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zeitschrift des humanistischen verbandes - Humanistischer Verband ...

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Einige der Befragten sind der säkularen<br />

Szene zuzurechnen, d.h. sie sind in<br />

irgendeiner Form in einer der religionskritischen<br />

Vereinigungen wie der Giordano-<br />

Bruno-Stiftung, dem Internationalen Bund<br />

der Konfessionslosen und AtheistInnen<br />

(IBKA), dem Humanistischen <strong>Verband</strong><br />

Deutschlands (HVD) oder dem Bund für<br />

Geistesfreiheit (BfG) organisiert und aktiv.<br />

Die meisten Befragten sind jedoch einfach<br />

Privatmenschen, die sich zwar als kirchen-<br />

und/oder religionskritisch, als atheistisch,<br />

agnostisch und/oder humanistisch bezeichnen,<br />

aber dieses Faktum selbst nicht als so<br />

wichtig ansehen, dass sie sich in diesem Bereich<br />

engagieren würden.<br />

Einige der Befragten (9 von 70) wollten<br />

anonym bleiben, weil sie berufliche oder soziale<br />

Nachteile fürchteten.<br />

Für das Projekt hatte ich zunächst geplant,<br />

bestimmte Prominente zu befragen,<br />

von denen aus verschiedenen Kanälen bekannt<br />

ist bzw. vermutet wird, dass sie areligiös<br />

sind. Denn wenn Prominente sich<br />

als areligiös outen würden, hätte dies wahrscheinlich<br />

eine größere Beispielwirkung als<br />

bei „normalen“ Sterblichen. Einige Prominente<br />

entpuppten sich dann doch als religiös,<br />

die anderen gaben in der Mehrzahl an,<br />

„keine Zeit“ für ein Interview zu haben oder<br />

reagierten erst gar nicht. Zum Glück waren<br />

einige doch zum Interview bereit – es handelt<br />

sich überwiegend um Prominente, die<br />

bereits mit religionskritischen Äußerungen<br />

an die Öffentlichkeit gegangen waren, wie<br />

z.B. der Kinderbuchautor Janosch, der Comiczeichner<br />

Ralf König, der Urmel-Schöpfer<br />

und Kulturhistoriker Max Kruse und<br />

Mina Ahadi, die mittlerweile Vorsitzende<br />

<strong>des</strong> Zentralrats der Ex-Muslime ist, sowie<br />

die Schriftstellerin Esther Vilar und die<br />

Schauspielerin Nina Vorbrodt.<br />

Beispielhaft möchte ich an dieser Stelle<br />

einige Befragte kurz vorstellen:<br />

Pierre Wallendorff<br />

Irene Nickel<br />

Zu Atheisten wurden viele Befragte, indem<br />

sie Widersprüche in der Religion oder<br />

zwischen den Welterklärungen der Religion<br />

und wissenschaftlichen Erklärungen bemerkten<br />

und diesen nachgingen. Für viele<br />

gab es einen Anlass, sich mit dem Thema<br />

Religion zu befassen, so auch für Hans-Georg<br />

Rüter, einen Schulleiter.<br />

Einige haben verschiedene Glaubensrichtungen<br />

ausprobiert – oder dieselbe<br />

mehrmals. Christian Langenbach ist zweimal<br />

aus Glaubensrichtungen ausgetreten,<br />

hat sich intensiv mit unterschiedlichen Religionen<br />

beschäftigt, war Missionar, hörte<br />

die Stimme Gottes und hat trotz der Erfahrungen<br />

von Liebe und Geborgenheit im<br />

Glauben einen schmerzhaften Abschied von<br />

jeglicher Religion genommen, um schließlich<br />

Atheist und Humanist zu werden.<br />

Der Biologie-Promovend Tobias Fromme<br />

beschreibt, wie er durchaus positive Erfahrungen<br />

mit der Kirche gemacht und sich<br />

trotzdem davon distanziert hat.<br />

Nachdem eine Postkarte Janoschs,<br />

„Die Taufe“ in der Trierer Konstantin-Ausstellung<br />

„Kunst und Provokation“ gezeigt<br />

wurde, auf dem einem Baby ein Kreuz in<br />

den Bauch getrieben wird, stellte der CSU-<br />

Vorsitzende Stoiber entgeistert fest: Janosch<br />

hat sich vom Glauben verabschiedet. Dies<br />

geschah auf Grund von schmerzhaften Erlebnissen<br />

mit dem Klerus in seiner Kindheit<br />

und Jugend.<br />

Nach anfänglich positiven Erfahrungen<br />

mit dem Glauben kam Irene Nickel in ihrer<br />

Jugend mit den dunklen Seiten <strong>des</strong> christlichen<br />

Gottes in Kontakt, stellte fest, wie<br />

sehr der Einfluss der Religion sie in ihrer Lebensführung<br />

behinderte, und sie entfernte<br />

Tobias Fromme<br />

Christian Langenbach<br />

sich immer mehr, bis sie aktive Atheistin<br />

wurde.<br />

Schon als Kind fielen dem Luxemburger<br />

Pierre Wallendorf die Widersprüche zwischen<br />

Predigt und Handeln der Kirchenvertreter<br />

auf und er begann zu zweifeln, um<br />

schließlich zum Atheisten mit spirituellem<br />

Einschlag zu werden.<br />

Einige Befragte waren sehr lange – jahrzehntelang<br />

– religiös, bevor sie durch ein<br />

Buch oder ein Interview in Kontakt mit anderen<br />

Weltanschauungen kamen. Der Ablösungsprozess<br />

war häufig sehr schmerzhaft,<br />

vor allem weil die „vertane Zeit“ bedauert<br />

und betrauert wurde. So erging es auch<br />

Ruth Hofbauer, die mit 65 Jahren ihren<br />

Glauben endgültig aufgab.<br />

Von Haus aus wenig mit dem Glauben<br />

konfrontiert, hat der Gymnasiast Luca Blumenthal<br />

nur in der Schule direkte Erfahrungen<br />

mit Religion gemacht. Widersprüche<br />

und Lügen sowie Informationen brachten<br />

ihn mit 14 Jahren zur Religionskritik,<br />

mit 16 wurde er zum Atheisten.<br />

Fazit: Das Spektrum der Erfahrungen<br />

mit Religion ist sehr groß. Die Erfahrungen<br />

scheinen – wenn sie unangenehm<br />

sind – schon Kinder und Jugendliche<br />

abzuschrecken. Positive Erfahrungen mit<br />

Religion werden naturwissenschaftlichen<br />

Erklärungen gegenübergestellt, und bei<br />

diesem Wettbewerb der Welterklärungskonzepte<br />

verliert die Religion. Wer sehr<br />

gläubig war, leidet häufig unter dem Verlust<br />

einer wichtigen Lebensstütze und<br />

braucht mitunter Jahre oder gar Jahrzehnte,<br />

um sich vom Glauben endgültig zu<br />

verabschieden. Viele ärgern sich über den<br />

Einfluss der Kirchen auf unser aller Leben<br />

– manche treibt diese Erkenntnis in den<br />

Widerstand gegen Religion und Kirche.<br />

Auch das Sexualleben, die Körperlichkeit,<br />

ist nach wie vor von kirchlich-religiösen<br />

Moralvorstellungen geprägt und viele<br />

berichten von ihrer Erleichterung, vom<br />

vereinfachten Umgang mit dem anderen<br />

Geschlecht bzw. der Selbstakzeptanz ihrer<br />

Homosexualität, als sie sich endlich von<br />

der restriktiven religiösen Sexualmoral befreit<br />

hatten. l<br />

Fiona Lorenz ist Vorsitzende <strong>des</strong> Humanistischen<br />

Verban<strong>des</strong> Rheinland-Pfalz.<br />

Wozu brauche ich einen Gott!? – Gespräche mit<br />

Abtrünnigen und Ungläubigen, illustriert von<br />

Ralf König, wird voraussichtlich im Januar 2009<br />

bei Rowohlt erscheinen. 190 Seiten, € 8,95<br />

3/2008 3

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