Saudi-Arabien: Wirtschaft, Immobilien, Kunst und Kultur - Dubai Media
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■ <strong>Saudi</strong>-<strong>Arabien</strong><br />
Der Zukunft<br />
8 DUBAI MAGAZIN<br />
<strong>Saudi</strong>-<strong>Arabien</strong>:<br />
<strong>Wirtschaft</strong>, <strong>Immobilien</strong>, <strong>Kunst</strong> <strong>und</strong> <strong>Kultur</strong><br />
„Ein Land blickt in die Zukunft“ – bei diesem Satz würde man sicher<br />
nicht vorrangig an <strong>Saudi</strong>-<strong>Arabien</strong> denken, aber dennoch passt er auf<br />
das Königreich; denn es sind Anzeichen vorhanden, dass sich die<br />
Geschwindigkeit des notwendigen Wandels vor allem<br />
in der boomenden <strong>Wirtschaft</strong> erhöht.<br />
Text: Barbara Schumacher | Fotos: Barbara Schumacher, Shutterstock
auf der Spur<br />
DUBAI MAGAZIN 9
■ <strong>Saudi</strong>-<strong>Arabien</strong><br />
Trotz Finanz- <strong>und</strong> <strong>Wirtschaft</strong>skrise verzeichnet<br />
<strong>Saudi</strong>-<strong>Arabien</strong> eine erfreuliche<br />
<strong>Wirtschaft</strong>sstabilität <strong>und</strong><br />
Wachstum in zahlreichen Sektoren.<br />
Im Rahmen des ersten Outlook <strong>Saudi</strong> Arabia<br />
Summit (10.-12. April 2010 in Riyadh in Partnerschaft<br />
mit <strong>Saudi</strong> Arabian General Investment<br />
Authority - SAGIA) wurde für die nächsten<br />
12 Monate ein Wachstum an ausländischen<br />
Direktinvestitionen von 20 Prozent vorausgesagt.<br />
„Wegen der anhaltenden globalen Krise<br />
sucht das internationale Kapital nach alternativen<br />
Märkten, um die Gewinne einzustreichen,<br />
an die man vor der Krise gewohnt war“, ist die<br />
Meinung von saudischen Experten. Tatsache<br />
ist, dass das Königreich in den letzten vier Jahren<br />
beim Geschäftsindex der Weltbank von<br />
Platz 67 auf Platz 13 vorgerückt ist. Lt. SAGIA<br />
ist <strong>Saudi</strong> <strong>Arabien</strong> der größte Empfänger ausländischer<br />
Direktinvestitionen im Mittleren<br />
Osten. Die boomende <strong>Wirtschaft</strong> zieht andere<br />
Bereiche mit.<br />
WIRTSCHAFT<br />
Wachstum in vielen Branchen<br />
Zu den stark wachsenden Bereichen gehören<br />
neben der Telekommunikation (größte der<br />
Golfregion) die <strong>Immobilien</strong>branche wegen des<br />
steigenden nationalen Bedarfs, das Gaststättengewerbe,<br />
die petrochemische Industrie (mit 6<br />
Prozent Wachstum) <strong>und</strong> das Ges<strong>und</strong>heitswesen<br />
mit Rekordwachstumserwartungen von 12<br />
Prozent. Das Umfeld ist allerdings mühsam:<br />
für jede lang erwartete Ankündigung von Erneuerung<br />
<strong>und</strong> Wandel, die das Land dringend<br />
braucht, gibt es dutzende von Angelegenheiten,<br />
deren Modernisierung sowohl <strong>Saudi</strong>s als<br />
auch die im Land lebenden „expatriats“ anmahnen.<br />
Meistens betrifft es die Frauen, denn die<br />
haben es – trotz ausgezeichneter Ausbildung -<br />
schwer, Stellen in der <strong>Wirtschaft</strong> zu finden.<br />
Hauptursache ist die Geschlechtertrennung in<br />
der Öffentlichkeit mit dem Ergebnis, dass die<br />
Hälfte der erwerbsfähigen Bevölkerung oft keine<br />
Anstellung findet – da ist die Selbstständigkeit<br />
der einzige Ausweg. Und während viele dies<br />
mit kulturellen Gründen rechtfertigen, gibt es<br />
darüber hinaus hohe Hindernisse durch Bürokratie<br />
<strong>und</strong> fehlende Transparenz, die die Effektivität<br />
sowohl der saudischen Unternehmen<br />
als auch der Regierungsbehörden lähmt. Ohne<br />
Zweifel gibt es also viele Dinge <strong>und</strong> Prozesse<br />
im größten Land auf der Arabischen Halbinsel,<br />
die im Zustand von Stillstand oder sogar<br />
10 DUBAI MAGAZIN<br />
Rückschritt sind, aber es gibt auch positive Signale,<br />
die hoffen lassen. Trotz der positiven<br />
Anzeichen für tatsächlichen Fortschritt stellt<br />
sich dennoch die Frage, ob die getätigten <strong>und</strong><br />
geplanten Maßnahmen <strong>Wirtschaft</strong> <strong>und</strong> Gesellschaft<br />
wirklich entscheidend voranbringen <strong>und</strong><br />
ob die unternommenen Schritte in einem ausreichenden<br />
Tempo erfolgen, das schnell genug<br />
ist, um mit dem sich rasant entwickelnden globalen<br />
Markt mitzuhalten. Dabei gibt es<br />
durchaus als spektakulär zu bezeichnende Entwicklungen<br />
– <strong>und</strong> bei allen Themen sind die<br />
nationalen Medien mit viel Engagement <strong>und</strong><br />
Aufklärungsarbeit dabei.<br />
<strong>Wirtschaft</strong>sorientierte<br />
Hochschulbildung - KAUST<br />
Da ist zum Beispiel die Eröffnung der King<br />
Abdullah University of Science and Technology<br />
(KAUST), die im September 2009 erfolgte.<br />
Kein geringeres als das weltberühmte<br />
Massachusetts Institute of Technology (MIT)<br />
in Boston stand dafür Modell <strong>und</strong> so gehen<br />
die Ziele von KAUST weit über den reinen<br />
Bildungsauftrag für die ständig wachsende<br />
saudische Jugend hinaus, denn es geht zusätzlich<br />
um Forschung, Technologie, Patente <strong>und</strong><br />
Beiträge zur <strong>Wirtschaft</strong>. Zwanzig Milliarden<br />
Dollar dafür auszugeben <strong>und</strong> sich der Zusammenarbeit<br />
mit einer der Welt renommiertesten<br />
Institute zu versichern, ist selbst für einen<br />
hoch entwickelten westlichen Staat kein „Pappenstiel“<br />
<strong>und</strong> <strong>Saudi</strong>-<strong>Arabien</strong> hat dieses bemerkenswerte<br />
Projekt realisiert – etwa 80 km nördlich<br />
von Jeddah in der neuen Stadt King<br />
Abdullah City. Von dem neuen „Haus der<br />
Weisheit“ wird erwartet, dass es eine führende<br />
Rolle übernimmt, um Partnerschaften zwischen<br />
Unternehmen aus aller Welt <strong>und</strong> der<br />
saudischen Geschäftswelt herzustellen. Für die<br />
meisten kleineren Unternehmen gibt es zwei<br />
größere Hürden: Zugang zu Forschung <strong>und</strong> zu<br />
Kapital. KAUST <strong>und</strong> Investoren in <strong>Saudi</strong>-<strong>Arabien</strong><br />
bieten beides. Die Innovations-Cluster von<br />
KAUST entsprechen den neuesten technischen<br />
Standards <strong>und</strong> die Kosten sind überschaubar.<br />
Der „Business Incubator“ konvertiert Hochtechnologie-Forschungsprojekte<br />
in kommerzielle<br />
Einheiten, die mit ihren praktischen Anwendungsmöglichkeiten<br />
dem Wohle der Gesellschaft<br />
dienen. Dieser „Incubator“ hilft bei<br />
allem: von Geschäftsplänen über die Beschaffung<br />
lokaler Dienstleister bis zur Beschaffung<br />
von Wohnraum. Darüber hinaus sorgt das<br />
KAUST Industrial Collaboration Programme<br />
(KICP) dafür, dass innovative Jungunterneh-<br />
men mit viel versprechenden Pilotprojekten<br />
den Kontakt bekommen zu Weltfirmen wie<br />
Boeing, IBM, etc. Solche Kontakte sind wichtig,<br />
aber ein weiteres Element ist die finanzielle<br />
Unterstützung. Die gibt es für Erfolg versprechende<br />
Unternehmungen vom Seed F<strong>und</strong>, der<br />
Beträge bis zu 250.000 US Dollar investiert.<br />
Dies ist durchaus bemerkenswert, verblasst aber<br />
vor den Beträgen, die durch den Privatsektor<br />
in <strong>Saudi</strong>-<strong>Arabien</strong> möglich wären. Wenn ausländische<br />
Handelskammern sich mit<br />
saudischen Kammern verbünden, zukünftige<br />
innovative Unternehmen ihrer Länder identifizieren<br />
<strong>und</strong> sie als Kandidaten für Forschung<br />
<strong>und</strong> Entwicklung bei KAUST vorschlagen,<br />
könnte dadurch mehr Geld bereit gestellt werden<br />
für aussichtsreiche <strong>und</strong> marktfähige<br />
Zukunftsprojekte – ein Weg, der vor dem Hintergr<strong>und</strong><br />
der immer noch weltweit zögerlichen<br />
Bereitschaft der Banken bei der Bereitstellung<br />
von Kapital für kleine <strong>und</strong> mittlere Unternehmen<br />
interessant ist. Ermöglicht wird das alles<br />
durch ARAMCO, den staatlichen saudischen<br />
Ölkonzern, eine der wertvollsten Firmen der<br />
Welt, der anstelle des Bildungsministeriums bei<br />
KAUST das Sagen hat. Deshalb ist an dieser<br />
Universität eigentlich Unmögliches möglich, z.<br />
B. Koedukation, westliche Lehrpläne <strong>und</strong> auf<br />
dem Campus Auto fahrende Frauen.<br />
KAUST reiht sich ein in die seit einiger Zeit zu<br />
beobachtenden ähnlichen Entwicklungen in<br />
anderen Golfstaaten, wie Masdar Institute in<br />
Abu Dhabi <strong>und</strong> Knowledge Village in <strong>Dubai</strong>,<br />
etc., die jedoch alle unterschiedliche Konzepte<br />
<strong>und</strong> Ziele verfolgen – in jedem Fall handelt es<br />
sich aber um neue Formen wirtschaftlicher Investitionen.<br />
Durch den mit 10 Milliarden US<br />
Dollar von König Abdullah gesponserten<br />
Stiftungsfonds (gleich ausgestattet wie die<br />
Mohammed bin Rashid Al Maktoum Stifung<br />
in <strong>Dubai</strong>) ist KAUST eine der reichsten Hochschulen<br />
der Welt. Bezeichnend ist in diesem<br />
Zusammenhang, dass auf dem diesjährigen<br />
Jeddah Economic Forum (s. u.) am letzten Tag<br />
die Themen Ges<strong>und</strong>heit, Bildung <strong>und</strong> Wissenschaft<br />
<strong>und</strong> Technologie behandelt wurden,<br />
wobei bei letzterem der Präsident von KAUST<br />
als Starredner auftrat <strong>und</strong> tosenden Beifall einheimsen<br />
konnte – aus dem bis auf den letzten<br />
Platz besetzten Saal.<br />
Aufsehen erregende Projekte haben bereits begonnen.<br />
Wasser spielt im Königreich eine wichtige<br />
Rolle <strong>und</strong> da setzt man auf ein neues Konzept:<br />
bisher war der Einsatz erneuerbarer Energien<br />
bei der Meerwasserentsalzung kein The-
ma. Das ändert sich nun: Die nationale<br />
Forschungsbehörde <strong>und</strong> IBM bauen unter Einbeziehung<br />
von Fachleuten von KAUST in der<br />
Stadt Al Khalfji die größte solar betriebene<br />
Meerwasserentsalzungsfabrik der Welt. Der IT-<br />
Konzern IBM bringt dabei neue Materialien<br />
ein, die ursprünglich für leistungsfähigere<br />
Computerchips entwickelt wurden. Wenn die<br />
Anlage Ende 2012 fertig ist, soll sie 30.000<br />
Kubikmeter Trinkwasser (30 Millionen Liter)<br />
pro Tag gewinnen – genug für 100.000 Menschen.<br />
Neue Gesetze machen’s möglich<br />
Der Fortschritt zeigt sich auch auf einem anderen<br />
Gebiet. So kündigte Mohammed Al Issa,<br />
saudischer Justizminister, ein neues Gesetz an,<br />
das erstmals weibliche Rechtsanwälte zulässt.<br />
Im Westen mag man das mit „na, <strong>und</strong>?“ kommentieren,<br />
aber wer die schwierige Situation<br />
von bestens ausgebildeten <strong>und</strong> hoch qualifizierten<br />
saudischen Frauen, von denen es sehr viele<br />
gibt, kennt <strong>und</strong> sich schon lange fragt, warum<br />
sie keine ihren Fähigkeiten entsprechenden<br />
guten Positionen bekommen, stellt die falsche<br />
Frage, denn Frauen hatten in Männerdomänen<br />
bisher einfach nichts zu suchen <strong>und</strong> diese Situation<br />
aufzubrechen kommt einer kleinen Revolution<br />
gleich. Wenn König Abdullah bin<br />
Abdul Aziz <strong>und</strong> einige seiner Minister könnten,<br />
wie sie wollten, ginge der Modernisierungs-<br />
DUBAI MAGAZIN 11
■ <strong>Saudi</strong>-<strong>Arabien</strong><br />
prozess schneller vonstatten, aber sie müssen<br />
die Politik der kleinen Schritte deshalb verfolgen,<br />
weil die starken ultrakonservativen Kräfte<br />
im Land natürlich massiv gegen jede<br />
Aufweichung ihrer Vormachtstellung protestieren<br />
<strong>und</strong> sich auch nicht scheuen, religiöse Gesichtspunkte<br />
ins Feld zu führen – auch wenn<br />
sie noch so absurd sind (jedenfalls in den Augen<br />
westlicher Beobachter). Wie stark die Konservativen<br />
sind, zeigt sich auch in dem immer<br />
noch geltenden Fahrverbot für Frauen, obwohl<br />
die Medien voll mit Forderungen nach einer<br />
Aufhebung sind <strong>und</strong> diese mit konkreten Beispielen<br />
untermauern: So haben einige Frauen<br />
bei den vor einigen Monaten durch starke Regenfälle<br />
überfluteten Städten Jeddah <strong>und</strong> Mekka<br />
ihre Familienangehörigen nur dadurch retten<br />
können, dass sie sich ans Steuer in den<br />
Wassermassen zu versinken drohender PKW<br />
setzten. Heimlich wird also offensichtlich Autofahren<br />
geübt <strong>und</strong> ganz öffentlich kann man<br />
junge Frauen in rasanter Fahrt auf den Strandbuggys<br />
der Corniche in Jeddah mit wehender<br />
schwarzer Abaya bew<strong>und</strong>ern. Ein erster Schritt?<br />
Interessante Fakten zum Thema Frauen veröffentlicht<br />
die Statistik-Abteilung des Sayyida<br />
Khadija Bint Khwaylid Zentrums der Handelskammer<br />
in Jeddah: Nur 14 Prozent der Arbeitskräfte<br />
sind weiblich, aber 43.000 Firmen sind<br />
<strong>Saudi</strong>-<strong>Arabien</strong>: Ein Königreich im Wandel?<br />
12 DUBAI MAGAZIN<br />
im Besitz von Frauen, Frauen gehören 75 %<br />
der Ersparnisse auf saudischen Banken <strong>und</strong> 20<br />
% der saudischen Investmentfonds.<br />
Nicht nur die <strong>Saudi</strong>s selbst, sondern auch ausländische<br />
Gastarbeiter profitieren von den Fortschritten.<br />
Seit Dezember 2009 wurden die Einschränkungen<br />
gelockert, die es bisher fast unmöglich<br />
machten, Familienmitglieder ins Land<br />
zu holen. Früher war die Ausstellung eines Visums<br />
für Familienmitglieder abhängig vom<br />
Beruf oder der beruflichen Tätigkeitsbezeichnung.<br />
Die neue Regelung, die durch das<br />
saudische Außenministerium veranlasst wurde,<br />
macht die Visumsausstellung nun abhängig von<br />
der Höhe des Gehalts <strong>und</strong> damit könnten nun<br />
theoretisch sehr viele der etwa 7 Millionen<br />
Gastarbeiter ihre Familien ins Land holen.<br />
Jeddah Economic Forum (JEF)<br />
Dieses jährliche Forum (www.jef.org.sa) der<br />
Handelskammer in Jeddah dient als Konjunkturbarometer<br />
<strong>und</strong> gilt als eines der prestigeträchtigsten<br />
der Region. Es findet meist im<br />
Februar statt. Neben global interessierenden<br />
Themen wird diese Veranstaltung auch als<br />
Plattform für Redner der Golfstaaten genutzt,<br />
die Situation ihrer Länder darzustellen <strong>und</strong><br />
Zukunftsperspektiven aufzuzeigen. Von den<br />
Bücher in deutscher Sprache über <strong>Saudi</strong>-<strong>Arabien</strong> sind äußerst rar <strong>und</strong> da kommt dieser Titel<br />
gerade zur rechten Zeit. Die Direktorin des Berliner Zentrums Moderner Orient (ZMO),<br />
Prof. Dr. Ulrike Freitag gibt eine Zusammenstellung von<br />
Beiträgen heraus, die Studenten nach einer Exkursion in<br />
das Königreich <strong>und</strong> anschließendem Seminar verfasst haben.<br />
Da die Studenten das Glück hatten, auf Einladung<br />
des saudischen Hochschulministeriums mit vielen privaten<br />
<strong>und</strong> institutionellen Gesprächspartnern ins Gespräch<br />
zu kommen, ist es gelungen, einen Band vorzulegen, der<br />
vielfältige Themen behandelt, wie: Reformbewegung,<br />
Geschlechterpolitik, Medien, Gastarbeiter, Rolle der Frau,<br />
die Pilgerfahrt nach Mekka, sowie die Herausforderungen<br />
des saudischen Marktes mit besonderer Berücksichtigung<br />
deutscher Unternehmer in <strong>Saudi</strong>-<strong>Arabien</strong>, <strong>und</strong> mehr.<br />
Da man in den heimischen Medien kaum etwas über dieses<br />
Land erfährt – weder von den von König Abdullah<br />
bin Abdul Aziz in Angriff genommenen Reformen in Politik,<br />
<strong>Wirtschaft</strong> <strong>und</strong> Gesellschaft, noch von den Diskussionen, die in der saudischen Gesellschaft<br />
geführt werden, ist dieses Buch auch wegen der ausführlichen Bibliographie <strong>und</strong> Sammlung<br />
der Internet-Adressen eine wertvolle Informationsquelle für alle, die sich für das Königreich<br />
interessieren bzw. dort Investitionen planen.<br />
<strong>Saudi</strong>-<strong>Arabien</strong> Ein Königreich im Wandel?, ISBN 978-3-606-76932-9, 322 Seiten, Verlag<br />
Ferdinand Schöningh, Preis: 29,90 EUR<br />
eingeladenen westlichen Experten will man<br />
dazulernen. Eröffnet wird das Forum von Prinz<br />
Khaled Al-Faisal, dem Gouverneur der Region<br />
Mekka, zu der auch Jeddah gehört.<br />
Themen aus <strong>Wirtschaft</strong>,<br />
Wissenschaft <strong>und</strong> <strong>Kultur</strong><br />
Das 10. Forum unter dem Motto „Gobal Economy<br />
2020“ brachte im Hotel Jeddah Hilton<br />
1.200 Delegierte (darunter 370 Geschäftsfrauen),<br />
führende Experten, Entscheidungsträger,<br />
Unternehmer <strong>und</strong> Akademiker aus den<br />
Golfstaaten <strong>und</strong> einigen westlichen Ländern<br />
zusammen mit dem Ziel, einen Blick auf die<br />
Entwicklungen der globalen <strong>Wirtschaft</strong> mit den<br />
Schlüsselsektoren Banken <strong>und</strong> Finanzen, Energie<br />
<strong>und</strong> Umwelt, Handel, Landwirtschaft,<br />
Industrie, Bildung, Ges<strong>und</strong>heit sowie Wissenschaft<br />
<strong>und</strong> Technik im kommenden Jahrzehnt<br />
zu werfen. JEF war in diesem Jahr erstmals Ziel<br />
einer deutschen <strong>Wirtschaft</strong>sdelegation der<br />
GHORFA (Deutsch-Arabische Handelskammer<br />
in Berlin), zu der auch Otto Schily gehörte<br />
– in seiner Eigenschaft als Aufsichtsrat von<br />
„German Consult“ <strong>und</strong> nicht als Politiker, wie<br />
er in einem Interview mit „Arab News“<br />
(englischsprachige Tageszeitung in <strong>Saudi</strong>-<strong>Arabien</strong>)<br />
erklärte. Demnach suche er nach<br />
Geschäftsmöglichkeiten in <strong>Saudi</strong>-<strong>Arabien</strong>, speziell<br />
in den Bereichen Sicherheit, Ges<strong>und</strong>heit,<br />
Abfallwirtschaft <strong>und</strong> Solarenergie. Außerdem<br />
habe er Gespräche mit Vertretern der Binladen<br />
Group (größte Baufirma in <strong>Saudi</strong>-<strong>Arabien</strong>)<br />
geführt. Auch bei den hochkarätigen Referenten<br />
war Deutschland vertreten durch Prof. Dr.<br />
Norbert Walter, ehemaliger Managing Director<br />
<strong>und</strong> Chief Economist der Deutschen Bank<br />
Gruppe, mit einem bemerkenswerten Beitrag<br />
zum Thema, wie angesichts der Krise das Vertrauen<br />
in die Finanzinstitute weltweit wiederhergestellt<br />
werden kann. Am Rande des Forums<br />
wurden zahlreiche internationale<br />
<strong>Wirtschaft</strong>sverträge abgeschlossen, auch<br />
Deutschland war dabei.<br />
Kritische Medien<br />
Die saudischen Medien waren zahlreich auf<br />
dem Forum vertreten <strong>und</strong> berichteten ausführlich<br />
in Presse, Funk <strong>und</strong> Fernsehen. Gelobt<br />
wurde allgemein die ausgezeichnete Qualität<br />
der Referenten <strong>und</strong> der Organisation. Wie ein<br />
roter Faden zog sich ein Thema durch die Berichterstattung:<br />
Das Fehlen saudischer bzw.<br />
arabischer Referentinnen, die doch in den Jahren<br />
zuvor mit hervorragenden Beiträgen geglänzt<br />
hatten (vielleicht zu sehr?). Unter den<br />
35 Referenten war lediglich eine Frau – eine
Ministerin aus Schweden. Ihrem Unmut <strong>und</strong><br />
ihrer Enttäuschung machten sich viele<br />
saudische Geschäftsfrauen, die unter den<br />
Besucherinnen waren, in der Presse Luft – mit<br />
deutlichen Worten. Angesichts der zunehmenden<br />
Kritik zogen die Veranstalter die „Notbremse“:<br />
für den letzten Tag wurde aus <strong>Dubai</strong> Dr.<br />
Asma Siddique, Dekanin für den Bereich Entwicklung<br />
von der <strong>Dubai</strong> School of Government<br />
als Moderatorin des Panels Wissenschaft <strong>und</strong><br />
Technologie eingeflogen. Sie meisterte ihre<br />
Aufgabe souverän.<br />
Neuestes Städteprojekt<br />
Bei jedem Forum wird im Eingangsbereich ein<br />
monumentales Modell eines neuen Projekts<br />
ausgestellt. Im Jahr 2008 bew<strong>und</strong>erte man das<br />
Modell von Jabal Omar, eines neuen Stadtteils<br />
in Mekka, inzwischen weit fortgeschritten,<br />
2007 war das Modell der neuen Stadt King<br />
Abdullah City, ca. 80 km nördlich von Jeddah,<br />
die inzwischen teilweise schon bewohnt ist, von<br />
den Besuchern umlagert. In diesem Jahr übernahm<br />
diese Rolle das von Arabtech in <strong>Dubai</strong><br />
angefertigte Riesenmodell von „King Abdul<br />
Aziz Road“, einem völlig neuen Stadtteil in<br />
Mekka, der sich über Jabal Omar hinaus erstreckt<br />
– auf einer Breite von 3,65 km <strong>und</strong> einer<br />
Länge von 32 km. Prinz Khaled Al-Faisal,<br />
Gouverneur der Region Mekka, gleichzeitig<br />
Chairman der Hohen Kommission für die<br />
Stadtentwicklungen von Mekka <strong>und</strong> den Heiligen<br />
Stätten sieht es als seine Aufgabe an, die<br />
Pilgerstätten für die Zukunft zu rüsten. Wenn<br />
zur Zeit der Pilgerfahrt über 5 Millionen Pilger<br />
nach Mekka kommen, dann erfordert das<br />
besondere Maßnahmen an Bauten <strong>und</strong> Infrastruktur.<br />
Alle Baupläne gehen von der Moschee<br />
mit der Kaaba aus <strong>und</strong> die neue King Abdul<br />
Aziz Road wird die neue Hauptstrecke zur Erreichung<br />
der Moschee – die Realisierung ist<br />
Gegenstand eines 5-Jahres Plans. Das Modell<br />
besticht durch die Gebäude in islamischer Architektur<br />
<strong>und</strong> eine spektakuläre neue Moschee<br />
mit Riesen-Glaskuppel. Der Transport der Pilger<br />
erfolgt mit Bussen <strong>und</strong> einer hochmodernen<br />
Schnellbahn, die die 32 km lange Strecke<br />
zur Moschee in wenigen Minuten bewältigt:<br />
für alle Pilger, die aus dem Westen kommen.<br />
23 Prozent der gesamten Fläche ist einem breiten,<br />
überschatteten Fußgängerbereich gewidmet<br />
mit allen modernen Errungenschaften zu<br />
beiden Seiten, die die Pilger ablenken <strong>und</strong> aufhalten<br />
sollen, damit nicht Millionen gleichzeitig<br />
in die Moschee streben: Shopping Malls,<br />
Restaurants <strong>und</strong> Unterhaltungseinrichtungen.<br />
Zentrum ist die King Abdul Aziz Moschee mit<br />
Das Jeddah Economic Forum ist<br />
das wichtigste Treffen der<br />
<strong>Wirtschaft</strong> in <strong>Saudi</strong>-<strong>Arabien</strong><br />
DUBAI MAGAZIN 13
■ <strong>Saudi</strong>-<strong>Arabien</strong><br />
4 hohen, spitz zulaufenden Minaretten <strong>und</strong><br />
einer Glaskuppel auf einer Fläche von 124.000<br />
qm für 40.000 Gläubige.<br />
<strong>Saudi</strong>sche Unternehmen<br />
auf Kontaktsuche<br />
In letzter Zeit verstärkt sich der Trend, dass<br />
saudische Unternehmen Messen <strong>und</strong> Ausstellungen<br />
im Ausland besuchen, um ihre Produkte<br />
vorzustellen, aber auch um Möglichkeiten zu<br />
Kooperationen auszuloten. Ein Beispiel ist der<br />
größte saudische Teppichproduzent Al Sorayai<br />
Trading and Industrial Group aus Mekka, der<br />
in den kommenden Jahren einen Teppichboom<br />
in den Golfstaaten <strong>und</strong> in der Region erwartet,<br />
wie anlässlich der erstmaligen Teilnahme<br />
an der Messe DOMOTEX Middle East im Mai<br />
2010 in <strong>Dubai</strong> von Geschäftsführer Saleh Nasser<br />
Al Sorayai verkündet wurde. Bereits jetzt<br />
haben die Exporte in 65 Länder einen Wert<br />
von 100 Mio. US Dollar. In <strong>Saudi</strong>-<strong>Arabien</strong> <strong>und</strong><br />
den Emiraten hat das Unternehmen einen<br />
Marktanteil von 36 bzw. 30 Prozent. Man sucht<br />
weitere Kontakte – auch nach Europa. Kontakt:<br />
Al Sorayai Trading & Industrial Group,<br />
Mr. Marwan Kalkatawi, Tel: 0096626918222,<br />
Fax: 0096626974771.<br />
Internationale<br />
Messen <strong>und</strong> Ausstellungen:<br />
10. bis 12. Oktober 2010:<br />
<strong>Saudi</strong> Arabia International<br />
Oil & Gas Exhibition & Conference<br />
25. bis 27. Oktober 2010:<br />
<strong>Saudi</strong> Transtec: Internationale<br />
Ausstellung für Transport, Handling,<br />
Lagerhaltung <strong>und</strong> Logistik<br />
18. bis 21. Oktober 2010:<br />
<strong>Saudi</strong> Build 2010: 22nd International<br />
Construction Technology and Building<br />
Materials Exhibition in Riyadh<br />
Weitere Informationen:<br />
www.recexpo.com, www.ghorfa.de<br />
IMMOBILIEN<br />
Neue Entwicklungen<br />
Neuesten Berichten von der im März 2010<br />
abgehaltenen internationalen saudischen<br />
<strong>Immobilien</strong>konferenz zufolge, soll in Kürze<br />
eine <strong>Immobilien</strong>kommission eingerichtet werden<br />
- ein Plan, der vom Rat der saudischen<br />
Industrie- <strong>und</strong> Handelskammern (CSCCI)<br />
unterstützt wird. Als Ziel der neuen Kommis-<br />
14 DUBAI MAGAZIN<br />
sion wird die Erarbeitung von Regularien <strong>und</strong><br />
Gesetzen genannt, die die <strong>Immobilien</strong>industrie<br />
kontrollieren <strong>und</strong> ihre Entwicklung steuern<br />
sollen. „Der <strong>Immobilien</strong>sektor ist der wichtigste<br />
Industriezweig nach dem Ölsektor. Er verzeichnete<br />
im letzten Jahrzehnt ein Wachstum von<br />
50 Prozent <strong>und</strong> trägt mit 14,7 Mrd. US Dollar<br />
zum Bruttoinlandsprodukt des Königreichs<br />
bei“, so Dr. Fahd Al-Sultan, Generaldirektor<br />
von CSCCI. Wie hoch das Potenzial des<br />
saudischen <strong>Immobilien</strong>marktes eingeschätzt<br />
wird, zeigt auch die Auflage des ersten <strong>Immobilien</strong>-Handelsfonds,<br />
der allen potenziellen<br />
Investoren offen stehen wird.<br />
Hypothekengesetz<br />
Der wichtige <strong>Immobilien</strong>sektor gehört somit<br />
zu den Bereichen, die modernisiert <strong>und</strong> liberalisiert<br />
werden. Ein Hypothekengesetz wurde in<br />
Angriff genommen, bis zu seiner Verabschiedung<br />
wird es allerdings noch dauern. Ziel des<br />
Gesetzes ist es einerseits, der eigenen Bevölkerung<br />
das Eigenheim als realisierbaren Wunsch<br />
schmackhaft zu machen <strong>und</strong> andererseits den<br />
stagnierenden Gr<strong>und</strong>stücksmarkt anzukurbeln.<br />
Derzeit besitzen lediglich 22 Prozent der <strong>Saudi</strong>s<br />
Wohneigentum, der größte Teil der Bevölkerung<br />
sind somit Mieter. Das geplante Gesetz<br />
wird Shariah-konform sein entsprechend<br />
der religiösen Empfindlichkeiten im Land, aber<br />
es wird vielen dabei helfen, tatsächlich Wohneigentum<br />
zu erwerben <strong>und</strong> aus der <strong>und</strong>ankbaren<br />
<strong>und</strong> wenig zukunftsorientierten Mieterrolle<br />
herauszukommen.<br />
Megaprojekte<br />
Da es früher keinen <strong>Immobilien</strong>boom wie in<br />
anderen Golfstaaten gab, gibt es nun auch keine<br />
<strong>Immobilien</strong>krise. Die Baukosten im Land<br />
sind vergleichsweise niedrig. Die Mietpreise in<br />
den beiden größten Städten Riyadh <strong>und</strong> Jeddah<br />
sind sehr unterschiedlich , so zahlt man z. B.<br />
für eine Dreizimmer-Wohnung in Jeddah pro<br />
Jahr 24.000 SAR (ca. 5.100 Euro), der Preis in<br />
Riyadh beträgt 52.000 SAR, also eine Differenz<br />
von 116 %. Die Kaufpreise weisen noch<br />
drastischere Unterschiede auf: 292.500 SAR in<br />
Jeddah <strong>und</strong> 1.6 Mio SAR in Riyadh, also ein<br />
Unterschied von 447%. Die Wahl des „richtigen“<br />
Standorts kann potenziellen Investoren<br />
Tausende von Euro sparen. Bei Wohneigentum<br />
kommt es auf den Distrikt an. Angeboten werden<br />
hoch-, mittel- <strong>und</strong> niedrigpreisige Objekte:<br />
Villen, Studios sowie Ein-, Zwei- <strong>und</strong> Dreizimmerwohnungen.<br />
Die beträchtliche Anzahl von Mega-Projekten,<br />
wie große Handels- <strong>und</strong> Wohnzentren,<br />
Hochhaustürme in den Städten, neue<br />
Verbindungsstraßen, Tunnel <strong>und</strong> Brücken, die<br />
in <strong>Saudi</strong>-<strong>Arabien</strong> angekündigt sind, zieht<br />
Kontraktoren an – wie <strong>Dubai</strong> in den Jahren<br />
2005 <strong>und</strong> 2006. So sieht z. B. die emiratische<br />
Firma Kele Contracting, von Hydra Properties<br />
als Hauptkoordinator für die Arbeiten an fünf<br />
Hochhäusern an strategischer Stelle von Business<br />
Bay in <strong>Dubai</strong> verpflichtet, <strong>Saudi</strong>-<strong>Arabien</strong><br />
als den nächsten logischen Schritt bei ihren<br />
Expansionsplänen an.<br />
Die Altstadt-Sanierung von Jeddah<br />
Ein Dauerbrenner beim <strong>Immobilien</strong>thema ist<br />
die Diskussion um die Sanierung der Altsstadt<br />
von Jeddah, denn die Spekulationen um die<br />
Altstadt „Al Balad“ reißen nicht ab. Al Balad<br />
ist in der Welt einmalig: mehrstöckige Korallensteinhäuser<br />
mit handgeschnitzten Erkern,<br />
Balkongittern <strong>und</strong> Fensterläden aus Holz in<br />
sonst nicht anzutreffender Fülle säumen enge<br />
Gassen, in denen die Zeit stehen geblieben zu<br />
sein scheint. Sie harren ihres Schicksals, denn<br />
sie stehen auf dem gefragtesten Baugr<strong>und</strong> der<br />
Stadt. Immerhin wurden in diesem Stadtteil im<br />
März 2010 neue Wasserleitungen verlegt. Die<br />
Eigentümer der Altstadthäuser sind meist <strong>Saudi</strong>s,<br />
die Mieter jedoch meist Ausländer, die nicht<br />
gerade zu den wohlhabendsten gehören <strong>und</strong><br />
daher für den Erhalt der Gebäude keine Mittel<br />
haben. Folglich ist seit vielen Jahren ein stetiger<br />
Verfall der Häuser zu beobachten zur Freude<br />
von Spekulanten, die schon auf die Abrissbirne<br />
warten, der bereits einige Häuser zum<br />
Opfer fielen Für den Erhalt der Altstadt kämpft<br />
Dr. Sami Nawar, Generaldirektor für <strong>Kultur</strong><br />
<strong>und</strong> Tourismus bei der Jeddah Municipality, die<br />
dem Ministerium für Municipal & Rural<br />
Affairs untersteht. Sein Büro befindet sich im<br />
Bait Al Balad in Jeddah, einem renovierten<br />
Haus am Rand der Altstadt, das als Museum<br />
vorgesehen ist. Es könnte die Rettung für die<br />
Altstadt bedeuten, wenn sich ihre Wichtigkeit<br />
für den Tourismus herumspricht, den man<br />
massiv fördern will. „Wir haben ein neues Tourismus-Projekt,<br />
das innerhalb der nächsten fünf<br />
Jahre realisiert werden soll. Es umfasst die Renovierung<br />
der 5 Museen in Jeddah. Ferner<br />
werden wir ausgewiesene Themen-Routen<br />
durch die Altstadt mehrsprachig kennzeichnen:<br />
z. B. eine Architekturroute, wofür bereits eine<br />
Studie von Architekten vorliegt <strong>und</strong> eine Einkaufs-<br />
<strong>und</strong> Restaurant-Route, die auch die Altstadt<br />
mit einbezieht. In einer Kooperation zwi-
schen Stadt, Privatsektor <strong>und</strong> der Commission<br />
of Tourism and Antiquities mit ihrem Präsidenten<br />
Prinz Sultan bin Salman soll die Altstadt<br />
saniert werden. Parallel zu diesen Aktivitäten<br />
wird die Aufnahme der Altstadt von<br />
Jeddah in die Liste der UNESCO-Weltkulturerbestätten<br />
verfolgt: das wäre der beste<br />
Schutz gegen Spekulanten mit ihren Neubauplänen.“<br />
Dr. Sami Nawar verspricht sich viel<br />
von der Unterstützung aus Deutschland im<br />
Rahmen einer Kooperation mit dem Zentrum<br />
Moderner Orient in Berlin. Deren Direktorin<br />
Prof. Dr. Ulrike Freitag hatte im Dezember<br />
2009 einen Workshop in Berlin organisiert mit<br />
deutschen Sanierungsfachleuten, zu dem<br />
saudische Experten eingeladen waren. Der<br />
Gegenbesuch fand im März 2010 in Jeddah<br />
statt. Mittelfristig soll die Etablierung des „King<br />
Abdullah Bin Abdul Centre for Restauration<br />
of Old Jeddah“ erfolgen mit den folgenden<br />
Aufgaben: Schulung junger <strong>Saudi</strong>s in<br />
Restaurierungstechniken, Entwicklung eines<br />
tragfähigen Zukunftskonzepts für den Erhalt<br />
der Altstadt unter Einschaltung der zuständigen<br />
Institutionen, Absicherung <strong>und</strong> zukünftiger<br />
Erhalt der Altstadt, Etablierung einer internationalen<br />
wissenschaftlichen <strong>und</strong> praxisorientierten<br />
Kooperation für den Erhalt des<br />
<strong>Kultur</strong>erbes Al Balad.<br />
Lamar Projekt in Jeddah<br />
Wer die Jeddah Corniche entlang spaziert, kann<br />
ein spektakuläres Bauprojekt wachsen sehen –<br />
in allerbester Lage in der Nähe zahlreicher 5-<br />
Sterne Hotels <strong>und</strong> mit unverbaubarem Blick<br />
auf das Rote Meer. Im Februar 2010 waren alle<br />
Kräne in Position <strong>und</strong> die F<strong>und</strong>amente für zwei<br />
benachbarte Hochhaustürme fertig, aus den<br />
rückwärtigen Fenstern des Verkaufs-Büros von<br />
Lamar zu sehen. Lamar heißen die beiden Türme<br />
<strong>und</strong> Lamar bedeutet: Flüssiges Gold.<br />
Contractor ist Arab Tech aus <strong>Dubai</strong>, die z. B.<br />
das Infinity Building in <strong>Dubai</strong> bauen, das<br />
höchste in sich gedrehte Gebäude der Welt. Der<br />
erste Turm von Lamar ist bereits ausverkauft,<br />
der 2. Turm zu 10 Prozent. Das Projekt soll<br />
Mitte 2012 fertig sein. 33.400 qm Land werden<br />
bebaut, die Front am Roten Meer ist 205<br />
m lang. Zwischen den beiden Türmen wird es<br />
ein Einkaufszentrum geben, zwei Stockwerke<br />
sind komplett für Spa, Wellness <strong>und</strong> Gymnastik<br />
inkl. Indoor-Swimmingpool, die Stockwerke<br />
4 bis 12 für Büros <strong>und</strong> die darüber liegenden<br />
Stockwerke für Wohnungen vorgesehen.<br />
Minimalgröße: 86 qm, Maximalgröße 1.800<br />
qm (Penthouse). Der Quadratmeterpreis wird<br />
Die Altstadt von Jeddah (oben) soll in die Liste der Weltkulturerbestätten<br />
der UNESCO aufgenommen werden. An der Corniche<br />
sollen dafür Projekte wie das von Lamar (unten) entstehen.<br />
DUBAI MAGAZIN 15
■ <strong>Saudi</strong>-<strong>Arabien</strong><br />
mit durchschnittlich 2.000 Euro angegeben.<br />
Alle Wohnungen haben Meerblick. Das Interieur<br />
ist vom Feinsten: Küche <strong>und</strong> Bäder werden<br />
komplett eingerichtet, wobei Einbauschränke<br />
dominieren. Die Fußböden sind aus<br />
Marmor. Musterräume sind im Verkaufsbüro<br />
zu besichtigen. Projektmanager ist die Firma<br />
Turner, für das Design zeichnet die<br />
amerikanische Firma RMJM verantwortlich<br />
(auch die Emirates Towers in <strong>Dubai</strong> stammen<br />
aus dieser Ideenschmiede) <strong>und</strong> Architekten sind<br />
<strong>Saudi</strong> Diyar Consultants. Infos: www.lamartowers.net.<br />
Neue Touristenstadt<br />
<strong>und</strong> neue Hotels<br />
Eine weitere Neuerung ist die Ende Februar<br />
2010 erfolgte Ankündigung, dass eine „Touristenstadt“<br />
an der Ostküste <strong>Saudi</strong>-<strong>Arabien</strong>s für<br />
etwa 13 Milliarden Dollar gebaut werden soll.<br />
Wenn bisher im Zusammenhang mit touristischen<br />
Planungen stets die jeweils nationale<br />
Bevölkerung der Golfstaaten sowie Muslime aus<br />
anderen Staaten als Zielgruppen genannt wurden,<br />
so zeigt dieser Plan, dass man auch im<br />
Königreich auf lange Sicht an eine Diversifizierung<br />
angesichts der heutigen globalisierten<br />
Welt zu denken beginnt. Hand in Hand mit<br />
einer solchen – ebenfalls als revolutionär zu<br />
bezeichnenden – Öffnung des Landes muss<br />
dann – wie man sich deutlich bewusst ist - das<br />
Aufschließen im gesamten Dienstleistungssektor<br />
zu internationalen Standards gehen. Seit<br />
kurzem gibt es eine Pflicht zur Krankenversicherung<br />
<strong>und</strong> der Finanz- <strong>und</strong> Bankenbereich<br />
hat eine wachsende Liberalisierung erfahren. -<br />
Im Hotelbereich ist deshalb Wachstum zu verzeichnen,<br />
weil der inländische Tourismus<br />
wächst, genau so wie der internationale<br />
Religionstourismus <strong>und</strong> der Geschäftstourismus.<br />
Auf der diesjährigen Hotel Show in<br />
<strong>Dubai</strong> war die Rede von 21 neuen Hotels in<br />
<strong>Saudi</strong>-<strong>Arabien</strong> mit 7.000 Zimmern, die bis<br />
2013 gebaut werden sollen, davon werden<br />
2000 Zimmer bereits bis Ende 2010 zur Verfügung<br />
stehen.<br />
KUNST & KULTUR<br />
<strong>Saudi</strong> <strong>Arabien</strong> wacht auf<br />
Vorstellungen in Theater, Oper, Konzertsaal,<br />
Kino, etc. sind in <strong>Saudi</strong>-<strong>Arabien</strong> immer noch<br />
weitgehend unüblich. Aber in zunehmendem<br />
Maße machen sowohl <strong>Kultur</strong>einrichtungen, die<br />
16 DUBAI MAGAZIN<br />
auch in das Besuchsprogramm von Kongressbesuchern<br />
einbezogen werden als auch<br />
saudische Künstler von sich reden, die bei<br />
Messen, Gipfeln, Kongressen <strong>und</strong> Tagungen<br />
aller Art in Jeddah <strong>und</strong> Riyadh die Möglichkeit<br />
bekommen, ihre Werke auszustellen. International<br />
sorgte im Frühjahr 2010 die mutige<br />
saudische Dichterin Hessa Hilal aus Riyadh<br />
für Schlagzeilen als sie mit kritischen Gedichten<br />
über den Ultrakonservatismus in ihrem<br />
Land ein Millionen Fernsehpublikum in der<br />
Arabischen Welt aufrüttelte im Rahmen des life<br />
übertragenen Million’s Poet Wettbewerbs von<br />
Abu Dhabi TV <strong>und</strong> dafür Morddrohungen aus<br />
<strong>Saudi</strong>-<strong>Arabien</strong> erhielt. Sie gewann den dritten<br />
Preis, aber viele Zuschauer waren sich einig,<br />
dass sie Platz 1 verdient gehabt hätte. Der dritte<br />
Platz rettete ihr vielleicht das Leben.<br />
Internationaler <strong>Kultur</strong>austausch<br />
In zunehmendem Maße spielt <strong>Saudi</strong> <strong>Arabien</strong><br />
eine Rolle beim internationalen <strong>Kultur</strong>austausch<br />
<strong>und</strong> auf internationalem <strong>Kultur</strong>parkett.<br />
Neben den schon seit vielen Jahren etablierten<br />
<strong>Saudi</strong>schen <strong>Kultur</strong>wochen in Europa, die auch<br />
in Berlin stattfanden, gibt es weitere Aktivitäten.<br />
Hier drei Beispiele von vielen:<br />
Janadriyah Festival: Beim jährlich im Februar/<br />
März stattfindenden, berühmten <strong>Kultur</strong>festival<br />
in Janadriyah (in der Nähe von Riyadh) hatte<br />
in diesem Jahr erstmals ein europäisches Land<br />
- nämlich Frankreich - als Gastland die einmalige<br />
Gelegenheit, seine Volkskunst <strong>und</strong> Produkte<br />
vorzustellen.<br />
King Abdullah Literatur Übersetzer Preis:<br />
Schon zum dritten Mal wurde am 11. Mai<br />
2010 in Paris von Prinz Moutib bin Abdallah,<br />
einem Sohn des <strong>Saudi</strong>schen Königs, in den<br />
Räumen der UNESCO ein vom <strong>Saudi</strong>schen<br />
König gestifteter Literatur-Übersetzerpreis an<br />
11 arabische Übersetzer <strong>und</strong> einen französischen<br />
Kollegen verliehen. Dabei geht es sowohl<br />
um Übersetzungen vom Arabischen ins Französische<br />
als auch umgekehrt. Ziel des Preises<br />
ist die Verbesserung des kulturellen Dialogs.<br />
Edge of Arabia: Sehr rührig ist man in London,<br />
wo 2004 „Edge of Arabia“ gegründet wurde<br />
als unabhängige Initiative britischer <strong>und</strong> saudischer<br />
Künstler mit dem Ziel, <strong>Kunst</strong> aus <strong>Saudi</strong>-<br />
<strong>Arabien</strong> zu fördern <strong>und</strong> zu etablieren. So ist z.<br />
B. der britische Kurator Stephen Stapleton seit<br />
einigen Jahren in <strong>Saudi</strong>-<strong>Arabien</strong> unterwegs, um<br />
erfolgreich saudische Künstler aufzuspüren <strong>und</strong><br />
Ausstellungen ihrer Werke im Rahmen von<br />
Edge of Arabia weltweit zu organisieren, wo-<br />
bei die Ausstellungen z. B. in London <strong>und</strong> auf<br />
der 53. Biennale in Venedig erfolgreich gezeigt<br />
wurden. Erstmals kommt Edge of Arabia auch<br />
nach Deutschland: Anlässlich der 6. Biennale<br />
in Berlin (10. Juni bis 18. Juli 2010) sind Arbeiten<br />
von saudischen Künstlern auf den Gebieten<br />
Installation, Performance, Fotografie,<br />
Video <strong>und</strong> Skulptur zu sehen. Bemerkenswert<br />
an dieser Initiative ist die maßgebliche Unterstützung<br />
der <strong>Saudi</strong> Arabian General Investment<br />
Authority (SAGIA).<br />
Malerei – Collagen - Fotografie<br />
In zunehmendem Maße entstehen in <strong>Saudi</strong>-<br />
<strong>Arabien</strong> ausgezeichnete <strong>Kunst</strong>galerien für Fotografie<br />
<strong>und</strong> Malerei, die auch auf den <strong>Kunst</strong>messen<br />
in <strong>Dubai</strong> <strong>und</strong> Abu Dhabi vertreten sind<br />
<strong>und</strong> Filialen in anderen Golfstaaten, vorrangig<br />
in den Emiraten, unterhalten. Der Austausch<br />
der <strong>Kunst</strong>galerien in allen sechs Golfstaaten<br />
<strong>und</strong> die Zahl der Ausstellungen nehmen in rasantem<br />
Tempo zu. Im Folgenden stellen wir<br />
drei Künstler vor aus den Bereichen Malerei,<br />
Collage <strong>und</strong> Fotografie:<br />
Gemälde des Künstlers Dr. Sami Marzougi<br />
Er ist in der saudischen <strong>Kunst</strong>welt eine<br />
Ausnahmeerscheinung: Dr. Marzougi ist im<br />
Hauptberuf Narkosearzt. „Wie in jedem Beruf<br />
bekommt man nach vielen Jahren der Praxis<br />
Routine <strong>und</strong> das gibt Raum für kreative Gedanken,<br />
die sich in meinem Fall in künstlerischen<br />
Aktivitäten entfalten.“ Er malt seit über<br />
20 Jahren, begann mit einer eigenen Interpretation<br />
von Kalligrafie. Einer „plakativen“ Phase<br />
folgte eine Phase der Entwürfe von Skulpturen,<br />
die oft religiöse Motive, z. B. Betende in<br />
den verschiedenen Gebetshaltungen des Islam<br />
darstellten in einer durch Kalligrafie verfremdeten<br />
Form. Danach malte er abstrakte Werke<br />
mit Tinte – ein mühsamer <strong>und</strong> zeitintensiver<br />
Prozess. Heute ist er dabei, eine ganz neue Technik<br />
für abstrakte, großformatige Werke – meist<br />
auf Leinwand – zu entwickeln, die Acryl mit<br />
Tinte verbindet. „Mit dem Medium Tinte entsteht<br />
die Farbe erst auf der Leinwand – während<br />
der Arbeit. Das ergibt oft überraschende<br />
Effekte. Die Ergänzung durch die Acrylfarben<br />
bewirken eine mir bisher unbekannte Wirkung<br />
<strong>und</strong> haben den erfreulichen Nebeneffekt, dass<br />
die Arbeit an einem Gemälde weniger zeitraubend<br />
ist.“ Der Künstler hatte einige Ausstellungen<br />
in <strong>Saudi</strong>-<strong>Arabien</strong> <strong>und</strong> macht sich durch<br />
seine zurückhaltende <strong>und</strong> introvertierte Art rar<br />
– eine Eigenschaft, die in der internationalen<br />
<strong>Kunst</strong>szene eher selten ist. In seinem Atelier
sind etwa 80 Gemälde fertig für die nächste<br />
Ausstellung. Diese Gemälde können auf dem<br />
internationalen <strong>Kunst</strong>markt bestehen: abstrakte<br />
Farbkombinationen komplizierter Technik, die<br />
die Phantasie anregen, denn bei genauerem<br />
Hinsehen entdeckt man Gesichter, geometrische<br />
<strong>und</strong> menschliche Figuren sowie Gebäude.<br />
Collagen der Künstlerin Rahma Al Korbi<br />
„Ich habe nach dem Abitur <strong>Kunst</strong> am College<br />
of Art in Jeddah studiert <strong>und</strong> meinen Magister<br />
an der Universität in Kairo gemacht. Mit Malerei<br />
begonnen habe ich vor 10 Jahren mit Portraits,<br />
Architektur <strong>und</strong> Landschaften in Bleistift,<br />
Kreide, Wasserfarben <strong>und</strong> Öl. Ich hatte<br />
fast 50 Ausstellungen in verschiedenen Städten<br />
in Ägypten <strong>und</strong> <strong>Saudi</strong>-<strong>Arabien</strong>. Seit einiger<br />
Zeit mache ich Textilkollagen auf mit<br />
schwarzer Farbe bemalter Leinwand <strong>und</strong> benutze<br />
nur die traditionellen Stickereien, bei<br />
denen meist kräftige Farben eine wichtige Rolle<br />
spielen.“ Damit hat sie ihren eigenen Stil<br />
kreiert <strong>und</strong> den will sie pflegen. Mit diesem<br />
Konzept liegt sie im Trend, wie die Ausstellung<br />
‚Geschichte der Islamischen Stickerei’, die im<br />
April 2010 in der Gallery One des Hotels<br />
Emirates Palace in Abu Dhabi begann, zeigt.<br />
„Ich bin dabei, für eine Ausstellung etwa 40<br />
Kollagen in der Größe von 1x1 m in den kommenden<br />
sechs Monaten anzufertigen. Mein<br />
größtes Werk dieser Art ist 4x16 m groß <strong>und</strong><br />
hängt jetzt in meinem früheren College“, meint<br />
die Künstlerin, die als Marketing Executive bei<br />
Jotun <strong>Saudi</strong>a Co. Ltd. arbeitet, daher auch<br />
Mitglied der Handelskammer in Jeddah <strong>und</strong><br />
vorrangig für die Präsentationen der Firma in<br />
ihrem Büro in <strong>Dubai</strong> zuständig ist. „Mein Beruf<br />
bringt die Notwendigkeit zu vielen Reisen<br />
– bis nach Japan – mit sich. Bei Geschäftsreisen<br />
bin ich allein unterwegs, für mich kein Problem,<br />
da meine Familie mich unterstützt – sowohl<br />
im Hinblick auf meinen Beruf als auch<br />
auf meine <strong>Kunst</strong>.“ Da hat sie Glück, denn für<br />
viele Frauen ist in <strong>Saudi</strong>-<strong>Arabien</strong> aus traditionellen<br />
Gründen allein reisen unmöglich, wenn<br />
die Familie dagegen ist.<br />
Die Prinzessin mit der Kamera -<br />
Interview mit Reem Al Faisal<br />
„Es gibt nichts Anstrengenderes als die Hadj<br />
(Pilgerfahrt nach Mekka), es sei denn, man<br />
befindet sich in einer Kriegszone. Ich hatte mit<br />
jeder Art von menschlichem Verhalten zu tun,<br />
sei es religiös oder traditionell. Einige kamen<br />
zu mir <strong>und</strong> baten mich, sie zu fotografieren,<br />
andere hingegen schrieen mich an, das sei ge-<br />
Hessa Hilal<br />
sorgte mit<br />
ihrem Auftritt<br />
beim<br />
Million’s Poet<br />
Wettbewerb<br />
für Aufsehen<br />
Dr. Sami Marzougi <strong>und</strong><br />
Rahma Al Korbi (unten) sind<br />
Ausnahmeerscheinungen in<br />
der saudischen <strong>Kunst</strong>welt<br />
DUBAI MAGAZIN 17
■ <strong>Saudi</strong>-<strong>Arabien</strong><br />
gen unsere Religion, aber die meisten ignorierten<br />
mich einfach <strong>und</strong> sorgten sich mehr um<br />
den Zustand ihrer Seele, als um irgendeine fotografierende<br />
Frau“, ist ein Auszug aus ihrem<br />
Text zu ihrer schwarz/weiß Hadj-Fotoserie aus<br />
den Jahren 2001-2003, die inzwischen weltweit<br />
bekannt ist <strong>und</strong> fast schon Kultstatus erreicht<br />
hat. Reem Al Faisal ist eine Urenkelin<br />
von König Abdul Aziz, dem Gründer des heutigen<br />
Königreichs <strong>Saudi</strong>-<strong>Arabien</strong>. Die 1968<br />
geborene Prinzessin stammt aus Jeddah, pendelt<br />
zwischen Jeddah, Paris, <strong>und</strong> anderen westlichen<br />
Hauptstädten der Welt. 1994 fand ihre<br />
erste Ausstellung in Jeddah statt – gleichzeitig<br />
war das die erste s/w-Fotoausstellung des Landes.<br />
Im Jahr 2008 war sie Teilnehmerin der<br />
britisch-saudischen <strong>Kunst</strong>initiative „Edge of<br />
Arabia“. Islamische Themen sind ihr wichtig<br />
<strong>und</strong> so bezeichnet sie ihre Fotografie als Islamische<br />
<strong>Kunst</strong>. Ihre starke Verb<strong>und</strong>enheit zum<br />
Islam schließt jedoch ausdrücklich Toleranz<br />
gegenüber anderen Religionen ein. Ihre Arbeit<br />
beschreibt sie so: „Ich bin weder traditionell<br />
noch modern, zeitgenössisch oder altmodisch.<br />
Mein Werk ist ein Zeichen der Liebe zu Gott.“<br />
Sie besitzt in <strong>Dubai</strong> ihre eigene Galerie „Empty<br />
Quarter“ im DIFC (<strong>Dubai</strong> International<br />
Financial Centre), in der laufend Fotoausstellungen<br />
internationaler <strong>Kunst</strong>fotografen<br />
stattfinden. Creative Director ist Elie Domit,<br />
ebenfalls ein bekannter Fotograf. (The Empty<br />
Quarter, Gate Village, Bldg 02, DIFC, Tel.<br />
3231210, Internet: www.theemptyquarter.<br />
com)<br />
DUBAI Magazin: Warum fotografieren Sie in<br />
schwarz/weiß?<br />
Reem Al Faisal: Mit meinen Fotos beabsichtige<br />
ich, in unserer farbigen Welt den Blick auf<br />
das Wesentliche zu lenken. Allerdings sehe ich<br />
meine Arbeit nicht so, dass ich s/w-Fotos mache,<br />
sondern ich fotografiere in Schattierungen<br />
von grau, weil es mir um subtile Schatten<br />
<strong>und</strong> Töne geht in einer Welt voller Helligkeit,<br />
die blendet <strong>und</strong> Schatten, die mehr scharf abgrenzen<br />
als verbergen. Wir leben in einer <strong>Kultur</strong>,<br />
in der wir immer schneller den Sinn des<br />
Subtilen verlieren <strong>und</strong> wir behandeln die Menschen<br />
wie Maschinen mit gewissen Bestandteilen<br />
<strong>und</strong> immer gleichen Ergebnissen <strong>und</strong><br />
alles was wir tun müssen, ist, die Bedienungsanleitung<br />
zu lesen, um bei allen Individuen die<br />
gleichen Resultate zu erzielen. Diese <strong>Kultur</strong><br />
verneint emotionale Gefühle <strong>und</strong> intellektuelle<br />
Besonderheiten, die uns zu den faszinierendsten<br />
Kreaturen des Universums machen. Mich<br />
fasziniert die Fähigkeit der Menschheit, uns<br />
überraschenderweise gegen alle Berechnungen<br />
18 DUBAI MAGAZIN<br />
zu stellen, wenn auch nicht immer mit den<br />
besten Ergebnissen, aber das macht uns so interessant.<br />
Ich hoffe, durch die s/w Fotografie<br />
die Seele des Subjekts zu erfassen <strong>und</strong> deshalb<br />
versuche ich, jedes Foto zu einem einzigartigen<br />
Experiment zu machen. Deshalb sollte der<br />
Betrachter, der mein Werk wirklich schätzen<br />
will, es langsam <strong>und</strong> sorgfältig ansehen. Es ist<br />
nicht sofort ersichtlich, aber ich bin sehr beeinflusst<br />
von der arabischen Sprache, die einen<br />
in die Lage versetzt, einen Satz zu sagen <strong>und</strong><br />
damit so viele Dinge auf vielen verschiedenen<br />
Niveaus auszudrücken. Ich hoffe, dass meine<br />
Fotos auf ähnliche Weise betrachtet werden: Bei<br />
jeder neuen Betrachtung ergibt sich ein anderes<br />
Bild. Ich möchte gar nicht, dass alles schon<br />
mit einem Blick erfasst wird.<br />
DM: Gab es bei der Fotoserie der Pilgerfahrt<br />
Probleme <strong>und</strong> wie sahen die aus?<br />
Al Faisal: Ja, es gab viele Schwierigkeiten, eine<br />
hing damit zusammen, dass ich die erste Frau<br />
war, die jemals die Hadj ausführlich fotografiert<br />
hat. Ich war täglich mehr als 10 St<strong>und</strong>en<br />
in glühender Hitze <strong>und</strong> bei sengender Sonne<br />
zu Fuß mit der schweren Fotoausrüstung<br />
unterwegs. Schlimm waren die auf Ignoranz<br />
<strong>und</strong> traditionellen Missverständnissen basierenden<br />
Reaktionen gewisser Männer, die mich<br />
sogar tätlich angriffen. Als das Schlimmste<br />
empfand ich aber, dass ich nicht wusste, wie<br />
der Einzelne reagieren würde, <strong>und</strong> wenn man<br />
in engem Kontakt ist mit über drei Millionen<br />
Menschen aus der ganzen Welt mit verschiedenen<br />
Bildungsniveaus, dann wird die eigene<br />
Position sehr angreifbar. Aber mit meiner Kamera<br />
fühlte ich mich stark <strong>und</strong> ich habe nie<br />
etwas bereut.<br />
DM: Erinnern Sie Sich an besondere Begebenheiten<br />
beim Fotografieren von Frauen in<br />
der arabischen Welt?<br />
Al Faisal: Nein, weil ich die Menschen nicht<br />
nach Geschlechtern trenne. Es geht mir um die<br />
Gesamtsicht, wenn ich das Leben mit meiner<br />
Kamera beobachte. Mich interessiert das Wesen<br />
einer Nation <strong>und</strong> das beinhaltet Männer<br />
<strong>und</strong> Frauen jeden Alters.<br />
DM: Erinnern Sie sich an eine bestimmte<br />
schwierige oder lustige oder unvergessliche Situation<br />
beim Fotografieren?<br />
Al Faisal: Ja, es gab einen Moment, der für mich<br />
lustig <strong>und</strong> sehr traurig zugleich war. Als ich in<br />
Chicago beim „Nation of Islam“- Kongress fotografierte,<br />
traf ich eine Frau, die begeistert auf<br />
mich zukam, mich begrüßte <strong>und</strong> umarmte <strong>und</strong><br />
sagte, das sei das erste mal, dass sie eine Weiße<br />
umarmt habe <strong>und</strong> dann erzählte sie mir ihre<br />
Lebensgeschichte. Das lustige daran ist, dass<br />
ich mich selbst immer als Araberin gesehen<br />
haben <strong>und</strong> damit als alles andere als weiß. Seit<br />
meiner Kindheit in <strong>Saudi</strong>-<strong>Arabien</strong> war ich<br />
schon in meiner Schulklasse zusammen mit<br />
saudischen Mädchen aus allen möglichen Teilen<br />
der Gesellschaft <strong>und</strong> das war eine bunte<br />
Mischung von Hautfarben. Meine saudischen<br />
Klassenkameradinnen waren seit Generationen<br />
<strong>Saudi</strong>s – freilich mit Hintergründen von Afrika<br />
bis China <strong>und</strong> für uns war die Hautfarbe<br />
nie ein Thema. Ich war total „Farben-blind“<br />
<strong>und</strong> stand dieser Frau gegenüber, der meine<br />
Hautfarbe wichtig war <strong>und</strong> der traurige Teil der<br />
Geschichte ist, dass sie nie einen Menschen<br />
ansehen konnte, ohne auf die Hautfarbe zu<br />
schauen <strong>und</strong> das musste eine schwere Bürde<br />
sein, die sie in ihrer Seele mit sich herumschleppte.<br />
Ich stand da <strong>und</strong> sie tat mir so leid –<br />
in nur wenigen Minuten hatte sich ein Abgr<strong>und</strong><br />
aufgetan. Ich wurde in die Welt des Rassismus<br />
geschleudert <strong>und</strong> konnte nichts tun, um dieser<br />
Frau zu helfen.<br />
DM: Welche Ihrer eigenen Fotografien lieben<br />
Sie am meisten <strong>und</strong> warum?<br />
Al Faisal: Mein Lieblingsfoto stammt aus der<br />
Hadj-Serie. Es zeigt einen Menschen – man<br />
kann nicht sagen, ob es ein Mann oder eine<br />
Frau ist – <strong>und</strong> gerade deshalb mag ich es. Es<br />
drückt die Einsamkeit aus angesichts der Ewigkeit.<br />
Wie bescheiden <strong>und</strong> allein sind wir doch<br />
<strong>und</strong> trotz aller menschlichen Fähigkeiten reduziert<br />
sich alles auf das Niedrigste <strong>und</strong> so erreichen<br />
wir wahre Größe. In diesem Foto sehe<br />
ich unsere Schwäche <strong>und</strong> unsere Stärke, denn<br />
obwohl die Person augenscheinlich von den<br />
Sorgen <strong>und</strong> Nöten des Lebens gepeinigt ist, ist<br />
ihre Präsenz sehr stark. Wenn ein Mensch ohne<br />
Reichtum <strong>und</strong> Macht ist, bleibt nichts übrig,<br />
sogar das Geschlecht ist vielleicht nicht mehr<br />
ersichtlich, aber das Menschsein kann nie ausgelöscht<br />
werden.<br />
DM: Welche fotografischen Zukunftspläne<br />
haben Sie?<br />
Al Faisal: Wenn ein Araber in der Vergangenheit<br />
reiste, dann geschah das zu dem Zweck,<br />
Wissen zu erlangen. Tatsächlich bedeutet das<br />
arabische Wort für Tourist „Sucher nach Wissen“<br />
<strong>und</strong> es bezieht sich nicht auf jemanden,<br />
der andere Orte nur zum Vergnügen besucht.<br />
Ich betrachte meine Fotografie auch im Sinne<br />
des Suchens nach Wissen - genauer gesagt dem<br />
Wissen über mich selbst <strong>und</strong> die Welt in der<br />
wir leben. Folgerichtig werden meine zukünftigen<br />
Projekte sich auch so orientieren. Ich will<br />
die Welt bereisen - so, wie meine Vorfahren<br />
die Wüste bereist haben <strong>und</strong> eines Tages werde<br />
ich vielleicht das finden, was ich suche.
Haus der <strong>Kultur</strong><br />
<strong>und</strong> Almakkiyah Stiftung<br />
„Sami Angawi baute sein Haus um den Wind<br />
herum“, beschreibt es poetisch die New York<br />
Times. Die Rede ist von einem Haus in Jeddah,<br />
das dem Besucher bereits bei der Ansicht von<br />
außen den Atem verschlägt. Wenn Gleichgewicht,<br />
Einheit <strong>und</strong> Verschiedenheit die wichtigsten<br />
Merkmale der islamischen Zivilisation<br />
sind, dann werden sie in diesem Haus lebendig<br />
– im Hijaz, der westlichen Region des Landes,<br />
die durch die Pilger seit Abrahams Zeiten<br />
ein Schmelztiegel der Muslime aus aller Welt<br />
ist. Obwohl die islamische Architektur gr<strong>und</strong>sätzlich<br />
eher verschlossen wirkt, weil die Privatsphäre<br />
höchstes Gut darstellt, ist das Haus zwar<br />
von der üblichen Mauer umgeben, die jedoch<br />
durch schmiedeeiserne Gitter unterbrochen ist,<br />
sodass man es von außen in seiner Hijaz-Architektur<br />
mit zahlreichen holzgeschnitzten Balkonen,<br />
Veranden <strong>und</strong> Fensterläden (Rouchan)<br />
– erbaut aus den traditionellen Baumaterialien<br />
Korallenstein (Manqabi), Wüstensandstein<br />
(Qahoot) <strong>und</strong> Granit aus Mekka (Alshobaiki)<br />
– sehen kann. Die Räume des 2-stöckigen<br />
Hauses mit Windturm gruppieren sich um einen<br />
geräumigen Innenhof mit Keramikpool,<br />
Wasserfall <strong>und</strong> Springbrunnen, geschmückt<br />
mit Palmen <strong>und</strong> Grünpflanzen – man wähnt<br />
sich im Paradies. Anliegen von Sami Angawi<br />
war es, die Innenarchitektur so zu gestalten,<br />
dass sie den Mix der islamischen Zivilisationen<br />
spiegelt: Man betritt das Haus durch eine 300<br />
Jahre alte Holztür aus Mekka <strong>und</strong> entdeckt<br />
marokkanische Keramik, syrische Torbögen,<br />
jemenitische Fassaden, perfekt aufeinander<br />
abgestimmt. Alle Räume erhalten Tageslicht.<br />
Sie sind einerseits sehr privat, der islamischen<br />
Tradition entsprechend, aber trotzdem offen für<br />
die Welt – nicht nur auf dem Dachgarten.<br />
Durch die ökologische Bauweise wird die Klimaanlage<br />
nur in den heißesten Sommermonaten<br />
benötigt.<br />
Das Haus beherbergt die Almakkiyah Stiftung.<br />
Konstruktive Teilnahme an Dialog <strong>und</strong> Kommunikation<br />
sowie Interaktion auf nationalem<br />
<strong>und</strong> internationalem Niveau <strong>und</strong> Anregung des<br />
interkulturellen Dialogs sind die Ziele, wobei<br />
man klare Prinzipien hat: Respekt vor dem Islam<br />
<strong>und</strong> der Redefreiheit, vor der nationalen<br />
Einheit, der Führung des Landes <strong>und</strong> den religiösen<br />
Führern in all ihrer Vielfalt, klare Absage<br />
an Rassismus <strong>und</strong> Vorurteile. Derzeit setzt<br />
man sich sehr für den Erhalt der alten Häuser<br />
in Mekka ein, denen das Schicksal des Abrisses<br />
droht. Jeden Dienstagabend oder nach Verabredung<br />
ist das Haus offen für Diskussionsr<strong>und</strong>en.<br />
Gern lädt man Gäste aus aller Welt,<br />
die zu Internationalen Kongressen in Jeddah<br />
weilen, ein. Dann ist Dr. Sadig A. Malki, Intellektueller<br />
aus Mekka zur Stelle, ein Experte,<br />
wenn es um die Religionen der Welt geht, über<br />
die er in perfektem Englisch referiert mit dem<br />
Schwerpunkt der Gemeinsamkeiten zwischen<br />
Islam <strong>und</strong> Christentum. Dr. Malki ist Assistant<br />
Professor für Politische Wissenschaften an der<br />
King Abdul Aziz Universität in Jeddah. Seinen<br />
Bachelor machte er an der Jordan Univerity in<br />
Amman, seinen Magister in Politik, Bildung<br />
<strong>und</strong> <strong>Wirtschaft</strong>. Den Doktortitel holte er sich<br />
in Politik von der Washington University in<br />
St. Louis, USA. Die letzten zwei Jahre verbrachte<br />
er als Gastprofessor an der School of Foreign<br />
Service des Prinz Al Waleed Bin Talal Centers<br />
for Muslim-Christian Understanding, das zur<br />
US-Amerikanischen Georgetown Universität in<br />
Washington DC gehört. Und offenbar weiß<br />
man sein Wissen auch in <strong>Dubai</strong> zu schätzen,<br />
denn derzeit ist er Gastprofessor an der <strong>Dubai</strong><br />
School of Government, die mit der Kennedy<br />
School of Government der Harvard Universität<br />
kooperiert. Der Besucher hat damit erfahren,<br />
dass sich Prinz Al Waleed Bin Talal, nicht<br />
nur der reichste Mann <strong>Saudi</strong> <strong>Arabien</strong>s, sondern<br />
auch der arabischen Welt, mit wissenschaftlichen<br />
Instituten um den muslimisch-christlichen<br />
Dialog bemüht <strong>und</strong> Kooperationen unter<br />
Regierungsschulen zwischen den Golfstaaten<br />
<strong>und</strong> den USA florieren. Abschiedsgeschenk<br />
sind Fotos vom Morgengebet im<br />
Angesicht der Kaaba in der Moschee von Mekka<br />
– auf einem USB-Stick. ■<br />
Das Haus der <strong>Kultur</strong> in<br />
Jeddah beherbergt die<br />
Almakkiyah Stiftung<br />
2001 bis 2003 hat Reem Al Faisal<br />
eine vielbeachtete Serie mit s/w-<br />
Fotos zur Hadj angefertigt.<br />
DUBAI MAGAZIN 19