Text - von Patrik Schneider
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Die Aufgabe und das Ziel des Spiels ist es, etwa eine Stunde diese Betriebsversammlung<br />
in den unterschiedlichen Rollen zu spielen und miteinander zu diskutieren. Der Tag und die<br />
dabei gemachten Erfahrungen können Thema sein, Beschäftigungsgesellschaften ebenso.<br />
Am Ende der Diskussion soll eine Entscheidung stehen, wie die Beteiligten sich am<br />
nächsten Tag verhalten: Wer ist unter diesen Umständen zur Weiterarbeit am nächsten<br />
Tag bereit? Wird die Gewerkschaft eingeschaltet oder ein Betriebsrat gegründet?<br />
b) Rollen- und Regieanweisungen :<br />
Erwin, 47 Jahre: Seit einem halben Jahr bist Du ohne Arbeit. Zuvor warst Du 30 Jahre<br />
bei der Firma XANT als Facharbeiter beschäftigt. Du hast dort als Lehrling begonnen<br />
und Dich bis zum Meister hochgearbeitet. XANT war Dein Leben. Jetzt nach der<br />
Schließung wurde Dir mitgeteilt, daß Du mit 47 als schwervermittelbar giltst. Dies hat<br />
Dich wie ein Schlag getroffen. Dein Sohn, 21 Jahre, wollte eigentlich nach dem Bund<br />
studieren gehen. Auf ihn bist Du stolz. Du weißt allerdings auch, daß Du ihn mit dem<br />
Arbeitslosengeld und später mit der Arbeitslosenhilfe nicht unterstützen kannst. Deine<br />
Frau verdient mit einem DM 620.- Job im Einzelhandel etwas dazu. Du bist vor Jahren<br />
aus der Gewerkschaft ausgetreten, weil Du den Eindruck hattest, die seien nur für<br />
Großbetriebe da. Die Forderung nach der 35 Stundenwoche gab Dir den Rest.<br />
Du bist gleich morgens als erster um neun Uhr beim Arbeitsamt. Du wirst zu einem<br />
Hausabbruch geschickt und bist bis 18.30 Uhr mit dem Abtransport <strong>von</strong> schweren<br />
Mauerresten beschäftigt. Als Du das Angebot des Arbeitsamtsleiter bei der<br />
Abendversammlung hörst, ist Dein erster Gedanke: Wieder reingelegt. Den ganzen Tag<br />
gearbeitet - und die anderen, die nur zwei Stunden geschafft haben, bekommen das<br />
gleiche. Du betrachtest Deine Blasen an den Händen und....<br />
Holger, 39 Jahre, vor dem Konkurs <strong>von</strong> XANT warst Du zehn Jahre dort als angelernte<br />
Kraft beschäftigt. Ursprünglich warst Du Einzelhandelskaufmann. Dort hast Du so wenig<br />
verdient, daß Du den Sprung in die Industrie gewagt hast. Als angelernte Kraft am Band<br />
hast Du mit der Schichtzulage mehr verdient als im ursprünglichen Beruf. Geld ist<br />
wichtig; Du liebst schnelle und teure Autos, schicke Urlaube - und als überzeugter Single<br />
ist das Leben ebenfalls nicht ganz billig. Und nun das: Arbeitslos als Angelernter. Bei<br />
Bewerbungen bekommst Du jedesmal eine Absage, weil Du keinen Beruf nachweisen<br />
kannst. Du bist stocksauer auf alles und fühlst Dich um Dein Leben betrogen. Das<br />
Arbeitslosengeld ist auch sehr gering, weil Schichtzulagen nicht angerechnet werden.<br />
Politisch beginnst Du schon lange nach dem heimlichen starken Mann zu rufen. Den<br />
klassischen Organisationen wie demokratische Parteien oder Gewerkschaften traust Du<br />
nichts mehr zu.<br />
An diesem Tag warst Du um elf Uhr beim Arbeitsamt. Du wurdest als ehemaliger<br />
Einzelhändler als Krankheitsvertretung in einen Supermarkt abkommandiert. Dort warst<br />
Du bis 19.00 beschäftigt. Die Füße tun Dir weh - und Du wärst lieber zuhause geblieben.<br />
Du hast Dich auf den Lohn gefreut - nun das! Du beginnst eine Diskussion um die Höhe<br />
des richtigen Grundlohnes.<br />
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