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und Leseprobe (PDF) - Vandenhoeck & Ruprecht

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Ingeborg Volger<br />

Martin Merbach<br />

Die Beziehung<br />

verbessern<br />

Beratung von Paaren,<br />

die unter ihrer Kommunikation leiden<br />

täglich leben


Ingeborg Volger / Martin Merbach, Die Beziehung verbessern<br />

V<br />

© 2010 <strong>Vandenhoeck</strong> & <strong>Ruprecht</strong> GmbH & Co. KG, Göttingen<br />

ISBN Print: 978-3-525-67003-3


Ingeborg Volger / Martin Merbach, Die Beziehung verbessern<br />

Täglich leben – Beratung <strong>und</strong> Seelsorge<br />

In Verbindung mit der EKFuL<br />

herausgegeben von Rüdiger Haar<br />

© 2010 <strong>Vandenhoeck</strong> & <strong>Ruprecht</strong> GmbH & Co. KG, Göttingen<br />

ISBN Print: 978-3-525-67003-3


Ingeborg Volger / Martin Merbach, Die Beziehung verbessern<br />

Ingeborg Volger / Martin Merbach<br />

Die Beziehung verbessern<br />

Beratung von Paaren, die unter ihrer<br />

Kommunikation leiden<br />

<strong>Vandenhoeck</strong> & <strong>Ruprecht</strong><br />

© 2010 <strong>Vandenhoeck</strong> & <strong>Ruprecht</strong> GmbH & Co. KG, Göttingen<br />

ISBN Print: 978-3-525-67003-3


Ingeborg Volger / Martin Merbach, Die Beziehung verbessern<br />

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek<br />

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der<br />

Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind<br />

im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.<br />

ISBN 978-3-525-67003-3<br />

© 2010, <strong>Vandenhoeck</strong> & <strong>Ruprecht</strong> GmbH & Co. KG, Göttingen /<br />

<strong>Vandenhoeck</strong> & <strong>Ruprecht</strong> LLC, Oakville, CT, U.S.A.<br />

www.v-r.de<br />

Alle Rechte vorbehalten.<br />

Das Werk <strong>und</strong> seine Teile sind urheberrechtlich geschützt.<br />

Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf<br />

der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Hinweis zu § 52a<br />

UrhG: Weder das Werk noch seine Teile dürfen ohne vorherige schriftliche<br />

Einwilligung des Verlages öffentlich zugänglich gemacht werden. Dies gilt<br />

auch bei einer entsprechenden Nutzung für Lehr- <strong>und</strong> Unterrichtszwecke.<br />

Printed in Germany.<br />

Satz: SchwabScantechnik, Göttingen<br />

Druck <strong>und</strong> Bindung: e Hubert & Co, Göttingen<br />

© 2010 <strong>Vandenhoeck</strong> & <strong>Ruprecht</strong> GmbH & Co. KG, Göttingen<br />

ISBN Print: 978-3-525-67003-3


Inhalt<br />

Ingeborg Volger / Martin Merbach, Die Beziehung verbessern<br />

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9<br />

1. Gr<strong>und</strong>bausteine der Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . 13<br />

1.1 »Wie konnte das geschehen?«:<br />

Entgleiste Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13<br />

1.2 Kommunikation als Widerspiegelung<br />

des Innen im Außen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15<br />

1.3 Gefühle als Bausteine der Kommunikation . . . . . . 17<br />

1.4 Gefühle als Kompass für Beziehungsverstehen . . 18<br />

1.5 Beziehungsverstehen als Ausdruck<br />

von Mentalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21<br />

1.6 Äußere Prozesse als Auslöser für innere Dramen 23<br />

1.7 Kommunikation als Austausch<br />

von Informationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26<br />

2. Dynamik von Beziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29<br />

2.1 Partnerwahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29<br />

2.1.1 Partnerwahl <strong>und</strong> Übertragung . . . . . . . . . . . 29<br />

2.1.2 Partnerwahl als psychosoziales<br />

Arrangement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31<br />

2.2 Entwicklungen in Partnerschaften . . . . . . . . . . . . . 33<br />

2.3 Schwellensituationen in Partnerschaften . . . . . . . . 36<br />

2.4 Merkmale funktionaler Partnerschaften . . . . . . . . 39<br />

2.4.1 Abgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40<br />

2.4.2 Polaritäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41<br />

2.4.3 Gleichwertigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42<br />

2.5 Gr<strong>und</strong>themen von Partnerschaften . . . . . . . . . . . . 42<br />

2.5.1 Vertrauen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43<br />

© 2010 <strong>Vandenhoeck</strong> & <strong>Ruprecht</strong> GmbH & Co. KG, Göttingen<br />

ISBN Print: 978-3-525-67003-3


Ingeborg Volger / Martin Merbach, Die Beziehung verbessern<br />

6 Inhalt<br />

2.5.2 Anerkennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44<br />

2.5.3 Geben <strong>und</strong> Nehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45<br />

2.5.4 Macht <strong>und</strong> Ohnmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46<br />

2.5.5 Aktivität <strong>und</strong> Rezeptiv . . . . . . . . . . . . . . . . . 47<br />

2.6 Fallbeispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48<br />

3. Beratungsbeziehung gestalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53<br />

3.1 Beziehung des Paares verstehen . . . . . . . . . . . . . . . 53<br />

3.2 Gemeinsames Thema finden . . . . . . . . . . . . . . . . . 55<br />

3.3 Widerstandsphänomene begreifen . . . . . . . . . . . . . 59<br />

3.3.1 Dynamik von Widerständen . . . . . . . . . . . . . 60<br />

3.3.2 Äußerung von Widerständen . . . . . . . . . . . . 60<br />

3.3.3 Widerstand <strong>und</strong> Angst . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63<br />

3.3.4 Widerstände des Beraters . . . . . . . . . . . . . . . 64<br />

3.3.5 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68<br />

3.4 Settingfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69<br />

3.5 Beraterin oder Berater? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72<br />

3.6 Der Seelsorger als Berater . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73<br />

4. Gesprächsprozesse steuern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79<br />

4.1 Interventionsebenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80<br />

4.1.1 Interventionen auf der Ebene<br />

der Paardynamik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80<br />

4.1.2 Interventionen auf der Ebene<br />

des Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81<br />

4.1.3 Interventionen auf der Ebene<br />

der Beratungsbeziehung . . . . . . . . . . . . . . . . 82<br />

4.2 Interventionsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83<br />

4.2.1 Problemsondierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83<br />

4.2.2 Konfrontation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83<br />

4.2.3 Kommunikationsübungen . . . . . . . . . . . . . . . 84<br />

4.2.4 Beziehungsübungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85<br />

4.3 Beratungsziele formulieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85<br />

4.3.1 Was kann verändert werden . . . . . . . . . . . . . 85<br />

4.3.2 Was kann verstanden werden . . . . . . . . . . . . 87<br />

4.3.3 Was kann angenommen werden . . . . . . . . . 88<br />

4.3.4 Was muss betrauert werden . . . . . . . . . . . . . 89<br />

© 2010 <strong>Vandenhoeck</strong> & <strong>Ruprecht</strong> GmbH & Co. KG, Göttingen<br />

ISBN Print: 978-3-525-67003-3


Ingeborg Volger / Martin Merbach, Die Beziehung verbessern<br />

Inhalt 7<br />

4.3.5 Was muss verziehen werden . . . . . . . . . . . . . 90<br />

5. Gefangenheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91<br />

5.1 Gefangen im Streit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91<br />

5.2 Gefangen in der Sexualität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94<br />

5.3 Gefangen in Gewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98<br />

6. Praxisbeispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103<br />

6.1 »Wir sind so unterschiedlich in unseren Werten …«<br />

Beispiel eines seelsorgerlich-beraterischen<br />

Paargesprächs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103<br />

6.1.1 Anmeldung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104<br />

6.1.2 Erster Kontakt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105<br />

6.1.3 Gesprächsbeginn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106<br />

6.1.4 Weiteres Gespräch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108<br />

6.1.5 Gesprächsende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113<br />

6.2 »Ich liebe Dich doch, aber …« – Beispiel eines<br />

Paarberatungsprozesses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114<br />

6.2.1 Vor der Beratung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115<br />

6.2.2 Erstgespräch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117<br />

6.2.3 Weiterer Beratungsverlauf . . . . . . . . . . . . . . . 128<br />

6.2.4 Beratungsende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135<br />

Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137<br />

© 2010 <strong>Vandenhoeck</strong> & <strong>Ruprecht</strong> GmbH & Co. KG, Göttingen<br />

ISBN Print: 978-3-525-67003-3


Ingeborg Volger / Martin Merbach, Die Beziehung verbessern<br />

© 2010 <strong>Vandenhoeck</strong> & <strong>Ruprecht</strong> GmbH & Co. KG, Göttingen<br />

ISBN Print: 978-3-525-67003-3


Vorwort<br />

Ingeborg Volger / Martin Merbach, Die Beziehung verbessern<br />

Paargespräche erfordern eine besondere methodische Kompetenz<br />

<strong>und</strong> führen oft zu Verunsicherungen in Beratern <strong>und</strong><br />

Beraterinnen, Seelsorgern <strong>und</strong> Seelsorgerinnen oder Therapeuten<br />

<strong>und</strong> Therapeutinnen. Wie kann ich beiden Partnern<br />

gerecht werden? Was mache ich, wenn sich beide streiten?<br />

Oder wie unterbreche ich den einen Partner, damit der andere<br />

Partner auch mal zu Wort kommt? Diese <strong>und</strong> ähnliche Fragen<br />

bewegen uns immer wieder in Paargesprächen. Da in den<br />

meisten beraterischen, seelsorgerlichen oder therapeutischen<br />

Aus- <strong>und</strong> Weiterbildungen das Erlernen von Fertigkeiten im<br />

Führen von Paargesprächen eine untergeordnete Rolle spielt,<br />

sind Berater oft nur ungenügend auf die Begegnung mit Paaren<br />

vorbereitet.<br />

In diesem Kontext liefert das vorliegende Buch einen<br />

kompakten Einstieg in die Thematik. Dabei stellen wir den<br />

Ansatz des Evangelischen Zentralinstituts für Familienberatung<br />

Berlin (EZI) vor, der in den letzten 40 Jahren entwickelt<br />

<strong>und</strong> vielfältig erprobt wurde <strong>und</strong> in Fortbildungen zum<br />

Paarberaterin/Paarberater seine Anwendung fand <strong>und</strong> findet.<br />

Das Ziel von Paargesprächen besteht unseres Erachtens nach<br />

darin, mit beiden Partnern ein Verständnis über ihre Beziehungsdynamik<br />

zu erarbeiten. Das gelingt erst, indem der Berater<br />

oder die Beraterin die Dynamik des Paares versteht <strong>und</strong><br />

dem Paar zurückspiegelt. Erst durch dieses gemeinsame <strong>und</strong><br />

prozesshafte Verstehen ist dauerhafte Veränderung möglich.<br />

Dadurch unterscheidet sich das hier vorgestellte Konzept von<br />

lösungs- oder verhaltensorientierten Ansätzen.<br />

Unser Buch richtet sich in den ersten <strong>und</strong> letzten beiden<br />

© 2010 <strong>Vandenhoeck</strong> & <strong>Ruprecht</strong> GmbH & Co. KG, Göttingen<br />

ISBN Print: 978-3-525-67003-3


Ingeborg Volger / Martin Merbach, Die Beziehung verbessern<br />

10 Vorwort<br />

Kapiteln an alle, die Paargespräche führen, unabhängig davon,<br />

ob sie Berater <strong>und</strong> Beraterinnen, Seelsorger <strong>und</strong> Seelsorgerinnen<br />

oder Therapeuten <strong>und</strong> Therapeutinnen sind. Unseres<br />

Erachtens nach entwickeln sich in allen Paargesprächen<br />

ähnliche Prozesse, die in dem Buch gr<strong>und</strong>legend dargestellt<br />

sind. Die hier aufgeführten Berufsgruppen unterscheiden sich<br />

allerdings in ihrem Rollenverständnis außerhalb der geführten<br />

Gespräche, was aber wiederum Auswirkungen auf diese<br />

Gespräche hat. So sind Berater <strong>und</strong> Therapeuten eher Außenstehende<br />

<strong>und</strong> begegnen dem Paar meist nur in dem Raum, in<br />

dem das Paargespräch stattfindet, während Seelsorger Paare<br />

auch aus anderen Kontexten kennen können. Somit differieren<br />

die Berufsgruppen möglicherweise in ihrer Direktivität<br />

oder ihrer Zielsetzung. In ihren Paargesprächen durchlaufen<br />

sie aber einen ähnlichen Prozess mit einer vergleichbaren Dynamik.<br />

Für längere Gesprächsprozesse mit Paaren, Paarberatungen<br />

oder Paartherapien bedarf es unseres Erachtens nach einer<br />

bestimmten beraterischen Haltung <strong>und</strong> eines Settings, das<br />

vor allem durch Neutralität gekennzeichnet ist. Dieses kann<br />

ein Seelsorger, der auch als Gemeindpfarrer tätig ist, oft nicht<br />

leisten. Daher sind Teile des dritten Kapitels <strong>und</strong> Kapitel vier<br />

vorwiegend an Berater adressiert.<br />

Aufgr<strong>und</strong> der unterschiedlichen Berufsgruppen, die in<br />

unterschiedlichen Kontexten Paargespräche führen, ist die<br />

differenzierte Bezeichnung aller dieser Gruppen manchmal<br />

unübersichtlich. Nachfolgend haben wir deshalb den Begriff<br />

Berater gewählt. In seiner männlichen Form scheint er mit<br />

Blick auf das Rollenverständnis der neutralste, mit Blick auf<br />

die Verstehbarkeit des Textes der am besten lesbare zu sein.<br />

Wir hoffen, dass sich die anderen Leser mit diesem Begriff<br />

ebenfalls identifizieren können.<br />

An dieser Stelle möchten wir unseren Kolleginnen Sabine<br />

Hufendiek <strong>und</strong> Annelene Meyer sowie unserem Kollegen<br />

Achim Haid-Loh danken, die in den letzten Jahren dieses<br />

Konzept der Paarberatung maßgeblich mit- <strong>und</strong> weiterentwickelt<br />

haben.<br />

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Ingeborg Volger / Martin Merbach, Die Beziehung verbessern<br />

Vorwort 11<br />

Nun hoffen wir, Ihnen mit diesem Buch eine Einführung<br />

in <strong>und</strong> neue Perspektiven über das spannende Feld der Paargespräche<br />

zu geben.<br />

Berlin, am 23. Mai 2010<br />

Ingeborg Volger <strong>und</strong> Martin Merbach<br />

© 2010 <strong>Vandenhoeck</strong> & <strong>Ruprecht</strong> GmbH & Co. KG, Göttingen<br />

ISBN Print: 978-3-525-67003-3


Ingeborg Volger / Martin Merbach, Die Beziehung verbessern<br />

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Ingeborg Volger / Martin Merbach, Die Beziehung verbessern<br />

1. Gr<strong>und</strong>bausteine der Kommunikation<br />

1.1 »Wie konnte das geschehen?«:<br />

Entgleiste Kommunikation<br />

Ein Paar, Ende 30, kommt zur Beratung, weil es sich in einer<br />

Krise befindet, nachdem die Frau ein Verhältnis zu einem gemeinsamen<br />

Fre<strong>und</strong> eingegangen war. Frau A steht unter erheblichem<br />

Druck, ist sichtlich aufgeregt <strong>und</strong> eröffnet die St<strong>und</strong>e mit<br />

der Bemerkung: »Ich bin das Problem.« Sie seien seit 13 Jahren<br />

verheiratet, kennen sich aus der Schule <strong>und</strong> hätten insgesamt<br />

eine gute Ehe geführt. Vor einem Jahr habe sie eine Affäre begonnen<br />

»<strong>und</strong> bin von meinem Mann erwischt worden.« Sie sei<br />

selbst tief bestürzt über ihren Fehltritt <strong>und</strong> wolle nun alles tun,<br />

um ihre Beziehung zu erhalten. Gleichsam als Unterstützung<br />

ihrer Bereitschaft, sich intensiv um die Verbesserung ihrer Beziehung<br />

zu bemühen beschreibt Frau A, wie stark sie sich seit<br />

Beginn ihrer Beziehung um ihn gekümmert <strong>und</strong> geworben<br />

habe, sie habe darauf gedrängt zusammenzuziehen, <strong>und</strong> habe<br />

ihn schließlich auch zu einer Heirat bewegen können. Inzwischen<br />

habe sie allerdings oft den Eindruck, sie habe ihn zwar geheiratet,<br />

sei sich aber zunehmend unsicher, wie er zu ihr stehe.<br />

»Liebst du mich eigentlich?« Herr A ist über diese Frage sehr erstaunt,<br />

er habe gedacht, dies werde aus der Art <strong>und</strong> Weise, wie<br />

er sich ihr gegenüber verhalte deutlich. Er werde allerdings mit<br />

dem Vertrauensmissbrauch seiner Frau nicht fertig, er sei tief<br />

erschüttert, erkennen zu müssen, dass »meine Frau Seiten hat,<br />

die ich nicht erwartet hätte. Das sollte mir nicht passieren, dass<br />

ich eine Partnerin habe, die mich betrügt.« Außerdem handele<br />

es sich um seinen besten Fre<strong>und</strong>, dem er ebenfalls vertraut<br />

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Ingeborg Volger / Martin Merbach, Die Beziehung verbessern<br />

14 Gr<strong>und</strong>bausteine der Kommunikation<br />

habe, um nun erleben zu müssen, dass auch in diesem Falle<br />

Misstrauen angebracht gewesen wäre. Die Tatsache, dass diese<br />

Beziehung über ein halbes Jahr hinter seinem Rücken lief <strong>und</strong><br />

er die beiden im ehelichen Schlafzimmer »erwischt« habe, sei<br />

für ihn ein Anzeichen dafür, dass alles, was ihm bislang wichtig<br />

war, fraglich geworden sei.<br />

Herr A wirkt abwartend <strong>und</strong> distanziert, dabei sehr logisch<br />

<strong>und</strong> sachlich argumentierend. In seiner Erzählung formuliert<br />

er immer wieder normative Forderungen, die den Eindruck<br />

eines hilflosen Protestes machen, als wolle er ausdrücken, so<br />

dürfe die Welt nicht sein. Der Kontakt zu ihm ist eher kühl, er<br />

wirkt distanziert <strong>und</strong> abweisend <strong>und</strong> vermittelt immer wieder<br />

Zweifel darüber, inwieweit Gespräche bei der Überwindung<br />

einer Ehekrise behilflich sein können, die durch eindeutige<br />

Fakten provoziert worden sei. Er zumindest könne sich das<br />

nicht vorstellen, sei aber für entsprechende Vorschläge offen.<br />

Frau A hingegen ist sehr bewegt, sie weint viel <strong>und</strong> hinterlässt<br />

den Eindruck eines kleinen Mädchens, das getröstet werden<br />

möchte. Im Gegensatz zu ihm, der betont unabhängig <strong>und</strong><br />

abweisend auftritt, wirkt sie hilflos <strong>und</strong> sehr von ihm abhängig.<br />

Seiner Skepsis setzt sie die Hoffnung entgegen <strong>und</strong> ist bemüht,<br />

Optimismus zu verbreiten, da sie glaubt, dass ein intensiverer<br />

Austausch zwischen ihnen die Krise beheben könne.<br />

Dieses Paar ist in eine schwere Krise geraten, in der beide<br />

Partner von heftigen Gefühlen erfasst worden sind. Erschütterung<br />

<strong>und</strong> Verletzung, tiefes Misstrauen, heftige Angst<br />

verlassen zu werden <strong>und</strong> eine verstörende Unsicherheit bezüglich<br />

der Liebe des Partners sind plötzlich virulent in einer<br />

Beziehung, die beide Partner ein halbes Jahr früher eventuell<br />

als insgesamt zufrieden stellend bezeichnet hätten. Diese Gefühle<br />

vermitteln sich die Partner einerseits über Sprache, eindrücklicher<br />

allerdings wirken die nichtverbalen Mitteilungen,<br />

in denen Angst, Resignation, zurückgehaltener Ärger, Enttäuschung<br />

<strong>und</strong> vieles mehr zum Ausdruck gebracht werden.<br />

Auch wenn dieses Paar seit Bekanntwerden der Außenbeziehung<br />

kaum noch miteinander gesprochen hat, so befindet es<br />

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Ingeborg Volger / Martin Merbach, Die Beziehung verbessern<br />

Kommunikation als Widerspiegelung des Innen im Außen 15<br />

sich doch in einem permanenten Kommunikationsprozess,<br />

in dem es sich gegenseitig mit seinem Schweigen seine innere<br />

Verfassung mitteilt. Zwar stellen sich Gefühle spontan<br />

ein <strong>und</strong> werden nicht willkürlich produziert, doch sind sie<br />

nicht voraussetzungslos, sondern werden durch Gedanken<br />

<strong>und</strong> Vorstellungen mitbestimmt. Art <strong>und</strong> Beschaffenheit der<br />

Vorstellung, die jeder sich vom Wesen <strong>und</strong> dem Charakter<br />

seines Partners macht, nehmen entscheidenden Einfluss auf<br />

die ausgelösten Gefühle. In der bitteren Äußerung: »Das hätte<br />

ich nicht von dir gedacht« oder der bangen Frage »Liebst Du<br />

mich eigentlich noch?« thematisieren beide die Erschütterung,<br />

die das Bild vom anderen durch die Krise erfahren hat<br />

<strong>und</strong> die Verstörung angesichts eines bisher nicht für denkbar<br />

gehaltenen Wesenszuges des Partners. Diese kognitiven Modelle<br />

oder Mentalisierungen sind zentrale Bausteine unserer<br />

Gefühlswelt, die unser Bild von uns selbst, vom Partner <strong>und</strong><br />

in der Folge unsere Kommunikation beeinflussen. Einige<br />

gr<strong>und</strong>legende Überlegungen über die Bedeutung von Gefühlen<br />

<strong>und</strong> Mentalisierungsprozessen sollen deren zentrale<br />

Funktion <strong>und</strong> Verschränkung in der Kommunikation von<br />

Paaren beleuchten.<br />

1.2 Kommunikation als Widerspiegelung<br />

des Innen im Außen<br />

Die zwischenmenschlichen Beziehungen, in denen wir aufwachsen,<br />

prägen die Persönlichkeit des Menschen. Was wir<br />

in diesen Beziehungen erfahren, bildet unser inneres Bild<br />

von der Struktur <strong>und</strong> dem Wesen von Beziehungen. Hier<br />

lernen wir, ob wir uns auf andere verlassen können oder ob<br />

es sicherer ist, lieber in einer gewissen abwartenden Distanz<br />

zu bleiben <strong>und</strong> unserer eigenen Kontrolle mehr zu vertrauen<br />

als unserem Gegenüber. Zwar sind wir potentiell neugierige<br />

<strong>und</strong> explorative Wesen, doch sind wir zunächst darauf<br />

angewiesen, uns in einer sicheren Umgebung bewegen zu<br />

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Ingeborg Volger / Martin Merbach, Die Beziehung verbessern<br />

16 Gr<strong>und</strong>bausteine der Kommunikation<br />

können. In neuen Beziehungen werden wir daher versuchen,<br />

Vertrautes wieder zu finden. Entsprechend unserem Wunsch<br />

nach Familiarität bestimmen die inneren Bilder (Beziehungsrepräsentanzen)<br />

demnach in entscheidendem Maße, welche<br />

Beziehungsformen wir später aktiv aufsuchen. Menschen<br />

suchen also nicht nur in der frühen Mutter-Kind Beziehung<br />

Sicherheit, sondern auch spätere Beziehungen sind von dem<br />

Wunsch nach einer vertrauten <strong>und</strong> sicheren Beziehung geprägt.<br />

Nicht immer finden wir ohne Weiteres eine unserem<br />

inneren Bild entsprechende Bezugsperson, vielmehr müssen<br />

wir versuchen, unsere Umgebung so zu beeinflussen, dass sie<br />

möglichst optimal zu unseren Bedürfnissen passt. Indem wir<br />

uns in interpersonellen Situationen so verhalten <strong>und</strong> präsentieren,<br />

dass wir uns sicher fühlen können <strong>und</strong> keine Bedrohung<br />

erleben müssen, vermitteln wir unserem Gegenüber Informationen<br />

darüber, wie wir uns selbst <strong>und</strong> ihn als unseren Partner<br />

wahrnehmen. So können wir ihm mitteilen, dass wir uns am<br />

sichersten fühlen, wenn wir uns als fre<strong>und</strong>lichen <strong>und</strong> zuvorkommenden<br />

Menschen präsentieren, der keine Aggressionen<br />

auslöst. Wir können aber auch signalisieren, dass wir uns nur<br />

unter der Bedingung vertraut fühlen, dass unser Gegenüber<br />

von unserer Macht <strong>und</strong> Überlegenheit beeindruckt ist <strong>und</strong><br />

uns durch seine Bew<strong>und</strong>erung Sicherheit gibt. In der Art <strong>und</strong><br />

Weise, wie wir auftreten <strong>und</strong> mit unserer Umgebung kommunizieren,<br />

gestalten wir demnach immer unsere Beziehungen,<br />

indem wir versuchen, unsere inneren Bilder mit neuen<br />

Bezugspersonen zu reinszenieren. Basis dieses gegenseitigen<br />

Beeinflussungsprozesses bildet die Kommunikation, wobei<br />

wir uns darüber im Klaren sein müssen, dass die wesentlichen<br />

beziehungsstiftenden <strong>und</strong> -regulierenden Informationen unbewusst<br />

vermittelt werden.<br />

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Ingeborg Volger / Martin Merbach, Die Beziehung verbessern<br />

Gefühle als Bausteine der Kommunikation 17<br />

1.3 Gefühle als Bausteine der Kommunikation<br />

Vor diesem Hintergr<strong>und</strong> kommt den Gefühlen eine hohe<br />

Bedeutung zu, da sie über ihren nonverbalen Ausdruck eine<br />

besondere Rolle in der Kommunikation spielen. Über Mimik,<br />

Gestik, Körperhaltung <strong>und</strong> Intonation spiegelt sich im Außen<br />

die innere Verfassung eines Menschen wider <strong>und</strong> vermittelt<br />

dem Gegenüber damit einen Eindruck von seinem Befinden.<br />

Zugleich erhält das Gegenüber eine Mitteilung, sich auf den<br />

innerpsychischen Zustand einzustellen <strong>und</strong> ihn in angemessener<br />

Weise zu beantworten (Krause <strong>und</strong> Merten 1996). Wenn<br />

Frau A im obigen Fallbeispiel z.B. mimisch <strong>und</strong> gestisch ihre<br />

Verzweiflung <strong>und</strong> Angst zum Ausdruck bringt, ihr Mann<br />

könnte sich von ihr trennen, dann versucht sie damit bei ihm<br />

eine versöhnliche <strong>und</strong> verzeihende Haltung zu provozieren,<br />

in der Hoffnung, wieder Sicherheit in der Beziehung zu ihm<br />

finden zu können. Umgekehrt drückt Herr A mit seiner<br />

Sprachlosigkeit <strong>und</strong> Erstarrung körperlich seine Ablehnung<br />

aus <strong>und</strong> signalisiert damit, dass die Werbung seiner Frau bisher<br />

keine Zuwendung bewirken konnte.<br />

Die zum Ausdruck gebrachte Befindlichkeit muss allerdings<br />

nicht mit dem Erleben übereinstimmen, im Gegenteil<br />

kann bewusst ein ganz anderer Zustand wahrgenommen<br />

werden, als er unbewusst zum Ausdruck gebracht wird. Wir<br />

haben es hier mit unbewussten Abwehrprozessen zu tun,<br />

die dazu führen, dass Menschen, ihre Gefühle unterdrücken,<br />

begrenzt oder aber »falsch« zum Ausdruck bringen. So<br />

können ärgerliche Gefühle durch Fre<strong>und</strong>lichkeit überdeckt<br />

werden, Gefühle können in ihr Gegenteil verkehrt werden,<br />

wenn z.B. Ärger statt Traurigkeit ausgedrückt wird. Herr A<br />

beispielsweise hat in dem obigen Beratungsgespräch derartige<br />

Abwehrmanöver sehr intensiv ins Spiel gebracht, indem er<br />

bemüht war, über eine rationale Haltung sowohl seinen Ärger<br />

als auch seine Verletztheit zu kontrollieren.<br />

Das nonverbale System kann auch dazu benutzt werden,<br />

Gefühle auszudrücken, die nicht empf<strong>und</strong>en werden, was im<br />

Gegenüber den Eindruck von Künstlichkeit hinterlässt. So<br />

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18 Gr<strong>und</strong>bausteine der Kommunikation<br />

drückt Frau A mit ihrem zur Schau gestellten Optimismus<br />

eine positive Gestimmtheit aus, der die insgesamt desolate<br />

Beziehungssituation nicht recht zu entsprechen scheint.<br />

Durch eine Intensivierung ihrer Gefühle könnte Frau A sich<br />

davor bewahren zu wollen, mit der »tatsächlich« erlebten Beziehung<br />

zu ihrem Mann auseinander zu setzen. Obwohl die<br />

nonverbale Kommunikation überwiegend unbewusst abläuft<br />

<strong>und</strong> sich damit unserer direkten Kontrolle entzieht, kann sie<br />

durch verschiedene innerpsychische Operationen verfälscht<br />

werden. So können Abwehrprozesse Gefühle so verändern,<br />

dass sie ihren bedrohlichen Charakter verlieren <strong>und</strong> damit<br />

auch nicht mehr zum Ausdruck gebracht werden müssen.<br />

Aber auch willentliche Manipulationen sind möglich, indem<br />

durch Mimik <strong>und</strong> Körperhaltung etwas zum Ausdruck gebracht<br />

wird, was einer bestimmten Rolle, nicht aber einem<br />

vorhandenen Gefühl entspricht.<br />

1.4 Gefühle als Kompass für Beziehungsverstehen<br />

Emotionen haben im Leben von Paaren eine besondere Bedeutung.<br />

In kaum einer anderen Beziehung werden Gefühle<br />

so intensiv gesucht <strong>und</strong> erwartet, aber auch so heftig vermisst<br />

<strong>und</strong> ertragen wie in Partnerschaften. Im Gegensatz zu<br />

Gedanken <strong>und</strong> Erinnerungen, die wir aktiv herstellen <strong>und</strong><br />

hervorbringen können, stellen sich Emotionen unwillkürlich<br />

ein <strong>und</strong> können eine so große Intensität <strong>und</strong> Dynamik entwickeln,<br />

dass sie uns nicht nur bewegen, sondern uns mitreißen<br />

<strong>und</strong> überschwemmen. Liebe, Zärtlichkeit, Leidenschaft <strong>und</strong><br />

Begehren kennzeichnen die ersehnte Seite einer Beziehung,<br />

während Enttäuschung, Ärger, Hass <strong>und</strong> Verachtung den negativen<br />

Aspekt von Partnerschaft markieren. Doch nicht nur<br />

diese durch große Intensität gekennzeichneten Emotionen<br />

sind für Partnerschaften charakteristisch, auch die leisen <strong>und</strong><br />

oft schwer fassbaren Gestimmtheiten begleiten in signifikanter<br />

Weise die Begegnung von Partnern <strong>und</strong> beeinflussen ihre<br />

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Gefühle als Kompass für Beziehungsverstehen 19<br />

Beziehung. Dabei muss es sich nicht zwangsläufig um einen<br />

realen Kontakt mit dem Partner handeln, auch der Kontakt<br />

zu dem inneren Bild des Partners kann ähnlich markante Gefühle<br />

hervorrufen, wenn z.B. eine besonders schöne oder besonders<br />

verletzende Situation mit dem Partner erinnert oder<br />

imaginiert wird.<br />

Der Gefühlsprozess in Partnerschaften wird dadurch bestimmt,<br />

dass beide Partner Gefühle entwickeln, die sie als Antwort<br />

auf das Gegenüber erleben. Die wechselseitige Wahrnehmung<br />

der Gefühle des Partners kann zu einer Intensivierung<br />

oder Abschwächung des ursprünglichen Gefühls beitragen.<br />

Hier wird deutlich, in welchem Ausmaß Gefühle in Partnerschaften<br />

einander bedingen, sich gegenseitig verstärken,<br />

abschwächen oder aber so regulieren, dass sie zu einem gemeinsamen<br />

Beziehungsverständnis genutzt werden können.<br />

Dies ist eine der zentralen Funktionen emotionaler Prozesse:<br />

Unabhängig von ihrer Intensität <strong>und</strong> Qualität stellen Gefühle<br />

wesentliche Informationen zum Verständnis einer Beziehung<br />

bereit. Um diese Informationen nutzen zu können, muss in<br />

beiden Partnern ein innerpsychischer Prozess angestoßen<br />

werden, der die Entschlüsselung der jeweiligen Gefühlsprozesse<br />

erlaubt <strong>und</strong> zu einem angemessenen Verhalten beiträgt<br />

(Rudolph 2006).<br />

Ein harmloses Beispiel aus der Alltagskommunikation<br />

des oben dargestellten Paares soll die Komplexität <strong>und</strong> damit<br />

auch Störanfälligkeit dieser Funktionen verdeutlichen:<br />

Sie wirft ihm voller Ärger vor, sich schon wieder um nichts<br />

gekümmert zu haben, die Kinder hatten einen wichtigen<br />

Auftritt in der Schule, sie hatte einen Zahnarzttermin. Beides<br />

habe er vergessen, es sei ihm gleichgültig, wie es der Familie<br />

gehe. Er erstarrt, sucht nach Rechtfertigungen <strong>und</strong> erläutert<br />

seine Belastungen auf der Arbeit.<br />

Eine Voraussetzung dafür, Gefühle zum Verständnis von<br />

Beziehungen <strong>und</strong> Situationen nutzen zu können besteht darin,<br />

dass die Partner in der Lage sind, ihre Gefühle zuzulassen<br />

<strong>und</strong> zu erleben. Während Frau A deutliche Gefühle von Ärger<br />

generiert, wird nicht deutlich, welcher emotionale Prozess in<br />

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20 Gr<strong>und</strong>bausteine der Kommunikation<br />

Herrn A abläuft. Im Gegenteil entsteht der Eindruck, dass er<br />

seine Gefühlsantworten bremst <strong>und</strong> abblockt. Ein weiterer<br />

Aspekt beinhaltet die Fähigkeit, die erlebten Affekte introspektiv<br />

zu differenzieren. So könnte Frau A merken, dass sie<br />

nicht nur sehr wütend, sondern auch zutiefst enttäuscht ist,<br />

weil sie sich nicht gesehen fühlt. Herr A könnte wahrnehmen,<br />

dass der heftige Ärger seiner Frau ihm vielleicht einen Schrecken<br />

eingejagt hat <strong>und</strong> er Schuldgefühle angesichts seines<br />

Vergessens entwickelt.<br />

Soll der erlebte Affekt nun zum Verständnis der Beziehung<br />

genutzt werden, so müssen sich beide Partner mit der Frage<br />

beschäftigen, welche Situation gerade entstanden ist, welche<br />

Rolle der Partner <strong>und</strong> welche Rolle sie selbst dabei spielen.<br />

Dies ist ein besonders anspruchsvoller Aspekt der Affektverarbeitung,<br />

neigen wir doch dazu, den eigenen Beitrag am<br />

Zustandekommen der Situation zugunsten des Gegenübers<br />

zu relativieren. Da das selbstreflexive Verständnis einer Beziehungskonstellation<br />

aufgr<strong>und</strong> der Subjektivität des eigenen<br />

Standpunktes immer äußerst störanfällig ist, kommt es leicht<br />

zu der Überzeugung, der andere sei die Ursache für das eigene<br />

Empfinden, man selbst lediglich ein Reagierender. Können<br />

beide Partner hingegen die entstandene Konstellation quasi<br />

aus einer dritten Perspektive heraus verstehen, ergibt sich daraus<br />

ein neues Beziehungsverständnis.<br />

Frau A könnte die Situation nun so verstehen, dass sie zwar<br />

berechtigten Ärger auf ihren Mann empf<strong>und</strong>en habe, dass sie<br />

im Ausdruck ihres Ärgers aber doch sehr konfrontativ <strong>und</strong><br />

vielleicht auch verletzend war. Es könnten aber auch pathogene<br />

Überzeugungen aktualisiert werden, indem Frau A, die<br />

möglicherweise nicht nur mit ihrem Mann, sondern auch<br />

mit anderen Bezugspersonen wiederholt die Erfahrung gemacht<br />

hat, nicht ausreichend Beachtung zu finden, in dieser<br />

Situation eine Bestätigung ihrer Überzeugung findet, nicht<br />

liebenswert zu sein. Hier würde eine pathogene Überzeugung<br />

ein bestimmtes Situationsverständnis nahe legen <strong>und</strong> zu entsprechenden<br />

Handlungsimpulsen beitragen. Herr A könnte<br />

die Heftigkeit der Reaktion seiner Frau als ihn ängstigend<br />

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Beziehungsverstehen als Ausdruck von Mentalisierung 21<br />

wahrnehmen <strong>und</strong> zugleich den Eindruck gewinnen, dass im<br />

Vergessen wichtiger familiärer Ereignisse ein Kränkungspotential<br />

enthalten ist, dessen Bedeutung <strong>und</strong> Ausmaß ihm<br />

bisher nicht bewusst war. Machen sich bei Herrn A hingegen<br />

auch pathogene Überzeugungen bemerkbar, so könnte er<br />

seine ängstliche Zurückhaltung angesichts des Ärgers seiner<br />

Frau als Bestätigung seiner Befürchtung erleben, Frauen gegenüber<br />

stets in der ohnmächtigen <strong>und</strong> minderwertigen Position<br />

zu sein.<br />

Um zu einem einigermaßen realistischen Beziehungs- <strong>und</strong><br />

Situationsverständnis zu gelangen, ist demnach nicht nur der<br />

Zugang zu den eigenen Gefühlen notwendig, sondern auch die<br />

Fähigkeit, sich in die Affekte des Partners einfühlen zu können.<br />

Angesichts einer inneren Situation, in der die Beteiligten mit<br />

der Wahrnehmung <strong>und</strong> Regulation eigener heftiger Gefühle<br />

beschäftigt sind, wird deutlich, welch hohe Anforderung die<br />

Einfühlung in das Erleben des Gegenübers beinhaltet. Ist es<br />

schon oft genug schwierig, die eigenen Gefühle zuzulassen, zu<br />

differenzieren <strong>und</strong> zum Verständnis der Situation zu nutzen,<br />

so erfordert die Empathie in Fremderleben eine zusätzliche<br />

emotionale Anstrengung <strong>und</strong> Stärke, setzt sie doch die Fähigkeit<br />

voraus, vom Eigenen zu abstrahieren <strong>und</strong> es in seiner<br />

emotionalen Überzeugungskraft zu relativieren.<br />

1.5 Beziehungsverstehen als Ausdruck<br />

von Mentalisierung<br />

Der Gefühlsprozess in Partnerschaften wird dadurch kompliziert,<br />

dass beide Partner Gefühle entwickeln, die sie einerseits<br />

als Antwort auf das Gegenüber erleben, die andererseits<br />

aber vor dem Hintergr<strong>und</strong> ihrer inneren Bilder vom Partner<br />

generiert werden. Wenn der Partner durch eine Unaufmerksamkeit<br />

in uns eine Verärgerung auslöst, so erleben wir dies<br />

zunächst einmal als antwortendes Gefühl auf eine Situation,<br />

in der unsere innere Verfassung <strong>und</strong> Erwartung nicht mit<br />

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22 Gr<strong>und</strong>bausteine der Kommunikation<br />

der äußeren Situation übereinstimmt. Wir hatten erwartet,<br />

dass der Partner sich nach einem langen Arbeitstag für unser<br />

Befinden <strong>und</strong> einen Austausch interessiert, stattdessen ist er<br />

emotional abwesend <strong>und</strong> mit anderen Themen beschäftigt.<br />

Nicht nur die eigenen Emotionen, auch die des Partners<br />

wirken jeweils auf uns <strong>und</strong> unser Verständnis der Situation<br />

zurück. Es macht einen Unterschied für die emotionale Bewertung,<br />

ob wir seine innere Abwesenheit als Ausdruck einer<br />

momentanen Arbeitsüberlastung verstehen oder aber als<br />

Beweis seines Desinteresses an der Beziehung betrachten.<br />

Umgekehrt kann der Partner das Bedürfnis nach Austausch<br />

als Zudringlichkeit <strong>und</strong> Forderung erleben <strong>und</strong> sich bedrängt<br />

<strong>und</strong> unbehaglich fühlen oder aber als legitimen Wunsch, dem<br />

er im Augenblick zwar nicht entsprechen kann, der prinzipiell<br />

jedoch wohlwollende Gefühle auslöst.<br />

Es ist ein Gr<strong>und</strong>bedürfnis des Menschen, eigene <strong>und</strong> fremde<br />

Handlungen zu verstehen <strong>und</strong> auf der Basis dieses Verständnisses<br />

Vorhersagen machen zu können, wie der andere sich zukünftig<br />

verhalten wird. Dazu entwickeln wir Hypothesen darüber,<br />

wie unser Gegenüber sich fühlen, welche Wünsche sein Verhalten<br />

motivieren <strong>und</strong> welche Absichten er möglicherweise<br />

mit seinem Tun bezwecken könnte. Wir können z.B. annehmen,<br />

dass unser Partner uns anlächelt, weil er sich freut, uns<br />

zu sehen, wir können vermuten, dass er unruhig im Flur auf<br />

<strong>und</strong> ab läuft, weil er den Autoschlüssel nicht findet oder sind<br />

davon überzeugt, dass er sein Geschirr nicht abgeräumt hat,<br />

weil er in Eile war. Diese mentalen Zustände betrachten wir<br />

als Ursachen oder Gründe für die Handlungen unseres Gegenübers.<br />

Wir sind nicht in erster Linie auf das Verhalten unseres<br />

Gegenübers ausgerichtet, sondern erst die Zuschreibung<br />

seelischer Zustände, die wir zur Erklärung seines Verhaltens<br />

heranziehen beinhaltet handlungsrelevantes Wissen. Dasselbe<br />

Verhalten könnte z.B. durch ganz andere mentale Zustände<br />

erklärt werden <strong>und</strong> damit sehr unterschiedliche Antworten<br />

provozieren.<br />

Gehen wir davon aus, dass unser Partner uns anlächelt,<br />

obwohl er genervt ist, werden wir ihn gereizt beantworten,<br />

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Äußere Prozesse als Auslöser für innere Dramen 23<br />

während wir ihm freudig begegnen, wenn wir seinem Lächeln<br />

eine positive Gestimmtheit uns gegenüber unterstellen. Sind<br />

wir davon überzeugt, dass er sein Geschirr nicht abräumt, weil<br />

er keine Achtung vor uns hat, werden wir voller Groll auf ihn<br />

reagieren, deuten wir sein Verhalten hingegen als Ausdruck<br />

seiner Eile, werden wir möglicherweise seine Nachlässigkeit<br />

mit einem Achselzucken quittieren.<br />

Dieser als Mentalisierung bezeichneter Prozess (Fonagy et<br />

al. 2002) beinhaltet also alltagspsychologische Annahmen darüber,<br />

welcher seelische Zustand im Gegenüber ein bestimmtes<br />

Verhalten bewirkt haben könnte. Die mentalen Zustände<br />

des Wünschens <strong>und</strong> Fühlens werden als Gründe <strong>und</strong> Ursachen<br />

von Handlungen betrachtet. Mentalisierung ist aber kein<br />

bewusster, vorsätzlich eingeleiteter Prozess wie die Introspektion,<br />

in der das eigene Erleben reflektiert wird, ist auch nicht<br />

zu verwechseln mit Empathie, in der eine mehr oder weniger<br />

bewusste Einfühlung in fremdes Erleben praktiziert wird.<br />

Mentalisierung ist eher zu beschreiben als »habituell gewordener<br />

Stil des Nachdenkens <strong>und</strong> Umgehens mit sich selbst«<br />

(Dornes 2004, 302) <strong>und</strong> dem Gegenüber. Das Nachdenken<br />

über Erleben läuft in der Regel nicht nachträglich ab, sondern<br />

bereits während der Affekt erlebt wird. Diese als mentalisierte<br />

Affektivität (Fonagy et al. 2004, Kap.10) bezeichnete Fähigkeit<br />

bedeutet, dass neben dem unmittelbar erlebten Gefühlszustand<br />

ein zweiter Prozess abläuft, der die Erlebnisverarbeitung<br />

reflektiert <strong>und</strong> beides miteinander verbindet.<br />

1.6 Äußere Prozesse als Auslöser für innere Dramen<br />

Mit der Fähigkeit zur Gefühlsgenerierung <strong>und</strong> zur Mentalisierung<br />

wurden strukturelle Funktionen beschrieben, die<br />

verfügbar sein müssen, damit Erlebtes psychisch verstanden<br />

<strong>und</strong> interpersonell beantwortet werden kann. Es ist jedoch<br />

nicht zufällig, welche Mentalisierung durch ein äußeres Ereignis<br />

angestoßen wird <strong>und</strong> entweder Ärger, Nachsicht oder<br />

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24 Gr<strong>und</strong>bausteine der Kommunikation<br />

Verständnis auslöst. Der Charakter der Mentalisierung ist<br />

beeinflusst von gefühlsbetonten Erinnerungen, die Assoziationen<br />

an frühere Situationen wecken, die die Betreffenden<br />

als enttäuschend, verletzend, bedrohlich oder aber als wohltuend,<br />

angenehm oder beruhigend erinnern. Im Folgenden<br />

soll die Art der jeweils aktualisierten Mentalisierung unter<br />

psychodynamischen Aspekten untersucht werden.<br />

Betrachten wir noch einmal das oben skizzierte Paar, so<br />

lassen sich sehr schnell diese beiden Perspektiven voneinander<br />

unterscheiden: Dass Herr A die Außenbeziehung seiner<br />

Frau als zutiefst kränkend empfindet <strong>und</strong> sich in seinem<br />

Sicherheitsempfinden ihr gegenüber f<strong>und</strong>amental verunsichert<br />

fühlt, ist eine nachvollziehbare Antwort auf die Verletzung<br />

eines impliziten, oft auch expliziten Versprechens, das<br />

den meisten Beziehungen zugr<strong>und</strong>e liegt. Menschen haben<br />

das Bedürfnis, für den Partner etwas Einzigartiges <strong>und</strong> Unverwechselbares<br />

zu sein. Untreue des Partners verletzt den<br />

Wunsch nach Exklusivität in dramatischer Weise <strong>und</strong> erschüttert<br />

die Gr<strong>und</strong>festen der Beziehung, indem Vertrauen<br />

<strong>und</strong> Sicherheit zerstört werden. Insofern löst die äußere Situation,<br />

mit der Herrn A konfrontiert ist, eine verständliche<br />

Beziehungskatastrophe in ihm aus. Dass aber nicht nur die<br />

äußeren Personen, nämlich seine Frau, sondern auch seine<br />

Beziehungsrepräsentanzen, nämlich die inneren Bilder früher<br />

Beziehungskonstellationen, die ausgelösten Gefühlsantworten<br />

beeinflussen, verdeutlicht ein Blick in die Herkunftsfamilie<br />

von Herrn A. So hat die Außenbeziehung seiner Frau<br />

in ihm die Erinnerung an die leidvolle Beziehung seiner Eltern<br />

wach gerufen. Der Vater hatte öfter Außenbeziehungen<br />

unterhalten <strong>und</strong> sei immer unehrlich der Mutter gegenüber<br />

gewesen, während er als Kind Zeuge des Kummers der Mutter<br />

gewesen sei, die oft untröstlich war <strong>und</strong> sich seinen Beruhigungsversuchen<br />

gegenüber verschlossen habe. Später habe<br />

sie ihre Verletzung immer öfter in Alkohol ertränkt <strong>und</strong> sei<br />

für ihn dann gar nicht mehr ansprechbar gewesen. Angesichts<br />

dieser Situation hat Herr A sich extrem hilflos <strong>und</strong> ohnmächtig<br />

gefühlt: einerseits konnte er den Schmerz der Mutter gut<br />

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Äußere Prozesse als Auslöser für innere Dramen 25<br />

einfühlen <strong>und</strong> versuchte immer wieder, durch Tröstungsversuche<br />

eine Beziehung zu ihr herzustellen, andererseits war<br />

die Mutter in ihrer Verletztheit so verschlossen, dass Herr A<br />

sich von ihr vollkommen verlassen fühlte <strong>und</strong> sich mit einem<br />

zweifachen Beziehungsabbruch konfrontiert sah. Durch eine<br />

Identifikation mit der Mutter war bereits ein innerer Beziehungsabbruch<br />

zum Vater erfolgt, der sich nun auch noch in<br />

der Beziehung zur Mutter fortsetzte. Ein Abgr<strong>und</strong> an Angst<br />

<strong>und</strong> Einsamkeit, aber auch an Wut <strong>und</strong> Hass müssen sich<br />

vor Herrn A aufgetan haben. Muss er nun heute feststellen,<br />

ebenfalls mit Untreue konfrontiert zu sein, so löst dies über<br />

die »übliche« Verstörung hinausgehende Erschütterungen<br />

aus. Herr A fühlt sich in die Rolle der Mutter versetzt, auch er<br />

wird von einer geliebten <strong>und</strong> ihm Sicherheit versprechenden<br />

Person in seinem Vertrauen betrogen. Zugleich tauchen aber<br />

auch die Gefühle des Kindes auf, das sich ohnmächtig dem<br />

Beziehungsabbruch seiner Mutter <strong>und</strong> nun dem seiner Frau<br />

ausgesetzt fühlt. Und ganz im Hintergr<strong>und</strong> müssen wir eine<br />

ohnmächtige Wut vermuten, die dazu angetan sein könnte,<br />

sowohl den kindlichen als auch den aktuellen Verletzungen<br />

mit einer zerstörerischen Stärke zu begegnen.<br />

Dass all diese Gefühle zu schmerzlich <strong>und</strong> bedrohlich<br />

waren, um erlebt <strong>und</strong> ausgehalten werden zu können, wird<br />

im Kontakt <strong>und</strong> der Kommunikation mit Herrn A deutlich.<br />

Herr A vermittelt von diesen Erschütterungen nichts, seine<br />

Gefühle hat er mit Hilfe von Abwehrprozessen im Griff, lediglich<br />

in der Beschreibung der frühkindlichen Situation<br />

schwingt ein Vorwurf an seine Frau mit, ihn einer derartigen<br />

Verletzung ausgesetzt zu haben. In seiner mimisch gestischen<br />

Kommunikation wird sein Bemühen deutlich, sich von seinen<br />

Gefühlen nicht überschwemmen zu lassen, offenbar vor dem<br />

Hintergr<strong>und</strong> der Befürchtung, über keine ausreichenden Regulationsmöglichkeiten<br />

seiner Affekte zu verfügen. In seiner<br />

Mitteilung hingegen, »Das sollte mir nicht passieren, dass ich<br />

eine Frau habe, die mich betrügt« klingt seine Mentalisierung<br />

der Beziehung zu seiner Frau an, die in etwa lauten könnte:<br />

»Nun befinde ich mich in derselben demütigenden Situation<br />

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In der Aus- <strong>und</strong> Weiterbildung von BeraterInnen <strong>und</strong><br />

SeelsorgerInnen kommt das Erlernen von Fertigkeiten<br />

zur Führung von Paargesprächen oft zu kurz. Ingeborg<br />

Volger <strong>und</strong> Martin Merbach bieten nun einen kompakten<br />

Einstieg in die Thematik. Paarberatung <strong>und</strong> -therapie<br />

sind darauf ausgerichtet, gemeinsam mit beiden Partnern<br />

ein Verständnis über die Beziehungsdynamik zu<br />

erlangen. Dies gelingt, indem der Berater / die Beraterin<br />

die Dynamik des Paares zu verstehen sucht <strong>und</strong> sie ihm<br />

spiegelt. Das gemeinsame Verständnis ist Gr<strong>und</strong>lage<br />

für dauerhafte Veränderungen in der Paarbeziehung.<br />

Die Autoren stellen gr<strong>und</strong>legende Prozesse in Paargesprächen<br />

dar <strong>und</strong> wenden sich an alle, die in ihrem<br />

Beruf beraterisch tätig sind.<br />

Die Autoren<br />

Dr. phil. Ingeborg Volger ist Diplom-Psychologin, Psychoanalytikerin<br />

<strong>und</strong> Paartherapeutin am Ev. Zentralinstitut<br />

für Familienberatung in Berlin.<br />

Dr. med. Martin Merbach ist Diplom-Psychologe, Systemischer<br />

Berater, Familientherapeut <strong>und</strong> wissenschaftlicher<br />

Mitarbeiter am Ev. Zentralinstitut für Familienberatung<br />

in Berlin.<br />

www.v-r.de

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