Die Artisten unter der Reichstagskuppel: Ratlos. - Arbeiterstimme
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6 <strong>Arbeiterstimme</strong><br />
Sommer 2005<br />
Grafik 10<br />
Auf den globalisierten Finanzmärkten<br />
werden Investitionen verhökert<br />
wie Schnäppchen bei e-bay. <strong>Die</strong><br />
Nationalstaaten sind zu einem Unterbietungswettlauf<br />
gezwungen was<br />
Unternehmenssteuern, Umwelt- und<br />
Sozialstandards und gleichzeitig zu<br />
einem Überbietungswettlauf was<br />
Subventionen anbelangt. Wenn ein<br />
Konzern wie Porsche einmal keine<br />
Subventionen für ein neues Werk beantragt,<br />
ist das sensationell. Wie alle<br />
Konkurrenzsituationen kennt auch<br />
diese kein natürliches Ende. Zugeständnisse<br />
einzelner Staaten an das<br />
Kapital werden durch gleiche, meist<br />
höhere Nachlässe an<strong>der</strong>er Staaten<br />
übertroffen. Dann müssen die ersteren<br />
wie<strong>der</strong> nachziehen und so weiter<br />
und so fort. <strong>Die</strong>ser Automatismus<br />
Grafik 11<br />
sorgt für den Fortbestand<br />
<strong>der</strong> Erpreßbarkeit<br />
von Nationalstaaten<br />
durch<br />
das Kapital und<br />
auch von Staatenverbänden<br />
wie<br />
etwa <strong>der</strong> EU.<br />
Osteuropäische<br />
Staaten, die am<br />
1. 5. 2004 in die EU<br />
aufgenommen<br />
wurden, tun sich<br />
hier beson<strong>der</strong>s<br />
hervor. Kein Wun<strong>der</strong>: Großzügige<br />
EU-Zuschüsse für Infrastrukturmaßnahmen<br />
(Verkehr, Kommunikationstechnik<br />
usw.) entlasten die Staatshaushalte<br />
dieser Län<strong>der</strong>. <strong>Die</strong> Staatsfinanzen<br />
<strong>der</strong> entwickelten Staaten<br />
bluten aus.<br />
Hier liegt ein wichtiger Grund<br />
für die Defizite im Haushalt des<br />
Bunds und <strong>der</strong> Län<strong>der</strong>. Steuernachlässe<br />
sollten kräftiges Wachstum des<br />
Bruttoinlandsprodukts bringen und<br />
damit auch zu höheren Steuereinnahmen<br />
führen. Doch die Prognosen <strong>der</strong><br />
„Wirtschaftsweisen“ waren wenig<br />
weise und schon gar nicht zutreffend<br />
(vgl. Grafik 11). <strong>Die</strong> Steuereinnahmen<br />
blieben weit hinter den Erwartungen<br />
zurück. <strong>Die</strong> Finanzminister sitzen auf<br />
Defiziten, müssen Staatsvermögen<br />
verscherbeln und neue Schulden aufnehmen.<br />
Eine übernationale Angleichung<br />
<strong>der</strong> Steuer- und Subventionspolitik<br />
zumindest auf EU- besser<br />
noch auf WTO-Ebene wäre theoretisch<br />
ein Gegenmittel gegen die Erpressungen<br />
<strong>der</strong> transnationalen Konzerne<br />
und Fonds. Doch während bei<br />
<strong>der</strong> Aufhebung von Handelsschranken<br />
und vor allem für die Freiheit <strong>der</strong><br />
Kapitalmärkte die internationale Zusammenarbeit<br />
<strong>der</strong> Nationalstaaten<br />
vorzüglich funktioniert, gibt es auf<br />
diesem Gebiet allenfalls mal flockige<br />
Absichtserklärungen aber keine konkreten<br />
Ansätze. Das Finanzkapital<br />
weiß sich solche Zumutungen vom<br />
Leib zu halten.<br />
Dabei ist gerade Deutschland<br />
bis an die Grenze gegangen was Steuerentlastungen<br />
für Unternehmen angeht<br />
(vgl. Grafik 12).<br />
Das hin<strong>der</strong>t das Kapital, seine<br />
Verbandssprecher und seine neoliberalen<br />
Propheten natürlich nicht daran,<br />
noch weitere Entlastungen zu for<strong>der</strong>n.<br />
Insbeson<strong>der</strong>e die „Wirtschaftsweisen“,<br />
(die sich dauernd verschätzen)<br />
an <strong>der</strong>en Gutachten die Politiker<br />
aller Parteien in fast schon religiöser<br />
Inbrunst aber völlig erfahrungsresistent<br />
glauben, führten zu <strong>der</strong> oben<br />
beschriebenen Politik immer neuer<br />
Haushaltslöcher bei Bund, Län<strong>der</strong>n<br />
und Gemeinden. Nach neoliberalem<br />
Dogma (siehe oben) müssen Investoren<br />
steuerlich entlastet werden, dann<br />
würden sie investieren, Personal einstellen,<br />
die Steuereinnahmen des<br />
Staates würden steigen und dadurch<br />
würden die Steuerermäßigungen<br />
mehr als kompensiert. Durchaus mit<br />
grundsätzlicher Zustimmung <strong>der</strong><br />
Opposition legte die Bundesregierung<br />
die Steuerreform 2000 auf, die<br />
große und Kapitaleinkommen stark<br />
und geringe Einkommen gering entlastete.<br />
Der Konjunkturaufschwung<br />
und die erhöhten Steuereinnahmen<br />
blieben allerdings aus (siehe oben<br />
Grafik 11).<br />
Trotzdem glauben Regierung<br />
und Opposition nach wie vor an die<br />
alten Rezepte. Beim „Job-Gipfel“ im<br />
März 2005 einigten sich SPD/Grüne<br />
und CDU/CSU auf weitere Ermäßigungen<br />
bei den Unternehmenssteuern.<br />
Allerdings müßten die Steuerausfälle<br />
„gegenfinanziert“ werden.<br />
Wodurch? Darauf blieb die „große<br />
Koalition“ <strong>der</strong> Parteivorstände bisher<br />
die Antwort schuldig. Es bedarf keiner<br />
hellseherischen Fähigkeiten um