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Naturreport 2012 - Band 16 - Kreis Unna

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gehalten werden! Ich habe lückenlose<br />

Aufzeichnungen seit Mitte der Vierziger!“<br />

Einmal liefen wir, es war an<br />

einem 23. Dezember, eine ganze Stunde<br />

wieder zurück an die Ruhr, dort hatten<br />

wir in einem Bombentrichter liegend<br />

Saatgänse beobachtet und Heinz hatte<br />

sein Notizbuch dort liegen gelassen.<br />

„Unersetzlich! Das müssen wir finden!<br />

Ein unglaublicher Verlust!“ Wir fanden<br />

es. Erst spät in der Nacht kam ich nach<br />

Hause.<br />

� Das Fernglas ist ein Körperteil<br />

Gegebenheiten mit anderen Gegenständen,<br />

die vergessen oder verloren<br />

gingen, sind Thema vieler lustiger<br />

Anekdoten, die Heinz selbst und seine<br />

Gemeinde immer wieder zum Besten<br />

gaben. Vokabeln wie „sagenhaft“, „unglaublich“<br />

und das Adjektiv „schwer“ in<br />

Verbindung mit „gefährdet“, „Verbrechen<br />

gegen die Natur“ oder „Verlust“<br />

fanden sehr bald ihren festen Platz in<br />

meinem Wortschatz. Formulierungen<br />

wie „wir müssen mehr auf Kleinvögel<br />

achten“ und „Das Fernglas ist ein Körperteil“<br />

oder „nur das Fernglas unterscheidet<br />

uns vom Landstreicher“ und<br />

„wir könnten ja noch in die Rieselfelder<br />

…“ sind Legende geworden.<br />

Heinz war der erste Erwachsene, der<br />

mir gegenüber Hitler einen Verbrecher<br />

nannte, den Krieg nicht als touristische<br />

132<br />

Personen<br />

Unternehmung darstellte oder ihn verschwieg,<br />

sondern von schwerer Schuld<br />

und unglaublichen Grausamkeiten und<br />

Verbrechen sprach. Mir gegenüber<br />

machte er nur Andeutungen über seine<br />

persönlichen Erlebnisse, aber er muss<br />

Schreckliches an der Ostfront erlebt<br />

haben. Ausgerechnet er, dessen Familie<br />

zur Bekennenden Kirche zählte, wurde<br />

zum Arbeitsdienst eingezogen und<br />

sehr schnell als Soldat an die Ostfront<br />

geschickt. Später beeindruckte er mich,<br />

wie er Seite an Seite mit meist sehr viel<br />

jüngeren politisch Bewegten in Bürgerinitiativen<br />

gegen neue Straßen und<br />

Bebauungspläne kämpfte. Dass man<br />

als Bürger einfach den Bürgermeister,<br />

Landesminister, Ministerpräsidenten,<br />

Bundesminister oder Bundeskanzler oder<br />

gar den Bundespräsidenten anschreiben<br />

kann – das war mir selbst nie in den<br />

Sinn gekommen. Ich glaube, Heinz hat<br />

sogar dem Papst einen „Brandbrief!“<br />

geschrieben. Immer ging es um Tierrechte<br />

und darum „schwere Verbrechen<br />

gegen die Natur“ abzuwenden. Und die<br />

Briefe, auch die, die ich bekam, waren<br />

allesamt Unikate. Heinz war sparsam<br />

und sparte auch an Schreibpapier. Selbst<br />

wenn einmal richtiges Schreibpapier<br />

benutzt wurde, wurde kein Schreibrand<br />

eingehalten. Oben ging es los und unten<br />

liefen die letzten Zeilen schief, weil das<br />

Papier in der Schreibmaschine keinen<br />

Halt mehr hatte. Die unsauberen Maschinentypen<br />

(Die kann man sauber<br />

machen? Wie meinste?) stanzten bis<br />

unmittelbar an den Rand Löcher und<br />

Riefen auf das Papier. Weniger offizielle<br />

Schreiben wurden auf der Rückseite von<br />

Kalenderblättern, Flugschriften oder<br />

gar Klassenarbeiten (!) gehämmert.<br />

Heinz Herkenrath war Lehrer und ein<br />

politischer Mensch mit ausgeprägter<br />

Meinung, erfrischend einseitig, wenn für<br />

den Tier- und Naturschutz. Und hochgebildet,<br />

vor allem wenn es um geschichtliche<br />

Fragestellungen ging. Alle deutschen<br />

Kaiser mit Regierungszeit hatte er im<br />

Gedächtnis parat, kein Fürstenhaus war<br />

ihm unbekannt, kaum ein Reichsminister<br />

zu dem ihm nicht wichtige Entscheidungen<br />

einfielen. Unglaublich!<br />

� Respekt vor der „Mitwelt“<br />

Heinz Herkenrath war in vielerlei<br />

Beziehung mein Mentor. Von ihm lernte<br />

ich einen reichen Fundus an Beobachtungstechniken<br />

und was vielleicht noch<br />

wichtiger ist, das Ethos der Naturbeobachtung.<br />

Respekt und Aufmerksamkeit<br />

der Natur gegenüber, das strahlte er<br />

aus und praktizierte er ganz selbstverständlich.<br />

War ich beim ersten Mal noch<br />

erstaunt, dass wir einen Umweg gingen,<br />

um Ricke mit Kitz die Flucht vor uns zu<br />

ersparen, ist es mir heute noch unangenehm,<br />

wenn wegen mir Pirschenden

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