere Informationen und Anmeldung unter:<br />
www.humanistische-akademie-deutschland.de/Bun<strong>des</strong>akademie.html<br />
3/2008 3
Der Verzweiflung gerecht werden<br />
Der Humanistische <strong>Verband</strong> Deutschland<br />
(HVD) ist mit Sicherheit keine Sterbehilfe-<br />
oder Suizidvereinigung. Wer so etwas<br />
tatsachenwidrig in verleumderischer Weise<br />
behauptet, hat u. U. mit zivilerechtlichen<br />
Konsequenzen zu rechnen. Der HVD ist als<br />
Weltanschauungsverband dem gelungenen<br />
Leben und der Sinnvermittlung verpflichtet.<br />
Er leistet auch Hilfe für Bedürftige, u.<br />
a. durch krankenkassenfinanzierte Hospizarbeit.<br />
Wobei er allerdings „die Beihilfe<br />
zum Freitod zumin<strong>des</strong>t nicht kategorisch<br />
ablehnt“ – wie der SPIEGEL in seiner Ausgabe<br />
vom 7. Juli 2008 zutreffend schreibt.<br />
Zitiert wird die Referentin Lebenshilfe <strong>des</strong><br />
HVD, die sich zu bekannten Suizidhelfern<br />
von (früher) H.-H. Atrott bis (jetzt) R.<br />
Kusch wie folgt äußert. Bei ihnen „vermischt<br />
sich immer missionarischer Eifer mit<br />
Geltungssucht“. Zu einer gefährlichen Mischung<br />
führe zudem die „maßlose Dankbarkeit“<br />
der Sterbewilligen, die „schmeichle<br />
dann natürlich schon dem Ego“ <strong>des</strong> Helfers.<br />
Der Präsident <strong>des</strong> HVD, Dr. Horst Gro-<br />
Selbstbestimmung<br />
am�Ende <strong>des</strong>�Lebens<br />
Selbstbestimmung<br />
am�Ende <strong>des</strong>�Lebens<br />
www.alibri.de<br />
3/2008<br />
schopp, hat sich in einer Pressemitteilung zu<br />
dieser Debatte ausführlich erklärt. In einem<br />
Interview vom 4. Juli mit dem Pressedienst<br />
hpd geht es auch um das Buch „Wege zu<br />
einem humanen, selbst bestimmten Sterben“<br />
(Amsterdam, Juli 2008) der niederländischen<br />
Ärzte P. Admiraal, B. Chabot u.a.<br />
Es ist (unter www.wozz.nl/de) gegen 25.-<br />
€ Vorauszahlung auf ein niederländisches<br />
Konto für jeden weltweit in deutscher Sprache<br />
erhältlich. Mit seinen über 140 Seiten,<br />
auch über palliative Begleitung und den<br />
Einbezug von Angehörigen, handelt es sich<br />
dabei keineswegs um ein schnelles „Rezept“,<br />
wie sich jemand umbringen kann. Der<br />
HVD hat sich <strong>des</strong>halb entschlossen, sich an<br />
der Verbreitung dieses Buches zu beteiligen.<br />
Er wird das Buch auf Wunsch bereithalten<br />
für seine Mitglieder und Förderer, die beim<br />
HVD den Prozess einer sorgfältig aufgesetzten<br />
Patientenverfügung durchlaufen haben,<br />
sowie für Ärztinnen und Ärzte.<br />
Dr. Groschopp im hpd-Interview:<br />
„... alle, die darüber demokratisch entschieden<br />
haben, dass der HVD das Buch<br />
in den genannten Grenzen auf Wunsch<br />
hin verbreitet, das Präsidium und einige<br />
unserer Experten und Expertinnen, haben<br />
das Vorausexemplar gelesen und ihr<br />
Urteil war einhellig: „humanistisch und<br />
einfühlsam“. ... Die Sprache ist einfach<br />
und verständlich, gerade in der Sachlichkeit<br />
bestechend. Gleich eingangs wird<br />
auf Übereinstimmungen mit dem deutschen<br />
Nationalen Ethikrat verwiesen.<br />
... die Humanistische Union (HU)<br />
ihr anderes Herangehen als das <strong>des</strong> HVD<br />
noch einmal bekräftigt. Sie wollen über<br />
die Neufassung <strong>des</strong> § 216 Strafgesetzbuch<br />
„Tötung auf Verlangen“ gehen.<br />
Das wollen wir nicht. ...“Tötung auf<br />
Verlangen“ soll verboten bleiben – da<br />
sind wir eisern.<br />
„Menschheit hat noch keine erfahrung<br />
mit neuer Situation“<br />
Hintergrund für die beschlossenen Vergabekriterien<br />
ist zum einen, dass alle Optionen<br />
auf „passive und indirekte“ Sterbehilfe“<br />
durch eine Patientenverfügung einem<br />
aktiven Tun prinzipiell vorzuziehen sind<br />
– und zumin<strong>des</strong>t den Betroffenen bekannt<br />
sein müssen.<br />
Zum anderen, dass der HVD die Möglichkeit<br />
<strong>des</strong> ärztlich verantworteten, kont-<br />
rollierten und begleiteten Suizids befürwortet.<br />
Und zwar in Abgrenzung zur Tötung<br />
auf Verlangen. Aber auch, weil damit vermeintlicher<br />
zukünftiger „Geschäftemacherei“<br />
und „wildem Alterssuizid“ besser entgegenwirkt<br />
werden kann als mit hilflosen<br />
Verbotsversuchen.<br />
Auch Dr. Klostermann plädiert für diesen<br />
„dritten Weg“. Er unterstützt, wie der HVD<br />
und zahlreiche namhafte Persönlichkeiten<br />
(darunter mit Prof. Bettina Schöne-Seifert<br />
ein Mitglied <strong>des</strong> Nationalen Ethikrates), die<br />
informelle ärztliche Initiative der Internetseite<br />
www.sterbehilfe.de. Diese setzt sich<br />
für ein neues, vertrauensvolles Arzt-Patientenverhältnis<br />
ein und weist jeden (neuen)<br />
ethischen Paternalismus zurück.<br />
Es wäre grundfalsch und zynisch, den<br />
Schluss zu ziehen: Der HVD verträte die<br />
Auffassung, es könne sich doch jeder selbst<br />
das Leben nehmen, wenn ihm danach ist.<br />
Es geht vielmehr darum, die bange Frage<br />
vieler Menschen ernst zu nehmen, die lautet:<br />
Was wird aus mir, wenn ich nicht mehr<br />
so kann, wie es meinem Anspruch ans Leben<br />
entspricht – wenn ich müde und am<br />
Ende bin? Mit Tabu und Vorenthaltung<br />
von verfügbaren Informationen werden<br />
wir dem Ausmaß der Verzweiflung nicht<br />
gerecht. Und auch nicht der verständlichen<br />
Sorge, die bereits Menschen mittleren Alters<br />
befällt. l<br />
Gita Neumann ist Dipl. Psychologin, Sozialwissenschaftlerin<br />
und (Medizin-)Ethikerin, tätig<br />
als Referentin Lebenshilfe im HVD-Lan<strong>des</strong>verband<br />
Berlin, Mitglied der Akademie „Ethik in<br />
der Medizin“ (AEM, Göttingen)<br />
Bestellmöglichkeiten:<br />
Das Buch „Wege zu einem humanen, selbst<br />
bestimmten Sterben“ der niederländischen<br />
WOZZ-Stiftung (Kostenerstattung: 25 Euro) ist<br />
unter den o. g. Vergabekriterien für (Förder-)<br />
Mitglieder <strong>des</strong> HVD sowie für Ärzte beim HVD-<br />
Bund in Berlin zu bestellen. HVD-Bund, Wallstraße<br />
61-65, 10179 Berlin, Tel. 030 61390434,<br />
hvd@humanismus.de. (Im Internet unter:<br />
www.wozz.nl/de).<br />
Das (kostenfreie) Heft „Wenn das Altwerden<br />
zur Last wird – Suizidprävention im Alter“<br />
wird an alle interessierten (Förder-) Mitglieder<br />
abgegeben. (Im Internet unter: www.<br />
suizidpraevention-deutschland.de oder www.<br />
bmfsfj.de)<br />
Bei Bestellung über den HVD-Bund wird<br />
zusätzlich um eine Pauschale für Verschickung/Porto<br />
von 2,50 gebeten.
ingrid Sander lebt in erfurt/Thüringen.<br />
Sie ist schwerkrank und denkt in aller Öffentlichkeit<br />
über die Möglichkeit nach, ihr<br />
leben selbst zu beenden. Patricia Block<br />
sprach mit ihr über ihre Beweggründe.<br />
Diesseits: Frau Sander, Sie sind schwer<br />
krank, worunter genau leiden Sie?<br />
Ingrid Sander: Ich hatte 1943 mit fünf<br />
Jahren eine schwere Poliomyelitis, Kinderlähmung.<br />
Damals waren alle Gliedmaßen,<br />
Rücken und Kopf gelähmt. Leiden – das<br />
Wort gefällt mir nicht, aber wenn Sie das<br />
so formulieren, dann lassen wir es auch<br />
dabei. Nach Jahren einer erträglichen Phase<br />
wirken sich die Spätfolgen der Polio<br />
– auch Postpoliosyndrom (PPS) genannt,<br />
wie eine zweite Neuerkrankung aus. Dieser<br />
Prozess kann über mehrere Jahrzehnte<br />
schleichend oder akut verlaufen und führt<br />
zu chronischen Schmerzen, Muskelschwäche,<br />
zunehmender Kälteintoleranz, Müdigkeits-<br />
und Erschöpfungszuständen,<br />
Krämpfen, Schlafstörungen, fortschreitender<br />
Bewegungs- und Gehunfähigkeit, um<br />
nur einiges zu nennen. Dämonen, die mich<br />
in fröhlichem Wechsel einzeln oder geballt<br />
heimsuchen. Abgesehen von den auch „gesunde“<br />
Leute treffenden „Altersbeschwerden“.<br />
Das schlimmste ist die recht häufig<br />
stattfindende soziale Ausgrenzung und die<br />
Flucht der Freuden.<br />
Seit wann ist es für Sie besonders schlimm<br />
und womit müssen Sie eventuell noch<br />
rechnen?<br />
Warum nicht dem Tod<br />
entgegengehen?<br />
Gespräch mit Ingrid Sander<br />
Begonnen hat das für mich bewusst Heiligabend<br />
1996 mit einem Sturz und der<br />
Fraktur meines linken Knies, 1997 Bruch<br />
<strong>des</strong> rechten Knies, 1999 Oberschenkelfraktur<br />
rechts, 2003 wieder rechtes Knie, 2004<br />
hatte ich mir das rechte Wadenbeinköpfchen<br />
angebrochen. Der letzte Unfall war der<br />
schmerzhafteste und es ging gar nichts mehr<br />
bei mir. Dazu hat sich noch eine Diabetes<br />
gesellt, und die Ärzte überlegen schon, ob<br />
sie mir eventuell noch ein Bein abnehmen.<br />
Das hieße dann für mich völlige Bewegungsunfähigkeit,<br />
denn in meinen Armen habe<br />
ich keine Kraft, um mich im Bett zu drehen<br />
oder anzuheben. Die Vorstellung, über längere<br />
Zeit (im wahrsten Sinne <strong>des</strong> Wortes) ans<br />
Bett gefesselt zu sein, von Dekubitus zerfressen,<br />
von Krämpfen geschüttelt und und und<br />
– all die endlosen schmerzerfüllten Stunden,<br />
Tage, Nächte. Dann habe ich nur noch den<br />
Tod als einzige Verbesserung vor Augen. Ja,<br />
und warum ihm nicht entgegengehen?<br />
Bringen Ihnen Schmerzmittel keine Erleichterung?<br />
Nur sehr partiell und manchmal gar<br />
nicht. Und was bei einigen Schmerzen<br />
ohne unerwünschte Nebenwirkungen hilft,<br />
ist nur auf Privatrezept erhältlich. Das kann<br />
ich mir aber nicht leisten. Weil ich arm bin,<br />
muss ich nicht nur eher sterben, sondern<br />
auch länger und heftiger leiden. Besorge ich<br />
mir aber den Wirkstoff auf der Straße, bin<br />
ich kriminell. Ich rede von Cannabis, der<br />
auch in unseren Breitengraden heimischen,<br />
uralten Heilpflanze, seit Jahrzehnten zur<br />
kulturfremden Droge hochstilisiert. Aber<br />
irgendwann hilft gar kein Mittel mehr, das<br />
muss man auch mal klar sagen. Allerdings<br />
bin ich nicht der Typ, der demütig und gehorsam<br />
vor sich hin leidet. Sehen Sie, jetzt<br />
habe ich das Wort leiden selbst benutzt. Ich<br />
glaube, jetzt habe ich die Formulierung.<br />
Leiden sind für mich Zustände, denen ich<br />
hilflos ausgeliefert bin, also wenn ich keinen<br />
Einfluss mehr auf mein Leben, meine<br />
Bedürfnisse und Wünsche nehmen kann,<br />
dann glaube ich, würde ich lieber sterben<br />
wollen. Aber wann dieser Zeitpunkt genau<br />
eintrifft – wer kennt schon im Voraus das<br />
Ausmaß seiner Leidensfähigkeit?<br />
Aber ist das nicht genau das falsche Argument,<br />
man könnte Ihnen entgegenhalten,<br />
Sie bräuchten einfach nur bessere<br />
Schmerzmittel. Dann wollte und müsste<br />
niemand mehr früher sterben.<br />
Auch das ist eben nur die mehr als dreiste<br />
Lüge, die von Medizinfunktionären und anderen<br />
Nutznießern verbreitet wird. Etwa 5<br />
bis 15 Prozent der Menschen sind schmerzlinderungsresistent.<br />
Und beim Dekubitus<br />
sowieso. Wer das nicht weiß, verlässt sich<br />
auf windige Versprechen. Und wenn jemand<br />
merkt, dass er angelogen wurde, befindet<br />
er sich meist schon in jenem hilf- und<br />
wehrlosen Zustand, in dem er sich kaum<br />
noch artikulieren kann, geschweige denn<br />
wehren, denn die Opiate lähmen auch die<br />
Stimmbänder.<br />
Sie treten für das Recht ein, über den<br />
Zeitpunkt seines eigenen To<strong>des</strong> bestimmen<br />
zu können. Wie genau sollte das ablaufen?<br />
Wünschen Sie sich dabei ärztliche<br />
Hilfe?<br />
Ich habe als Kind oft im Krankenhaus<br />
gelegen. Dort habe ich die Sterbenden<br />
schreien gehört, das geht mir bis heute nicht<br />
aus dem Ohr. Seitdem wünsche ich mir,<br />
meinen Tod bei vollem Bewusstsein und im<br />
Kreise meiner Familie und Freunde erleben<br />
zu können. Ein totales Ausgeliefertsein an<br />
die kollektive Gleichgültigkeit sprich Pflegeheim,<br />
wäre für mich das Letzte, was mir<br />
widerfahren soll. Ein Arzt kann dabei nicht<br />
von Schaden sein, sofern er meinen Willen<br />
respektiert. Denn das Schrecklichste ist, in<br />
meiner Wehrlosigkeit gegen meinen Willen<br />
die Begehrlichkeiten fremder Interessen<br />
über mich ergehen lassen zu müssen, wie<br />
Heimmafia, gern leichtes Geld verdienende<br />
3/2008 5
Ärzte (so was soll es geben), Pharmaindustrie,<br />
Hilfsmittelhersteller usw.<br />
Man will Sterbende „retten“, obwohl die<br />
Behandlung im höheren Lebensalter so gut<br />
wie immer tödlich ist, jedenfalls mit kaum<br />
Aussicht auf Erfolg. Und die Lebenwollenden<br />
und Lebenkönnenden speist man<br />
mit dem Lebensnotwendigsten ab. Das ist<br />
schizophren und schizophren ist auch nicht<br />
gesund.<br />
Was genau erhoffen Sie sich von einer gesetzlichen<br />
Regelung?<br />
Das, was man jetzt als Gnadenakt verantwortungsvoller<br />
Ärzte hinstellt, zu einem<br />
Grundrecht für jeden zu deklarieren, ganz<br />
egal ob ich Gebrauch davon mache oder<br />
nicht. Ansonsten liegt es wieder im Ermessen<br />
anderer, ob ich schwerst leidend bin,<br />
oder ich das bisschen Schmerz wegstecken<br />
kann. All das im Namen von Ethik und<br />
Lebensschutz. Womit ich wieder Fremdinteressen<br />
ausgeliefert bin und sich das ganze<br />
weiterhin in einer Grauzone bewegt.<br />
Können Sie sich vorstellen, Ihr Recht auf<br />
einen selbst bestimmten Tod gerichtlich<br />
einzuklagen?<br />
Ja! Wenn ich das Geld hätte, sofort.<br />
Wie stehen Ihre Kinder zu diesen Fragen?<br />
Ich habe meine Kinder von klein auf damit<br />
konfrontiert. Ich habe sie bei diesem<br />
Thema nie weggeschickt oder ein Blatt vor<br />
den Mund genommen. Immer habe ich<br />
mir einen wirksamen Schlummertrunk<br />
vorgestellt – jetzt Natriumpentobarbitural<br />
– wobei ich friedlich einschlafe – und wenn<br />
ich dann munter werde, bin ich tot. Ein<br />
bisschen flapsig ausgedrückt, aber genau<br />
so wünsche ich mir das. Mich hat schon<br />
immer beschäftigt, weshalb die Tötung auf<br />
Verlangen strafbar ist, aber das Töten und<br />
Getötwerden von tausenden Menschen mit<br />
Orden belohnt wird. Fürchte, das wird mir<br />
wohl ein ewiges Geheimnis bleiben. Im<br />
Übrigen stehen beide Kinder hinter meinen<br />
Intentionen von einem selbstbestimmten<br />
Sterben. Gelegentlich überlegen auch sie<br />
schon, ob sie nicht vor Gericht ziehen und<br />
einen Präzendensfall schaffen sollten.<br />
Haben Sie Angst, Ihren Kindern zur Last<br />
zu fallen?<br />
Nein. Und auch nicht den anderen Menschen<br />
in meinem Umfeld. Ich sage immer,<br />
3/2008<br />
ich muss mit den anderen leben, dann müssen<br />
sie das auch mit mir.<br />
Sie haben sicher von dem neuen Ratgeberbuch<br />
gehört, das genaue Rezeptangaben<br />
zu einem, wie Sie es nennen<br />
„Schlummertrunk“, enthält. Was halten<br />
Sie davon, ein solches Buch für jeden zugänglich<br />
zu machen?<br />
Ist das Buch wirklich für jeden frei verkäuflich?<br />
Ich kann einen Ratgeber, der meine<br />
Autonomie stärkt, nur als gut empfinden.<br />
Wenn es um meine Gesundheit geht,<br />
bin ich selbst verantwortlich. Also habe<br />
ich auch das Recht, selbst verantwortlich<br />
Bücher kaufen zu können oder auch nicht.<br />
Den Skeptikern sei gesagt, der Schaden<br />
wird sich in Grenzen halten – das Thema<br />
wird erstaunlich gern verdrängt – wer denkt<br />
schon freiwillig an seine Endlichkeit.<br />
Was halten Sie von dem Fall Kusch?<br />
Herr Dr. Kusch hat genau das richtige<br />
getan. Er hat die Massen aufgeschreckt.<br />
Das zeigt, was für ein Bedarf vorliegt. Die<br />
Sonntagsreden von Politikern und Kirchenvertretern<br />
sind so verlogen und substanzlos<br />
wie eh und je. Das macht sie nicht glaubwürdiger.<br />
Im Übrigen bin ich doch nicht<br />
gezwungen, seine „Tötungsmaschine“ zu<br />
kaufen. Ich werde von der Regierung und<br />
den Politikern als „mündiger Bürger“ hofiert,<br />
behandelt werde ich aber wie ein Idiot.<br />
Weil die Menschen anfangen, das zu begreifen,<br />
soll Dr. Kusch von jenen, deren Kreise<br />
er stört, auf dem Altar der göttlichen Demut<br />
geopfert werden. Doch von denen, die unter<br />
jämmerlichen Qualen elend verenden,<br />
wird dabei fast nie gesprochen. Wenn ich<br />
mein Menschenrecht auf selbstbestimmtes<br />
Sterben geltend mache, fühlen sich Lobbyisten<br />
politischer, weltanschaulicher, religiöser<br />
und monetärer Interessen in ihrer Gier<br />
nach Macht und Stan<strong>des</strong>recht bedroht.<br />
Menschen wie ich, die sich der barbarischen<br />
„Fürsorgepflicht“ <strong>des</strong> Staates durch Gehorsamsverweigerung<br />
entziehen wollen, sollen<br />
als Gefahrenpotenzial durch neue Gesetze<br />
bestraft, werden, sozusagen prophylaktisch.<br />
Hatten wir das nicht schon einmal?<br />
Frau Bettina Schardt (Dr. Roger Kusch<br />
begleitete die Rentnerin B. Schardt, 79,<br />
aktiv in den Tod. D. Red.) hatte eine bewundernswert<br />
gelassen-locker-heitere Einstellung<br />
zum Sterben, die allen Menschen<br />
zu wünschen wäre. Sie hatte verinnerlicht,<br />
dass unsere Lebensdauer nicht ewig währt.<br />
Carpe diem! Und lauthals herumzutönen:<br />
„ ... eine völlig gesunde Frau...“ heißt, die<br />
Nachwelt vertrotteln zu wollen. Mit 79<br />
Jahren ist man nicht mehr „gesund“, nur<br />
weil sie nicht jedem die Ohren vollgejammert<br />
hat. Vermutlich wusste nur sie selbst,<br />
wie beschwerlich ihr Dasein inzwischen<br />
geworden war. Sie hatte einen klaren logischen<br />
Verstand, den sie nicht außer Kraft<br />
gesetzt wissen wollte. Ihre Angst vor dem<br />
Pflegeheim ist mehr als verständlich. Ich<br />
selbst kann ihre Beweggründe hundertprozentig<br />
nachvollziehen und möchte es einmal<br />
genauso machen wie sie. Ihr lag eben<br />
nichts an staatlicher Zwangsbeglückung.<br />
Sie hat sich die letzte Freiheit der Wahl<br />
genommen und die Demokratie samt<br />
Grundgesetz beim Wort. Wer wollte sie<br />
dafür tadeln? Auch ich werde mich durch<br />
die Androhung von Strafen nicht mundtot<br />
machen lassen.<br />
Sie planen, in Kürze eine Patientenverfügung<br />
abzuschließen. Was werden sie<br />
darin festlegen?<br />
Meinen Traum und meinen unmissverständlichen<br />
Willen von und zu einem Sterben<br />
in Würde und ohne Angst nach meinen<br />
Vorstellungen und im Wortlaut wasserdicht<br />
gegen anmaßende Mutmaßungen oder/und<br />
mutmaßende Anmaßungen. Nach dem geplanten<br />
neuen Gesetz allerdings kann mir<br />
wahrscheinlich schon die Formulierung,<br />
das Gespräch über die gewünschte To<strong>des</strong>art<br />
oder das Beharren auf dem Anspruch von<br />
Selbstbestimmung den Weg von der freiheitlichen<br />
Demokratie direkt in die Verliese<br />
<strong>des</strong> Vatikans bahnen. Denn in Deutschland<br />
scheint die Trennung von Staat und Kirche<br />
nicht stattgefunden zu haben. Wie sonst<br />
könnte mir der Klerus vorschreiben, wie<br />
ich meinen Tod nicht gestalten darf. Oh<br />
Deutschland, deine Heuchler!<br />
Frau Sander, morgen feiern Sie Ihren 70.<br />
Geburtstag. Was kann man Ihnen wünschen?<br />
Tja, wohl Gesundheit (lacht). Nein im<br />
Ernst, die Beschäftigung mit diesem Thema<br />
verdirbt mir überhaupt nicht den Appetit,<br />
morgen werden wir wohl an die 20 Leute<br />
sein und richtig feiern. Ich habe viele gute<br />
Freunde, wenn die mir nicht ein Leben lang<br />
so viel geholfen hätten, ich hätte es gar nicht<br />
geschafft bis hierher. Und trotzdem, wenn<br />
man es nicht mehr ertragen kann, soll man<br />
gehen können dürfen. In Würde! l
EInblICKE<br />
n Eine bun<strong>des</strong>weite Repräsentativumfrage<br />
vom Mai 2008 hat für unseren <strong>Verband</strong> sehr<br />
erfreuliche Ergebnisse gezeitigt: Eine deutliche<br />
Mehrheit der Bun<strong>des</strong>bürger wünscht<br />
sich Humanistische Lebenskunde als Alternative<br />
zum Religionsunterricht. Mehr<br />
als ein Drittel würden ihr Kind eher zum<br />
Lebenskunde- als zum Religionsunterricht<br />
schicken.<br />
Nach der erfolgreichen Durchsetzung <strong>des</strong><br />
Lebenskundeunterrichts in Brandenburg<br />
hatte die Bun<strong>des</strong>delegiertenversammlung<br />
<strong>des</strong> HVD 2006 angeregt, eine Arbeitsgruppe<br />
zu bilden, die das Projekt „Humanistische<br />
Lebenskunde“ deutschlandweit vorantreiben<br />
soll. In diesem Bun<strong>des</strong>arbeitskreis<br />
sind inzwischen Mitgliedsverbände aus<br />
neun Bun<strong>des</strong>ländern vertreten.<br />
Wichtige Entscheidungen und<br />
aktivitäten<br />
Anträge zur Einführung <strong>des</strong> Faches in<br />
Bayern, NRW und Niedersachsen wurden<br />
2006 eingereicht, verschiedene konzeptionelle<br />
Fragen diskutiert und Erfahrungen<br />
aus der Praxis reflektiert. Nachdem 2007<br />
durch den damaligen Bun<strong>des</strong>vorstand<br />
Grundsätze und rechtspolitische Positionen<br />
zum Lebenskundeunterricht beschlossen<br />
Humanistische Lebenskunde Religionsunterricht Sonstiges<br />
Gerd Eggers<br />
Humanistische Lebenskunde als Alternative zum<br />
Religionsunterricht<br />
<strong>Verband</strong>saktivitäten – Widerstände – bun<strong>des</strong>weite Nachfrage<br />
wurden, verabschiedete die außerordentliche<br />
Bun<strong>des</strong>delegiertenversammlung <strong>des</strong><br />
HVD im Januar 2008 das Grundsatzpapier<br />
„Ethikunterricht für alle und Humanistische<br />
Lebenskunde als Alternative zum<br />
Religionsunterricht“. Im März wurde ein<br />
länderübergreifender Rahmenlehrplan<br />
für Humanistische Lebenskunde als Diskussions-<br />
und Erprobungsfassung fertiggestellt.<br />
Und schließlich wurde durch die<br />
Bun<strong>des</strong>delegiertenversammlung im Juni<br />
2008 Lebenskunde als eine Kernaufgabe<br />
unseres Verban<strong>des</strong> in der Bun<strong>des</strong>satzung<br />
verankert.<br />
In den Ländern Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern<br />
und Hamburg<br />
fanden Informationsveranstaltungen statt<br />
und haben sich Arbeitskreise gebildet, um<br />
länderspezifische Konzeptionen für die<br />
Einführung <strong>Humanistischer</strong> Lebenskunde<br />
zu entwickeln. In Schwerin startete unter<br />
Beteiligung von Landtagsabgeordneten und<br />
<strong>des</strong> Humanistischen Verban<strong>des</strong> im Juli 2008<br />
eine Initiative „LER 2011“, die sich für ein<br />
Pflichtfach „Lebensgestaltung-Ethik-Religionskunde“<br />
und für die Einführung von<br />
Lebenskunde als Alternative zum Religionsunterricht<br />
in Mecklenburg-Vorpommern<br />
engagieren wird.<br />
„Würden Sie<br />
Ihr Kind eher am<br />
Schulfach<br />
Humanistische<br />
Lebenskunde oder<br />
eher am Religionsunterricht<br />
teilnehmen lassen?“<br />
Konservative Widerstände<br />
Nicht unerwartet stoßen die Bemühungen<br />
um die Ausweitung <strong>des</strong> Lebenskundeunterrichts<br />
bei den christlich-konservativen<br />
Lan<strong>des</strong>regierungen in NRW, Niedersachsen<br />
und Bayern auf massive Widerstände.<br />
Sie sind eher bereit, sich einem islamischen<br />
Religionsunterricht zu öffnen als einem <strong>humanistischen</strong><br />
Unterricht. Ablehnungsbescheide,<br />
wie sie inzwischen bei den Verbänden<br />
in NRW und Niedersachsen eingingen,<br />
bringen das Bestreben zum Ausdruck, gestützt<br />
auf das Argument einer angeblichen<br />
Privilegierung von Religionsgemeinschaften<br />
durch Artikel 7 Absatz 3 <strong>des</strong> Grundgesetzes<br />
einerseits kirchliche Vormachtstellungen zu<br />
verteidigen und andererseits nichtgläubige<br />
Menschen und Weltanschauungsgemeinschaften<br />
zu benachteiligen.<br />
In NRW musste <strong>des</strong>halb der <strong>Verband</strong><br />
im November 2007 die Lan<strong>des</strong>regierung<br />
verklagen. Eine Klage gegen die niedersächsische<br />
Lan<strong>des</strong>regierung wird im August<br />
2008 folgen. Beide Klagen haben – wie seinerzeit<br />
in Brandenburg – sehr gute Erfolgschancen,<br />
weil sie sich auf die Verfassungsgebote<br />
der Bekenntnisfreiheit nach Artikel<br />
4 und der Gleichbehandlung nach Artikel 3<br />
<strong>des</strong> Grundgesetzes stützen können.<br />
3/2008 7
Großes bun<strong>des</strong>weites Interesse<br />
Unklar war bisher, wie groß die Nachfrage<br />
nach Lebenskunde über Berlin und Brandenburg<br />
hinaus sein wird. Zur Klärung<br />
wurde durch mehrere Mitgliedsverbände<br />
beim Meinungsforschungsinstitut forsa<br />
eine bun<strong>des</strong>weite Repräsentativumfrage in<br />
Auftrag gegeben. Im Mai wurden 2.110<br />
Bun<strong>des</strong>bürger ab 14 Jahren befragt – mit<br />
sehr erfreulichen und ermutigenden Ergebnissen:<br />
– 61 Prozent aller Befragten sprechen sich<br />
dafür aus, dass „das Schulfach Humanistische<br />
Lebenskunde in allen Bun<strong>des</strong>ländern<br />
eingeführt und eine Alternative<br />
zum Religionsunterricht“ bieten soll.<br />
– 37 Prozent aller Befragten würden ihr<br />
Kind „eher am Schulfach Humanistische<br />
Lebenskunde als am Religionsunterricht<br />
teilnehmen lassen“.<br />
Nach Berechnungen der Forschungsgruppe<br />
Weltanschauungen in Deutschland<br />
Bernhard Stolz<br />
n In vielen Berliner Schulen in den Innenstadtbezirken<br />
liegt der Anteil von Kindern<br />
mit Migrationshintergrund mittlerweile<br />
bei über 80 Prozent, in naher Zukunft wird<br />
jeder zweite Berliner Schüler auf eine Einwanderungsgeschichte<br />
in der eigenen Familie<br />
zurückblicken. In den Lehrplänen der<br />
Schulen gibt es zwar Ansätze zu interkulturellem<br />
Lernen (wenn auch viel zu wenige),<br />
aber die Migrationsgeschichte der Familien,<br />
und die daraus resultierenden Fähigkeiten<br />
und Ressourcen der Kinder werden eher<br />
selten beleuchtet.<br />
Schlechte Deutschkenntnisse, Parallelgesellschaften,<br />
gewaltbereite ausländische<br />
Jugendliche, fast immer wird Migration in<br />
einem problembehafteten Kontext diskutiert.<br />
Nicht, dass es keine Probleme gäbe,<br />
aber die fast reflexhafte Fixierung auf diese<br />
negativ besetzten Themenfelder ist für den<br />
Schulalltag alles andere als hilfreich.<br />
8<br />
3/2008<br />
fowid würden in absoluten Zahlen in den<br />
1. bis 4. Klassen in NRW derzeit 252.000<br />
Kinder und in Niedersachsen 115.000 Kindern<br />
den Lebenskundeunterricht besuchen,<br />
vorausgesetzt, dass die entsprechenden Rahmenbedingungen<br />
gegeben wären.<br />
die Praxis in weiteren ländern hat<br />
begonnen<br />
In Dortmund hat der Humanistische <strong>Verband</strong><br />
NRW Anfang 2008 ein Pilotprojekt<br />
gestartet, um die konkrete Nachfrage zu<br />
bestimmen und erste pädagogische Erfahrungen<br />
vor Ort zu sammeln. Für das neue<br />
Schuljahr ist die Ausdehnung <strong>des</strong> Unterrichts<br />
auf eine weitere Schule geplant. Der<br />
Humanistische <strong>Verband</strong> Niedersachsen<br />
wird voraussichtlich einen Schulversuch für<br />
die 1. – 4. Klassen beantragen.<br />
Insgesamt kann so für unseren <strong>Verband</strong><br />
eine recht positive Zwischenbilanz gezogen<br />
werden. l<br />
foRuM<br />
Vielfalt als Chance –<br />
Lebenskunde international<br />
MIlES, dahinter verbirgt sich Migration learning in European Schools, ein internationales<br />
Projekt in dem der lebenskundebereich <strong>des</strong> HVd berlin neben fünf anderen Institutionen<br />
aus verschieden europäischen ländern aktiv ist.<br />
Migration als Herausforderung<br />
Dies zu ändern hat sich das Comeniusnetzwerk<br />
„Learning Migration“ zur Aufgabe gemacht.<br />
Auf jährlichen Konferenzen treffen<br />
sich Lehrerinnen und Lehrer, Menschen<br />
aus der Lehrerausbildung und Vertreter der<br />
Bildungsforschung und der Bildungsverwaltung<br />
aus mittlerweile 13 europäischen<br />
Ländern zu einem Austausch über die jeweilige<br />
Arbeit und zur Diskussion von neuen<br />
Projekten. Migration als Herausforderung<br />
und Bereicherung und nicht nur als Problem<br />
für die Schulen <strong>des</strong> 21. Jahrhunderts<br />
ist dabei der gemeinsame Nenner. Der Lebenskundebereich<br />
ist seit mehreren Jahren<br />
aktiver Partner, auf den Konferenzen wur-<br />
Gerd Eggers ist Bildungsbeauftragter <strong>des</strong><br />
Humanistischen Verban<strong>des</strong> Deutschlands.<br />
Ergebnisse der forsa-Befragung:<br />
unter www.fowid.de auSblICKE<br />
den Beispiele aus dem Unterricht vorgestellt<br />
und so entstand die Idee eines neuen<br />
Projekts, bei dem die Unterrichsideen aus<br />
verschiedenen Ländern ausgetauscht und<br />
weiterentwickelt werden und so ein internationaler<br />
Lehrer-Fortbildungskurs rund<br />
um das Thema Migration auf europäischer<br />
Ebene entwickelt wird.<br />
Das MILES-Projekt war geboren. MI-<br />
LES, dahinter verbirgt sich Migration<br />
Learning in European Schools, ein internationales<br />
Projekt in dem der Lebenskundebereich<br />
neben fünf anderen Institutionen<br />
aus verschiedenen europäischen Ländern<br />
aktiv ist. Neben Partnern aus Nordirland<br />
sind noch eine Lehrerfortbildungseinrich-
tung in Rumänien und Norwegen und die<br />
Universitäten in Ankara und Oldenburg<br />
beteiligt. Wie können positive Integrationsimpulse<br />
von der Schule ausgehen? Wie<br />
können wir durch den Austausch und die<br />
Weiterentwicklung von Methoden rund<br />
um das Thema Migration neue Impulse in<br />
die jeweiligen Schulen einbringen? Das sind<br />
die zentralen Fragestellungen <strong>des</strong> MILES-<br />
Projekts. Nach Antworten sucht ein von<br />
mir entwickeltes Filmprojekt im Lebenskundeunterricht:<br />
Was bedeutet „türkisch sein“ und<br />
„deutsch sein“ für mich, eine Frage, zu der<br />
sich Lebenskundekinder der Kreuzberger<br />
Otto-Wels-Grundschule interviewt haben.<br />
Der daraus entstandene Film gibt einen<br />
kleinen Einblick in die große Bandbreite<br />
der jeweiligen Identitätsentwürfe und Zuschreibungen,<br />
mit denen sich Kinder mit<br />
Migrationshintergrund auseinanderzusetzen<br />
haben. Die Kinder haben auch Eltern,<br />
Großeltern befragt. Heraus kamen Geschichten<br />
über Auswanderung oder Flucht,<br />
die ihre Wirkung in der öffentlichen Filmvorführung<br />
beim Lebenskundefilmfest im<br />
Kino nicht verfehlten. Forschen<strong>des</strong>, biografisches<br />
Lernen im besten Sinn.<br />
blick in die Geschichte<br />
Ein norwegischer Kollege berichtete über<br />
ein Projekt, bei dem Schüler anhand von<br />
Einwohnerlisten über 200 Jahre die Mieter<br />
von Häusern im Stadtzentrum von Mandal<br />
recherchieren. So erfahren sie auf direktem<br />
Wege, dass in Norwegen Aus- und Einwanderung<br />
der Normalfall und nicht etwa die<br />
problematische Ausnahmesituation ist, zu<br />
der rechte norwegische Politiker die momentane<br />
Immigrationsdebatte umfunktionieren<br />
wollen. Aber auch in Deutschland<br />
ist ein Blick in die Geschichte hilfreich,<br />
vergisst man doch zu leicht, dass auch hier<br />
viele Menschen in den letzten 150 Jahren<br />
das Land verlassen haben.<br />
Unsere Partner von der Museumspädagogik<br />
<strong>des</strong> nordirischen Ulster American<br />
Folk Parks vermitteln das Thema Migration<br />
auf eine hautnah erfahrbare Weise. In einem<br />
Open-Air-Museum sind die armseligen<br />
Hütten aus dem 17. Jahrhundert aufgebaut<br />
und echte Menschen erzählen die Ge-<br />
schichten dieser Zeit. Die Auswanderung<br />
nach Amerika kann man auf dem Schiff in<br />
den engen Kojen der 3., 4. und 5. Klasse<br />
nachempfinden. In einer Straße in New<br />
York begrüßen am Ende <strong>des</strong> Rundganges<br />
Taschendiebe, Händler und Fotografen aus<br />
dieser Zeit die Besucher.<br />
Trotz völlig unterschiedlicher Vorrausetzungen<br />
in den beteiligten Ländern ist das<br />
Thema Integration überall auf der Tagesordnung,<br />
sei es bei den Sinti und Roma in<br />
Rumänien oder bei der Wandlung in Irland<br />
vom Hauptauswanderungs- zum Haupteinwanderungsland<br />
in der EU.<br />
Die Schule ist eine Schlüsseleinrichtung<br />
bei der Integration und gerade der Lebenskundeunterricht<br />
mit seinem Ziel, selbstbewusste<br />
Entscheidungen unter Berücksichtigung<br />
der Ressourcen der Kinder zu<br />
fördern, kann hier einen wertvollen Beitrag<br />
leisten. l<br />
Bernhard Stolz ist Lebenskundelehrer und koordiniert<br />
im <strong>Verband</strong> das MILES Projekt<br />
Weitere Informationen über das Projekt:<br />
http://www.uni-oldenburg.de/PolitischeBildung/31288.html<br />
Die Teilnehmer einer Zeitreise im Auswanderungsmuseum in Omagh/Nordirland-Suchbild: Finde die beiden Lebenskundelehrer!<br />
3/2008 9
Fiona Lorenz<br />
n Das Buch „Wozu brauche ich einen<br />
Gott!? – Gespräche mit Abtrünnigen und<br />
Ungläubigen“ basiert auf persönlichen Erzählungen.<br />
Mich interessierte, wie es an<br />
der Basis aussieht: Wie denken und fühlen<br />
Gottlose? Unterscheiden sie sich von Gläubigen?<br />
Wenn ja: worin? Wie leben sie? Ich<br />
wollte wissen, weshalb Menschen ungläubig<br />
sind, weshalb sie sich von Kirche, Religion<br />
und dem Glauben abgewendet und welche<br />
Erfahrungen sie damit gemacht haben. Das<br />
Buch ist für Zweifler am und Haderer mit<br />
dem Glauben geschrieben. Viele Gläubige<br />
scheinen Angst vor einer Art „transzendentaler<br />
Obdachlosigkeit“ zu haben – durch diese<br />
Angst sind einige der von mir Befragten<br />
gegangen. Was sie am Ende ihres Wegs (an<br />
dem viele noch gar nicht angekommen<br />
sind) erleben und wie sie leben, das haben<br />
sie mir erzählt.<br />
Das Thema Religionskritik kommt seit<br />
ein bis zwei Jahren, gesellschaftlich betrachtet,<br />
aus der grauen Ecke heraus in die<br />
Öffentlichkeit. Mittlerweile treten im gesamten<br />
deutschsprachigen Raum, auf Podiumsdiskussionen<br />
und in Talkshows, bei<br />
Maischberger, Johannes B. Kerner, Gert<br />
Scobel und Arabella Kiesbauer, Atheisten<br />
gegen Gläubige an. Das Thema ist in.<br />
Gut leben ohne Glauben<br />
Habe ich jemals an Gott geglaubt? Ich kann<br />
mich daran nicht erinnern. Von daher würde<br />
ich sagen, ich war schon immer Atheistin.<br />
Ich hab als Jugendliche einige Wochen<br />
lang versucht, an Gott zu glauben, und<br />
dann für mich das Fazit gezogen, dass ich<br />
das nicht kann. Seitdem fahre ich auch sehr<br />
gut damit, ich kenne es nicht anders. Dennoch<br />
würde ich nicht unbedingt darauf beharren,<br />
dass es keinen Gott gibt – ich halte<br />
es nur für sehr, sehr unwahrscheinlich, und<br />
gebraucht habe ich das Konstrukt „Gott“<br />
noch nie.<br />
Zum Thema dieses Buches kam es so:<br />
In der Giordano-Bruno-Stiftung in Mastershausen<br />
traf ich 2006 auf einige Frauen<br />
3/2008<br />
foRuM<br />
Wozu brauche ich einen Gott!?<br />
Gespräche mit Abtrünnigen und Ungläubigen<br />
Im Januar <strong>des</strong> nächsten Jahres wird bei Rowohlt ein buch erscheinen, in dem Menschen<br />
der autorin fiona lorenz ihre lebensgeschichten berichten. Sie erzählen darin von ihren<br />
Erfahrungen mit Kirche und Religion und sprechen über die Gründe, sich vom Glauben zu<br />
distanzieren. In diesseits berichtet die autorin vorab über dieses Projekt.<br />
und Männer, die bereits die Sechzig überschritten<br />
hatten und kam mit ihnen ins Gespräch.<br />
Es stellte sich heraus, dass sie sich<br />
zum überwiegenden Teil jahrzehntelang in<br />
der Kirche engagiert hatten. Irgendwann<br />
begannen sie Widersprüche festzustellen,<br />
diffus, nicht richtig greifbar oder benennbar.<br />
Diese Situation blieb mir noch einige Tage<br />
im Gedächtnis. Hier waren Menschen, die<br />
sich nicht unbedingt mit religionskritischen<br />
Theorien oder Philosophie befassen würden,<br />
die aber vielleicht durch die Lebensgeschichten<br />
anderer Menschen angeregt werden<br />
könnten, ihre Zweifel bezüglich ihres<br />
Glaubens zuzulassen. Die eventuell durch<br />
die persönlichen Erfahrungsberichte anderer<br />
dazu bewegt würden, ihre Angst vor dem<br />
Verlust <strong>des</strong> Glaubens abzulegen, wenn sie<br />
sehen, dass ungläubig zu sein heißen kann,<br />
sehr gut leben zu können. Dem entsprach<br />
auch meine über die Jahre gemachte Beobachtung,<br />
wie schwer sich Bekannte von<br />
mir getan hatten, aus der Kirche auszutreten<br />
oder sich mit Widersprüchen der Religion<br />
auseinanderzusetzen. Zugleich reagierten sie<br />
auf „vernünftige“, rational-philosophische<br />
Argumente zum Teil verzweifelt, so dass mir<br />
klar wurde, wie hoch emotional das Thema<br />
Religion für viele Menschen besetzt ist und<br />
wie groß die Angst sein kann, sich davon<br />
zu lösen.<br />
Ein Motiv, das Buch zu schreiben war<br />
daher die Hoffnung, wenn genügend Menschen<br />
ihre Geschichte erzählen, die Geschichte<br />
ihres kirchen-, religions- und gottlosen,<br />
dafür aber erfüllten, <strong>humanistischen</strong><br />
Lebens, dass Zweifler am Glauben dazu<br />
ermutigt werden, sich mit den Widersprüchen<br />
im System Religion oder mit der Angst<br />
vor dem Verlust eines Gottes zu konfrontieren<br />
und eventuell davon Abschied nehmen<br />
können.<br />
Wer hat sich beteiligt?<br />
Insgesamt ließen sich zwischen Mai 2006<br />
und Mai 2008 siebzig Personen befragen,<br />
56 Männer und 14 Frauen, was in etwa die<br />
Verteilung der Gottlosen nach Geschlecht<br />
in der Bevölkerung widerspiegelt. Die Befragten<br />
waren zwischen 14 und 86 Jahre alt<br />
und lebten überwiegend in Deutschland<br />
verteilt, aber auch aus Luxemburg, der<br />
Schweiz, Teneriffa und Österreich meldeten<br />
sich Interessierte. Mehrere Befragte<br />
oder deren Eltern waren aus dem Iran, aus<br />
Afghanistan oder Italien. Nur elf der Befragten<br />
waren nie Mitglied einer Weltanschauungsgemeinschaft<br />
gewesen, die meisten<br />
von ihnen stammten aus dem Osten<br />
Deutschlands. Manche der konfessionell<br />
Gebundenen sind als Zwangskonfessionalisierte<br />
anzusehen, die aus beruflichen oder<br />
sozialen Gründen Kirchenmitglieder bleiben<br />
müssen.
Einige der Befragten sind der säkularen<br />
Szene zuzurechnen, d.h. sie sind in<br />
irgendeiner Form in einer der religionskritischen<br />
Vereinigungen wie der Giordano-<br />
Bruno-Stiftung, dem Internationalen Bund<br />
der Konfessionslosen und AtheistInnen<br />
(IBKA), dem Humanistischen <strong>Verband</strong><br />
Deutschlands (HVD) oder dem Bund für<br />
Geistesfreiheit (BfG) organisiert und aktiv.<br />
Die meisten Befragten sind jedoch einfach<br />
Privatmenschen, die sich zwar als kirchen-<br />
und/oder religionskritisch, als atheistisch,<br />
agnostisch und/oder humanistisch bezeichnen,<br />
aber dieses Faktum selbst nicht als so<br />
wichtig ansehen, dass sie sich in diesem Bereich<br />
engagieren würden.<br />
Einige der Befragten (9 von 70) wollten<br />
anonym bleiben, weil sie berufliche oder soziale<br />
Nachteile fürchteten.<br />
Für das Projekt hatte ich zunächst geplant,<br />
bestimmte Prominente zu befragen,<br />
von denen aus verschiedenen Kanälen bekannt<br />
ist bzw. vermutet wird, dass sie areligiös<br />
sind. Denn wenn Prominente sich<br />
als areligiös outen würden, hätte dies wahrscheinlich<br />
eine größere Beispielwirkung als<br />
bei „normalen“ Sterblichen. Einige Prominente<br />
entpuppten sich dann doch als religiös,<br />
die anderen gaben in der Mehrzahl an,<br />
„keine Zeit“ für ein Interview zu haben oder<br />
reagierten erst gar nicht. Zum Glück waren<br />
einige doch zum Interview bereit – es handelt<br />
sich überwiegend um Prominente, die<br />
bereits mit religionskritischen Äußerungen<br />
an die Öffentlichkeit gegangen waren, wie<br />
z.B. der Kinderbuchautor Janosch, der Comiczeichner<br />
Ralf König, der Urmel-Schöpfer<br />
und Kulturhistoriker Max Kruse und<br />
Mina Ahadi, die mittlerweile Vorsitzende<br />
<strong>des</strong> Zentralrats der Ex-Muslime ist, sowie<br />
die Schriftstellerin Esther Vilar und die<br />
Schauspielerin Nina Vorbrodt.<br />
Beispielhaft möchte ich an dieser Stelle<br />
einige Befragte kurz vorstellen:<br />
Pierre Wallendorff<br />
Irene Nickel<br />
Zu Atheisten wurden viele Befragte, indem<br />
sie Widersprüche in der Religion oder<br />
zwischen den Welterklärungen der Religion<br />
und wissenschaftlichen Erklärungen bemerkten<br />
und diesen nachgingen. Für viele<br />
gab es einen Anlass, sich mit dem Thema<br />
Religion zu befassen, so auch für Hans-Georg<br />
Rüter, einen Schulleiter.<br />
Einige haben verschiedene Glaubensrichtungen<br />
ausprobiert – oder dieselbe<br />
mehrmals. Christian Langenbach ist zweimal<br />
aus Glaubensrichtungen ausgetreten,<br />
hat sich intensiv mit unterschiedlichen Religionen<br />
beschäftigt, war Missionar, hörte<br />
die Stimme Gottes und hat trotz der Erfahrungen<br />
von Liebe und Geborgenheit im<br />
Glauben einen schmerzhaften Abschied von<br />
jeglicher Religion genommen, um schließlich<br />
Atheist und Humanist zu werden.<br />
Der Biologie-Promovend Tobias Fromme<br />
beschreibt, wie er durchaus positive Erfahrungen<br />
mit der Kirche gemacht und sich<br />
trotzdem davon distanziert hat.<br />
Nachdem eine Postkarte Janoschs,<br />
„Die Taufe“ in der Trierer Konstantin-Ausstellung<br />
„Kunst und Provokation“ gezeigt<br />
wurde, auf dem einem Baby ein Kreuz in<br />
den Bauch getrieben wird, stellte der CSU-<br />
Vorsitzende Stoiber entgeistert fest: Janosch<br />
hat sich vom Glauben verabschiedet. Dies<br />
geschah auf Grund von schmerzhaften Erlebnissen<br />
mit dem Klerus in seiner Kindheit<br />
und Jugend.<br />
Nach anfänglich positiven Erfahrungen<br />
mit dem Glauben kam Irene Nickel in ihrer<br />
Jugend mit den dunklen Seiten <strong>des</strong> christlichen<br />
Gottes in Kontakt, stellte fest, wie<br />
sehr der Einfluss der Religion sie in ihrer Lebensführung<br />
behinderte, und sie entfernte<br />
Tobias Fromme<br />
Christian Langenbach<br />
sich immer mehr, bis sie aktive Atheistin<br />
wurde.<br />
Schon als Kind fielen dem Luxemburger<br />
Pierre Wallendorf die Widersprüche zwischen<br />
Predigt und Handeln der Kirchenvertreter<br />
auf und er begann zu zweifeln, um<br />
schließlich zum Atheisten mit spirituellem<br />
Einschlag zu werden.<br />
Einige Befragte waren sehr lange – jahrzehntelang<br />
– religiös, bevor sie durch ein<br />
Buch oder ein Interview in Kontakt mit anderen<br />
Weltanschauungen kamen. Der Ablösungsprozess<br />
war häufig sehr schmerzhaft,<br />
vor allem weil die „vertane Zeit“ bedauert<br />
und betrauert wurde. So erging es auch<br />
Ruth Hofbauer, die mit 65 Jahren ihren<br />
Glauben endgültig aufgab.<br />
Von Haus aus wenig mit dem Glauben<br />
konfrontiert, hat der Gymnasiast Luca Blumenthal<br />
nur in der Schule direkte Erfahrungen<br />
mit Religion gemacht. Widersprüche<br />
und Lügen sowie Informationen brachten<br />
ihn mit 14 Jahren zur Religionskritik,<br />
mit 16 wurde er zum Atheisten.<br />
Fazit: Das Spektrum der Erfahrungen<br />
mit Religion ist sehr groß. Die Erfahrungen<br />
scheinen – wenn sie unangenehm<br />
sind – schon Kinder und Jugendliche<br />
abzuschrecken. Positive Erfahrungen mit<br />
Religion werden naturwissenschaftlichen<br />
Erklärungen gegenübergestellt, und bei<br />
diesem Wettbewerb der Welterklärungskonzepte<br />
verliert die Religion. Wer sehr<br />
gläubig war, leidet häufig unter dem Verlust<br />
einer wichtigen Lebensstütze und<br />
braucht mitunter Jahre oder gar Jahrzehnte,<br />
um sich vom Glauben endgültig zu<br />
verabschieden. Viele ärgern sich über den<br />
Einfluss der Kirchen auf unser aller Leben<br />
– manche treibt diese Erkenntnis in den<br />
Widerstand gegen Religion und Kirche.<br />
Auch das Sexualleben, die Körperlichkeit,<br />
ist nach wie vor von kirchlich-religiösen<br />
Moralvorstellungen geprägt und viele<br />
berichten von ihrer Erleichterung, vom<br />
vereinfachten Umgang mit dem anderen<br />
Geschlecht bzw. der Selbstakzeptanz ihrer<br />
Homosexualität, als sie sich endlich von<br />
der restriktiven religiösen Sexualmoral befreit<br />
hatten. l<br />
Fiona Lorenz ist Vorsitzende <strong>des</strong> Humanistischen<br />
Verban<strong>des</strong> Rheinland-Pfalz.<br />
Wozu brauche ich einen Gott!? – Gespräche mit<br />
Abtrünnigen und Ungläubigen, illustriert von<br />
Ralf König, wird voraussichtlich im Januar 2009<br />
bei Rowohlt erscheinen. 190 Seiten, € 8,95<br />
3/2008 3
Ulla Ringe<br />
Susan Navissi<br />
Dorothea Janowitz<br />
ulla Ringe, lebenskundelehrerin<br />
seit 2002<br />
Nach fast 5 Jahren Tätigkeit als Lebenskundelehrerin<br />
hatte ich das Gefühl, im Hamsterrad<br />
zu laufen und ganz dringend das Bedürfnis<br />
nach Abwechslung und vor allem<br />
geistigem Input. Die Idee zu studieren und<br />
sich, anders als in Fortbildungen, mit Themen<br />
wie Pädagogik, Psychologie, vor allem<br />
aber Philosophie, Religionswissenschaften,<br />
Humanismus kontinuierlich über einen<br />
längeren Zeitraum zu beschäftigen, begeisterte<br />
mich. Nach kurzer Nachfrage war klar,<br />
dass auch ich als hauptamtliche Lebenskundelehrerin<br />
ohne Staatsexamen dieses Studi-<br />
3/2008<br />
foRuM<br />
De- und Rekonstruktion<br />
<strong>des</strong> Selbst und andere<br />
Absonderlichkeiten<br />
Drei Studentinnen berichten über ihr Studium der<br />
Humanistischen Lebenskunde und nutzen die Chance,<br />
auf diesem Wege Danke zu sagen.<br />
um machen könne und zu meiner großen<br />
Freude danach in der Gehaltseinstufung <strong>des</strong><br />
HVD eine Klasse höher rutschen würde.<br />
Außerdem würde ich einen Stundenerlass<br />
von 4 Unterrichtsstunden erhalten und damit<br />
einen schulfreien Uni-Mittwoch!<br />
Leider bringt das Lehrerergänzungsstudium<br />
auch höchst anstrengende Prüfungen<br />
mit sich: Unterrichtspraktikum mit Praktikumsbericht<br />
und abschließender Prüfung,<br />
Klausur und mündliche Prüfungen in den<br />
Studienbereichen: Geschichte und Theorie<br />
<strong>des</strong> Humanismus, Praktischer Humanismus<br />
und Pädagogik <strong>des</strong> Lebenskundeunterrichts.<br />
Für mich hat das Studium sehr viel<br />
bewirkt. An meiner praktischen, pädagogischen<br />
Arbeit als Lebenskundelehrerin hat<br />
sich zwar nur wenig geändert, aber ich sehe<br />
den Lebenskundeunterricht unter sehr viel<br />
mehr Aspekten und bin in meiner grundsätzlichen<br />
Einstellung zum Leben und Weltgeschehen<br />
ein Stück weitergekommen.<br />
Vor allem hat sich für mich gezeigt, dass<br />
der Ausbruch aus der Routine und die Auseinandersetzung,<br />
der Austausch und die vielen<br />
Anregungen, die das Studium mit sich<br />
bringt, sinnvoll und notwendig sind, um<br />
nicht im alltäglichen Chaos abzustumpfen.<br />
Susan navissi, lebenskundelehrerin<br />
seit 2004<br />
Nach 2 Jahren als Lebenskundelehrerin mit<br />
voller Stelle erschien mir die Aussicht auf<br />
4 Stunden Ermäßigung im Tausch gegen<br />
10 Semesterwochenstunden Philosophie,<br />
Psychologie und Religionswissenschaften<br />
verlockend.<br />
Ich hatte mein Studium der Anglistik<br />
und Pädagogik an der Humboldt-Universität<br />
in guter Erinnerung, was sollte also gegen<br />
eine erneute Runde sprechen? Nichts.<br />
Dann habe ich das Fach Lebenskunde,<br />
das ich sehr gerne unterrichte, „richtig“ studiert,<br />
hätte mehr theoretische Grundlagen<br />
und könnte mich in diesem Rahmen endlich<br />
auch der Philosophie nähern.<br />
Tatsächlich stellte sich für mich genau<br />
der Bereich Philosophie als eine Quelle der<br />
Freude und Herausforderung dar.<br />
Ich kann nicht behaupten, das Studium<br />
wäre nicht anstrengend gewesen. Aber es<br />
war eine Art der Herausforderung, wie ich
Susan Navissi Dorothea Janowitz<br />
sie mag. Aussichten nach dem Studium: In<br />
meinem Fall wird es keine nennenswerten<br />
äußeren Veränderungen geben. Aber ich<br />
werde an meiner Schule eine Theatergruppe<br />
anbieten, die sich humanistisch mit dem<br />
Thema Menschenrechte und anderen Rahmenplaninhalten<br />
auseinandersetzen wird.<br />
dorothea Janowitz, Hauptschullehrerin<br />
Am Anfang stand eigentlich nur der Ärger<br />
und das Mittel zum Zweck: Ein Kultusminister-Beschluss<br />
von vor über dreißig Jahren<br />
ist auch heute noch gültig: Ein Zweites<br />
Staatsexamen der „roten Kaderschmiede“<br />
– wie es damals hieß – der Universität Bremen,<br />
kann das Land Berlin nicht anerkennen,<br />
jedenfalls nicht gleich zwei Fächer und<br />
sowieso... „Lernbereich“... das kannte man<br />
hier nicht: „Jeht nich – Jibs nich“. Heute<br />
kennt auch Berlin „Lernbereiche“ als Fach,<br />
aber das heißt ja nun nicht gleich, dass man<br />
dafür auch das Gehalt entsprechend erhöhen<br />
könnte. Ein zweites Fach musste nun<br />
also „nachstudiert“ werden.<br />
Als Alleinerziehende konnte das nur ein<br />
Projekt für „später einmal“ sein. Aber jetzt<br />
war der Zeitpunkt gekommen und ich bewarb<br />
mich beim Humanistischen <strong>Verband</strong><br />
für das Studium <strong>des</strong> Faches „Lebenskunde“.<br />
Es gab noch einen zweiten Ärger, sagen<br />
wir mal lieber ein Unbehagen, ein großes<br />
Fragezeichen hinter der Frage: Was läuft<br />
hier eigentlich?<br />
Meine Schülerinnen, Schüler und ich<br />
arbeiten und lernen (ich auch täglich) an<br />
einer Hauptschule. Dies ist zwar eine besondere<br />
Hauptschule mit dem „besonderen<br />
pädagogischen Konzept für individuelle<br />
Praxislernprojekte“, aber was wird ihnen das<br />
nutzen, wenn nachher eigentlich doch nur<br />
abfragbares Wissen bei Vergleichsarbeiten,<br />
zentralen Prüfungen und Einstellungstests<br />
der Arbeitgeber gefragt ist? Die Frage: „Was<br />
tue ich hier eigentlich?“ stand und steht für<br />
mich im Raum. Hat das alles noch einen<br />
Sinn?<br />
Das Studium gab mir Antworten. Natürlich<br />
ist jetzt nicht die Sinnfrage im Allgemeinen<br />
und im Besonderen beantwortet,<br />
aber ich weiß jetzt besser, wo ich stehe.<br />
Ich war und bin hoch erfreut zu entdecken,<br />
dass es noch mehr Menschen gibt, die<br />
mein Unbehagen teilen und in Worte fassen<br />
können. Natürlich hätte ich diese Texte<br />
auch einmal alleine lesen können, aber erstens<br />
wäre ich nicht auf die Idee gekommen,<br />
zweitens wäre ich zu müde gewesen und drittens<br />
hätte ich nicht die Auseinandersetzung<br />
mit den anderen SeminarteilnehmerInnen<br />
gehabt und das war das Wichtigste.<br />
Sehr einig waren sich alle drei Befragten<br />
in ihrer höchsten Wertschätzung für die<br />
Dozenten und Dozentinnen. Besondere<br />
Höhepunkte waren die Seminare bei<br />
Dr. Petra Caysa, die den Studenten mit<br />
Leidenschaft und Kompetenz einen ganz<br />
neuen Zugang zur Philosophie brachte.<br />
Ringe: „Foucault wurde verständlich,<br />
das Mittelalter erschien in neuem Licht und<br />
die Analytik der Gegenwart öffnete uns die<br />
Augen. Dazu gab es hervorragende Reader,<br />
Ergänzungsstudium: Lehrerinnen und Lehrer für<br />
Humanistische Lebenskunde<br />
Bis zum 30. April 009 besteht die Möglichkeit, sich für das Ergänzungsstudium<br />
Humanistische Lebenskunde zu bewerben. Der Ergänzungsstudiengang wird<br />
vom Ausbildungsinstitut für Humanistische Lebenskunde <strong>des</strong> Humanistischen<br />
Verban<strong>des</strong> Deutschlands in Kooperation mit der TU Berlin, Institut für<br />
Gesellschaftswissenschaften und historisch-politische Bildung, durchgeführt.<br />
Zulassungsvoraussetzung ist der Abschluss <strong>des</strong> Zweiten Staatsexamens in<br />
min<strong>des</strong>tens einem Fach oder ein als gleichwertig anerkannter anderer Abschluss.<br />
Das Ergänzungsstudium kann zu Beginn eines jeden Wintersemesters<br />
aufgenommen werden. Der nächst mögliche Studienbeginn ist der 0 . August<br />
009. Der Studiengang dauert in der Regel vier Semester und umfasst 0<br />
Semesterwochenstunden; die Studiengebühr beträgt 300 Euro pro Semester.<br />
Freistellungen vom Schulunterricht sind möglich. Nach der erfolgreichen<br />
Prüfung ist die staatliche Anerkennung für ein weiteres Unterrichtsfach mit<br />
entsprechender Höherbesoldung gegeben. Bewerbungen an: <strong>Humanistischer</strong><br />
<strong>Verband</strong> Deutschlands, Ausbildungsinstitut für Humanistische Lebenskunde,<br />
Wallstr. - 5, 0 79 Berlin, Tel. 030 390 5/ 8, Fax: 030 390 5 ,<br />
e-mail: lk-institut@hvd-berlin.de<br />
3/2008 5
die uns bestimmt noch lange beschäftigen<br />
werden.“<br />
Navissi: „Schon in der Einführungsveranstaltung<br />
wurde mein Bild der Welt und<br />
meiner Selbst (meines Selbst) nachhaltig<br />
erschüttert. Eine Erschütterung, für die ich<br />
ihr, weit über das Studium hinaus, dankbar<br />
bin.<br />
Untersuchungen von Machtstrukturen,<br />
ein kritisches Verhältnis zu Daueroptimierungsmaßnahmen<br />
(an sich und anderen)<br />
im neoliberalen Kontext und auch und vor<br />
allem das, was wir tagtäglich tun (Stichwort<br />
immaterielle und Lohn-Arbeit im Bildungsbereich)<br />
sind nur einige der Themen, deren<br />
weitere Bearbeitung ihre Seminare in mir<br />
anregten und -regen.<br />
Janowitz: „Ich weiß jetzt besser, wo ich<br />
stehe, kann es besser in Worte fassen und<br />
mich geistig besser positionieren. Ich habe<br />
neue Ziele für mich entwickelt, die mir eine<br />
Orientierung geben, wie ich mich in meinem<br />
pädagogischen Alltag verhalten kann. Das<br />
betrifft nicht nur meinen Lebenskunde-<br />
Unterricht, sondern auch meine gesamte<br />
Haltung zur Schule, zu Unterricht und zum<br />
Leben in dieser Gesellschaft. Es hat mir neue<br />
Kraft gegeben, mich dem oft frustrierenden<br />
Alltag in der Schule zu stellen.“<br />
Ein weiteres Highlight sehen unterschiedslos<br />
alle drei Studentinnen in den<br />
Seminaren von Dr. Martin Ganguly.<br />
Navissi: „Diese Seminare zu den Bereichen<br />
Film und Theater – humanistisch und<br />
didaktisch umgesetzt – verwirklichen etwas,<br />
von dem theoretisch viel zu hören und lesen<br />
ist, jedoch praktisch in der Erwachsenen-<br />
bzw. Lehrerfortbildung bisher wenig<br />
zu erfahren war. Avantgarde der Didaktik<br />
würde ich es nennen. Wir haben bei hohem<br />
theoretischem Anspruch doch auch immer<br />
direkt ‚am Stoff’ gearbeitet. Eine Herangehensweise,<br />
die ich sehr schätze und von der<br />
ich und andere enorm profitiert haben.<br />
Ringe: „… hat in mir neue Berlinale-<br />
Begeisterung geweckt, die ich gleich an die<br />
Kinder in meinen Lebenskundegruppen<br />
weitergeben konnte.“<br />
Janowitz: „Die Seminare zum Thema<br />
Rollenspiel, Theater und Film geben mir<br />
auch noch aktuell sehr viel Anregungen, wie<br />
ich mit HauptschülerInnen, die sich in einer<br />
von Krisen bestimmten Lebenssituation<br />
befinden, umgehen und arbeiten kann, so,<br />
dass es für sie ‚Sinn macht’“. l<br />
3/2008<br />
MAgAzin<br />
Ralf Bachmann<br />
Warum der „Pojaz“ nicht<br />
sterben darf<br />
Am Grab von Karl Emil Franzos auf dem<br />
Jüdischen Friedhof Weißensee<br />
Der aus galizien stammende und in Berlin gestorbene jüdische erzähler und Verleger Karl<br />
emil Franzos (1848-1904) fühlte sich zeit seines lebens als progressiver, national gesinnter<br />
Deutscher, ohne je sein Judentum aufzugeben, das für ihn nicht glauben, sondern<br />
zugehörigkeit bedeutete. Walter Benjamin nannte ihn wegen seines Bemühens, Jüdisches<br />
und Deutsches in sich auszubalancieren, einen „zweigeist“. Der 160. geburtstag am 25.<br />
Oktober 2008 ist kein ganz run<strong>des</strong> Jubiläum, aber eine Möglichkeit, ihn einer Versenkung<br />
zu entreißen, die Juden und nichtjuden in Deutschland gleichermaßen schadet. Ralf Bachmann<br />
wollte ein Scherflein zum erinnern beitragen und begab sich nach Weißensee.<br />
n Karl Emil Franzos ist auf dem Jüdischen<br />
Friedhof in Berlin-Weißensee begraben, der<br />
als der größte erhalten gebliebene Europas<br />
gilt. Ich ging an einem trüben und kalten<br />
Januartag zu seiner letzten Ruhestätte, um<br />
dort am Geburtstag <strong>des</strong> verehrten Dichters<br />
und liebenswerten Menschen, <strong>des</strong> so<br />
wie Heinrich Heine deutschen Juden und<br />
jüdischen Deutschen eine Blume niederzulegen.<br />
Selbst bei wolkenverhangenem Himmel<br />
ist ein Besuch dieses Friedhofs lohnend<br />
und interessant.<br />
Man findet die Gräber bedeutender jüdischer<br />
Persönlichkeiten und guter Freunde<br />
überall auf dem weiten Terrain. Da ist Leo<br />
Baeck, der angesehene Religionswissenschaftler,<br />
Vordenker <strong>des</strong> liberalen Judentums<br />
und letzte große Rabbiner vor dem<br />
Holocaust, da der von den Nazis ermordete<br />
Widerstandskämpfer Herbert Baum, nach<br />
dem die Straße zum Friedhof benannt worden<br />
ist, dort der berühmte Dichter Stefan<br />
Heym, der bekannte Maler Lesser Ury, der<br />
Warenhausgründer Hermann Tietz (Hertie),<br />
der Schriftsteller und Journalist Theodor<br />
Wolff.<br />
Man wird nachdenklich und bereichert,<br />
wenn man die Spruchweisheiten auf den<br />
Gedenksteinen liest, und lernt dabei eine<br />
Schatzkammer jüdischer Philosophie ken-<br />
nen. Am meisten zu Herzen ging mir stets<br />
gerade die Inschrift am Grabmal von Karl<br />
Emil Franzos. Es ist, obwohl nahe dem<br />
Friedhofeingang gelegen, unauffällig und<br />
wird leicht übersehen: ein schwarzer Stein,<br />
den auf der Rückseite ein Lorbeerkranz,<br />
auf der Vorderseite der goldgeprägte Vers<br />
schmückt:<br />
„Wär’ dein auch alle Erdenpracht<br />
Und aller Weisheit Blüte<br />
Das, was zum Menschen erst dich macht<br />
Ist doch allein die Güte.“<br />
Nach dieser Erkenntnis hat der in Czortkow<br />
(Galizien) geborene Dichter gehandelt.<br />
Über sein Leben kann sich, wer will, in<br />
Nachschlagewerken informieren. Hier sei<br />
nur erwähnt, was sein Werk entscheidend<br />
beeinflusst hat. Das waren fast zehn Jahre in<br />
Czernowitz, der Hauptstadt der Bukowina,<br />
wo er das deutsche Gymnasium besuchte<br />
und in der ethnischen Vielfalt Österreich-<br />
Ungarns immer stärker die Zwiespalte<br />
zwischen den Völkerschaften und Religionen<br />
fühlte und auch am eigenen Leibe<br />
erlitt. Diese Eindrücke prägten Themen<br />
und Inhalte seiner literarischen Arbeit, die<br />
schon in seiner Studienzeit (er promovierte<br />
zum Dr. jur.) begann. Franzos arbeitete als<br />
Feuilletonredakteur, unternahm Reisen<br />
und verfasste kulturhistorisch-ethnogra-
fische Reportagen, die auch in Buchform<br />
erschienen („Aus Halb-Asien. Kulturbilder<br />
aus Galizien, der Bukowina, Südrussland<br />
und Rumänien“). Vor allem aber schrieb er<br />
von intimer Kenntnis getragene Ghettogeschichten,<br />
so die Novellensammlung „Die<br />
Juden von Barnow“. Der große Erfolg der<br />
Bücher erlaubte ihm schließlich, der Tagesjournalistik<br />
Valet zu sagen.<br />
„aber mit der Taufe Handel treiben, das<br />
ging nicht“<br />
Über seine erste Ghettonovelle äußerte<br />
er später, er habe sich darin selbst wiedergefunden.<br />
„Jetzt ahnte ich, wo die innere<br />
Ausgleichung <strong>des</strong> Gegensatzes lag“, schrieb<br />
er in „Mein Erstlingswerk“. „Ich musste in<br />
der kleinen jüdischen Gemeinschaft ebenso<br />
meine Pflicht tun wie in der großen deutschen.“<br />
Das erwies sich aber als eine fast<br />
unlösbare Aufgabe. Von deutscher und österreichischer<br />
Seite wurde er als Jude ständig<br />
benachteiligt. Zwar standen ungewöhnliche<br />
Begabung und Eignung außer Zweifel, aber<br />
– „der Gedankenstrich bedeutete das Taufbecken“.<br />
Ohne Taufe kein Stipendium,<br />
keine Universitätsprofessur, keine staatliche<br />
Position. „Ich sagte sofort Nein. Ich hatte<br />
kein Vorurteil gegen Christen und Christentum,<br />
wahrlich nicht... Aber mit der Taufe<br />
Handel treiben, das ging nicht.“ Franzos<br />
nahm alle Opfer auf sich, die das Ju<strong>des</strong>ein<br />
mit sich brachte und blieb sich und seiner<br />
Jüdischkeit treu. „Ich wurde kein Frommer<br />
im Lande, aber mein Interesse für das Judentum,<br />
das Gefühl meiner Zusammenge-<br />
hörigkeit mit den armen Kaftanjuden in der<br />
Czernowitzer ,Wassergasse’ wurde ungleich<br />
stärker als bisher.“ Auf jüdisch-orthodoxer<br />
Seite wiederum verübelte man ihm das<br />
Deutschnationale, die positive Haltung<br />
zur Reichsgründung 1871 und seine Forderung,<br />
die Juden sollten sich mehr an die<br />
„deutsche Kultur“ anpassen.<br />
So blieb er das, was Benjamin „Zweigeist“<br />
nannte, und konnte die Zerrissenheit nur<br />
als Künstler auszugleichen versuchen. Man<br />
vermag seine Haltung und ihre so aktuelle<br />
Bedeutung kaum klarer zu formulieren, als<br />
er selbst es getan hat: „Ich trete für die Juden<br />
ein, weil sie geknechtet sind, aber ich greife<br />
die Knechtschaft an, welche die orthodoxen<br />
Juden selbst den Freisinnigen ihres Glaubens<br />
bereiten. Ich bin für den berechtigten<br />
Einfluss <strong>des</strong> deutschen Geistes im Osten,<br />
aber wo in seinem Namen gewaltsame Germanisierung<br />
versucht wurde, da geißle ich<br />
diese verhängnisvollen Bestrebungen. Ich<br />
weiß mich frei von jeglichem nationalen<br />
oder religiösen Vorurteil; ich hasse die Tyrannei<br />
Russlands, aber nicht die Russen, ich<br />
bekämpfe die ungerechte Hegemonie der<br />
galizischen Polen, aber nicht die Polen als<br />
Nation.“<br />
Den Herrschenden in Österreich-Ungarn<br />
und in Preußen-Deutschland konnte<br />
keineswegs zusagen, dass sich ein Mann, sei<br />
er auch noch so „deutschgesinnt“, von den<br />
revolutionären Idealen seines Geburtsjahres<br />
ebenso wenig lossagen wollte wie von den<br />
Lehren aufrührerischer Philosophen und<br />
rebellischer Dichter. In einem Brief vermutet<br />
Franzos, das ursprünglich wegen seiner<br />
außergewöhnlichen Fähigkeiten von der<br />
österreichischen Regierung versprochene<br />
Stipendium für ein Studium der klassischen<br />
Philologie sei ihm 1867 verweigert worden,<br />
weil er unter seinen Mitschülern für eine<br />
Freiligrath-Feier warb. Das war, schrieb er,<br />
„der Regierung, da Freiligrath als besonders<br />
roter Dichter galt, nicht erwünscht“.<br />
nur die liebe macht selig, der Glaube<br />
blind<br />
Den strenggläubigen Juden, und nicht nur<br />
ihnen, war die Auffassung unannehmbar:<br />
„Die Notwendigkeit ist die einzige Gottheit,<br />
an die man glauben darf, ohne je zweifeln<br />
oder verzweifeln zu müssen.“ Noch weniger<br />
die Schlussfolgerung: „Lasst uns endlich<br />
die Wahrheit begreifen, dass nur die Liebe<br />
selig macht, der Glaube aber blind.“ Allen<br />
Anfeindungen zum Trotz blieb Franzos bei<br />
3/2008 7
seinen Überzeugungen und konsequent der<br />
Wahrheit verbunden, ob sie den Ideologen<br />
und Buchstabengelehrten passte oder nicht:<br />
„Ich ziehe Schlüsse aus Tatsachen, die mir<br />
als Wahrheit feststehen, voll und ganz, ich<br />
fälsche keine Tatsachen, um Schlüsse daraus<br />
ziehen zu können.“<br />
Meine eigene erste Begegnung mit dem<br />
Werk von Karl Emil Franzos geschah recht<br />
zufällig. Ich sammelte in jungen Jahren eine<br />
vom Verlag Neues Leben herausgegebene<br />
Reihe schmaler Hefte „Spannend erzählt“.<br />
Dort erschien „für die Jugend bearbeitet“<br />
ein Extrakt <strong>des</strong> zweibändigen Romans „Ein<br />
Kampf ums Recht“. Er war wohl zu sehr<br />
„jugendgemäß“ verdünnt, denn ich hatte<br />
seinen Inhalt schnell vergessen und weiß<br />
nur noch, dass es um den ukrainischen Freiheitskämpfer<br />
Taras Bulba ging.<br />
Aber den Autorennamen hatte ich mir<br />
gemerkt – glücklicherweise. Denn in der<br />
DDR wurde damals anders als in der Bun<strong>des</strong>republik<br />
den Werken <strong>des</strong> jüdischen<br />
Dichters wieder ziemliche Aufmerksamkeit<br />
zuteil. Deshalb fielen mir kurz darauf eine<br />
nicht sehr gute, aber immerhin informative<br />
Biografie, die eine Brücke von Franzos zu<br />
Egon Erwin Kisch zu schlagen versuchte,<br />
und vor allem „Der Pojaz“ in die Hände, der<br />
mich seitdem nicht mehr losließ.<br />
Zuerst las ich in der Biografie zu meinem<br />
Erstaunen, dass mir ohne Franzos der Revolutionär<br />
Georg Büchner, <strong>des</strong>sen „Hessischen<br />
Landboten“ mit der Losung „Friede<br />
den Hütten! Krieg den Palästen!“ wir auf der<br />
FDJ-Schule studiert hatten, wahrscheinlich<br />
nie als Dichter <strong>des</strong> „Woyzeck“ bekannt<br />
geworden wäre. Der so jung verstorbene<br />
Büchner hatte dieses Drama als Fragment<br />
mit einer teilweise völlig unleserlichen Mikroschrift<br />
hinterlassen, die zudem weitgehend<br />
verblichen war. Da war es ein Segen für<br />
die deutsche Literatur, dass es mit Karl Emil<br />
Franzos ein Gleichgesinnter übernahm, die<br />
erste Gesamtausgabe der Werke Büchners<br />
herauszubringen, wozu ihm <strong>des</strong>sen Bruder<br />
Ludwig auch das Manuskript <strong>des</strong> „Woyzeck“-Fragments<br />
(übrigens unfrankiert)<br />
schickte. Es bedurfte <strong>des</strong> Schwefel-Ammoniaks,<br />
der Lupe und der Kongenialität eines<br />
Franzos, um aus „sehr blassen gelblichen<br />
Strichelchen“ das Bühnenwerk zu enträtseln,<br />
das heute ganz selbstverständlich zur<br />
Weltliteratur gehört.<br />
„Kurz, es war eine unsägliche Geduldsprobe“,<br />
schreibt Franzos in der Einleitung<br />
der „Sämtlichen Werke“. „Aber was ich<br />
8<br />
3/2008<br />
entzifferte, war geeignet, mir immer wieder<br />
den Mut zu stählen.“ Er würdigt Büchner<br />
als literarisches Genie auf einem Gebiet,<br />
auf dem in Deutschland Mangel herrscht,<br />
dem <strong>des</strong> Dramas, jedoch auch als Politiker:<br />
„Büchner war wirklich Sozialist aus Überzeugung.<br />
Aber noch mehr: er war der erste<br />
in Deutschland, welcher in die demokratischen<br />
Bestrebungen dies neue Element<br />
hineintrug und der ,Landbote’ die erste sozialistische<br />
Flugschrift, welche in deutscher<br />
Sprache erschienen ist.“ Ausgehend von<br />
dieser Herausgeberarbeit wurden immer<br />
neue produktive Anregungen aus Büchners<br />
Werken und namentlich aus dem „Woyzeck“-Fragment<br />
geschöpft, von Gerhart<br />
Hauptmann über Rilke und Hofmannsthal<br />
bis Brecht. Alban Berg schließlich diente<br />
das Manuskript als Vorlage für die Oper<br />
„Wozzek“.<br />
Ein Stück deutscher Ehrenpflicht<br />
Der Roman „Der Pojaz“ (der Titel ist eine<br />
Verballhornung <strong>des</strong> Wortes „Bajazzo“, <strong>des</strong><br />
Spaßmachers im italienischen Volkslustspiel)<br />
wurde unstreitig das Hauptwerk von<br />
Karl Emil Franzos. Die Geschichte <strong>des</strong><br />
bettelarmen galizischen Judenjungen Sender<br />
(Alexander) Glatteis, der unter allen<br />
Umständen und gegen alle Widerstände<br />
deutscher Schauspieler werden will und<br />
nicht an fehlendem Talent, sondern an den<br />
Umständen scheitert, ist fiktiv. Aber in ihrer<br />
Substanz finden sich zahlreiche autobiografische<br />
Züge.<br />
Umso merkwürdiger mag es anmuten,<br />
dass dieses literarisch wie inhaltlich grandiose<br />
Werk, in dem sich die faustischen und die<br />
tragischen Züge <strong>des</strong> (nicht nur ost)jüdischen<br />
Strebens nach gleichen Chancen und Rechten<br />
vereinen, zunächst in Russland und<br />
erst nach seinem Tode 1905 in Deutschland<br />
erschien. Über die Gründe dafür ist<br />
viel gerätselt worden. Der eine glaubt, der<br />
sich zuspitzende Antisemitismus um die<br />
Jahrhundertwende in Deutschland habe<br />
Franzos zögern lassen, der andere meint,<br />
der Dichter habe Angst vor den jüdischen<br />
Reaktionen gehabt. Der Feuilletonist der<br />
DDR-Zeitschrift „Wochenpost“ und unermüdliche<br />
Spaziergänger auf den Spuren<br />
jüdischen Wirkens in Berlin, Heinz Knobloch,<br />
spricht in diesem Zusammenhang von<br />
„Pointen im Literaturgeschichtsbuch. Und<br />
im Almanach der Ironie“.<br />
Denn das gescheiterte Ziel <strong>des</strong> Pojaz, Erfüllung<br />
und Befreiung im deutschen Thea-<br />
ter zu finden, ist bei Franzos vor allem als<br />
Aufschrei gegen die Ghettoenge, als Protest<br />
gegen die Bildungsfeindlichkeit der orthodoxen<br />
Überväter, als Klage über einen Winkel<br />
der Erde dargestellt, „wo die Binde <strong>des</strong><br />
religiösen Vorurteils den armen Menschen<br />
so dicht um die Augen liegt wie selten anderwärts“.<br />
Gleichzeitig wehrt sich der Dichter vehement,<br />
wo immer er auf deutsche Vorurteile<br />
gegen den Osten stößt und fragt nach<br />
der Schuld an der Zurückgebliebenheit der<br />
Menschen und der Verhältnisse dort. Das ist<br />
auch offensive Selbstverteidigung. Als Pojaz<br />
sah er sich ja selbst. Am Ende seines Lebens<br />
sind ihm wohl fast prophetische Zweifel an<br />
jenem Deutschland gekommen, auf das er<br />
so gesetzt hatte. Als die Witwe Ottilie Franzos<br />
den „Pojaz“ endlich im angesehenen<br />
Cotta-Verlag auf Deutsch herausbringen<br />
konnte, betonte sie aber in ihrer Vorbemerkung:<br />
„... er scheute nicht den Kampf mit<br />
den dunklen Mächten, die dies Buch vielleicht<br />
wieder gegen ihn aufgewühlt hätten.<br />
Denn bis zu seinem letzten Atemzuge blieb<br />
er ein Streiter für Recht und Licht.“<br />
Die Entwicklung seit diesem letzten<br />
Atemzug zeigt, dass der Kampf von Karl<br />
Emil Franzos noch lange nicht ausgefochten<br />
ist. Stichworte wie Hitler, Holocaust,<br />
antiisraelische Vernichtungsdrohungen,<br />
Antisemitismus in alten und neuen Varianten,<br />
nicht zuletzt gegenüber den aus dem<br />
Osten neu zu uns gekommenen Juden,<br />
Grabschändungen, erst kürzlich wieder<br />
auch auf dem Friedhof in Weißensee, und<br />
rechtsextremistische Aufmärsche zu Ehren<br />
der Judenmörder mögen genügen. Der<br />
„Pojaz“ darf nicht sterben, das Werk von<br />
Karl Emil Franzos muss weiterleben oder<br />
wieder leben. „Es dürfte... fast ein Stück<br />
deutscher Ehrenpflicht sein, diesen Mann<br />
nicht in Vergessenheit geraten zu lassen.“<br />
Das schrieb Victor Klemperer – und zwar<br />
schon vor exakt 100 Jahren. l<br />
Ein Hinweis zum Weiterlesen: Meine Absicht<br />
war, Neugier zu wecken. Wer nicht gleich den<br />
„Pojaz“ bestellen mag, sei auf ein ganz hervorragen<strong>des</strong><br />
Lesebuch von Oskar Ansull verwiesen<br />
„ZweiGeist Karl Emil Franzos“. Es ist 2005 im<br />
„Deutschen Kulturforum östliches Europa“<br />
Potsdam erschienen (ISBN 3-936168-21-0)<br />
und enthält in unterhaltsamer Form nicht nur<br />
das Wichtigste, was man über und von Karl<br />
Emil Franzos gelesen haben muss, sondern als<br />
Zugabe die CD „Ein bunter Flecken am Kaftan“<br />
für einen literarischen Franzos-Abend mit<br />
Klezmermusik.
Michael Bauer<br />
n Es war der 3. Juni <strong>des</strong> Jahres 1848, als<br />
der Verfassungsausschuss der Deutschen<br />
Nationalversammlung in Frankfurt zu seiner<br />
17. Sitzung zusammentrat. Auf der Tagesordnung<br />
stand das Verhältnis von Staat<br />
und Kirche. Robert Blum, Deputierter aus<br />
Sachsen, war zu diesem Zeitpunkt bereits<br />
zu einem der Wortführer der gemäßigten<br />
Linken avanciert. Stimmgewaltig, mit wallendem<br />
rotblondem Bart und wuchtigen<br />
Locken galt er als einer der mitreißendsten<br />
Redner der Versammlung. In die fein ziselierten<br />
Ausführungen der anderen Redner,<br />
mal mehr für die eine Kirche, mal mehr für<br />
die andere Vorteile herausschlagend, mengte<br />
er sich nicht ein. Erst gegen Ende der<br />
Debatte meldete er sich zu Wort, mit wenigen,<br />
aber umso treffenderen Bemerkungen.<br />
Blum machte geltend, dass den Staat die<br />
religiösen Überzeugungen seiner Bürger<br />
zunächst einmal gar nichts angingen, einzig<br />
habe er die ungehinderte Ausübung oder<br />
Nicht-Ausübung eines selbst gewählten<br />
Glaubens zu schützen. Doch überall übe<br />
die Religion Zwang auf die Bürger aus<br />
– Tauf-, Schul-, Trau- und schließlich Begräbniszwang.<br />
Und so formulierte er kurz<br />
und bündig seinen Beschlussvorschlag für<br />
die neue Reichsverfassung: „Niemand kann<br />
zu irgendeiner kirchlichen Handlung oder<br />
Feierlichkeit gezwungen werden.“ Der Vorschlag<br />
wurde angenommen – und definiert<br />
nahezu unverändert bis heute ein Grundrecht<br />
aller Deutschen.<br />
ungestillter bildungshunger<br />
Am 10. November 1807 wurde Blum als<br />
Sohn eines Fassbinders und einer Bauerntochter<br />
in Köln geboren. Durch eine frühe<br />
Infektionskrankheit nahmen seine Augen<br />
dauerhaft Schaden. Der begabte Junge sollte<br />
dennoch eine gute Schulausbildung bei<br />
den Jesuiten erhalten. Auf der Ordensschule<br />
galt er rasch als der beste Schüler. Doch ein<br />
Stipendium für die höhere Schullaufbahn<br />
stand nicht zur rechten Zeit zur Verfügung<br />
MaGaZIn<br />
Ich sterbe für die Freiheit!<br />
Robert Blum: Ein tragischer Held<br />
oft sind die Spuren der Geschichte unscheinbar, auch wenn große Männer sie hinterlassen<br />
haben. Eine dieser Spuren, durch die die Vergangenheit wie durch ein kleines fenster<br />
hindurch scheint, findet sich in unserem Grundgesetz wieder. dort heißt es in artikel 140:<br />
„niemand darf zu einer kirchlichen Handlung oder feierlichkeit oder zur Teilnahme an<br />
religiösen Übungen […] gezwungen werden.“ Ein wichtiges Grundrecht, gerade für Humanistinnen<br />
und Humanisten. Wie kam es dazu?<br />
und so musste er nach der Sexta abgehen.<br />
Er begann verschiedene Handwerksberufe,<br />
wurde schließlich als Gelbgießer freigesprochen,<br />
ein mäßig anspruchsvoller Metallberuf.<br />
Nach seiner kurzen Gesellenwalz heuerte<br />
er als Vertreter für Rüböl-Laternen an.<br />
Seinerzeit wurde das Nachtleben der Städte<br />
illuminiert, und so wurde Blum auch in<br />
diesem ganz handfesten Sinn zu einem der<br />
ersten Lichtbringer der modernen Zeiten.<br />
Er kam weit herum, doch sein Bildungshunger<br />
war noch immer ungestillt. In München<br />
und Berlin nahm er als Gasthörer an<br />
universitären Vorlesungen teil. Erste literarische<br />
Arbeiten entstanden, einige Gedichte<br />
wurden veröffentlicht. Die französische<br />
Juli-Revolution – Frankreich wieder eine<br />
Republik! – und die politische Gärung in<br />
Deutschland, der Freiheitskampf der Polen,<br />
Burschenschaftler und Hambacher Fest<br />
entflammten ihn.<br />
Doch dann fanden die freien Jahre der<br />
Wanderschaft abrupt ihr Ende, als das Lampenunternehmen<br />
Pleite ging. Blum wandte<br />
sich zurück nach Köln, und 1830 wurde<br />
der belesene Dilettant beim dortigen Stadttheater<br />
angestellt – als Theaterdiener. Nach<br />
zwei Jahren folgte er dem Prinzipal Ringelhardt<br />
nach Leipzig. Hier entfaltete er seine<br />
Talente, wirkte wie ein Hansdampf in allen<br />
Gassen. Er schrieb eigene Theaterstücke,<br />
freilich ohne rechten Erfolg, publizierte Artikel<br />
zu Literatur und Politik und gab selbst<br />
Zeitschriften und auch Lexika heraus; sein<br />
3/2008 9
„Theater-Lexikon“ in sieben Bänden wurde<br />
zum Standardwerk. Die „Sächsischen<br />
Vaterlandsblätter“ erschienen unter seiner<br />
Ägide, dann die „Constitutionelle Staatsbürger-Zeitung“,<br />
und er produzierte unter<br />
dem Titel „Vorwärts!“ ein jährliches Volkstaschenbuch<br />
mit Essays, biographischen<br />
Porträts, Gedichten und – von ihm selbst<br />
beigesteuert – Aufsätzen über Justizirrtümer<br />
und Prozessverbrechen. Seine Zielgruppe:<br />
das Volk, die freiheitshungrigen Bürger, oftmals<br />
die Handwerker und Arbeiter. Seine<br />
Themen immer wieder: Freiheit, Gerechtigkeit,<br />
Gleichheit!<br />
Auch sein auffälliges Talent als Redner<br />
und Veranstalter von vaterländisch-literarischen<br />
Festveranstaltungen und unermüdlicher<br />
Vereinsgründer sicherten ihm schnell<br />
einen prominenten Platz in der Leipziger<br />
Öffentlichkeit.<br />
Stadtverordneter mit der höchsten<br />
Stimmenzahl<br />
Blums politische Ambitionen waren ab<br />
den späten 1830er-Jahren unübersehbar.<br />
Seit 1839 gehörte er zum exquisiten<br />
„Hallgarten-Kreis“, dem gesamtdeutschen<br />
Zentrum der liberalen Opposition. Das<br />
entscheidende Datum für seinen Aufstieg<br />
auch zum formal legitimierten Führungskreis<br />
<strong>des</strong> Vormärz ist der 12. August 1845.<br />
An diesem Tag besuchte der sächsische<br />
Prinz Johann, unbeliebt, katholisch, autokratisch,<br />
das bereits bürgerlich-unruhige<br />
Leipzig. Eine Volksmenge demonstrierte<br />
gegen ihn, Soldaten wurden gerufen, sie<br />
schossen in die Menge. Der schon stadtbekannte<br />
Blum beruhigte eine aufgebrachte<br />
Menge. „Verlasst den Boden <strong>des</strong> Gesetzes<br />
nicht!“ rief er ihr donnernd zu. Dann<br />
führte er eine erhitzte Versammlung vors<br />
Rathaus, in beeindruckender Stille, und<br />
verkündete die Forderungen: Austausch<br />
der Garnison, Untersuchungskommission.<br />
Tags drauf sprach er die Trauerrede für<br />
die Gefallenen, viele Tausende hören zu.<br />
Im Herbst darauf waren Stadtverordnetenwahlen:<br />
Blum erhielt die höchste Stimmzahl<br />
aller Bewerber.<br />
Jetzt kamen die Dinge für Blum auch beruflich<br />
in Bewegung. Er folgte seinem Unternehmernaturell,<br />
die „Verlagsbuchhandlung<br />
Blum & Co.“ wurde gegründet. Doch<br />
blieb ihm dafür nur wenig Zeit. 1848 zog<br />
er als Leipziger Abgeordneter ins Parlament<br />
ein. Im Gepäck hatte er übrigens auch eine<br />
ausdrückliche Vollmacht der jüdischen Ge-<br />
30<br />
3/2008<br />
meinde Leipzigs, in der sie ihn ermächtigte,<br />
für die Gemeinde zu sprechen und sich für<br />
umfassende Glaubensfreiheit einzusetzen.<br />
Hier nun ist Blums Bedeutung für die religiöse<br />
Reformbewegung <strong>des</strong> Vormärz nachzutragen.<br />
Verbunden war dieser Aufbruch<br />
vor allem mit der Person <strong>des</strong> schlesischen<br />
Pfarrers Johannes Ronge. Dessen offener<br />
Brief an den Trierer Bischof Arnoldi wurde<br />
1842 zuerst von Blums Zeitung, den „Sächsischen<br />
Vaterlandsblättern“, abgedruckt<br />
und fand rasch massenhafte Verbreitung.<br />
In diesem „Sendschreiben“ geißelte der bis<br />
dahin unbekannte katholische Geistliche<br />
den Popanz, der um den „Trierer Rock“,<br />
eine Reliquie zweifelhaften Ursprungs, getrieben<br />
wurde. Ronges Kritik schlug ein<br />
wie ein Bombe und erschütterte das religiös-politische<br />
Gefüge <strong>des</strong> Vormärz. In<br />
der Folge gründeten sich überall im Reich<br />
deutschkatholische und freie Gemeinden.<br />
Sie fanden ihre Klientel vor allem in der<br />
Arbeiterschaft und im Kleinbürgertum,<br />
oft mit einem Akademiker an der Spitze.<br />
Gemeinsam mit Ronge organisierte Blum<br />
in Sachsen den Deutschkatholizismus und<br />
stürzte sich in die örtliche Gemeindearbeit.<br />
Er übernahm dabei auch Pfarreraufgaben,<br />
predigte, hielt Leichenreden, nahm<br />
Trauungen vor. „Kirchenvater“ nannte er<br />
sich scherzhaft, die ersten Blum-Portraits<br />
wurden verkauft. 1847 gab er ein „Gebet-<br />
und Gesangbuch für deutsch-katholische<br />
Christen“ mit Choralmelodien heraus.<br />
Sein Bemühen, der Bewegung eine Form<br />
zu geben, ist nicht zu übersehen. Und in der<br />
Tat lag die eigentliche Pointe <strong>des</strong> Deutsch-<br />
Katholizismus weniger in seinen religiösen<br />
Inhalten im engeren Sinne. Viel mehr als<br />
um konfessionelle Nuancen ging es um die<br />
Freiheit schlechthin, im Glauben und auch<br />
in der Organisation der Gemeinde. 1846<br />
ließ Blum in seinem „Vorwärts“ schreiben,<br />
die religiöse Reformbewegung habe „sowohl<br />
ein nationales als ein demokratisches<br />
Moment“, sie sei „die Verinnerung <strong>des</strong> Freiheitskrieges“<br />
und leite „eine gründliche Befreiung<br />
<strong>des</strong> deutschen Volkes nicht nur von<br />
den Resten der Fremdherrschaft, sondern<br />
auch von seiner Selbstentfremdung ein.“<br />
Dies spiegle sich in der Verfasstheit der Gemeinden<br />
wieder: denn deutschkatholische<br />
Gemeinden hätten notwendigerweise eine<br />
„demokratische Verfassung“.<br />
durch Streitereien zermürbt<br />
Der Linkshegelianer Bruno Bauer war es,<br />
der als einer der ersten auf die geistigen Zusammenhänge<br />
zwischen der freireligiösen<br />
„Reformation“ und dem späteren Scheitern<br />
<strong>des</strong> Paulskirchen-Parlaments aufmerksam<br />
machte. Bauer, nicht ohne Ärger, sah<br />
in beidem den gleichen verhängnisvollen<br />
Geist wirken: die Unentschlossenheit, den<br />
mangelnden Willen, vom Räsonnieren<br />
zur Tat zu schreiten, das Zurückschrecken<br />
vor dem Ziehen der notwendigen Konsequenzen.<br />
Ebenso wenig wie die „Reformatoren“<br />
bereit waren, den Boden <strong>des</strong> christlichen<br />
Glaubens zu verlassen und zu einer<br />
wirklich nur auf der Vernunft gegründeten<br />
Weltanschauung zu gelangen, und von dort<br />
aus die Befreiung der Gemeindemitglieder<br />
nicht nur aus religiösen Schranken, sondern<br />
auch zu mündigen Staatsbürgern einer demokratischen<br />
Republik zu bewerkstelligen,<br />
so wenig wollte sich das Frankfurter Parlament<br />
an die Spitze der Volksbewegung für
echte Demokratie setzen und die allerorts<br />
gärende Hefe in seinem Sinne ausnutzen.<br />
Auf der Klaviatur <strong>des</strong> Umsturzes wollte man<br />
hier wie dort nicht spielen – oder vermochte<br />
es nicht.<br />
So sah es im Herbst <strong>des</strong> Jahres 1848 wohl<br />
auch Robert Blum. Verschlissen und zermürbt<br />
von kleinlichen Streitereien versuchte<br />
der Abgeordnete Blum in der Paulskirche<br />
seine Ideale durchzusetzen. Und es ging<br />
nur wenig, sehr wenig voran. Weitsichtiger<br />
als andere ahnt er bereits das Scheitern der<br />
Revolution. Da kommt ein Hilferuf aus der<br />
Stadt Wien gerade recht. Dort hat man das<br />
Reden hinter sich und ist zur Tat geschritten,<br />
zur offenen Rebellion. Die Paulskirche<br />
soll und will eine Delegation an die Donau<br />
schicken, in diplomatischer Mission,<br />
aber auch um ihre Unterstützung zumin<strong>des</strong>t<br />
symbolisch zu zeigen. Blum ist sofort<br />
dabei und ergreift so die Chance, aus dem<br />
mühevollen Gehäuse der Parlamentsarbeit<br />
auszubrechen sich durch die Reise auch ein<br />
wenig von ihr zu erholen.<br />
blum verdient „alles“<br />
Im 17. Oktober trifft er in Wien ein. Die<br />
revolutionäre Stimmung begeistert ihn, so<br />
hätte er es sich auch anderswo gewünscht.<br />
Doch schon drei Tage darauf ist die Libertinage<br />
vorbei. Kaiserliches Militär ist vor der<br />
Stadt in Stellung gegangen, geführt vom<br />
Feldmarschall Alfred Fürst zu Windischgrätz.<br />
Am 22. Oktober verhängt dieser den Belagerungszustand<br />
über Wien, die Stimmung<br />
in der Stadt erhitzt sich. Dann verlangt der<br />
Fürst die Unterwerfung. Undenkbar! Am<br />
25. Oktober treten Blum und sein Mitdelegierter,<br />
der Abgeordnete Julius Fröbel,<br />
als Hauptleute in die Wiener Nationalgarde<br />
ein. Nun herrscht offener Bürgerkrieg. Drei<br />
Tage verteidigt Blum nicht ohne Geschick<br />
und militärischen Erfolg eine strategisch<br />
wichtige Brücke, dann ist es vorbei. Wien<br />
kapituliert. Die Frankfurter Delegation bereitet<br />
sich auf die Abreise vor, meint sich im<br />
Schutz der parlamentarischen Immunität.<br />
Am 4. November schreibt Blum – wie auch<br />
Fröbel – an den Stadtkommandanten, man<br />
möge ihm Ausreisepapiere zukommen lassen.<br />
Ein naiver Fehler – da erst werden sie<br />
auf ihn aufmerksam, er wird sofort verhaftet.<br />
Windischgrätz will ihn zunächst einfach<br />
abschieben, aber sein Schwager Schwarzenberg,<br />
<strong>des</strong>ignierter Ministerpräsident, erkennt<br />
die unverhoffte Chance, ein Zeichen<br />
zu setzen gegen die Demokratenpest. So<br />
schreibt Schwarzenberg nach Wien: Blum<br />
„verdient Alles“.<br />
Robert Blum starb am 9. November<br />
1848. Er wurde auf der Wiener Brigittenau<br />
auf Betreiben <strong>des</strong> habsburgischen Establishments<br />
standrechtlich erschossen, will<br />
heißen: ermordet. Das Schnellgericht hatte<br />
nicht viel auf eine solche Petitesse wie parlamentarische<br />
Immunität gegeben. Politische<br />
Bedenken – schließlich hatte man einen<br />
prominenten und einflussreichen Mann<br />
vor sich – wurden zwar erwogen, aber rasch<br />
beiseite geschoben. Nicht einmal die Ehre<br />
eines ordentlichen Begräbnisses haben sie<br />
ihm erwiesen; sein Leichnam wurde namenlos<br />
verscharrt.<br />
Blums letzte Worte sollen gewesen sein:<br />
„Ich sterbe für die Freiheit. Möge das Vaterland<br />
meiner Eingedenk sein.“ Nach einer<br />
langen Schrecksekunde war es das auch.<br />
Man konnte die Schandtat zunächst nicht<br />
glauben. „So weit würden sie nicht gehen!“,<br />
hieß es allenorten. Doch die Reaktion war<br />
so weit gegangen, auch – und vielleicht<br />
vor allem – um dem Parlament und den<br />
Demokraten insgesamt zu zeigen, dass die<br />
reale Macht allein bei den herrschenden<br />
Adelshäusern und ihren Regierungen war,<br />
und nicht etwa mit den Volksvertretern in<br />
Frankfurt. Insofern markiert die Ermordung<br />
Blums symbolisch das Scheitern der<br />
deutschen Revolution im Ganzen. Einige<br />
Zeit lebte Blum noch als Erinnerungsikone,<br />
als „Märtyrer“ fort. Eine Sammlung zur<br />
Unterstützung seiner Familie – er hatte vier<br />
Kinder – erbrachte immerhin gewaltige<br />
Summen, und sein Konterfei oder Szenen<br />
aus seinem Leben und Sterben zierten Pfeifen,<br />
Standuhren, Porzellanteller. Porträts<br />
wurden mit schwarz-rot-goldenem Trauerflor<br />
verkauft, Gedichte besangen sein Ende,<br />
am bekanntesten wohl das <strong>des</strong> Revolutionsdichters<br />
Freiligrath.<br />
letzte Konsequenz: bewaffneter Kampf<br />
Was bleibt? Die Tragödie. Blum, der eigentlich<br />
nichts falsch gemacht hat, hatte zu<br />
büßen für die Lauheit der anderen. Auch<br />
er selbst war eher ein Mann <strong>des</strong> Ausgleichs,<br />
nicht der gewaltsamen Entscheidung;<br />
der Debatte, nicht der Barrikaden. Doch<br />
mit den Mitteln <strong>des</strong> schnell verhallenden<br />
Wortes und eines unvollkommenen Rechts<br />
ließen sich keine Regime stürzen, die im<br />
vollen Saft ihrer militärisch gesicherten,<br />
dynastischen Arroganz standen. Erst am<br />
Schluss – den er freilich nicht als solchen<br />
ahnen konnte – zog Blum auch die letzte<br />
Konsequenz und wählte den bewaffneten<br />
Kampf gegen die verhasste Unterdrückung.<br />
Das versöhnte postum die kommunistischsozialistischen<br />
Revolutionäre mit ihm. Was<br />
auch für Otto von Bismarck gilt, der Blum<br />
später in nun wirklich atemberaubender<br />
Unverschämtheit als einen seiner Fraktion<br />
ausgeben wollte. Schließlich nahm sich<br />
die Arbeiterbewegung seiner an. Kein geringerer<br />
als Wilhelm Liebknecht gliederte<br />
ihn mit einer Biographie und der Herausgabe<br />
seiner Schriften in die Frühgeschichte<br />
der Sozialdemokratie ein – zu Recht, wie<br />
es scheint, denn in seinem Wirken und<br />
Denken finden sich wichtige Elemente <strong>des</strong><br />
sozialdemokratischen Politikverständnisses.<br />
Das freilich braucht, um wirken zu können,<br />
andere Voraussetzungen als Blum sie vorfinden<br />
durfte. l<br />
Zum Weiterlesen:<br />
Robert Blum – ein Demokrat, Revolutionär und<br />
Freigeist. – Neustadt : Angelika Lenz Verlag,<br />
2007. – 8,90 Euro<br />
Das Buch beleuchtet sein Wirken für die Entstehung<br />
der neuen Religionsbewegung als Opposition<br />
zur katholischen Kirche.<br />
Robert Blum als Terrakottafigur, Konstanz,<br />
Rosgartenmuseum<br />
3/2008 3
Ralf Bachmann<br />
n Ganze Büchereien haben Historiker,<br />
Literaten und Journalisten bereits über die<br />
verschiedenen Aspekte dieses Verbrechens<br />
verfasst: über die zentrale Steuerung der<br />
angeblich spontanen Pogrome, über die<br />
gnadenlose Zerstörung jüdischer Heiligtümer<br />
und ganz profaner Besitztümer durch<br />
den SA-Mob. Aber auch über die bereitwillige<br />
Beteiligung von Millionen „einfachen<br />
Deutschen“ an der physischen und psychischen<br />
Verletzung unschuldiger jüdischer<br />
Männer, Frauen und Kinder, die noch gestern<br />
ihre lieben Nachbarn waren, über die<br />
zynische Verherrlichung der nie gesühnten<br />
Schandtaten in der seinerzeitigen deutschen<br />
Presse, über die Tapferkeit einzelner Mitbürger<br />
vom Handwerksgesellen bis zum<br />
Polizeiwachtmeister bei der Rettung von<br />
Synagogen und Menschen.<br />
auch ein Stück meiner eigenen<br />
Geschichte<br />
Als Vorwand für die offensichtlich von der<br />
obersten Führung genau geplante Judenhatz<br />
diente ein Attentat <strong>des</strong> jungen Herschel<br />
Grynszpan auf den Pariser Gesandtschaftsrat<br />
Ernst vom Rath am 7. November. Binnen<br />
weniger Stunden kam es im gesamten<br />
Reichsgebiet (dem seit März 1938 ja auch<br />
Österreich angehörte) zum Ausbruch judenfeindlicher<br />
Gewalttaten, wie sie bis dahin<br />
in der Geschichte moderner Staaten nicht<br />
ihresgleichen hatten. Politiker und Wissenschaftler<br />
werden den „runden“ Jahrestag<br />
zum Anlass nehmen, noch einmal mit Zahlen<br />
und Fakten zu Vorgeschichte, Dimensionen<br />
und welterschütternden Folgen <strong>des</strong><br />
Novemberpogroms Stellung zu nehmen.<br />
Ich kann und will das nicht. Richard von<br />
Weizsäcker hat jedoch vor fast genau zehn<br />
Jahren im gleichen Zusammenhang kritisch<br />
bemerkt: „Unsere Geschichte gehört nicht<br />
nur den Historikern.“ Nein, sie ist auch<br />
unsere, meine Geschichte. Ich werde mich<br />
ganz bewusst im wesentlichen auf meine<br />
eigenen Erlebnisse beschränken. Eine einfache<br />
Rechnung ergibt, dass Augenzeugen<br />
<strong>des</strong> 9. November 1938, selbst wenn sie<br />
damals nur Kinder waren, heute das achtzigste<br />
Lebensjahr fast erreicht oder schon<br />
überschritten haben müssen. Aus eigener<br />
3<br />
3/2008<br />
MaGaZIn<br />
Ein Tag im November<br />
der 9. november ist ein Schicksalstag in deutschland. da herrscht in den Redaktionen kein<br />
Mangel an Kommentarstoffen. Je nach politischer Richtung wird betroffen, begeistert oder<br />
wenigstens bewegt über die Jubiläen dieses Tages, über erfolgreiche und gescheiterte<br />
Revolutionen und Putsche, aktionen und Reaktionen geschrieben. am meisten nachdenklich<br />
sind gewöhnlich die Kommentare zu dem für die deutsch-jüdische Geschichte gravierendsten,<br />
weil einen Schlussstrich ziehenden november-Ereignis, das nicht zufällig bislang<br />
keinen wirklich zutreffenden namen besitzt. die von den nazis beschönigend so genannte<br />
Reichskristallnacht, heute gern ungenau und nicht weniger aussagearm Reichspogromnacht<br />
betitelt, wurde Symbol der diskriminierung, Verfolgung, Vertreibung und Vernichtung<br />
der deutschen Juden. am 9. november 2008 jährt sich diese nacht zum 70. Male.<br />
Anschauung berichten, was damals an Ungeheuerlichem<br />
geschah, können immer weniger.<br />
Umso größer ist ihre Verpflichtung,<br />
es zu tun. Ihr Zeugnis, und sei es nur für<br />
ein kleines Detail, ist eine Waffe gegen die<br />
nie aussterbenden Leugner und Verfälscher,<br />
erhöht Gewicht und Glaubhaftigkeit von<br />
Artikeln und Vorträgen der Experten.<br />
Ich war damals noch keine neun Jahre<br />
alt und wohnte mit meinen Eltern in der<br />
sächsischen Textilarbeiterstadt Crimmitschau.<br />
Dort gab es nicht sehr viele Juden,<br />
aber da meine Eltern viele Leidensgefährten<br />
aus der weiteren Umgebung gut kannten,<br />
klingelte und klopfte es die ganze Nacht<br />
zwischen dem 9. und dem 10. an unserer<br />
Tür. Die meisten Besucher erhofften ein<br />
kurzes Asyl und ein wenig Ruhe, da mein<br />
Vater Nichtjude und zu erwarten war, dass<br />
„Mischehen“ an diesem Tag noch nicht auf<br />
der „spontanen“ Menschenjagdagenda der<br />
Nazis standen.<br />
Weinen aus tiefer Enttäuschung<br />
Sie kamen, um uns nicht in Schwierigkeiten<br />
zu bringen, so unauffällig, wie man das mit<br />
blutenden Wunden und frischen Verbänden<br />
eben kann. Ich hockte still unter dem<br />
großen Stubentisch, denn niemand dachte<br />
daran, mich ins Bett zu schicken, und hörte<br />
alles mit. Jeder erzählte sein Erlebnis mit<br />
der SA und anderen „deutschen Volksgenossen“.<br />
Fast alle weinten, nicht nur der<br />
Schmerzen oder <strong>des</strong> Schocks wegen, sondern<br />
auch aus tiefer Enttäuschung darüber,<br />
dass sich Nachbarn, Freunde, Skat- und<br />
Stammtischbrüder an den Misshandlungen<br />
und Plünderungen beteiligt hatten. Zum<br />
erstenmal war allen bewusst geworden, dass<br />
sie es hier nicht mit einer Horde verrückter<br />
Nazis zu tun hatten, sondern mit der Mehrheit<br />
<strong>des</strong> Volkes, welches bis gestern auch das<br />
ihre gewesen war.<br />
Wer als Jude noch etwas Bargeld auftreiben<br />
konnte oder zahlungskräftige An-
gehörige in Übersee besaß, konnte nur eine<br />
Schlussfolgerung ziehen: So schnell und so<br />
weit wie möglich fort von hier, auch wenn<br />
das hieß, weg aus der Heimat, weg von Hab<br />
und Gut, weg von der einzigen Sprache, die<br />
man seit dem ersten Lallen sprach. Ich hörte<br />
die abenteuerlichsten Flucht- und Reisepläne,<br />
von denen die meisten schon am nächsten<br />
Tag wie Seifenblasen zerplatzten, weil<br />
in Wahrheit allein 30.000 jüdische Männer<br />
nicht über irgendeine Grenze, sondern nach<br />
Buchenwald und in andere Konzentrationslager<br />
kamen.<br />
In meiner Erinnerung vermischen sich<br />
ihre Berichte mit Gerüchen, die mir bis dahin<br />
fremd waren – dem Geruch von Blut<br />
und von beißendem Rauch in den Kleidern<br />
der Besucher. Und noch eine scheinbare<br />
Kleinigkeit ist mir von jenem Tag im Gedächtnis<br />
geblieben: Hunderte von Knöpfen<br />
waren auf den Teppich gefallen. Viele<br />
der Schutzsuchenden hatten seit Jahren<br />
nur die Möglichkeit gehabt, sich als Hausierer<br />
durchzuschlagen. Von nun an, mit<br />
den Erfahrungen eines Tages, an dem sie<br />
dabei mit Faustschlägen und Stockhieben<br />
verjagt worden waren, hätten sie sich mit<br />
ihren Bauchläden in kein Haus mehr gewagt.<br />
Ihre Ware, Knöpfe, Senkel, Nadeln,<br />
Zwirn und Gummilitze, ließen sie bei uns,<br />
es wäre auf dem vermeintlichen Weg nach<br />
Amerika nur Ballast gewesen. Der einzige,<br />
der mit dem Knopfsegen etwas anzufangen<br />
vermochte, war ich. Ich baute aus Hosen-,<br />
Zier- und Wäscheknöpfen aller Größen<br />
Tiergehege und spielte damit und mit einer<br />
großen Portion Phantasie Zoodirektor.<br />
Ein kleiner Beutel dieser Wäscheknöpfe,<br />
den mir meine Mutter aufgehoben hat,<br />
liegt noch heute zum ewigen Gedenken<br />
an die Nacht <strong>des</strong> Schauderns in meinem<br />
Schreibtisch.<br />
„Überall in den nestern der Itzigs<br />
loderten die flammen“<br />
Wie viel an jenem Tag in Flammen aufgegangen<br />
war, sah ich am nächsten Tag, als<br />
meine Eltern in Sorge um das Schicksal <strong>des</strong><br />
Bruders meiner Mutter und seiner Familie<br />
mit mir nach Leipzig fuhren. Am Augustusplatz<br />
war das Eckhaus zur Grimmaischen<br />
Straße völlig ausgebrannt, in dem sich das<br />
große jüdische Konfektionshaus Bamberger<br />
& Hertz befunden hatte. Was hier<br />
geschehen war, durfte man nicht einmal<br />
aussprechen. Die vom offiziellen Naziorgan<br />
„Leipziger Tages-Zeitung“ verbreitete Versi-<br />
on lautete nämlich, „die Juden“ hätten dort<br />
„in raffinierter Weise eigenhändig Feuer<br />
angelegt“. Kein normaler Mensch glaubte<br />
das. So erzählte man überall in Leipzig den<br />
Witz, ein Vater habe mit seinem Sohn im<br />
Café am Augustusplatz bei Kuchen und<br />
Sahne gesessen und sei erschrocken, als der<br />
laut fragte: „Papa, wer hat denn Bamberger<br />
& Hertz angebrannt?“ „Ess, mein Junge“,<br />
bat er statt zu antworteten. Der Knabe wiederholte<br />
seine Frage, und der Vater sagte<br />
nachdrücklicher: „Ess, ess, mein Junge!“<br />
Nun gab sich der Sohn zufrieden: „Dacht<br />
ich mir doch gleich.“<br />
In triumphierendem Ton bilanzierte die<br />
„Leipziger Tages-Zeitung“ – wie viele deutsche<br />
Journalistengenerationen mögen deren<br />
nie zur Rechenschaft gezogene Redakteure<br />
wohl noch zu wahren Demokraten erzogen<br />
haben? – am Tage danach: „Die Synagoge<br />
an der Gottschedstraße und das Bethaus in<br />
Apels Garten waren nicht die einzigen Tempel,<br />
die die Volkswut vernichtete. Überall,<br />
wo sich die Itzigs mit ihren Thora-Büchern<br />
eingenistet hatten, loderten die Flammen.<br />
Auch die Kapelle auf dem Israelitischen<br />
Friedhof fing Feuer.“<br />
buchenwald, Havanna, auschwitz<br />
Die stolze jüdische Gemeinde von Leipzig,<br />
der nicht wenige der angesehensten Bürger<br />
der Stadt, von Warenhausbesitzern über<br />
Ärzte, Bankiers und Pelzhändlern bis zu<br />
Philosophieprofessoren, angehört hatten<br />
und die seit 1933 immer kleiner geworden<br />
war, wurde von nun an restlos und systematisch<br />
zerstört.<br />
Auch mein Onkel Willy war schon am<br />
Folgetag unmittelbar davon betroffen. Er<br />
musste sich im Polizeipräsidium melden<br />
und wurde von dort direkt in das KZ Buchenwald<br />
abtransportiert. Nach fünfeinhalb<br />
Monaten hat man ihn nur gegen die Verpflichtung<br />
entlassen, sofort aus Deutschland<br />
zu verschwinden. Am 13. Mai 1939<br />
begab er sich in Hamburg mit über 900<br />
anderen jüdischen „Kristallnacht“-Flüchtlingen<br />
an Bord <strong>des</strong> Hapag-Kreuzfahrtschiffs<br />
„St. Louis“ in Richtung Havanna. Die extrem<br />
teuren Passagen waren meist von amerikanischen<br />
Juden finanziert worden.<br />
Was dann geschah, ist in Filmen wie<br />
dem Oscar-nominierten britischen Streifen<br />
„Reise der Verdammten“, TV-Dokumentationen,<br />
Artikeln und Büchern beschrieben.<br />
Kuba annullierte die Einreiseerlaubnis, die<br />
USA nahmen keinen der Passagiere auf, weil<br />
das Jahreskontingent 1939 „für Deutsche“<br />
überschritten war. Es schien am Vorabend<br />
<strong>des</strong> Krieges keine Rettung vor der Rückkehr<br />
nach Nazideutschland und damit dem<br />
sicheren Tod zu geben, bis sich im letzten<br />
Moment England, Frankreich, Holland<br />
und Belgien zur Aufnahme der Flüchtlinge<br />
bereit erklärten. Überleben freilich bedeutete<br />
das fast nur für die in England Untergekommenen.<br />
Für meinen Onkel endete die<br />
Reise nach Zwischenstationen in Frankreich<br />
und Belgien 1942 in den Gaskammern von<br />
Auschwitz. So schlägt sein Schicksal wie das<br />
so vieler deutscher Juden die Brücke von der<br />
„Reichskristallnacht“ zum Holocaust.<br />
Erich Mühsam: Ich lehr euch<br />
Gedächtnis!<br />
Ein jüdischer Essayist hat davor gewarnt,<br />
das Gedenken einseitig zu sehen. Trübsinnig<br />
rückwärts zu meditieren genüge nicht,<br />
man müsse mutiger vorwärts handeln. Zu<br />
neuem Nachdenken und Tun gibt es manchen<br />
Anlass. Vor wenigen Tagen las ich in<br />
einer Zeitschrift Zitate aus Polizeiprotokollen<br />
von NPD-Aufmärschen. In Frankfurt<br />
am Main gab es Sprechchöre „Juden raus<br />
aus deutschen Straßen!“ und „BRD, Judenstaat,<br />
wir haben dich zum Kotzen satt!“, in<br />
München schrie einer bei der Festnahme:<br />
„Judenschweine, verpisst euch doch!“, in<br />
Hamburg skandierten die Neonazis bei einer<br />
Demonstration an diesem 1. Mai die<br />
Parole „Nie wieder Israel!“<br />
Man darf es nicht so weit kommen lassen,<br />
dass die Enkel der Schuldigen <strong>des</strong> 9.<br />
November 1938 ihre Worte von heute zur<br />
Tat von morgen werden lassen können. Den<br />
Anfängen wehren? Sie gab es längst und<br />
ohne allzu große Aufregung auszulösen.<br />
Fast unbewegt hörte die Öffentlichkeit den<br />
Vorsitzenden der NPD pöbeln, aus den<br />
Stelen <strong>des</strong> Holocaust-Mahnmals könnten<br />
die Fundamente einer neuen Reichskanzlei<br />
werden.<br />
Es ist wieder 9. November. Darf man das<br />
Datum übergehen? Der Jude und Anarchist<br />
Erich Mühsam schrieb im Angesicht <strong>des</strong><br />
nahen To<strong>des</strong> 1934 an die Mitgefangenen<br />
im Zuchthaus Oranienburg, die »Kameraden<br />
der Not«, bald werde das Henkerbrot<br />
in den Kerker gereicht. Aber es werde die<br />
Zeit kommen, da die Welt sich befreit und<br />
das Leben in lockenden Sprachen spricht.<br />
Sein letztes Vermächtnis für diese Zeit sei:<br />
»Vergesst eure Not, eure Leiden nicht! Ich<br />
lehr euch: Gedächtnis!« l<br />
3/2008 33
3<br />
3/2008
üller<br />
Stockholm – Dompfarrer Jan Olof<br />
Johansson aus Växjö möchte schreiende<br />
Kleinkinder samt ihren Eltern<br />
durch eine Glaskabine im Kirchenschiff<br />
vom Rest der Gottesdienstbesucher<br />
trennen, damit der Gottesdienst<br />
störungsfrei verlaufen kann.<br />
Die Regionalverwaltung lehnte<br />
dies mit dem Hinweis auf die kulturhistorische<br />
Bedeutung der Kirche<br />
ab. Eine Glaskabine würde die<br />
Optik im Innern der Kirche stören.<br />
Johansson ging gegen den Bescheid<br />
in Berufung: „Kinder sind in der<br />
Kirche natürlich willkommen, aber<br />
leider entdecken sie, dass es hier<br />
einen fantastischen Effekt ergibt,<br />
wenn man schreit“, erklärte der<br />
Geistliche gegenüber einem lokalen<br />
Radiosender.<br />
bayern-buddhas<br />
München – Die Neuzugänge <strong>des</strong><br />
FC Bayern kommen aus Burma<br />
und sind mit Gold besetzt. Sie<br />
schießen keine Tore sondern sitzen<br />
nur so rum: auf dem Dach<br />
<strong>des</strong> neuen Leistungszentrums, auf<br />
den Fensterbänken und auf dem<br />
Boden. Der neue Trainer Jürgen<br />
Klinsmann hat vier Buddhas aufstellen<br />
lassen. Die Idee stammt von<br />
Innenarchitekt Jürgen Meißner, der<br />
in Klinsis Auftrag das Leistungszentrum<br />
gestalten und für einen<br />
„guten Energiefluss“ (Klinsmann)<br />
sorgen sollte. Das kam nicht überall<br />
gut an. So kritisierte der CSU-Politiker<br />
Norbert Geis die Installation<br />
der goldenen Figuren als „abwegig“<br />
und forderte vom Coach, „seine religiösen<br />
Gefühle nicht seinen Spielern<br />
aufzwingen“.<br />
KREuZ & QuER<br />
naked Mission impossible<br />
Salt Lake City – Geharnischte Post<br />
von seiner Glaubensgemeinschaft<br />
bekam der Mormone Chad Hardy,<br />
31, aus Las Vegas, der einen Fotokalender<br />
mit halbnackten männlichen<br />
Laienmodels herausgegeben<br />
hatte. Bei den abgebildeten Männern<br />
mit lediglich freiem Oberkörper<br />
handelt es sich um Feuerwehr-<br />
der diesseits -Gedanke<br />
männer und Soldaten, die zuvor<br />
als Missionare tätig waren. Rund<br />
10.000 Exemplare gingen für einen<br />
guten Zweck über den Ladentisch.<br />
Trotzdem droht ihm nun ein Ausschluss<br />
aus seiner Kirche. Hardy<br />
sieht es gelassen, inzwischen hat er<br />
mehr als einhundert Anfragen, alles<br />
ehemalige Missionare, die für den<br />
Kalender 2009 posieren wollen.<br />
Hüte deine Zunge<br />
Bhubaneshwar – In der Stadt<br />
Rourkela im Bun<strong>des</strong>staat Orissa<br />
(Indien) hat sich ein 25 Jahre alter<br />
Mann in einem Tempel mit einer<br />
Rasierklinge seine eigene Zunge abgeschnitten,<br />
um dem Hindu-Gott<br />
Shiva ein Opfer darzubringen.<br />
Anschließend deponierte er das<br />
Körperteil an einer Statue Shivas.<br />
Priester riefen daraufhin die Poli-<br />
Die Grundlage <strong>des</strong> Christentums ist ein Apfel.<br />
Gustave Flaubert, französischer Schriftsteller<br />
1821 bis 1880<br />
zei. Der verletzte Gläubige wurde<br />
ins Krankenhaus gebracht. Dort<br />
hoffen die Ärzte, dass er nach einer<br />
Operation wieder sprechen können<br />
werde. In Indien gibt es eine alte<br />
Tradition, Hindu-Götter durch<br />
Opfer zu beschwichtigen.<br />
Hochzeit ohne Stan<strong>des</strong>amt<br />
München – In Deutschland sind<br />
künftig kirchliche Hochzeiten ohne<br />
Trauung beim Stan<strong>des</strong>amt möglich.<br />
Das ergibt sich laut „Süddeutscher<br />
Zeitung“ aus einer von der Öffentlichkeit<br />
weitgehend unbemerkten<br />
Änderung <strong>des</strong> Rechts der Eheschließung,<br />
die am 1. Januar 2009<br />
in Kraft tritt. Die Neuregelung ist<br />
Bestandteil <strong>des</strong> gänzlich neu gestalteten<br />
Personenstandsgesetzes. Der<br />
Regensburger Familienrechtsprofessor<br />
Dieter Schwab wies im Blatt<br />
auf weitreichende Folgen hin: „Ein<br />
Paar, das sich kirchlich, aber nicht<br />
stan<strong>des</strong>amtlich trauen lässt, befindet<br />
sich in einer Ehe, die vom staatlichen<br />
Recht als nichteheliche Gemeinschaft<br />
angesehen wird – mit<br />
allen Konsequenzen.“ Dies bedeute:<br />
kein Unterhalt, kein Erbrecht,<br />
keine Schutzvorschriften für den<br />
Schwächeren beim Scheitern der<br />
Ehe, auch kein Zugewinnausgleich.<br />
Die bisherige Bestimmung, dass<br />
die stan<strong>des</strong>amtliche einer kirchlichen<br />
Hochzeit vorausgehen muss,<br />
geht auf eine Regelung von 1875<br />
zurück. Bei Zuwiderhandlung habe<br />
Priestern lange eine Bestrafung gedroht,<br />
zuletzt sei dies aber nur noch<br />
eine Ordnungswidrigkeit ohne<br />
Sanktion gewesen.<br />
Die Neuregelung blieb weitgehend<br />
unbemerkt, weil sie im vergangenen<br />
Jahr zu später Stunde im Bun<strong>des</strong>tag<br />
beschlossen worden und die<br />
Reden nur zu Protokoll gegeben<br />
worden seien.<br />
Relativ viel<br />
London – Ein handgeschriebener<br />
Brief von Albert Einstein hat für<br />
260000 Euro den Besitzer gewechselt.<br />
Das Schreiben, das Einstein im<br />
Jahr 1954 – ein Jahr vor seinem Tod<br />
– verfasst hatte, erzielte damit mehr<br />
als das 25-fache <strong>des</strong> erwarteten Preises,<br />
teilte das Aktionshaus Bloomsbury<br />
in London mit. In den Briefen<br />
an den Philosophen Eric Gutkind<br />
erklärt Einstein, das Wort „Gott“<br />
sei lediglich ein Ausdruck und das<br />
Produkt menschlicher Schwäche<br />
und die Bibel eine Sammlung kindischer<br />
Legenden.<br />
3/2008 35
3<br />
German for Sie<br />
15 Lektionen Neudeutsch für<br />
Amateure mit Ralf Bachmann<br />
Unser Autor Ralf Bachmann<br />
hat über viele Jahre für die Senioren<strong>zeitschrift</strong><br />
„Spätsommer“<br />
Sprachglossen verfasst, die jetzt<br />
in einer noch unveröffentlichten<br />
Sammlung erhältlich sind. Die<br />
jeder „Lektion“ angehängten<br />
Wortbeispiele sollen helfen, mit<br />
Begriffen zurecht zu kommen,<br />
die zur Alltagssprache geworden<br />
sind, obwohl viele sie überhaupt<br />
nicht verstehen. Die Leser sollen<br />
spüren, dass man sich dafür<br />
nicht schämen muss, dass manches<br />
„Neusprech“ keine höhere<br />
Bildung verrät, sondern einfach<br />
lächerlich ist. Interessenten<br />
melden sich bitte bei diesseits<br />
(diesseits@humanismus.de). Wir<br />
schicken Ihnen das Manuskript<br />
als Datei gern kostenlos zu.<br />
3/2008<br />
Recht und Religion<br />
auSlESE<br />
Welche rechtlichen Prinzipien<br />
sollen das soziale Miteinander in<br />
einer multireligiösen Gesellschaft<br />
prägen? Worin besteht das Ausmaß<br />
und worin die Grenze <strong>des</strong> Rechts<br />
auf freie Religionsausübung? Über<br />
welchen rechtlichen Status verfügen<br />
einzelne Religionsgemeinschaften<br />
und ihre Angehörigen? Diese und<br />
andere Fragen dürften auch in Zukunft<br />
immer wieder Gegenstand<br />
öffentlicher und wissenschaftlicher<br />
Diskussionen sein. Wer zu den juristischen<br />
Grundlagen und Kontroversen<br />
eine kompakte Einführung<br />
und Überblicksdarstellung sucht,<br />
der kann ein überaus informatives<br />
und sachkundiges Werk in Gerhard<br />
Czermaks „Religions- und<br />
Weltanschauungsrecht“ finden.<br />
Der frühere Verwaltungsjurist ist<br />
durch eine Reihe von kritischen<br />
Publikationen zum Themenkomplex<br />
„Recht und Religion“ bekannt<br />
geworden. In Kooperation mit<br />
dem Würzburger Strafrechtler Eric<br />
Hilgendorf legt er eine Art Bilanz<br />
seiner bisherigen Arbeit zum Thema<br />
vor. In „Religions- und Weltanschaungsrecht“<br />
geht es den Autoren<br />
um die Vermittlung eines Grundverständnisses<br />
für die Rechts- und<br />
Verfassungsprobleme der religiösen<br />
und nicht-religiösen Sinnsysteme<br />
und der entsprechenden Gemeinschaften<br />
und Individuen. Aufgebaut<br />
ist das Werk wie ein klassisches<br />
juristisches Lehrbuch: Man findet<br />
in den einzelnen Kapiteln die wichtigsten<br />
Informationen zu Themen<br />
wie dem Stellenwert von Religion<br />
im Grundgesetz, den Grenzen individueller<br />
Religionsfreiheit, der<br />
Trennung von Staat und Religion<br />
oder rechtlichen Konflikten um<br />
Religion in Schulen. Czermak argumentiert<br />
aus der Perspektive <strong>des</strong><br />
verfassungsrechtlich begründeten<br />
Neutralitätsgebots und widerspricht<br />
damit den dominierenden<br />
juristischen Sichtweisen im Interesse<br />
der großen Kirchen. Dies geschieht<br />
aber immer in der gebotenen<br />
Sachlichkeit ohne polemische<br />
Ausfälle. Gerade in der Kombination<br />
der beiden Gesichtspunkte, der<br />
souveränen Einführung mit einem<br />
hohen Informationsgehalt und der<br />
kritischen Kommentierung von<br />
Widersprüchen in der Rechtspraxis,<br />
besteht das besondere Verdienst<br />
dieses beachtenswerten Buches.<br />
Armin Pfahl-Traughber<br />
Czermak, Gerhard: Religions-<br />
und Weltanschauungsrecht. Berlin-Heidelberg.<br />
– Springer, 2008,<br />
– 24,95 Euro<br />
der Geist <strong>des</strong> atheismus<br />
In die Diskussion über neuen Atheismus<br />
und Humanismus bringt<br />
dieses kleine Buch „Woran glaubt<br />
ein Atheist? Spiritualität ohne<br />
Gott“ eine Perspektive ein, die ehemaligen<br />
Gläubigen und Suchenden,<br />
aber gerade auch Ungläubigen<br />
sympathisch sein könnte. Statt<br />
eines rational kalten Weltbil<strong>des</strong><br />
zeichnet André Comte-Sponville<br />
eine atheistische Sicht, die von Toleranz,<br />
Barmherzigkeit und Liebe<br />
geprägt ist. Statt das Trennende in<br />
den Vordergrund zu stellen, betont
er das Verbindende, grenzt sich aber<br />
auch klar von Dogmatismus, Obskurantismus,<br />
Fundamentalismus,<br />
Fanatismus sowie vom Nihilismus<br />
und der Lauheit ab. „Der Kampf<br />
für die Aufklärung geht weiter“<br />
schreibt er, „und er war selten so<br />
dringlich, denn die Freiheit steht<br />
auf dem Spiel.“<br />
Als ehemaliger Katholik, der sich<br />
schon als 18-Jähriger von der Kirche<br />
abgewandt hat, propagiert der<br />
französische Philosoph eine Spiritualität<br />
<strong>des</strong> Bekennens statt <strong>des</strong><br />
Glaubens, <strong>des</strong> Handelns statt <strong>des</strong><br />
Hoffens und resümiert: „Ich habe<br />
das Gefühl besser zu leben, seit ich<br />
Atheist bin, klarer, freier, intensiver.“<br />
Man darf nicht schließen<br />
– schreibt er – dass die moralischen,<br />
kulturellen und spirituellen Werte<br />
einen Gott brauchen, um zu überdauern,<br />
aber dass wir als Gesellschaft<br />
der Moral, der Kommunion<br />
und <strong>des</strong> Bekenntnisses zu unserer<br />
Geschichte und unseren Werten<br />
bedürfen, um zu überleben.<br />
Vermutlich dürften die Gedanken<br />
zu einer Spiritualität der Diesseitigkeit<br />
für Atheisten am überraschendsten<br />
sein und werfen vielleicht<br />
die meisten Fragen für unser<br />
Selbstverständnis auf. Comte-<br />
Sponville interessiert sich für das<br />
spirituelle Leben, weil nicht an<br />
Gott zu glauben nicht heißt, keinen<br />
Geist zu haben und uns auch nicht<br />
erspart, ihn zu benutzen. „Nur weil<br />
ich Atheist bin, will ich doch meine<br />
Seele nicht kastrieren. Geist ist<br />
eine zu bedeutsame Sache, als dass<br />
man sie den Priestern, Mullahs und<br />
Spiritualisten überlassen dürfte. Er<br />
ist der höchste Teil <strong>des</strong> Menschen<br />
oder besser: seine höchste Funktion,<br />
die uns anders, mehr und besser<br />
macht als die Tiere, die wir ja auch<br />
sind.“ Er beschreibt das Erlebnis<br />
eines „ozeanischen Gefühls“ und<br />
stellt fest, dass das Paradies daneben<br />
läppisch wirkt: „Was ich erlebte<br />
oder erahnte, war eine Wahrheit<br />
ohne Worte, ein Bewusstsein ohne<br />
Ego, ein Glück ohne Narzissmus.<br />
Intellektuell sehe ich darin keinen<br />
Beweis für was auch immer, aber<br />
ich kann auch nicht so tun, als<br />
wäre nichts gewesen. ... Ich habe<br />
nie etwas Besseres erlebt, nichts<br />
Einfacheres, Stärkeres, Erschütternderes.“<br />
Er beschreibt einen undogmatischen<br />
Atheismus, der mir im<br />
Wesentlichen deckungsgleich mit<br />
dem vom Humanistischen <strong>Verband</strong><br />
(HVD) vertretenen Humanismus<br />
zu sein scheint, erweitert<br />
um eine spirituelle Komponente,<br />
die das Jenseitige verneint, aber<br />
das Mystische nicht ausspart und<br />
so die Diskussion über den neuen<br />
Humanismus befruchtet und erweitert.<br />
Für ihn ist Humanismus<br />
ein Bekenntnis zur Liebe und eine<br />
Ablehnung <strong>des</strong> Nihilismus. Mit<br />
Comte-Sponvilles Worten: „Unser<br />
Kampf soll dem Laizismus dienen.<br />
Die Atheisten müssen nur noch die<br />
passende Spiritualität erfinden.“<br />
Dieses Buch – so der Autor – soll<br />
dazu einen Beitrag leisten.<br />
Eine anspruchsvolle Lektüre mit<br />
wohl durchdachten Argumenten,<br />
einer erfrischenden Perspektive für<br />
den neuen Humanismus und einer<br />
integralen Spiritualität, die sogar<br />
eine atheistische Mystik zulässt. Er<br />
schreibt mit einer oft verblüffenden<br />
Klarheit und findet erhellende Differenzierungen.<br />
Frank Spade<br />
(Der Rezensent steht für Lesungen<br />
zur Verfügung.)<br />
Comte-Sponville, André: Woran<br />
glaubt ein Atheist? Spiritualität<br />
ohne Gott. – Diogenes, 2008,<br />
– 19,90 Euro<br />
August Thalheimer<br />
So ist die<br />
Vernunft<br />
selbst weltlich<br />
August Thalheimer (1884-<br />
1948), gehörte zunächst zum<br />
linken Flügel der Sozialdemokratie<br />
und war Redakteur diverser<br />
Zeitungen. 1918 Mitbegründer<br />
der KPD und einer ihrer führenden<br />
Theoretiker; nach 1924<br />
verbrachte er mehrere Jahre im<br />
„Ehrenexil“ in Moskau. 1928<br />
wurde er aus der KPD ausgeschlossen<br />
und gehörte seitdem<br />
zur KPD-O. 1933 emigrierte<br />
er und gelangte schließlich<br />
nach Kuba. Dort starb er, weil<br />
die Besatzungsbehörden seine<br />
Einreise nach Deutschland<br />
nicht erlaubten. Neben seinen<br />
journalistischen Arbeiten gab<br />
er die Werke Franz Mehrings<br />
heraus. Die Sammlung enthält<br />
eine Auswahl seiner wichtigsten<br />
philosophischen und religionskritischen<br />
Schriften mit einer<br />
ausführlichen Einleitung.<br />
Ausgewählte philosophische<br />
und religionskritische<br />
Schriften. – Aschaffenburg<br />
: Alibri Verlag. – (Klassiker<br />
der Religionskritik ; 10). – 13<br />
Euro<br />
3/2008 37
angesehen<br />
Assia Maria Harwazinski<br />
„Rhythm is it!“<br />
n Ein ungewöhnliches Tanzprojekt machte<br />
in den vergangenen Jahren Schlagzeilen: Die<br />
Choreographie <strong>des</strong> englischen Tanzpädagogen<br />
Royston Maldoom mit 250 Kindern<br />
und Jugendlichen aus mehreren Berliner<br />
Schulen und den Berliner Philharmonikern<br />
unter der Leitung von Sir Simon Rattle. Im<br />
Jahr 2004 wurde darüber von Thomas Grube<br />
und Enrique Sanchez Lansch ein Dokumentarfilm<br />
gedreht, mit dem vielsagenden<br />
Untertitel „You can change your life in a<br />
dance class“. Jetzt ist diese Produktion auf<br />
DVD erhältlich.<br />
Royston Maldoom hat in der Vergangenheit<br />
bereits mehrere solcher Tanzprojekte,<br />
unter anderem mit Straßenkindern,<br />
durchgeführt und steht damit in der USamerikanischen<br />
Tradition von Tommy the<br />
Clown in Los Angeles, der eine Gegenbewegung<br />
zu den gewalttätigen kriminellen<br />
Jugendgangs ins Leben rief. Geboren<br />
1940 in London, kam Maldoom erst mit<br />
22 Jahren zum Tanz, inspiriert durch einen<br />
Film mit Margot Fonteyn und Rudolf<br />
Nurejew. Mit Stipendien absolvierte<br />
er eine Tanzausbildung in renommierten<br />
Häusern in London und New York. Er ist<br />
der Begründer von „Dance United“, einer<br />
neuen Richtung, die an den Schnittstellen<br />
von Tanz und sozialen Problemen arbeitet.<br />
Zu den Projekten von „Dance United“ gehörten<br />
Tanzproduktionen in Zagreb während<br />
<strong>des</strong> Balkankrieges, die Arbeit mit<br />
38<br />
3/2008<br />
Straßenkindern in Südafrika und Peru<br />
und ein Langzeit-Projekt in Äthiopien.<br />
Gegenwärtig probt er in Großbritannien<br />
mit jungen Straftätern. Die Aufführung<br />
von „Le sacre du Printemps“ war seine erste<br />
Zusammenarbeit mit Sir Simon Rattle,<br />
<strong>des</strong>sen leiser Stoßseufzer nach der Generalprobe,<br />
„It´s fucking unbelievable!“ Furore<br />
machte.<br />
Die Sammel-Edition von „Rhythm is it!“<br />
auf drei DVDs begleitet die Tanzpädagogen<br />
Suz Broughton und Royston Maldoom, die<br />
Schüler und Schülerinnen und die Musiker<br />
über sechs gemeinsame Trainingswochen.<br />
Interviews geben Einblick in die Gefühlswelt<br />
der Jugendlichen, die größtenteils zuvor<br />
noch nie etwas mit klassischer Musik<br />
oder Tanz zu tun hatten, vor und nach den<br />
neuen Erfahrungen durch diese tanzpädagogische<br />
„Sozial“-Arbeit.<br />
Das Projekt begann im Winter. Die<br />
ersten Bilder zeigen das tendenziell graue<br />
Berlin, verschneite Straßen und Schulhöfe.<br />
Die Kamera schwenkt in die Turnhalle.<br />
Jugendliche von acht Jahren bis Anfang<br />
20, aus unterschiedlichen sozialen Schichten,<br />
verschiedenen Nationalitäten, beiden<br />
deutschen Seiten und mit unterschiedlicher<br />
körperlicher Kondition sind versammelt.<br />
Maldoom und Broughton geben ihre<br />
Anweisungen. Schüler mit wenig Selbstvertrauen<br />
üben das „Rennen ohne Geräusch“.<br />
Die Trainer sind schockiert über<br />
das mangelnde Selbstvertrauen der Kinder,<br />
über ihre mangelnde Körperbeherrschung.<br />
Größtes Problem der Schüler ist jedoch die<br />
Konzentration, die Orientierung an einem<br />
(Brenn-)Punkt.<br />
Der Film ist immer nah dran an den<br />
Veränderungen, die in Kopf und Körper<br />
vor sich gehen. Zu sehen ist beispielsweise,<br />
wie sich das Verhalten, das einigen das Gefühl<br />
gibt, Anführer einer Gruppe zu sein,<br />
sich im Laufe der Zeit verliert. Rattle war<br />
schnell überzeugt: „Jeder Einzelne wird das<br />
Seine dazu beitragen und das Ego beiseite<br />
lassen.“ Dagegen ist Disziplin sehr wichtig;<br />
die Dinge müssen machbar sein, aber<br />
zugleich herausfordernd. Martin, 19 Jahre,<br />
sagt: „Ich mag es nicht, Leute zu berühren.“<br />
Er macht das Training solange, bis es sich<br />
gut anfühlt.<br />
Alle finden im Lauf der Projektarbeit irgendwie<br />
Gefallen an der Musik, zu der sie<br />
ursprünglich keinen Zugang hatten. Das<br />
Stück, entstanden kurz vor Ausbruch <strong>des</strong><br />
1. Weltkrieges, erzählt einen altslawischen<br />
Opfer-Mythos über den Frühling, der nur<br />
kommen kann, wenn sich eine Frau zu Tode<br />
tanzt.<br />
Am Ende – ein überwältigen<strong>des</strong> Ergebnis:<br />
250 Schüler und Schülerinnen tanzen<br />
„Le Sacre du Printemps“ vor ausverkauftem<br />
Haus und ernten stehende Ovationen. Die<br />
Zuschauer erleben eine dynamische, ausdrucksstarke<br />
Choreographie auf klassischer<br />
Basis, mit Solos und modernen Elementen,<br />
kraftvolle, explosive Bewegungen in kaum<br />
vorstellbarer Harmonie. Ein unerwarteter,<br />
vielbeachteter Erfolg jugendlicher Tanzlaien<br />
aus finanziellen und sozialen Verhältnissen,<br />
die eine derartige musische Beschäftigung<br />
üblicherweise nicht fördern.<br />
Der pädagogisch deutlichste Erfolg<br />
dieses Tanzprojekts zeigt sich am Schluss in<br />
den leuchtenden Blicken der aufgeregten,<br />
zufriedenen Schüler und Schülerinnen, die<br />
nach wochenlanger harter Arbeit ausrufen:<br />
„Wir haben’s geschafft!“<br />
DVD 1 (100 Min., englische Sprache/deutsche<br />
Untertitel) zeigt die komplette Aufzeichnung<br />
der sechs Wochen Tanztraining.<br />
DVD 2 (40 Min., englische Sprache/deutsche<br />
Untertitel) zeigt die Tanzperformance „Le<br />
Sacre du Printemps“.<br />
DVD 3 (52 Min./Filmdokumentation): „The<br />
Making of…“ ein Blick hinter die Kulissen<br />
<strong>des</strong> Projektes inkl. Ausschnitten aus weiteren<br />
Education-Projekten der Jahre 2004 und<br />
2005<br />
Die DVD-ROM zu „Rhythm is it!“,<br />
Collector´s Edition, ist zu beziehen über:<br />
Boomtown Media GmbH & Co. KG, e-mail:<br />
info@boomtownmedia.de. – 23,95 Euro
auSSPRaCHE<br />
Zu große aufgabe für den<br />
HVd<br />
Zur diesseits Nr. 82<br />
(…) Mir gefällt das Logo <strong>des</strong> HVD<br />
– um mit etwas schlicht-Positivem zu<br />
beginnen (sowas ist keine belanglose<br />
Selbstverständlichkeit; man kann<br />
dem HVD dazu nur gratulieren)!<br />
Zur „Akzeptanz“ (also Forsa-Umfrage)<br />
könnte man unserer Gesellschaft<br />
gratulieren – ich bin dazu aber etwas<br />
zu ungeduldig...<br />
Auch aus der auf dem Cover <strong>des</strong> Magazins<br />
zitierten Frage ergibt sich für<br />
mich schlüssig, dass der HVD eine<br />
Alternative zu etwas sehr eng Umschriebenen<br />
darstellt, nämlich zu<br />
konventioneller Religion mit ihren<br />
partiellen Auswirkungen auf die Gestaltungsräume<br />
unserer Gesellschaft.<br />
Für mich ist damit klar, dass das<br />
meiste, was der HVD geistig bietet,<br />
in der Alternative zur Religion besteht,<br />
ja sich darin erschöpfen sollte.<br />
Daher sollte klar sein, dass man sich<br />
als HVD in seinen thematischen Ansprüchen<br />
bescheiden muss und das<br />
Gros der die Gesellschaft angehenden<br />
und in ihr auftretenden Fragen einem<br />
generellen „Diskurs“ (bin kein Habermas-Fan,<br />
aber manchmal ist das<br />
Wort ja praktisch) überlassen muss,<br />
zumal es oft/meist gar keinen speziell<br />
„<strong>humanistischen</strong>“ Standpunkt zu<br />
diesen Fragen geben wird.<br />
So ist für mich der „Zwischenruf“<br />
von A. Käthner „Armut...“ eher<br />
absurd und überflüssig – natürlich<br />
nicht, weil mir die Armut egal wäre,<br />
sondern weil das Thema in der politischen<br />
Arena angesiedelt und gemäß<br />
unterschiedlicher Prioritäten („ordnungspolitisch“,„wirtschafts-/sozialpolitisch“<br />
etc.) unterschiedlich beantwortet<br />
werden wird. Was anderes wären<br />
z.B. Inserate, in denen etwa von<br />
„HELP“, Cap Anamur oder meinetwegen<br />
auch vom Diakonischen Werk<br />
an die Spendenbereitschaft der HVD-<br />
Mitglieder appelliert würde. Wie jedoch<br />
politisch mit dem heimischen<br />
Armutsproblem umzugehen ist, sollte<br />
nicht qua HVD reflektiert werden,<br />
allenfalls auch innerhalb <strong>des</strong> HVD<br />
(dem ja Leute unterschiedlicher politischer<br />
Couleur angehören). Wenn<br />
Frau Käthner jedoch schreibt: „In<br />
der professionellen Praxis können wir<br />
die Betroffenen bei der Durchsetzung<br />
ihrer individuellen Ansprüche unterstützen...“,<br />
dann sehe ich dabei auch<br />
die Gefahr, sich zu „verheben“. Hier<br />
scheint mir nur der Weg zu einer Beteiligung<br />
und ggf. allmählichen Erweiterung<br />
bestehender Angebote wie<br />
AWO (vielleicht das falsche Beispiel)<br />
sinnvoll. Es ist ja eben nicht so wie<br />
im kirchen-nahen Hospizbereich, wo<br />
die religiöse Komponente zumin<strong>des</strong>t<br />
im Hintergrund wirksam ist, so dass<br />
es sich anbietet, etwas Eigenständiges<br />
aufzubauen, was den Konfessionslosen<br />
entgegenkommt. Ein anderes<br />
Beispiel für eine sinnvoll-eigenständige<br />
Organisation ist ProFamilia<br />
– und es ist gut, dass es die ja schon<br />
gibt, sonst wäre hier der HVD wohl<br />
gefragt (jedoch ebenfalls aktuell vermutlich<br />
überfordert). (…)<br />
Dr. Christian Walther, Marburg<br />
Toleranz statt Respekt<br />
Zum Artikel „Neuer Humanismus“<br />
diesseits 83/2008)<br />
Vielleicht kann im Leitungsgremium<br />
<strong>des</strong> HVD einmal darüber diskutiert<br />
werden, ob es nicht richtig wäre,<br />
auf der letzten Seite von diesseits<br />
die Worte „achten und respektieren“<br />
durch „tolerieren“ zu ersetzen. Der<br />
nachfolgende Satz beginnt sogar mit<br />
„Toleranz“ und nicht mit „Achtung<br />
und Respekt“.<br />
Angeregt wurde ich zu diesem Änderungswunsch<br />
durch den Artikel<br />
von Schmidt-Salomon in diesseits<br />
2/2008 (…)<br />
Ich beispielsweise achte und respektiere<br />
keinesfalls eine religiöse Lebensauffassung,<br />
da sie für mich nur<br />
lächerlich ist.<br />
Peter Bock, Köln<br />
Kein Krieg in afghanistan<br />
Gerhard Reth aus Schönwalde in<br />
Schleswig-Holstein ist gegen den<br />
Afghanistankrieg und hat dies<br />
mehrmals im Internetforum mit<br />
Bun<strong>des</strong>tagsabgeordneten – www.<br />
abgeordnetenwatch.de – deutlich<br />
gemacht. Nachfolgend ist sein<br />
Brief an den CDU-Abgeordneten<br />
Holger Haibach abgedruckt.<br />
Herr Reth würde es begrüßen,<br />
wenn sich die säkularen Verbände<br />
öffentlich klarer gegen den Krieg<br />
aussprechen.<br />
„Sehr geehrter Herr Haibach,<br />
Sie hatten mich am 15.5. in Abgeordnetenwatch<br />
gefragt: Was ist die<br />
Alternative zum Afghanistankrieg?<br />
Völker müssen ihre Terrorregime aus<br />
eigener Kraft überwinden! Dass dies<br />
möglich ist, zeigen die Beispiele Chile,<br />
Argentinien, Rumänien, DDR.<br />
In ‚Menschen bei Maischberger’<br />
erklärte Altkanzler Schmidt am<br />
20.5.08: ‚Militärische Einmischungen<br />
sind auch bei Menschenrechtsverletzungen<br />
abzulehnen, weil<br />
andernfalls die Folgen der Kriegshandlungen<br />
unkalkulierbar sind.<br />
(…) Isaf-Kommandant Mc Neill<br />
selbst hat erklärt, dass 400.000<br />
Mann nötig wären, um Afghanistan<br />
nachhaltig zu befrieden (Der Spiegel<br />
22/2008, S. 126). Merken Sie jetzt,<br />
dass Ihre Ziele unerreichbar sind?<br />
(…)<br />
Grundbedürfnis<br />
Gemeinschaftlichkeit<br />
Zur Aussprache „Fehlende Feierkultur“<br />
(diesseits 83/2008)<br />
Dieser Artikel trifft für mich den<br />
berühmten Nagel auf den Kopf. Der<br />
normale Bürger, ständig Anpassungen<br />
folgend, täglich gefordert durch die<br />
Widrigkeiten <strong>des</strong> Lebens, gereizt von<br />
den vielfältigen Eindrücken und gestresst<br />
von Lärm, Medien, Arbeitsleben<br />
(…) sucht zum Ausgleich eine<br />
Gemeinschaft, in der er sich wohlfühlen<br />
und erholen kann.<br />
Wir Humanisten bieten hier wirklich<br />
wenig. Eigentlich verteidigen wir<br />
zu oft unsere Weltanschauung und<br />
meist sehr verkopft. Wir bieten viele<br />
Informationen dazu und beispielhafte<br />
Vorbilder. Doch wo werden die<br />
Gefühle angesprochen? Herr Sommer<br />
führt die Rituale an, die in Religionsgemeinschaften<br />
geboten werden.<br />
Gemeinsame Stunden, auch für Familien<br />
mit Kindern, denn das ist ja<br />
eine der Zielgruppen. Gemeinsame<br />
Gruppenerlebnisse, die archaische<br />
Tiefen erreichen wie Singen, Sprechgesänge,<br />
Musik und Ansprachen.<br />
Jeder kann abschalten durch die Abgeschirmtheit<br />
und Geborgenheit in<br />
einer überschaubaren Gruppe. (…)<br />
Es gibt einen Zeremonienmeister und<br />
seine Appelle an das Gute und andere<br />
<strong>humanistischen</strong> Werte sind wohlverpackt<br />
in einen Gottesglauben und somit<br />
findet jeder seine Weltvorstellung<br />
und blendet den Rest aus.<br />
Daneben sind viele örtliche Veranstaltungen<br />
geboten, die zusätzlich<br />
Gelegenheit geben zu Gesprächen,<br />
zu allerlei Tratsch und gegenseitigen<br />
Vergleichen, eben zu menschlichen<br />
Grundbedürfnissen. Ich erlebte z.B.<br />
in den USA, dass Familien die Kirchenzugehörigkeit<br />
bei einem Umzug<br />
wechselten, wenn die gewohnte nicht<br />
in der Nähe war. Die Zugehörigkeit<br />
zur örtlichen Gemeinde und der<br />
Plausch nach dem Kirchgang waren<br />
wichtiger als jeder Unterschied in der<br />
Gottesvorstellung.<br />
Natürlich graut mir vor solchen Veranstaltungen,<br />
denn ich war zwangsgetaufter<br />
Insider und fand meine<br />
neue „Gemeinde“ über den bfg Erlangen<br />
und Nürnberg beim HVD.<br />
Nachdem ich ab Oktober 2008 wieder<br />
in Nürnberg wohnen werde, freue<br />
ich mich darauf, zusätzlich zu den<br />
bestehenden Angeboten, die Ideen<br />
von Herrn Sommer zu unterstützen.<br />
Gemeinschaft pflegen, Spaß haben<br />
und verstehen zu feiern!<br />
Rudolf von Bergen-Wedemeyer,<br />
Bad Kissingen<br />
3/2008 39
HUMANISTISCHER VERBAND<br />
DEUTSCHLANDS (HVD)<br />
Bun<strong>des</strong>vorstand<br />
Wallstr. 61-65, 10179 Berlin<br />
Fon 030-613 904-34, Fax 613 904-50<br />
http://www.humanismus.de<br />
hvd@humanismus.de<br />
Bun<strong>des</strong>verband Junge<br />
HumanistInnen<br />
Wallstraße 61-65, 10179 Berlin<br />
Fon 030-613904-76, Fax 613904-50<br />
mwitzke.hvd-berlin@humanismus.de<br />
BADEN-WÜRTTEMBERG<br />
HVD Regionalgemeinschaft<br />
Ulm-Bodensee e.V.<br />
Postfach 2307, 89013 Ulm<br />
hvd-bw@humanismus.de<br />
Die Humanisten Württemberg<br />
K.d.ö.R<br />
Mörikestraße 14, 70178 Stuttgart<br />
Fon 0711-6493-780, Fax -886<br />
a.henschel@dhuw.de, www.dhuw.de<br />
BAyERN<br />
HVD Bayern e.V.<br />
n Lan<strong>des</strong>geschäftsstelle<br />
Äußere Cramer-Klett-Str. 11-13,<br />
90489 Nürnberg<br />
Fon 0911-43104-0, Fax 43104-15<br />
info@hvd-bayern.de, www.hvd-bayern.de<br />
Humanistische Akademie<br />
Bayern e.V.<br />
Äußere Cramer-Klett-Str. 11-13,<br />
90489 Nürnberg<br />
Fon 0911-43104-0, Fax -15<br />
www.humanistische-akademie-bayern.de<br />
info@humanistische-akademie-bayern.de<br />
HVD Nürnberg K.d.ö.R.<br />
n Geschäftsstelle<br />
Äußere Cramer-Klett-Str. 11-13,<br />
90489 Nürnberg<br />
Fon 0911-43104-0, Fax 43104-15<br />
info@hvd-nuernberg.de<br />
www.hvd-nuernberg.de<br />
n Bestattungsreden: 0911-43104-14<br />
n Service-Line 0180-11 123 11<br />
n Jugendfeier-Team und Junge<br />
HumanistInnen: 0911-43104-11<br />
jugendfeier@hvd-nuernberg.de<br />
www.jugendfeier.net<br />
Stadtmauerturm der JuHus:<br />
Spittlertormauer 7, 90402 Nürnberg<br />
n <strong>Humanistischer</strong> Kindergarten<br />
Nbg.-St. Peter<br />
Burgerstr. 6, 90478 Nürnberg<br />
Fon 0911-42 45 68-0, Fax -3<br />
kiga.st.peter@hvd-nuernberg.de<br />
n <strong>Humanistischer</strong> Kindergarten<br />
Nbg.-Mögeldorf<br />
Ziegenstr. 28, 90482 Nürnberg<br />
Fon 0911-95 33 58-0, Fax -3<br />
kiga.moegeldorf@hvd-nuernberg.de<br />
n Humanistisches Haus für Kinder<br />
Am Südpark<br />
Dr. Meyer-Spreckels-Str. 5,<br />
90763 Fürth<br />
Telefon 0911-97791013, Fax -17<br />
hfk.fuerth@hvd-nuernberg.de<br />
n turmdersinne gGmbH<br />
Büro: Spittlertorgraben 45<br />
90429 Nürnberg<br />
Fon 0911-94432-81, Fax -69<br />
info@turmdersinne.de<br />
www.turmdersinne.de<br />
Adresse <strong>des</strong> Turms:<br />
Mohrenturm am Westtor, Nürnberg,<br />
Spittlertorgraben Ecke Mohrengasse<br />
HVD Würzburg<br />
Bukarester Str. 12, 97084 Würzburg<br />
www.hvd-wuerzburg.de.vu<br />
hvd-wuerzburg@gmx.de<br />
BERLIN/BRANDENBURG<br />
<strong>Humanistischer</strong> <strong>Verband</strong><br />
Berlin-Brandenburg<br />
Wallstr. 61-65, 10179 Berlin<br />
Fon 030-613 904-0, Fax 030-613 904-50<br />
www.hvd-potsdam.de<br />
BERLIN<br />
HVD Berlin<br />
Lan<strong>des</strong>geschäftsstelle<br />
Wallstr. 61-65, 10179 Berlin<br />
Fon 030-613 904-0<br />
Fax 030-613 904-50<br />
hvd-berlin@humanismus.de<br />
Direkte Durchwahlnummern:<br />
n Abteilung Kitas -39<br />
n Abteilung Gesundheit/Soziales -25<br />
n Abteilung Lebenskunde -60<br />
n Abteilung Jugend/Jugendfeier -74,<br />
Fax -89<br />
n Patientenverfügungen/Trauergruppen<br />
-11, -19, Fax -36<br />
www.patientenverfuegung.de<br />
mail@patientenverfuegung.de<br />
n V.I.S.I.T.E.<br />
Besuchs- und Hospizdienst -32<br />
www.visite-hospiz.de<br />
mail@visite-hospiz.de<br />
n Kinderhospiz „Berliner Herz“ -80<br />
n Öffentlichkeitsarbeit -26<br />
n Kultur -23<br />
n Fundraising -38<br />
n Freiwilligenarbeit/Mitgliederbetreuung/<br />
Seniorenkoordinatorin -15<br />
n Junge HumanistInnen Berlin<br />
Danziger Str. 50, 10437 Berlin<br />
Fon 030-442 72 16, Fax 442 34 93<br />
info@juhu-berlin.de, ingo@juhu-berlin.de<br />
n Jugendtreff „PPZ“ der Jungen<br />
HumanistInnen, Marzahner Chaussee 9<br />
10315 Berlin, Fon/Fax 030-510 17 76<br />
n Schulklub Sakura-Grundschule<br />
Rochstraße 7, 10178 Berlin<br />
Fon 030-42 85 21 79<br />
n Café Rix GmbH<br />
Karl-Marx-Straße 141, 12043 Berlin<br />
Fon/Fax 030-686 90 20<br />
n Sozialstation „Die Brücke“<br />
Wallstr. 61-65, 10179 Berlin<br />
Fon 030-613 904-93 /-97, Fax -91<br />
n Mobilitätshilfedienst Berlin-Mitte<br />
Wallstr. 61-65, 10179 Berlin<br />
Fon 030-613 904-95 /-96, Fax -91<br />
n Schwangerschaftskonflikt-beratungsstelle,<br />
Schönholzer Str. 6, 13187 Berlin<br />
Fon/Fax 030-441 79 92<br />
skb@hvd-berlin.de<br />
n Kontakt- und Informationsstelle für<br />
Selbsthilfe (KIS)<br />
Nachbarschaftshaus Pfefferwerk<br />
Fehrbelliner Str. 92, 10119 Berlin<br />
Fon 030-443 43 17, Fax 44 34 04 78<br />
n Betreuungsverein<br />
Alt-Moabit 108 a, 2. Etg., 10559 Berlin<br />
Fon 030-441 30 57, Fax 441 30 59<br />
Betreuungsverein.hvd@berlin.de<br />
n Brückentreff Psychosoziale Kontakt- und<br />
Beratungsstelle<br />
Torstraße 158, 10115 Berlin<br />
Fon 030-280 74 42/ -43, Fax -44<br />
Kitas:<br />
n Adlershofer Marktspatzen<br />
Helbigstr.31, 12489 Berlin<br />
Fon/Fax 030-677 42 09<br />
n Am Park<br />
Engelhardtstr. 10, 12487 Berlin<br />
Fon/Fax 030-631 66 99<br />
n Bornsdorfer Str. 14, 12053 Berlin<br />
Fon 030-56 82 86 63<br />
n Dreikäsehoch<br />
Johanna-Tesch-Str. 20, 12439 Berlin<br />
Fon 030-671 70 33, Fax 67 89 45 28<br />
dreikaesehoch@humanistischekitas.de<br />
n Friedenauer Strolche<br />
Sponholzstraße 16, 12159 Berlin<br />
Fon/Fax 030-75 60 62 09<br />
n Gartenstadtfrösche<br />
Zur Gartenstadt 239, 12526 Berlin<br />
Fon 030-67 82 45 03, Fax 67 82 45 04<br />
gartenstadt@humanistischekitas.de<br />
n General-Woyna-Str. 48<br />
13403 Berlin, Fon/Fax 030-413 30 72<br />
n Holtheimer Weg 6-8, 12207 Berlin<br />
Fon 030-712 49 30, Fax 71 09 74 92<br />
n Hopsekäse<br />
Scharnweberstr. 60, 10247 Berlin<br />
Fon/Fax 030-291 61 64<br />
n Kastanienallee 28/30, 12627 Berlin<br />
Fon/Fax 030-995 22 69 kastanienallee@<br />
humanistischekitas.de<br />
n Kinderhaus Felix<br />
Zühlsdorfer Str. 16, 12679 Berlin<br />
Fon 030-935 80 35, Fax 93 02 78 16<br />
kinderhausfelix@humanistischekitas.de<br />
n Knirpsenstadt am Glitzerbach<br />
Geraer Ring 50/52, 12689 Berlin<br />
Fon/ Fax 030-933 91 98<br />
n Landreiterweg 55, 12353 Berlin<br />
Fon 030-667 90 90, Fax 66 79 09 33<br />
n Michel-Klinitz-Weg 18<br />
12349 Berlin, Fon 030-743 10 14<br />
n Mühlengeister<br />
Thomas-Mann-Str. 17/19, 10409 Berlin<br />
Fon 030-424 17 31, Fax 42 16 15 86<br />
muehlengeister@humanistischekitas.de<br />
n Pillnitzer Weg 6, 13593 Berlin<br />
Fon 030-20 91 48 90, Fax 209 14 89 20<br />
pillnitzerweg@humanistischekitas.de<br />
n PrenzlZwerge<br />
Stahlheimer Str. 27, 10439 Berlin<br />
Fon 030-445 71 94, Fax 40 00 30 61<br />
prenzlzwerge@humanistischekitas.de<br />
n Stadtfüchse<br />
Jablonskistr. 11, 10405 Berlin<br />
Fon/Fax 030-441 42 82 erzieherinnen.<br />
stadtfuechse @web.de<br />
n Wasserwerkstr. 3, 13589 Berlin<br />
Fon 030-37 49 90 30, Fax 374 99 03 24<br />
wasserwerkstrasse@humanistischekitas.de<br />
n Rappelkiste<br />
Alfred-Randt-Str.15/17, 12559 Berlin<br />
Fon 030-654 35 58, Fax 654 60 49<br />
n Wirbelwind, Friedrich-Engels-<br />
Str. 45/47, 13156 Berlin<br />
Fon 030-916 51 24, Fax 47 03 68 69<br />
wirbelwind@humanistischekitas.de<br />
n Zum Hasenhügel<br />
Waldheimer Str. 10/12, 12627 Berlin<br />
Fon 030-994 28 49, Fax 99 28 50 79 zum.<br />
hasenhuegel@humanistischekitas.de<br />
n Konfliktberatung für Paare<br />
Fon über 030-613 904-15<br />
n Neustart – Betreutes Wohnen<br />
für Obdachlose<br />
Alt Reinickendorf 7, 13407 Berlin<br />
Fon 030-4 14 68 74, Fax -75<br />
neustart@hvd-berlin.de<br />
www.wp-neustart.de<br />
n Humanistische Akademie e.V.<br />
Redaktion „humanismus aktuell“<br />
Wallstr. 61-65, 10179 Berlin<br />
Fon/Fax 030-44 34 09 41<br />
www.humanistische-akademie.de<br />
n Koordinierungsstelle für ambulante<br />
Rehabilitation älterer Menschen in Neukölln<br />
Haus <strong>des</strong> älteren Bürgers<br />
Werbellinstraße 42, 12053 Berlin<br />
Fon 030-689 77 00, Fax 68 97 70 20<br />
n Berliner Seniorentelefon<br />
Fehrbelliner Straße 92, 10119 Belin<br />
Fon 030-279 63 93, Fax 44 02 49 97<br />
Sprechzeiten: Mo, Fr, So 14-16 Uhr, Mi 12-<br />
16 Uhr unter Fon 030-279 64 44<br />
www.berliner-seniorentelefon.de<br />
info@berliner-seniorentelefon.de<br />
n HOTEL4YOUth<br />
Schönhauser Allee 103, 10439 Berlin<br />
Fon 030-446 77 -83, Fax -859<br />
www.hotel4youth.de, info@hotel4youth.de<br />
n Kinder- und Jugendbüro Marzahn<br />
Kastanienallee 55, 12627 Berlin<br />
kijubue-marzahn@web.de<br />
n Internetcafé für Senioren<br />
Weltenbummler, Werbellinstraße 42, 12053<br />
Berlin-Neukölln<br />
Fon 030-68054287<br />
n Gesundheitliche und soziale Dienste <strong>des</strong><br />
HVD in Tempelhof,<br />
Friedrich-Wilhelm-Straße 59<br />
12103 Berlin, Fon 030-71096852<br />
BRANDENBURG<br />
<strong>Humanistischer</strong> Regionalverband<br />
Ostbrandenburg e.V.<br />
PF 1142, 15701 Königs Wusterhausen<br />
Fon 03375-29 77 78, Fax 29 33 35<br />
humanistus@aol.com<br />
www.hro-kwh.de<br />
n Aktionskita „Knirpsenstadt“<br />
Goethestr. 5,<br />
15711 Königs Wusterhausen<br />
Fon 03375-87 28 45<br />
n Jugend-Freizeit-Zentrum<br />
Scheederstr. 47,<br />
15711 Königs Wusterhausen<br />
Fon 03375-29 67 69<br />
HVD Regionalverband Brandenburg<br />
Nord e.V.<br />
Mühlenfeld 12, 16515 Oranienburg<br />
Fon 03301-83 41 11, Fax 83 41 20<br />
n Humanistisches Musikzentrum<br />
n Feierkultur<br />
n Schuldnerberatung, Vermeidung von<br />
Obdachlosigkeit<br />
n Jugend- und Sozialwerk gGmbH<br />
Kanalstr. 20, 16515 Oranienburg<br />
Fon 03301-58 28 94<br />
n Berufsbildungswerk Nordost gGmbH<br />
Albert-Buchmann-Str. 1,<br />
16515 Oranienburg<br />
Fon 03301-53 54 40<br />
n Betreutes Jugendwohnen<br />
Bernauer Str. 146, Haus 106,<br />
16515 Oranienburg<br />
Fon 03301-80 70 56<br />
Nebenstelle Neuruppin<br />
Fehrbelliner Str. 139, 16816 Neuruppin<br />
Fon 03391-50 38 42, Fax 35 05 13<br />
n Feierkultur<br />
n Selbsthilfe-Kontaktstelle<br />
n Schulsozialarbeit<br />
<strong>Humanistischer</strong> Regionalverband<br />
Brandenburg/Belzig e.V.<br />
Willibald-Alexis-Str. 28<br />
14772 Brandenburg<br />
Fon 03381-73 03 80, Fax 73 03 79<br />
humreg@humreg.de<br />
Kinder- und Jugendclub, Jugendfeier,<br />
Seniorenarbeit, Junge Humanisten,<br />
Schulsozialarbeit, Bereich „Hilfe zur<br />
Erziehung“<br />
Stadtteilbüro im Bürgerzentrum<br />
Große Gartenstraße 42a<br />
14776 Brandenburg an der Havel<br />
Fon 03381-25 09-62, Fax -63<br />
<strong>Humanistischer</strong> Regionalverband<br />
Potsdam/Potsdam-Mittelmark e.V.<br />
n Geschäftsstelle Potsdam<br />
Jägerstr. 36, 14467 Potsdam<br />
Büro und Patientenverfügung:<br />
Fon 0331-290 94 76<br />
Jugendfeier: Fon 0331-270 98 04<br />
Fax 0331-280 58 81<br />
hvdppm@aol.com<br />
hvd-potsdam@freenet.de<br />
<strong>Humanistischer</strong> Regionalverband<br />
Teltow-Fläming e.V.<br />
Goethestr. 8, 14959 Trebbin<br />
Fon/Fax 033731-805 24<br />
<strong>Humanistischer</strong> Regionalverband<br />
Märkisch-Oderland e.V.<br />
„Arche“, Carl-Schmäcke-Straße 33<br />
15366 Neuenhagen<br />
Tel. 03342-21584, Fax 21586<br />
Humanistisches Internationales<br />
Begegnungs- und Beratungszentrum<br />
(HIBBZ)<br />
Eisenbahnstr.14, 16225 Eberswalde<br />
Fon und Fax 03334-212491 www.hibbz.<br />
de, info@hibbz.de<br />
<strong>Humanistischer</strong> Freidenkerbund<br />
Brandenburg e.V.<br />
Postfach 600 813, 14408 Potsdam<br />
Fon 03321-45 07 46, Fax 45 07 47<br />
Fon 03338-396 31, Fax 03338-396 32<br />
<strong>Humanistischer</strong> Freidenkerbund<br />
Havelland e.V.<br />
n Geschäftsstelle<br />
Karl-Thon-Str. 42, 14641 Nauen<br />
Fon 03321-45 07 46, Fax 45 07 47<br />
Freidenker-Havelland@web.de<br />
n Jugendtreff Miteinander, Frauen- und<br />
Selbsthilfetreff, Berliner Str. 41, 14712<br />
Rathenow, Fon 03385-51 55 31<br />
n Treff: Suchthilfe, Kleiderkammer,<br />
Obdachlosenarbeit, Suppenküche<br />
Ritterstr. 9, 1641 Nauen<br />
Fon 03321-45 07 46<br />
Freidenker Barnim e.V.<br />
n Geschäftsstelle<br />
Rüdnitzer Chaussee 48-50, 16321 Bernau<br />
Fon 03338-3 96 31, Fax 3 96 32<br />
n Informations- und Beratungspunkt<br />
Berliner Str. 48, 16321 Bernau<br />
Fon/Fax 03338-2416<br />
Jugendarbeit, Jugendfeier, Senioren- und<br />
Rentenberatung, Patientenverfügung,<br />
Sozialberatung<br />
METRopoLREGIoN HAMBURG<br />
HVD Metropolregion Hamburg<br />
Beim Schlump 23, 20144 Hamburg<br />
Fon/Fax 040 67379076<br />
HVD-Hamburg@alice-dsl.net<br />
MEckLENBURG-VoRpoMMERN<br />
hvd-mv@web.de<br />
NIEDERsAcHsEN<br />
<strong>Humanistischer</strong> <strong>Verband</strong><br />
Niedersachen K.d.ö.R.<br />
Lan<strong>des</strong>geschäftsstelle<br />
Otto-Brenner-Str.20- 22, 30159 Hannover<br />
Fon 0511-167691-60, Fax -78<br />
zentrale@humanisten.de<br />
www.humanisten.de<br />
n Feierservice für weltliche Familienfeiern<br />
Fon 0511-167691-63<br />
n Junge Humanisten Hannover<br />
Lan<strong>des</strong>koordination JugendFEIER<br />
Fon 0511–18561<br />
www.juhus-hannover.de<br />
info@junge-humanisten.de<br />
n Humanistisches Sozialwerk<br />
Norddeutschland GmbH<br />
Otto Brenner Str.20-22, 30159 Hannover<br />
Haus Humanitas, Fon 0511-167691-61<br />
<strong>Humanistischer</strong> <strong>Verband</strong> Bremen<br />
Ursel Leitzow<br />
Prager Str. 41, 28211 Bremen<br />
Fon 0421-243 96 35 bremen@<br />
humanisten.de<br />
Ortsgemeinschaften und Verbände<br />
Freie Humanisten<br />
Grünenplan-Delligsen<br />
c/o Bodo Hage,<br />
Hinter den Höfen 16, 31073 Delligsen<br />
Fon + Fax: 05187-24 86<br />
Mobil: 0160-950 28 139<br />
gruenenplan@humanisten.de<br />
HV Emden<br />
c/o Eckhard Kühl<br />
An der Sporthalle 1, 26759 Hinte<br />
Fon 04925-8725, emden@humanisten.de<br />
HVN Ortsverband Hannover<br />
Otto-Brenner-Str. 22, 30159 Hannover<br />
Fon 0511-1 61 4012, Fax 16 76 91 78<br />
hannover@humanisten.de<br />
HV Oldenburg<br />
c/o Grünberger Str. 7, 26127 Oldenburg<br />
Fon 0441-882943 oldenburg@<br />
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Humanisten Sachsen-Anhalt<br />
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39128 Magdeburg<br />
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Christoph Martin Wieland<br />
Zweierlei Götterglück<br />
„Der Götterstand“ – sprach einst von seinem Wolkenthron<br />
Der Sultan im Olymp zu Majens schönem Sohn,<br />
„Der Götterstand, Herr Sohn, um ihm sein Recht zu geben,<br />
Ist (unter uns) beim Styx! ein schales Leben.<br />
Ja, wer nur nicht dazu geboren wär,<br />
Und allenfalls auf acht bis vierzehn Tage,<br />
Da ließ ichs gelten! Aber mehr<br />
Wird Unsrer Deität am Ende sehr zur Plage.<br />
Man kriegt zuletzt <strong>des</strong> Weihrauchs so genug!<br />
Und für und für zum Dudeldum der Sphären<br />
Die Grazien tanzen sehn, die Musen singen hören,<br />
Und immer Ganymed mit seinem Nektarkrug,<br />
Ich sage dir, man kriegt‘s genug!<br />
Dann noch dazu den ewgen Litaneien<br />
Des Erdenvolks die Ohren herzuleihen!<br />
‚Zeus, gib mir dies! Zeus, gib mir das!‘<br />
Ein tolles Galimathias<br />
Von Bitten ohne Sinn und Maß<br />
Um nichts und wieder nichts, oft um Unmöglichkeiten!<br />
‚Es sind ja (sagen sie) dir lauter Kleinigkeiten!<br />
Ein wenig Sonnenschein zu meiner Wäsche nur!’<br />
‚Zwei Regentage bloß für meine trockne Flur!’<br />
Ruft Mann und Frau aus hellem Munde<br />
In Einem Haus, in Einer Stunde.<br />
Der Dedschial hör alle das Gebrüll!<br />
Tät ich ein einzigmal was jeder haben will,<br />
Es richtete die Welt und mich zu Grunde.<br />
Kurz, trauter Sohn, die Stiefeln angeschnürt!<br />
Steig, eh ich hier <strong>des</strong> Gähnens müde werde,<br />
Ein wenig nieder auf die Erde,<br />
Zu sehen, ob man dort sich besser amüsiert!“<br />
Merkur gehorcht, und ohne anzufragen,<br />
Ob Juno nach dem Erdenplan<br />
Was zu bestellen hat, und ohne Donnerwagen,<br />
Schleicht Jupiter sich weg, und wird bei Leda – Schwan.<br />
Der Pfarrerssohn Christoph Martin Wieland wurde vor 275 Jahren am 5. September 1733 geboren. Er starb am 20. Januar 1813 in<br />
Weimar. Der Älteste <strong>des</strong> klassischen Viergestirns aus Weimar (Goethe, Schiller, Herder) gilt als Begründer der Tradition <strong>des</strong> deutschen<br />
Bildungsromans. Nach einer Phase der frommen Schwärmerei entwickelte er sich zu einem der einflussreichsten Schriftsteller der<br />
Aufklärung. Die Uraufführung <strong>des</strong> Trauerspiels „Lady Johanna Gray“ (1758) begrüßte Lessing mit der Bemerkung, Wieland habe „die<br />
ätherischen Sphären verlassen und wandle wieder unter Menschen“.
<strong>Humanistischer</strong> <strong>Verband</strong> Deutschlands, Wallstraße 6165, D10179 Berlin<br />
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<strong>Humanistischer</strong> <strong>Verband</strong> Deutschlands<br />
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selbst denken – Gemeinsam leben<br />
Humanistinnen und Humanisten gestalten ihr Leben<br />
selbstbestimmt und verantwortlich, frei von Religion. Es liegt am<br />
Menschen selbst, ethische und moralische Entscheidungen zu<br />
treffen. Diese Freiheit haben wir den Gedanken der Aufklärung<br />
zu verdanken, in deren Tradition der Humanistische <strong>Verband</strong><br />
Deutschlands steht.<br />
Als Humanistinnen und Humanisten stehen wir zu unserer<br />
Verantwortung für die Menschen, das Leben und die Natur.<br />
Über die Grenzen von Sprachen und Kulturen hinweg setzen<br />
wir auf den friedlichen Austausch von Ideen und Erfahrungen.<br />
Dabei achten und respektieren wir alle weltanschaulichen und<br />
religiösen Lebensauffassungen. Toleranz hat jedoch dort Grenzen,<br />
wo Menschenrechte missachtet und Positionen der Intoleranz<br />
vertreten werden.<br />
Wir arbeiten eng mit unseren Partnerverbänden in der ganzen<br />
Welt zusammen, die wie wir der Internationalen Humanistischen<br />
und Ethischen Union (IHEU) angehören.<br />
Der Humanistische <strong>Verband</strong> Deutschlands ist eine<br />
überparteiliche, demokratische Organisation, die sich in allen<br />
Bereichen <strong>des</strong> gesellschaftlichen und politischen Lebens engagiert,<br />
in denen weltanschauliche Fragen berührt sind. Humanistinnen<br />
und Humanisten beziehen Stellung in den ethischen Debatten<br />
unserer Zeit.<br />
Der Humanistische <strong>Verband</strong> Deutschlands organisiert Kulturund<br />
Bildungsangebote und bietet soziale Unterstützung und<br />
humanistische Beratung für Menschen in allen individuellen<br />
Lebenslagen. Wir richten weltliche Namens, Jugend, Hochzeitsund<br />
Trauerfeiern aus. In Berlin ist der Humanistische <strong>Verband</strong><br />
Träger <strong>des</strong> Schulfaches Lebenskunde und bun<strong>des</strong>weit von<br />
vielen Kindertagestätten. Besonders gefragt ist das Angebot der<br />
Patientenverfügung. Die „Jungen HumanistInnen“ unterstützen<br />
Kinder und Jugendliche auf dem Weg zu einem selbstbestimmten<br />
Leben. Bun<strong>des</strong>weit werden zirka 250.000 Menschen pro Jahr<br />
durch die Dienstleistungen <strong>des</strong> Verban<strong>des</strong> erreicht.