Schlins 1850 -1950 - Johann-August-Malin-Gesellschaft

Noch hatte das Industriezeitalter hier keine gravierenden Spuren hinterlassen,
noch handelte es sich um eine weitgehend verträumte Landgemeinde.
Dem Kunsthistoriker allerdings ist die spätgotische St. Anna­
Kapelle in Frommengersch ein Begriff. Und dieses Dorf kann auch auf
berühmte "Auswanderer" und bedeutende Persönlichkeiten verweisen:
Hier wurden um 1490 auf dem "Lusbühel " die Brüder Bartholomäus und
J ohannes Bernhardi geboren, die als Theologieprofessoren in Wittenberg
und engste Mitarbeiter sowie Mitstreiter von Martin Luther an der
Ausformung der protestantischen Lehre mitbeteiligt waren. 25
Weit über die Landesgrenzen hinaus ist der "Jagd berg" bekannt. Im
Jahre 1880 wurden die Grundstücke neben der Ruine Jagdberg von den
Kreuzschwestern von Ingenbohl (Schweiz) gekauft und hier eine Erziehungsanstalt
errichtet, die Zöglinge aus dem gesamten Raum der
Donaumonarchie aufnahm. 1963 eröffnete man in der Nähe der
nunmehrigen Landeserziehungsanstalt Jagdberg ein Heim der Stiftung
Jupidentfür geistig und körperlich Behinderte.
Diese Fakten über Schlins sind bekannt, sie lassen sich in einschlägigen
Publikationen und Touristeninformationenfinden. Beinahe völliges
Neuland wird jedoch betreten, wenn es darum geht, die politischen Entwicklungen
in der Gemeinde während der letzten hundertfünfzig Jahre
in groben Zügen nachzuzeichnen.
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts setzte in Schlins ein Vergewerblichungs-
und Industrialisierungsprozeß ein und veränderte die Struktur
der Gemeinde von Grund auf. Im Zuge dieses Strukturwandels lassen
sich auch hier noch vor der Jahrhundertwende heftige ideologische
Parteienkämpfe ausmachen. Diesen gesellschaftlichen, wirtschaftlichen
und politischen Entwicklungen soll im folgenden nachgespürt werden.
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