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------ 66. curt im ausland<br />

Mein Kumpel Andrew und ich haben uns<br />

1998 ein Internatszimmer in Kanada geteilt.<br />

Ich tröstete ihn über die plötzliche Scheidung<br />

seiner Eltern hinweg und er sorgte dafür, dass<br />

wir beim Quarzen in der Pause nicht erwischt<br />

wurden. Nach unserer gemeinsamen Schulzeit<br />

sahen wir uns jeden Sommer für ein paar Tage<br />

in Kanada oder Deutschland. Während ich<br />

zwischen diversen Praktika und Assistenzen im<br />

Filmbereich hin und her dengelte, wechselte<br />

Andrew mehrmals seinen Studiengang. Jedes<br />

Jahr stellten wir wieder fest, dass Karriere<br />

durchaus länger dauert als im Fernsehen, oder<br />

mit Andrews Worten: „If you don‘t know<br />

where to go in life, you can‘t get there any<br />

faster!“. Mit dem Alter kam auch der Druck<br />

der Eltern und Andrew entschloss sich, es im<br />

Hotelmanagement zu versuchen. Letzten<br />

Sommer wurde er fertig und bekam über<br />

einen Kontakt seines Vaters einen Posten bei<br />

der „Four Seasons“-Luxushotelkette in Dallas<br />

zugeteilt. Sie würden auch den Umzug samt<br />

Autofahrt, Hotel und Spesen übernehmen.<br />

„Ob ich denn nicht mitkommen wolle, wo ich<br />

doch eh nichts mache im Moment?“ So fuhren<br />

wir also zusammen durch die Mitte der USA,<br />

von Toronto nach Dallas, dem Anfang vom<br />

Ende unserer Jugend entgegen.<br />

Wir starten an einem Montagmorgen im Mai.<br />

In Toronto hat es 12 Grad bei grauem Himmel.<br />

Unter Tränen hat sich Andrew am Vorabend<br />

noch von seiner Freundin getrennt, also ist<br />

die Stimmung eher medium. Kiffen dürfen<br />

wir auch nicht, da Andrew vor seinem ersten<br />

Arbeitstag einen Drogentest bestehen muss.<br />

Zwischen Windsor und Detroit (Heimatstadt<br />

von Motown und Eminem) überqueren wir<br />

schließlich die Grenze und werden angehalten,<br />

da der Zollbeamte einen Apfel in meinem<br />

Schoß entdeckt. Dieser sei aus Chile und dürfe<br />

nicht in die USA eingeführt werden, da hier<br />

höhere Standards gelten würden als dort.<br />

Ohne Apfel fahren wir durch Detroit und<br />

erfreuen uns an den zerschossenen Straßenschildern<br />

und düster wirkenden Plattenbauten,<br />

die hier nach höchsten Standard verrotten.<br />

An der ersten roten Ampel, an der wir halten<br />

müssen, drücken wir die Knöpfe runter und<br />

drehen Tu Pac leiser. Immerhin sind wir in Amerika<br />

und wer hier als Weißer nicht ordentlich<br />

Angst hat, gilt als Terrorist. Die erste Nacht<br />

verbringen wir in Ohio, wo wir eines von tausenden,<br />

identischen Motels beziehen und kein<br />

Bier kaufen dürfen, da es sich um einen streng<br />

christlichen Ort handelt.

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