Ausgabe 3/2009 - evangelisch-in-qi.de

Seelsorge Seite 17
Nur gut 45 Minuten
braucht die S 12 von Horrem
bis Siegburg. Aber
wer in der dortigen Justizvollzugsanstalt
einsitzt,
der fühlt sich wie in einer
anderen Welt. Anschaulich
und eindrücklich berichtete
der evangelische
Seelsorger in der JVA
Siegburg, Pfarrer Jens-Peter Preis, beim
Mitarbeiterabend am 25. März, wie die
rund 530 Gefangenen im Alter zwischen
15 und 24 Jahren dort leben. Nach dem
schrecklichen Foltermord Ende 2006
wurde in Siegburg einiges geändert. Ältere
Gefangene sind nicht mehr mit jüngeren
inhaftiert, es gibt nur noch Einzelhafträume,
höchstens ein anderer Gefangener
darf zu Besuch kommen.
Der Tagesablauf der jungen Männer
aus rund 35 Nationen ist klar strukturiert.
Nur wenige finden in der Haftanstalt
einen Arbeitsplatz oder können
Schulabschlüsse nachholen. Viele sitzen
einfach Stunde um Stunde in ihrer
Zelle – ohne Handy, ohne Computer.
Die Wochenenden ziehen sich hin: ab
16 Uhr sind die Gefangenen dann bis
zum nächsten Morgen in ihren Zellen
eingeschlossen. Einen kleinen Fernseher
hat nur der, der ihn sich mit Arbeit
verdient hat oder der einen von der Familie
bekommt. Aber viele kommen aus
zerstörten Familien, sind drogenabhängig
oder gefährdet, kennen kaum gere-
Seelsorge hinter Gittern
Einblicke in die JVA Siegburg
geltes Leben und verlässliche Beziehungen.
Hier können die kirchlichen
Seelsorger, unterstützt von ehrenamtlich
Mitarbeitenden, durch verschiedene
Angebote helfen. Immer geht es darum,
Schritte in ein besseres Leben nach
der Haft zu tun, die in Siegburg zwischen
sechs Monaten und zehn Jahren
betragen kann.
Vielen helfen auch die regelmäßigen
Gottesdienste und Gesprächskreise,
wieder etwas Boden unter die Füße zu
bekommen. Junge Menschen finden
Zugang zum Glauben bis hin zum Entschluss,
sich taufen zu lassen. Für Gefangene
ist allein die schöne große Gefängniskirche
im Dachgeschoss ein Ort
des »weiten Raums«. Unter diesem
Wort aus Psalm 31 steht die evangelische
Seelsorgearbeit dort. Die Kirchenfenster
sind die einzigen im Gefängnis,
die nicht vergittert sind.
Pfarrer Preis und seine Arbeit wird
uns in lebendiger Erinnerung bleiben.
Wenn wir wieder einmal für die Seelsorgearbeit
in der JVA Siegburg sammeln,
dann werden viele Mitarbeiter davon
eine klarere Vorstellung haben. Wir,
die wir in Freiheit leben, können kaum
erahnen, was eine monate- oder jahrelange
Haftzeit bedeutet. Zum Beispiel
nur vier Stunden Besuch im Monat.
Und die Notwendigkeit, alles und jedes
zu beantragen. Sogar ein Gespräch mit
dem Seelsorger.
Jürgen Manderla