Heft 4/2002 - Offene Kirche Württemberg
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experimentellen Gemeinde. Sie erlebte<br />
den Farmworker-Boykott, bei dem<br />
mexikanische Saisonarbeiter gegen die<br />
entsetzlichen Arbeitsbedingungen in<br />
Kalifornien protestierten. Die amerikanischen<br />
Hausfrauen unterstützten sie,<br />
indem sie nur Salat mit dem Farmworker-Etikett<br />
kauften. Und sie erlebte, wie<br />
kritische Aktionäre Gulf Oil wegen des<br />
Angola-Kriegs boykottierten. Helga Hiller<br />
war fasziniert von der Bürgerrechtsbewegung<br />
in den USA. „Nach dem Krieg<br />
waren wir ausgehungert nach Wissen<br />
aus der weiten Welt.“ Sie genoss es,<br />
einfach losstudieren zu können und kam<br />
nach einem Jahr mit dem Master of<br />
Divinity nach Deutschland zurück.<br />
Das Männerwerk machte ihr ein<br />
Angebot, aber Hella Hiller ging nach 14<br />
Monaten Gemeindevikariat in Göppingen<br />
zum Frauenwerk nach Stein bei<br />
Nürnberg, wo sie Leiterin des Fachbereichs<br />
Frauenarbeit und Ökumene des<br />
Bayerischen Mütterdienstes der Evang.-<br />
Luth. <strong>Kirche</strong> wurde. Aus diesem<br />
Mütterdienst, 1932 gegründet, ging das<br />
Müttergenesungswerk hervor. Die<br />
Lätare-<strong>Heft</strong>e waren in vielen Landeskirchen<br />
Bausteine für Frauenarbeit und<br />
Erwachsenenbildung. Und die Familienbildungsstätten<br />
wurden von Stein aus<br />
gegründet. Tja, und da gehörte zu Helga<br />
Hillers Aufgabengebiet die Geschäftsstelle<br />
des Weltgebetstagskomitees. Von<br />
1974 bis ’95 war sie Vorstandsmitglied<br />
und Verbindungsfrau zum Internationalen<br />
Komitee des westdeutschen Komitees<br />
und danach des vereinigten Deutschen<br />
Weltgebetstagskomitees. Acht<br />
Jahre vertrat sie sogar Europa im<br />
Exekutivkomitee. Sie brachte Bildungsveranstaltungen,<br />
Konferenzen und<br />
Projekte auf den Weg, die Frauen für die<br />
Weltgebetstagsarbeit und darüber hinaus<br />
qualifizierten und wirkte maßgeblich<br />
beim bundesweiten Aufbau mit. Als sie<br />
im April verabschiedet wurde, würdigte<br />
Eileen King aus New York ihre Fähigkeit,<br />
„punktgenau und fast prophetisch<br />
zu erfassen, was aktuell notwendig und<br />
geboten ist, um die Weltgebetstagsbewegung<br />
zu sichern und weiterzuentwickeln.“<br />
Das heißt, als Helga Hiller nach zehn<br />
Jahren in die württembergische <strong>Kirche</strong><br />
zurückkehrte und in Kornwestheim<br />
Gemeindepfarrerin wurde, setzte sie die<br />
weltweite Arbeit fort, ehrenamtlich in<br />
ihrer Freizeit. „Ich hatte einen Gestaltungsbereich,<br />
in den ich meine ganze<br />
Kraft zur Motivierung der Frauen<br />
gesteckt habe. Sonst verbrät man Leute<br />
mit Strukturen und es bleibt kein Raum<br />
für Kreativität. Bei den Frauen, die aus<br />
der Projektarbeit ins Komitee kommen,<br />
spürt man die Begeisterung, etwas<br />
bewirken zu können.“ Ihre gründlichen<br />
Kenntnisse der Weltgebetstagsbewegung<br />
qualifizierten die Pfarrerin schließlich,<br />
die Geschichte dieser von Frauen<br />
getragenen Ökumene aufzuschreiben.<br />
Sie bekam ein Jahr frei. Das deutsche<br />
Komitee finanzierte die Arbeit, denn<br />
zum Recherchieren musste sie für einige<br />
Monate in die USA reisen. Dass sie<br />
dabei verschollen geglaubte Dokumente<br />
fand und Texte, die die Weitsicht, den<br />
ökumenischen Geist und Friedenswillen<br />
der Frauen Ende des 19. und Anfang<br />
des 20. Jahrhunderts bewiesen, begeisterte<br />
die Forscherin. Und so schrieb sie<br />
die internationale Geschichte der<br />
ältesten und größten Basisbewegung von<br />
1800 bis 1950 auf und die in Deutschland<br />
von 1927 bis 1960. Dass sich der<br />
zunächst protestantischen Organisation<br />
katholische und nun auch orthodoxe<br />
Frauen anschließen, verstärkt die<br />
weltweite und ökumenische Dimension.<br />
Und macht einen zweiten Band notwendig.<br />
Doch zuerst wird Helga Hiller, die zum<br />
Jahresende in Pension geht, das Buch<br />
„Ökumene der Frauen. Anfänge und<br />
frühe Geschichte der Weltgebetstagsbewegung<br />
in den USA, weltweit und in<br />
Deutschland“ ins Englische übersetzen<br />
und zu Artikeln für wissenschaftliche<br />
Zeitungen verarbeiten, „denn es sind<br />
falsche Geschichten über den Weltgebetstag<br />
in Umlauf.“ Erst dann kommt<br />
die Fortsetzung.<br />
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Nr. 4, Dezember <strong>2002</strong> O��ENE KIRCHE<br />
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