zeitschrift des humanistischen verbandes - Humanistischer Verband ...
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n In Berlin gibt es zur Zeit eine heftige<br />
und kontroverse Debatte zur Übernahme<br />
von Horten an staatlichen Schulen<br />
durch private Träger. Endlich kommen<br />
dadurch neue, innovative Ideen in die<br />
verkrustete Bildungslandschaft, sagen die<br />
Befürworter. Die Kritiker – vorwiegend<br />
aus dem gewerkschaftlichen Spektrum<br />
– entgegnen: Die Übernahmen finden<br />
auf dem Hintergrund der Sparvorhaben<br />
<strong>des</strong> Senats statt. Private Träger erreichen<br />
Kostensenkungen nur durch die Verschlechterung<br />
der Arbeitsbedingungen<br />
der Beschäftigten. Der Wechsel gefährdet<br />
in der Beziehungsarbeit mit Jugendlichen<br />
wichtige pädagogische Kontinuität, zudem<br />
erhalten private Träger oft nur zeitlich<br />
befristete Aufträge. Es ist ein Fortschritt,<br />
dass auch Horte nicht mehr als<br />
Betreuungseinrichtungen, sondern als<br />
Bildungsangebot definiert werden, folgerichtig<br />
haben die Hortmitarbeiterinnen<br />
auch ein Stimmrecht in den schulischen<br />
Mitbestimmungsgremien. Dieses entfällt<br />
an staatlichen Schulen bei von außen<br />
kommendem Personal.<br />
Nun gibt es auch im HVD Stimmen,<br />
die dem <strong>Verband</strong> raten, sich um Schulhorte<br />
zu bewerben. Dies würde die Einflussmöglichkeiten<br />
vergrößern und schließlich<br />
sei zu erwarten, dass sich auch die Kirchen<br />
um Horte bemühen werden. Spätestens<br />
hier erscheint mir ein Zwischenruf nötig.<br />
Die Kirchen sehen ihre Bildungsangebote<br />
als unverzichtbaren Bestandteil der abendländischen<br />
Kultur, wollen ihren Einfluss<br />
in den öffentlichen Schulen behalten oder<br />
vergrößern und drängen <strong>des</strong>halb gegenwärtig<br />
in Berlin darauf, die hier bestehende<br />
Trennung von Staat und Kirche abzuschaffen<br />
und ein Wahlpflichtfach Religion<br />
0<br />
3/2008<br />
Norbert Böhnke<br />
einzuführen. Dagegen verteidigt der HVD<br />
die Trennung von Staat und Kirche, die<br />
weltanschauliche Neutralität <strong>des</strong> Staates in<br />
der schulischen Bildung und das integrative<br />
Fach Ethik für alle Schülerinnen und<br />
Schüler. Viele Eltern sind auf den Besuch<br />
ihrer Kinder von Schulhorten angewiesen,<br />
diese stellen ein sinnvolles zusätzliches Bildungsangebot<br />
dar. Schulhorte sind an den<br />
einzelnen Schulen ein alternativloses Angebot.<br />
Ich hielte es nicht für angebracht,<br />
wenn am Vormittag in den Schulen weltanschauliche<br />
Neutralität herrscht und am<br />
Nachmittag dann die christliche Weltsicht.<br />
Umgekehrt ist aber auch religiösen<br />
Eltern und Kindern nicht zuzumuten,<br />
dass sie mit einer vorherrschenden <strong>humanistischen</strong><br />
oder atheistischen Sichtweise<br />
konfrontiert werden.<br />
Nun ziehen die Befürworter einer Hortübernahme<br />
durch den HVD den Joker<br />
und argumentieren, man müsse in der<br />
Hortarbeit die eigene Weltanschauung ja<br />
nicht allzu explizit vertreten, könne sich<br />
also sozusagen auf einen „Humanismus<br />
light“ bei dieser Arbeit verständigen. Nein<br />
– Einspruch! Bildungsarbeit an der öffentlichen<br />
Schule muss am Vor- und Nachmittag<br />
werteorientiert, aber weltanschaulich<br />
neutral sein. Es ist und bleibt eben ein<br />
Unterschied, ob ich ein um seine geliebte<br />
Oma trauern<strong>des</strong> Kind damit tröste, indem<br />
ich sage, sie wartet jetzt im Himmel auf<br />
dich, dort wirst du sie auch einmal wiedertreffen<br />
oder ich sage mit Immanuel Kant,<br />
tot ist nur, wer vergessen wird.<br />
Wer für sein Kind ein explizit weltanschaulich<br />
ausgerichtetes Bildungsangebot<br />
haben möchte, kann dies an der Berliner<br />
Schule im Religionsunterricht, der christlich,<br />
jüdisch, islamisch oder auch bud-<br />
Zwischenruf<br />
„All you can eat“ macht dicker,<br />
aber nicht stärker!<br />
dhistisch sein kann, oder im <strong>humanistischen</strong><br />
Lebenskundeunterricht erhalten.<br />
Aber dies sind eben freiwillige Angebote,<br />
zu denen niemand gezwungen wird. Wer<br />
dies noch umfangreicher haben möchte,<br />
der kann sein Kind in eine private Schule<br />
mit einer spezifischen Ausrichtung schicken.<br />
Damit plädiere ich keineswegs dafür,<br />
der HVD solle sich auf eine lebensferne<br />
„reine Lehre“ zurückziehen und sich in<br />
Zukunft ausschließlich einer freidenkerischen<br />
Ideologievermittlung widmen.<br />
Zu einem modernen, zunehmend in der<br />
Gesellschaft an Einfluss gewinnenden<br />
Humanismus gehören selbstverständlich<br />
die sozialen Angebote <strong>des</strong> HVD vom<br />
Kindergarten, der Sozialstation bis zum<br />
Hospiz. All dies sind aber Angebote, die<br />
die Menschen bewusst, freiwillig und<br />
selbstbestimmt wählen können. Diese<br />
Wahlfreiheit besteht bei Horten an öffentlichen<br />
Schulen nicht und es kann auch<br />
nicht sein, dass sich Schulkonferenzen je<br />
nach der augenblicklichen Mehrheitslage<br />
für einen kirchlichen oder <strong>humanistischen</strong><br />
Anbieter entscheiden. Sollten Kirchen eine<br />
solche Trägerschaft beantragen, so sehe ich<br />
die Aufgabe <strong>des</strong> HVD darin, vom Senat<br />
die Ablehnung eines solchen Ansinnens<br />
einzufordern.<br />
Horte sind Teil der Bildungseinrichtung<br />
Schule, sie haben an öffentlichen<br />
Schulen weltanschaulich neutral zu sein,<br />
die Trennung von Staat und Kirche ist zu<br />
beachten. l<br />
Norbert Böhnke (Oberstudienrat), unterrichtet<br />
als Fachleiter Sport an einer Gesamtschule<br />
sowie Deutsch und Ethik und verantwortet im<br />
Lan<strong>des</strong>vorstand Berlin <strong>des</strong> HVD das Fach humanistische<br />
Lebenskunde.