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Besuch bei Herrn Professor Hipp im Himbselhaus, Leoni Der ...

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In der Reihe Ostuferspaziergänge:<br />

<strong>Besuch</strong> <strong>bei</strong> <strong>Herrn</strong> <strong>Professor</strong> <strong>Hipp</strong> <strong>im</strong> H<strong>im</strong>bselhaus, <strong>Leoni</strong><br />

<strong>Der</strong> diesjährige Septemberspaziergang des Ostuferschutzverbandes führte uns nach Norden.<br />

Dort <strong>im</strong> früheren Assenbuch, heutigen <strong>Leoni</strong> liegt eine ganz besondere Villa, genannt das<br />

H<strong>im</strong>bselhaus.<br />

Ein Blick in die Entwicklungsgeschichte unseres Starnberger Sees zeigt uns, dass seine Ufer<br />

verschiedene Besiedelungswellen erreichten. Nach Fischern und Bauern, gründeten Adlige<br />

und Patrizier eine Reihe von Hofmarken und größeren Besitztümern <strong>im</strong> 16./17. Jahrhundert.<br />

Erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts, als der Bayrische Hof mit spektakulären Festen und<br />

Jagden wieder mehr Interesse am See entwickelte, siedelten sich auch Personen um den Hof<br />

hier an. Dennoch war der See für den weniger Bemittelten schlecht erreichbar.<br />

Dies änderte sich erst durch die, von Baurat Johann Ulrich H<strong>im</strong>bsel bis November 1854<br />

gebaute Eisenbahn von München nach Starnberg. Von dort konnte die Reise mit dem ab Mai<br />

1851 neu eingerichteten Dampfschiff weitergehen. Das stillere und nach dem kurz darauf<br />

erfolgten Bau der Verlängerungstrecke nach Seeshaupt, schlechter erreichbare Ostufer war<br />

häufig Ziel von Künstlern und <strong>Professor</strong>en, die in und mit ihren Villen Bescheidenheit und<br />

Zurückhaltung pflegten. <strong>Der</strong> frühere Villentyp war klassizistisch mit einfachen Proportionen,<br />

bescheidenen Raumgrößen und zurückhaltender Geste. Erst Mitte des Jahrhunderts nahmen<br />

repräsentative Wünsche zu und die Architekten fingen an, verschiedene Baustile zu zitieren.<br />

Eine am See vor allem auf der Nord-West-Seite sehr beliebte Antwort auf die ländliche<br />

Situation war der „Schweizer Stil“. Eine Architektur, die häufig Fachwerkelemente,<br />

Holzobergeschoße und barocke Rundbögen aufwies.<br />

Baurat H<strong>im</strong>bsel, der bereits 1927 eine klassizistische Villa <strong>bei</strong> <strong>Leoni</strong> errichtet hatte, wollte auf<br />

diese Frage eine ganz andere Antwort geben. Seine Villa (Villa kommt aus dem Lateinischen<br />

und heißt Landhaus) sollte die Formensprache des oberbayrischen Einfirsthofes übernehmen<br />

und damit ein Beispiel für die Integration der Villenarchitektur in die örtliche, traditionelle<br />

Bauweise sein.<br />

So errichtete H<strong>im</strong>bsel ein flach geneigtes Satteldachhaus mit weit auskragendem Dach,<br />

Holzverkleidung unter dem Dach, Holzbalkon auf der Frontseite, d. h. zum See orientiert.<br />

Drachenköpfe an den Traufrinnen vergrämen Druden und Hexen. Die Fenster, schon weiter<br />

geöffnet als <strong>bei</strong> älteren Bauern- bzw. Fischerhäusern, <strong>im</strong> Format eines leicht stehenden<br />

Rechtecks mit Sprossen und einfachen, grün gestrichenen Bretterfensterläden, sind nach<br />

Westen symmetrisch angeordnet. <strong>Der</strong> Hauseingang liegt auf der Längsseite und trennt<br />

traditionell Wohn- und Stallteil. Symmetrisch angeordnete Lüftlmalereien grüßen zum See<br />

und nach Süden (W. Kaulbach).<br />

Woran erkennen wir, dass es sich dennoch nicht um ein Bauernhaus handelt?<br />

Misstrauisch wird man, wenn man sieht, dass sich die Hauptfassade zur Wetterseite, dem See<br />

mit dem erträumten Ausblick, orientiert. Alte Bauernhäuser schützen sich vor der<br />

Wetterhauptfront <strong>im</strong> Westen und legen ihren Wohnteil nach Osten, hier erkennen wir einen<br />

Bruch mit der bäuerlichen Tradition.<br />

Betritt man das H<strong>im</strong>bselhaus, werden die Unterschiede offenkundig: Man befindet sich in<br />

einem Raum, wie man auf den zweiten Blick erkennt, dem Treppenraum, mit einer der<br />

Eingangstür gegenüberliegenden dreiläufigen Treppe, ein Herrschaftssymbol. An dieser Stelle<br />

kennen wir aus der bäuerlichen Hausgeschichte den durchgesteckten Flur (Fletz) oder<br />

Stiefelgang mit einläufiger Stiege zum Schlafobergeschoß, der als Fuge Wohn- und Stallteil<br />

trennt und verbindet zugleich. H<strong>im</strong>bsel hat sich <strong>bei</strong> seiner Raumkomposition von englischen<br />

Häusern inspirieren lassen, die er studieren konnte, als er, anlässlich seines Studiums<br />

englischer Eisenbahnen, sich auch mit englischer Wohnkultur beschäftigte. In diesem<br />

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Treppenraum erkennt man, je mehr sich die Augen an das Licht gewöhnt haben, die<br />

Schatzkammer des Hauses. H<strong>im</strong>bsels zahlreiche Bauprojekte hatten ihn mit vielen Künstlern<br />

zusammengeführt. Dem geselligen Bauherrn machte es viel Freude seine Freunde um sich zu<br />

scharen und so fiel es ihm möglicherweise nicht schwer, die tonangebenden Maler seiner Zeit<br />

zur Ausgestaltung des Treppenhauses zu gewinnen. Das Grundkonzept entwickelte<br />

vermutlich Wilhelm Kaulbach, den H<strong>im</strong>bsel <strong>bei</strong>m Bau des Konzertsaales Odeon in München<br />

kennengelernt hatte. Jedem architektonischen Detail widmete H<strong>im</strong>bsel Aufmerksamkeit, so<br />

wertete er die Türen mit Supraporten auf. Hier <strong>im</strong> Erdgeschoss erkennen wir Terracotta -<br />

Reliefs mit biblischen Szenen von Anton Ganser, einem Schüler von Schwanthaler und<br />

Gestalter des nahe gelegenen Kreuzweges (Herr <strong>Professor</strong> <strong>Hipp</strong> bereitet hierzu eine<br />

detaillierte Dokumentation vor, die demnächst erscheinen wird). Die nördliche Supraporte<br />

konnte <strong>Professor</strong> <strong>Hipp</strong> nur durch sehr viel Glück und Geschick auf einer Auktion zurück<br />

kaufen - sie war nicht mehr <strong>im</strong> Haus, als er das Anwesen erwarb.<br />

Das Treppenhaus lädt zu einer Entdeckungsreise der Malerei des 19. Jahrhunderts ein<br />

(Münchner Schule), die nach einem streng geometrischen Ordnungsprinzip verschiedenen<br />

Themenkreisen gewidmet ist. Herr <strong>Professor</strong> <strong>Hipp</strong> erläutert, dass Kaulbach das<br />

Gesamtkonzept zu verdanken sei, die einzelnen Bildwerke jedoch von unterschiedlichen<br />

Künstlern ausgeführt wurden, wie Moritz von Schwind, Clemens Z<strong>im</strong>mermann, Friedrich<br />

Dürck (der spätere Schwiegersohn Kaulbachs), Julius Luis Asher, sowie Peter Cornelius. Die<br />

Supraporten des Obergeschosses malten Rottmann und Lebschée, die großen<br />

Landschaftsmaler ihrer Zeit, in Öl auf Metallplatten.<br />

Das Bildprogramm, das alle Wände und die Decke umfasst, enthält allegorische<br />

Darstellungen auf die Jahreszeiten, Monate und den Tagesablauf bezogen. Die Decke als<br />

Rundbild zeigt mittig Helios, den Gott des Lichts <strong>im</strong> Sonnenwagen, umgeben von 10 Göttern<br />

der Antike. Im äußeren Fries ist er von einem Ring mit den 12 Tierkreiszeichen umrundet<br />

(Akademiestil nach Cornelius). Bei den großen Wandbildern bleibt besonders die Darstellung<br />

des Hausherrn mit Ehefrau und Tochter <strong>im</strong> Gedächtnis, der fröhlich den zukünftigen Direktor<br />

der Akademie Clemens Z<strong>im</strong>mermann grüßt.<br />

Bevor wir das wunderbar erhaltene und von der Familie <strong>Hipp</strong> liebevoll gepflegte Anwesen<br />

verlassen, werfen wir noch einen Blick auf das Hinterglasbild „Jesuskind“ <strong>im</strong><br />

Herrgottswinkel. Es empfängt Licht von außen über eine Glaskörperkonstruktion, was vor<br />

allem am Abend, wenn die Sonne <strong>im</strong> Westen steht, eine fast magische Beleuchtung ergibt.<br />

Draußen <strong>im</strong> Garten gleich neben dem Teich erwartet uns freudig der Rauhaardackel der<br />

Familie Preißler und auf geht`s zu den schattigen Apfelbäumen <strong>im</strong> Garten des Hoffischers in<br />

Ammerland. Bei Weißbier und Fisch oder Kaffee und Apfelkuchen können wir unsere<br />

Eindrücke austauschen und Zukunftspläne schmieden.<br />

Ursula Scriba<br />

Vorsitzende Ostuferschutzverband<br />

Mein besonderer Dank gilt <strong>Herrn</strong> <strong>Professor</strong> <strong>Hipp</strong>, den ich bereits als Lehrstuhlinhaber für das<br />

Fach Orthopädie am Klinikum der Technischen Universität Rechts der Isar und mitfühlenden<br />

Arzt für viele kranke Kinder und Erwachsene <strong>bei</strong> gemeinsamer Ar<strong>bei</strong>t erleben durfte und den<br />

ich hier als kunstsinnigen Hausherrn mit großer Freude wieder getroffen habe. Herr <strong>Professor</strong><br />

<strong>Hipp</strong> hat das Buch „Das H<strong>im</strong>bsel-Haus in <strong>Leoni</strong> am Starnberger See“ verfasst, auf das ich<br />

mich stützen konnte, wenn meine Erinnerung an seine Führung nicht auszureichen schien.<br />

Mein persönliches Anliegen ist es, die Villenarchitektur auf ihre Bezüge zur tradierten<br />

Hauslandschaft des Oberbayrischen Einfirsthofes zu untersuchen, Bezüge und Unterschiede<br />

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heraus zu ar<strong>bei</strong>ten, und damit die besondere Architektursprache der Villen am Starnberger<br />

See, besonders an unserem Ostufer zu verdeutlichen.<br />

Ursula Scriba<br />

1. Vorsitzende des Schutzverbandes Ostufer des Starnberger Sees<br />

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