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Junge Bühne #6 - Mwk-koeln.de

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foto: kühle<br />

28<br />

KURZE EINFÜHRUNG IN DIE THEATERFORM MUSICAL<br />

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Seine Ursprünge hat das Musical im Amerika <strong>de</strong>r 1920er und<br />

30er Jahre. In <strong>de</strong>n Musicalhochburgen New York und London<br />

wur<strong>de</strong>n Schauspiel, Tanz und Gesang untrennbar verbun<strong>de</strong>n und<br />

prägten, ebenso wie das unerschütterlich positive Menschen- und<br />

Weltbild, die frühen Formen <strong>de</strong>s Musicals. Nach 1945 kam das<br />

Musical nach (West-)Deutschland, und wur<strong>de</strong> zu einer <strong>de</strong>r mo<strong>de</strong>rnen<br />

Form <strong>de</strong>s Musiktheaters. Nicht nur die neue Gleichwertigkeit<br />

in <strong>de</strong>r Gestaltung <strong>de</strong>s Stückes durch Librettist, Textdichter<br />

und Komponist, son<strong>de</strong>rn auch die Erzählweise, bei <strong>de</strong>r Musik,<br />

Lie<strong>de</strong>r, Dialoge und <strong>de</strong>r Tanz dramaturgisch sinnvoll und logisch<br />

sind (integrated musical), waren revolutionäre Neuerungen. In <strong>de</strong>n<br />

60er Jahren löste sich das <strong>de</strong>utsche Musical von <strong>de</strong>n zeitgenössischen,<br />

populären Musikstilen und es bil<strong>de</strong>te sich eine erste<br />

Off-Szene heraus. Die Aufführungen <strong>de</strong>r 60er Jahre waren von<br />

technischen Problemen geprägt, man musste Stimmen und<br />

Instrumente elektrisch verstärken, hatte aber dadurch auf <strong>de</strong>r<br />

<strong>Bühne</strong> mit Kabeln zu kämpfen. Das Publikum allerdings war<br />

äußerst begeisterungsfähig: es wur<strong>de</strong> nicht nur mitgeklatscht,<br />

son<strong>de</strong>rn gerne mitgetanzt.<br />

In <strong>de</strong>n 70er Jahren sorgte Andrew Lloyd Webber mit »Jesus Christ<br />

Superstar« und »Evita« für Furore, <strong>de</strong>n ersten Musicals, die kom-<br />

Mandy-Marie Mahrenholz geleitete Training kann es mit je<strong>de</strong>m<br />

Fatburning-Fitnessstudio-Workout aufnehmen. Aber die Proben<strong>de</strong>n<br />

halten durch, <strong>de</strong>nn sie alle vereint, was sie wirklich wollen:<br />

Auf <strong>de</strong>r <strong>Bühne</strong> stehen.<br />

Es ist En<strong>de</strong> März. Ein Tag, <strong>de</strong>r mit Schule und Arbeit begonnen<br />

hat. »Szenische Probe 18:30 Uhr« steht auf <strong>de</strong>m Plan. Vor <strong>de</strong>m<br />

Theater sitzen die Jugendlichen mit einer Gitarre in <strong>de</strong>r Sonne<br />

und jammen. Sie wollen singen, tanzen und spielen, und daraus<br />

ziehen sie die Energie, um sich auch nach einem harten Schul-<br />

und Arbeitstag noch für das »Beats!«-Projekt zu engagieren. Die<br />

Probe fin<strong>de</strong>t diesmal schon auf <strong>de</strong>r richtigen Theaterbühne statt.<br />

Nach einer kurzen Ansage verteilen sich die Jugendlichen unter<br />

aufgeregtem Gewusel auf <strong>de</strong>r <strong>Bühne</strong> und im Zuschauerraum. Es<br />

gibt Tonprobleme, Mikrophone wer<strong>de</strong>n auf <strong>de</strong>r <strong>Bühne</strong> verteilt.<br />

plett ohne gesprochene Passagen auskamen und durchgehend<br />

tontechnisch verstärkt wur<strong>de</strong>n. Richard O’Briens 1973 uraufgeführtes,<br />

unkonventionelles Musical »Rocky Horror Show«, das zwei<br />

Jahre später auch als Kinofassung ungeahnte Erfolge feierte und<br />

Kultstatus erlangte, reißt bis heute das Publikum im Kino- wie im<br />

Theatersaal zu Begeisterungsstürmen hin.<br />

Es entstan<strong>de</strong>n Musicalunternehmen, die in diesen Jahren<br />

massiv in mo<strong>de</strong>rnste Technik investierten, und so völlig neue<br />

Inszenierungsmöglichkeiten erschließen konnten. Während zuvor<br />

Musicalproduktionen einige Monate in einer Stadt gespielt wur<strong>de</strong>n,<br />

um dann in einer an<strong>de</strong>ren Stadt weiter zu laufen, setzte man<br />

nach <strong>de</strong>m unglaublichen Erfolg von »Cats« in Hamburg auf ein<br />

open end – dass heißt, man spielte an einem Ort, bis keine Zuschauer<br />

mehr kamen. Im Hinblick darauf wur<strong>de</strong> Mitte <strong>de</strong>r 80er<br />

Jahre in Bochum für »Starlight Express« ein Musicaltheater gebaut,<br />

das bis heute ausschließlich mit diesem Stück bespielt wird<br />

und sich so <strong>de</strong>n Ruf <strong>de</strong>s in Deutschland am längsten laufen<strong>de</strong>n<br />

Musicals mit <strong>de</strong>n meisten Zuschauern erarbeitet hat. Neben <strong>de</strong>n<br />

großen, immer noch erfolgreichen Privatbühnen fin<strong>de</strong>t man<br />

Musicals vereinzelt auch in <strong>de</strong>n Spielplänen <strong>de</strong>r Stadttheater. So<br />

nun auch in Hagen.<br />

Die Spielen<strong>de</strong>n stehen in einem <strong>Bühne</strong>nbild, an <strong>de</strong>ssen Entstehung<br />

auch Jugendliche beteiligt wer<strong>de</strong>n sollten. Die Zusammenarbeit<br />

zwischen Theater und Jugendlichen gestaltete sich jedoch<br />

nicht so einfach. Erstaunlicherweise wur<strong>de</strong>n keine Graffitikünstler<br />

für das geplante Graffiti im auf <strong>de</strong>r <strong>Bühne</strong> nachgebauten Jugendzentrum<br />

gefun<strong>de</strong>n, so dass das Graffiti nun aus <strong>de</strong>r Hand <strong>de</strong>r<br />

professionellen Theatermaler stammt. In an<strong>de</strong>ren handwerklichen<br />

Abteilungen <strong>de</strong>s Theaters, wie Maske und Schlosserei, lief die<br />

Mitarbeit allerdings gut und die Jugendlichen konnten Einblicke<br />

in die Theaterarbeit nehmen. Während <strong>de</strong>r Vorstellungen übernehmen<br />

BerufsschülerInnen sogar <strong>de</strong>n <strong>Bühne</strong>numbau.<br />

Auf <strong>de</strong>r Probe geht es chaotisch zu. Dann: »Auftritt!« Plötzlich<br />

herrscht Ruhe. Die Szene startet, und auf <strong>de</strong>r <strong>Bühne</strong> wird gesungen<br />

und gespielt. Nicht alles klappt beim ersten Mal. Nicht je<strong>de</strong>r<br />

Ton ist getroffen. Nicht immer stehen die auf <strong>de</strong>r <strong>Bühne</strong> Agieren<strong>de</strong>n<br />

offen zum Publikum. Aber nach<strong>de</strong>m die Szene auf <strong>de</strong>r<br />

<strong>Bühne</strong> zu En<strong>de</strong> gespielt ist, geschieht etwas völlig Theaterprobenuntypisches:<br />

Die Menschen im Zuschauerraum applaudieren. Sie<br />

loben, klatschen, strecken die Daumen hoch. Keiner <strong>de</strong>r jungen<br />

Menschen hängt <strong>de</strong>m im professionellen Theater weit verbreiteten<br />

Aberglauben an, man dürfe sich vor <strong>de</strong>r Premiere zu keinem<br />

Lob hinreißen lassen, da das Unglück bringe. Hier weiß<br />

je<strong>de</strong>r, wie schwer es ist, auf <strong>de</strong>r <strong>Bühne</strong> zu stehen. Das Lob motiviert<br />

und schafft <strong>de</strong>n Zusammenhalt, <strong>de</strong>n es braucht um nach<br />

wenigen Vorbereitungsmonaten gemeinsam Theater zu spielen.<br />

Auch jetzt muss wie<strong>de</strong>rholt wer<strong>de</strong>n. Einige können sich nicht<br />

genau erinnern, wo sie auf <strong>de</strong>r <strong>Bühne</strong> stehen müssen. Dann hilft<br />

<strong>de</strong>r Szenennachbar. Einige <strong>de</strong>r Mitwirken<strong>de</strong>n fehlen. Ihre Rollen<br />

müssen eingelesen wer<strong>de</strong>n, was zu Unsicherheiten führt. Aber<br />

auch dann beraten sich die Spielen<strong>de</strong>n. Die Jugendlichen haben<br />

gemeinsam eine bessere Übersicht als die Einzelnen <strong>de</strong>s Kreativteams<br />

und unterstützen sich so, wo es nur geht.<br />

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Hier weiß je<strong>de</strong>r, wie schwer es ist,<br />

auf <strong>de</strong>r <strong>Bühne</strong> zu stehen.<br />

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Es ist April. Nicht einmal mehr eine Woche bis zur Premiere und<br />

in Nordrhein-Westfalen sind Osterferien. Das heißt, <strong>de</strong>r eine Teil<br />

<strong>de</strong>r »Beats!«-Jugendlichen, <strong>de</strong>r einen Schulabschluss an einer <strong>de</strong>r<br />

Hagener Berufsschulen machen möchte, hat eigentlich Ferien.<br />

Der an<strong>de</strong>re Teil, <strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r Ausbildung ist, muss eigentlich arbeiten.<br />

Aber die »Beats!«-Beteiligten treffen sich trotz<strong>de</strong>m morgens<br />

am Theater zur Orchesterprobe. Dem Kreativteam und <strong>de</strong>m<br />

Orchester ist die Anspannung <strong>de</strong>utlich anzusehen. Die Jugendlichen<br />

dagegen wirken gelassen. Im Zuschauerraum wird noch<br />

schnell gefrühstückt und dann geht es los. Aus <strong>de</strong>m Orchestergraben<br />

kommen die Anweisungen, wann, wer, wie laut spielen<br />

soll. Für die Sänger auf <strong>de</strong>r <strong>Bühne</strong> ist es selbst mit Mikroport eine<br />

große Herausfor<strong>de</strong>rung, sich stimmlich gegen das gewaltige<br />

Orchester durchzusetzen. So klingt es zunächst auch mehr nach<br />

einem Gegeneinan<strong>de</strong>r, als nach einem Miteinan<strong>de</strong>r. Mitten in <strong>de</strong>r<br />

Probe klingelt ein Handy. »Handy aus! – Meine Fresse.« In <strong>de</strong>r<br />

Pause verschwin<strong>de</strong>n einige Jugendliche nach draußen. »Die<br />

singen schon wie<strong>de</strong>r. Die dürfen nicht singen«. Die Anspannung<br />

beim Leitungsteam nimmt <strong>de</strong>utlich zu.<br />

Dann ist <strong>de</strong>r Tag <strong>de</strong>r Uraufführung da. Das Theater ist ausverkauft<br />

und schon im Zuschauerraum sieht man Familien mit<br />

Kin<strong>de</strong>rn. Das Publikum ist jünger als bei an<strong>de</strong>ren Spielplanstücken,<br />

es herrscht Aufregung und Vorfreu<strong>de</strong>.<br />

Das Stück beginnt: Es sind Ferien und das örtliche Jugendzentrum<br />

bekommt Gäste aus Hamburg. Zwölf gutbürgerliche Mädchen<br />

sollen bei einem Musikprojekt mit <strong>de</strong>n hiesigen HipHop-<br />

Künstlern musizieren. Die Begeisterung auf bei<strong>de</strong>n Seiten hält<br />

sich in Grenzen; die bei<strong>de</strong>n Kulturformate scheinen unvereinbar.<br />

Erst durch die Wette zwischen Bandlea<strong>de</strong>r TC (Luc Packlidat) und<br />

Fabi (Claudio Fisicaro) nähern sich die Gruppen an. TC behauptet,<br />

er könne drei <strong>de</strong>r Gastmädchen verführen und beginnt Lara (Lisa<br />

Gonscherowsky) zu umgarnen. Langsam keimen wahre Gefühle<br />

auf, doch bevor die bei<strong>de</strong>n wirklich zueinan<strong>de</strong>r fin<strong>de</strong>n, intrigiert<br />

TCs Exfreundin Thessa (energiegela<strong>de</strong>n gespielt von Joanna Baker)<br />

und erzählt Lara von <strong>de</strong>r Wette. Lara kündigt ihre Mitarbeit auf<br />

und das Projekt scheint zu scheitern. Während Thessa vergeblich<br />

versucht TC zu verführen, können die homosexuelle Floh (herausragend<br />

gesungen von Wioleta Czebotorowicz) und Alani<br />

(Carolin Vogel) Lara davon überzeugen, ihren Gefühlen für TC zu<br />

folgen und das Projekt doch noch durchzuziehen. Als Floh<br />

herausfin<strong>de</strong>t, dass das Jugendzentrum geschlossen wer<strong>de</strong>n soll,<br />

ziehen alle Jugendlichen an einem Strang und beschließen, es mit<br />

<strong>de</strong>m gemeinsamen Auftritt zu retten. Lediglich Thessa versucht<br />

noch einmal das Projekt zu verhin<strong>de</strong>rn, wird aber von <strong>de</strong>m<br />

Jugendzentrumsleiter Gillan (Robert Schartel) im letzten Moment<br />

gestoppt. Das Konzert fin<strong>de</strong>t statt – das Jugendzentrum wird<br />

gerettet – Happy end und 15 Minuten standing ovation für die<br />

»Beats!«-Beteiligten. Das Theater Hagen hat mit »Beats!« sein<br />

Publikum gut unterhalten und durch das Projekt eine große<br />

Theaterfamilie geschaffen.<br />

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