Museumsmagazin 2012 / 2013 - Kunstmuseum Bonn
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08 / <strong>Museumsmagazin</strong> <strong>2012</strong>/<strong>2013</strong> Eine Sammlung muss wachsen! / 09<br />
Unsere Sammlung<br />
1<br />
1 Franz Ackermann, BLAUER HIMMEL, <strong>2012</strong> 2 Pia Fries,<br />
Fahnenbild Nr. 6, 2010 3 Rosemarie Trockel, Atheismus,<br />
2007<br />
2 3<br />
EinE Sammlung muSS wachSEn!<br />
Zwanzig Jahre sind es nun her, seit das <strong>Kunstmuseum</strong> seine<br />
neuen Räumlichkeiten an der Friedrich-Ebert-Allee, den<br />
grandiosen Neubau von Axel Schultes, beziehen konnte.<br />
Zeit genug, um Bilanz zu ziehen, sich, auch mit Blick auf<br />
die Ankäufe der letzten Jahre, Rechenschaft über die<br />
Sammlungs entwicklung abzulegen. Wie hat das Haus seine<br />
Agenda, die Auseinandersetzung mit der Deutschen Kunst<br />
nach 1945, in den vergangenen Jahren fortschreiben können?<br />
Die im Juni eröffnete Neupräsentation der Sammlung,<br />
die unter dem Titel Wasserstandsmeldung läuft, gibt hierüber<br />
eindrücklich Auskunft. Sie zeigt neben bekannten Größen<br />
wie Polke, Palermo, Richter oder Mucha – dessen Installation<br />
Wasserstandsmeldung den Titel für die Neueinrichtung lieferte<br />
– eine Reihe von neuen, jungen Positionen, Werke, die<br />
teils erworben, teils als langfristige Leihgaben an das Haus<br />
gebunden werden konnten. Dank gebührt in diesem Zusammenhang<br />
zuerst einmal dem Verein der Freunde des <strong>Kunstmuseum</strong>s,<br />
der in diesem Jahr vor allem die Kernkompetenz<br />
des Hauses, die Malereisammlung gestärkt hat. Angekauft<br />
wurde beispielsweise das Fahnenbild Nr. 6 von Pia Fries, das<br />
als großformatige Arbeit die bereits vorhandene, bedeutende<br />
Sammlung ihrer Bilder ergänzt. Gleich vier Gemälde wurden<br />
von dem Freiburger Maler Klaus Merkel erworben, der sich<br />
auf ganz eigenständige Weise mit der Verfasstheit des Bildes<br />
auseinandersetzt. Für ihn ist das Gemälde eine Art Container,<br />
in dem Bildteile eine große, sich gelegentlich verselbstständigende<br />
Autonomie besitzen. Eine solche künstlerische Haltung<br />
befragt somit die Einheit des „Werks“, was, bei aller<br />
Unterschiedlichkeit, auch für Franz Ackermanns skulpturalmalerische<br />
Installation, die seit Juni dieses Jahres bei uns zu<br />
sehen ist, gilt. Sie reflektiert den „iconic turn“ einer wachsenden,<br />
ja, explodierenden Bilderflut und gibt ihm zugleich<br />
Gestalt in Form eines beeindruckenden Gesamtkunstwerkes,<br />
das wir der in <strong>Bonn</strong> angesiedelten KiCo-Stiftung, mit der das<br />
<strong>Kunstmuseum</strong> seit langem zusammenarbeitet, verdanken.<br />
Sie ist auch Leihgeber eines Raums mit Fotografien des 1970<br />
in Düsseldorf geborenen Andreas Gefeller, der seine Bilder<br />
aus einer Vielzahl von Einzelaufnahmen montiert. Diese bieten<br />
ungewöhnliche Aufsichten, die so unräumlich wirken,<br />
dass sie zwischen Abbildlichkeit und Bildlichkeit changieren.<br />
Auf dem Boden verstreuter Papier- und Plastikmüll, Relikte<br />
eines „Public Viewing“, erscheinen dann fast „malerisch“,<br />
wie die Übertragung eines informellen Gemäldes auf den<br />
Boden der Wirklichkeit. Wer darin Humor, Ironie oder gar<br />
Sarkasmus sehen mag, liegt allerdings falsch. Dies ist eher<br />
die Domäne des Schweizer Fotokünstlers Roman Signer,<br />
dessen dadaistischer Witz einen guten Gegenpol zu der<br />
doch eher strengen, auch im <strong>Kunstmuseum</strong> gut vertretenen<br />
„Becher-Schule“ darstellt. Drei Fotoserien Signers kann das<br />
Museum nun seit neuestem sein Eigen nennen, dank einer<br />
Schenkung aus Schweizer Privatbesitz, für die wir sehr dankbar<br />
sind! Nicht minder froh sind wir über ein aus Tesamoll<br />
gefertigtes Bild eines Pin-up Girls, eine jüngere Arbeit von<br />
Dirk Skreber, die dem Museum von der Galerie Luis Campaña<br />
geschenkt wurde. Sie zeigt – bei aller Gegenständlichkeit! –<br />
den gleichen experimentellen Geist, die gleiche Lust am Spiel<br />
mit Materialien, wie die Werke Skrebers aus der Sammlung<br />
Mondstudio, über die wir schon seit längerem verfügen. Insofern<br />
ergänzt die Schenkung glänzend den Bestand, so dass<br />
unsere Besucher nun ein umfassendes Bild von Skrebers<br />
künstlerischem Schaffen erlangen können.<br />
Wie allgemein bekannt, geht es dem <strong>Kunstmuseum</strong> ja nicht<br />
darum, enzyklopädisch zu sammeln, von möglichst vielen<br />
Künstlern möglichst viele Werke zu besitzen. Das Gegenteil<br />
ist vielmehr der Fall. Unser Bestreben ist es, in unseren Augen<br />
wichtige, zukunftsweisende Künstler möglichst breit präsentieren<br />
zu können. Dies ist auch der Hintergrund für den<br />
Erwerb einer Skulptur von Rosemarie Trockel, die wir bei der<br />
nächsten Neuhängung der Sammlung präsentieren werden.<br />
Es handelt sich um einen mit einem zotteligen Filz bezogenen<br />
Sessel, eine Arbeit, die aus dem Jahr 2007 stammt und<br />
den rätselhaften Titel Atheismus trägt. Wie so oft bei Trockel<br />
verleiht der Titel dem Werk einen erweiterten Bedeutungshorizont<br />
und dies gerade dadurch, dass er nicht erklärend<br />
wirkt. Was hat die areligiöse Haltung des Atheismus mit der<br />
anthropomorph-märchenhaften Gestalt dieses Sessels zu<br />
tun? Oder ist diese bärtige Erscheinung doch ganz irdischen<br />
Ursprung – was der Einblick in die hölzerne Konstruktion des<br />
Sessels an der Oberseite nahelegt? In jedem Fall bleibt dieses<br />
Objekt ein Rätsel, ähnlich wie die Vase oder Ohne Titel (Weiße<br />
Endlosstrümpfe), die das Museum schon vor Jahrzehnten<br />
erwerben konnte. So entwickelt sich die Sammlung des<br />
Hauses beispielhaft fort, zwar nicht in großen Sprüngen<br />
– dazu fehlt das Geld – aber doch kontinuierlich. Der Stadt<br />
<strong>Bonn</strong>, ihren Bürgern und all den anderen tatkräftigen Partnern<br />
des Museums sei Dank!