Weißbuch Alterssicherung - Arbeit und Leben DGB/VHS
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Die B<strong>und</strong>esrepublik bewegt sich damit im<br />
Mittelfeld innerhalb der EU; schlechter sind<br />
die Erwerbsquoten der 55- bis 64-Jährigen<br />
beispielsweise in Frankreich, Italien,<br />
Österreich, Luxemburg <strong>und</strong> Belgien.<br />
Der Weg zu einer vermehrten Einstellung<br />
über 50-Jähriger ist gleichwohl nicht klar vorgezeichnet.<br />
Wenn allein gute Argumente den<br />
Ausschlag gäben, müssten sich die Unternehmen<br />
förmlich um ältere <strong>Arbeit</strong>slose reißen. So<br />
wies die damalige B<strong>und</strong>esfamilienministerin<br />
Renate Schmidt (SPD) bei einem Besuch der<br />
„Fahrion Engineering“ im Herbst 2004 darauf<br />
hin, dass angesichts des demografi schen<br />
Wandels die Ausgrenzung älterer <strong>Arbeit</strong>nehmerInnen<br />
keinesfalls zukunftsfähig sei.<br />
Ihr Staatssekretär, Peter Ruhenstroth-Bauer,<br />
räumte anlässlich der Tagung „Wirtschaftliche<br />
<strong>und</strong> gesellschaftliche Produktivität<br />
älterer Menschen“ im Mai 2005 in Berlin<br />
einmal mehr mit verbreiteten Vorurteilen<br />
auf: „Leistungs- <strong>und</strong> Lernprobleme Älterer<br />
sind regelmäßig nicht auf das zunehmende<br />
<strong>Leben</strong>salter zurückzuführen, sondern haben<br />
etwas mit <strong>Arbeit</strong>sorganisation, mit der Bewertung<br />
von Erfahrungswissen <strong>und</strong> mit einer<br />
besseren Zusammenarbeit auch altersgemischter<br />
Teams in Betrieben zu tun.“<br />
Wer diese Bereiche ernsthaft anpackt, wird<br />
dann wohl wie Otmar Fahrion eines Tages<br />
nicht mehr auf den Wissensschatz der älteren<br />
Beschäftigten verzichten wollen.<br />
<strong>Arbeit</strong> soll nicht<br />
krank machen<br />
Wie physische <strong>und</strong> psychische Belastungen<br />
des Pfl egepersonals reduziert werden<br />
können, das hat die Havellandklinik Nauen<br />
in einem Modellprojekt untersucht. Und sie<br />
kann noch viel mehr Nachahmenswertes in<br />
Sachen Ges<strong>und</strong>heitsförderung vorweisen.<br />
Krankenhäuser sind natürlich in erster Linie für<br />
die PatientInnen da: für kranke Menschen, die<br />
durch sachgerechte Therapie <strong>und</strong> gute Pfl ege<br />
genesen sollen. Doch was ist mit dem Personal<br />
der Krankenhäuser? Müssen <strong>und</strong> können sie<br />
Welche Betriebe beschäftigen Ältere?<br />
n Betriebe, die bereits länger bestehen<br />
n Verarbeitendes Gewerbe <strong>und</strong> öffentlicher<br />
Dienst haben die höchsten<br />
Anteile Älterer, Bauwirtschaft <strong>und</strong><br />
privater Dienstleistungssektor die<br />
niedrigsten<br />
n Betriebe mit Betriebsrat haben höhere<br />
Anteile älterer Beschäftigter<br />
n Wachsende Betriebe haben häufi ger<br />
<strong>und</strong> mehr ältere Beschäftigte als<br />
schrumpfende Betriebe<br />
n Betriebe mit neuen Technologien<br />
beschäftigen weniger Ältere<br />
n Betriebe mit vielen Auszubildenden<br />
haben jüngere Belegschaften<br />
n Eine hohe Teilzeitquote geht einher mit<br />
höherem Beschäftigungsanteil Älterer<br />
Empirische Bef<strong>und</strong>e des IAB-Betriebspanel 2002, nach Boockmann,<br />
Bernhard; Zwick, Thomas, Betriebliche Determinanten der Beschäftigung<br />
älterer <strong>Arbeit</strong>nehmer in: Zeitschrift für <strong>Arbeit</strong>smarktForschung,<br />
1/2004<br />
wie „Übermenschen“ permanente physische<br />
<strong>und</strong> psychische Belastungen verkraften? Oder<br />
brauchen nicht auch gerade sie besondere<br />
Angebote, um ihre anspruchsvolle <strong>Arbeit</strong> dauerhaft<br />
ges<strong>und</strong> ausüben zu können?<br />
In der Havellandklinik Nauen wurden diese<br />
Fragen schon vor einigen Jahren in aller<br />
Klarheit beantwortet: Nur ges<strong>und</strong>e <strong>und</strong> motivierte<br />
MitarbeiterInnen sind leistungsfähig<br />
<strong>und</strong> verantwortungsvoll im Umgang mit den<br />
PatientInnen. Und so ist die Klinik bereits im<br />
Jahr 2000 Mitglied im „Deutschen Netz Ges<strong>und</strong>heitsfördernder<br />
Krankenhäuser“ (DNGfK)<br />
geworden. Neben der Patienten orientierung<br />
<strong>und</strong> Verfl echtung mit der Region gehört auch<br />
die Mitarbeiterorientierung zu den Gr<strong>und</strong>sätzen<br />
des Netzes.<br />
Dieses Prinzip ist inzwischen in Gestalt vieler<br />
einzelner Projekte umgesetzt worden. So gibt es<br />
regelmäßige Seminare, in denen die Beschäftigten<br />
ihre <strong>Arbeit</strong> <strong>und</strong> ihre Rolle innerhalb des<br />
jeweiligen Teams analysieren, um anschließend<br />
Schwachstellen in den Abläufen abzubauen.<br />
Um den speziellen Stressfaktor Sterben <strong>und</strong> Tod<br />
von Patienten geht es in regelmäßigen Fortbildungen<br />
„Sterbebegleitung – <strong>Leben</strong> bis zuletzt“.<br />
Dieses Angebot der Havellandklinik wendet sich<br />
sowohl an gestandene Pfl egekräfte wie auch an<br />
Auszubildende. Außerdem hat die Krankenhausleitung<br />
die Begrüßung neuer MitarbeiterInnen<br />
institutionalisiert: Drei- bis viermal jährlich<br />
werden die Neulinge bei entsprechenden<br />
Veranstaltungen in die wichtigsten Abläufe des<br />
Hauses eingeführt sowie mit Einrichtungen <strong>und</strong><br />
Angeboten vertraut gemacht.<br />
54 55<br />
2003/2004 hat die Havellandklinik Nauen darüber<br />
hinaus zusammen mit dem Fachbereich<br />
<strong>Arbeit</strong>s-, Betriebs- <strong>und</strong> Organisationspsychologie<br />
der Universität Potsdam das mehrmonatige<br />
Projekt „Nachhaltige Reduzierung<br />
physischer <strong>und</strong> psychischer Fehlbelastungen<br />
bei Pfl egekräften“ umgesetzt. Nach Auswertung<br />
der MitarbeiterInnen-Befragung ergaben<br />
sich viele Ansätze für Verbesserungen: Konkret<br />
wurde die <strong>Arbeit</strong>sorganisation verbessert, beispielsweise<br />
die <strong>Arbeit</strong> im OP neu koordiniert.<br />
Die Dienstpläne werden nun mitarbeiterorientiert<br />
gestaltet. Zur Entlastung des Pfl egepersonals<br />
wurde eigens ein fl exibler Patienten-Hol-<br />
<strong>und</strong> Bringdienst etabliert. Weiteres<br />
Resultat des Projektes war die Einführung<br />
regelmäßiger Angebote zum Ges<strong>und</strong>heitsschutz<br />
der Krankenhausbeschäftigten. Dazu<br />
gehören Rückenschulkurse <strong>und</strong> Yoga ebenso<br />
wie die kostenlose Grippeschutzimpfung <strong>und</strong><br />
Kurse zur Gewichtsreduzierung. Die Angebote,<br />
so bestätigt es eine Mitarbeiterin, werden gut<br />
angenommen <strong>und</strong> regelmäßig wiederholt.<br />
Krankenpfl ege belastet<br />
Krankenpfl ege gehört zu den besonders<br />
belastenden Tätigkeiten – sowohl physisch<br />
als auch psychosozial, etwa durch die<br />
Konfrontation mit Leid <strong>und</strong> Tod, Zeitdruck<br />
oder schlechte <strong>Arbeit</strong>sorganisation. Hinzu<br />
kommen regelmäßige Schichtarbeit <strong>und</strong><br />
häufi ge Überst<strong>und</strong>en. Überdurchschnittlich<br />
hoch ist deshalb auch der arbeitsbedingte<br />
Anteil an den Frühverrentungen mit<br />
58 Prozent bei Krankenpfl egern <strong>und</strong> 27<br />
Prozent bei Krankenschwestern.