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No. 1 - Canadian Conference of Mennonite Brethren Churches

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Der Alte Friedrich<br />

Erinnerungen 8US meiner Kindheit<br />

von Helene Janzen<br />

Der alte Friedrich lag im Sterben ....<br />

Friedrich war Nachtwaechter meines<br />

Heimatdorfes Altonau, an der Molotschna.<br />

Jeden Abend ab 11 Uhr verli,~ss<br />

er das kleine Ziegelhaus an der Mittelstrasse,<br />

das "Spritzhaus," welches<br />

neben Friedrichs Wohnraum und winziger<br />

Kueche noch einen kleinen Raum<br />

mit vergittertem Fenster besass, fuer<br />

etwaige unliebsame Vorfaelle. Dort<br />

stand auch die alte verstaubte Handfeuerspritze<br />

des Dorfes. - Es war aber<br />

keine Schenke im Dorf und so blieb<br />

Friedrich ungestoert als einziger Bewohner<br />

des kleinen Hauses am Mittelweg,<br />

der Volksschule gegenueber.<br />

Der alte Friedrich wanderte jede<br />

Nacht, mit einer grossen hoelzernen<br />

Klapper bewaffnet, beide Seiten der<br />

breiten langen Strasse des Dorfes entlang.<br />

Ein Gewehr trug er nicht bei<br />

sich, obwohl er kein wehrloser Mennonit<br />

war. Nein, er war nicht wehrlos:<br />

ein verblasstes Bild an seiner Stuber}<br />

. wand zeigt ihn uns als jungen strammen<br />

preussischen Soldaten, der urn die<br />

Jahrhundertwende im Heer gestanden<br />

hatte, nach seiner Getangennahme aber<br />

im russischen Zarenreich geblieben war.<br />

Jetzt war er alt geworden. Seine<br />

hohe Gestalt ein wenig gebeugt, mit<br />

weissern Bart und schuetterem -Haar<br />

bewachte er nun jeden Hot - mit<br />

besonderes treuer Sorgfalt aber die<br />

Gebaeude meines Vaters. Er war mein­<br />

.en Eltern sehr zugetan.<br />

Um Mitternacht hoerten die Bewohner<br />

Altonaus zwar nicht dasWaechterhorn<br />

die Melodie: "Hoert ihr Herren<br />

lasst's euch sagen, denn die Uhr hat<br />

12 geschlagen" - blasen. Es war ja auch<br />

keine Turmuhr da, kein Rathaus. Aber,<br />

ob der Schneesturm tobte, oder die<br />

bluehenden Akazien ihren Fruehlingsduft<br />

in sternklarer Nacht verstroemten,<br />

- Friedrich schritt die sehr stille unbeleuchtete<br />

Strasse des Dorfes entlang.<br />

Alles ruhte um diese Zeit, Mensch und<br />

auch Vieh. Wer aber nicht schlafen<br />

konnte, oder wer beim Nachtlaempchen<br />

am Krankenbett wachte, hoerte<br />

den eintoenigen Ton der hoelzernen<br />

Klapper unseres treuen Nachtwaechters.<br />

So manche Nacht, wenn ich nicht<br />

einschlafen konnte, hoerte ich die<br />

22/ mennonite mirror! october 1974<br />

hoelzerne Klapper und den langsamen<br />

bedaechtigen Schritt sich unserem H<strong>of</strong><br />

nahen. An jeder Tuer wurde geruettelt,<br />

jedes Schloss unseres Wohnhauses und<br />

der anderen Gebaeude wurdesorgfaeltig<br />

untersucht. So manchmal klopfte es<br />

dann am Schlafzimmerfenster der<br />

Eltern und Friedrich rneldete: ;'Herr<br />

Dueck, die Tuer am Speicher ist nicht<br />

verriegelt!" Mein Vater dankte, ob er<br />

aber aufstand und die Tuer abschloss<br />

- ich hab's nie gemerkt. ... Der<br />

treue Waechter aber 109 befriedigt<br />

weiter.<br />

Eines morgens lag der alte Friedrich<br />

gefesselt unter einem Busch und die<br />

grosse doppelte Bohlentuer samt der<br />

ummauerten Ziegelschicht eines Vorbaues<br />

am Geschaeftshaus lag aufgebrochen<br />

am Boden. Weiter waren die<br />

Diebe nicht gekommen. Mein Vater<br />

befreite den alten Friedrich von seinen<br />

Fesseln und war dankbar, denn Freidrich<br />

war unverletzt geblieben .<br />

Friedrich hatte keine Familie, er lebte<br />

ei nsam. Mit grossem Interesse betrachteten<br />

wir Kinder jedesmal sein Stuebchen,<br />

wenn unsere Mutter uns mit etwas<br />

Gutern aus ihrer Kueche hinup.ber<br />

schickte. Es war da ein einfaches Bett,<br />

ein Tisch aus schwerem Holz - ein<br />

wenig verschnitzt, - ein derber Stuhl,<br />

eine Kiste - aber fasziniert betrachteten<br />

wir jedesmal die Waende! Sie<br />

waren vom alten Friedrich mit einer<br />

Tapete bekleidet worden, wie wir sie<br />

nie gesehen hatten. Lauter kleine vier-<br />

eckige Konfektumhuellungen der allerverschiedensten<br />

Art waren sorgfaeltig<br />

aneinander geklebt und bodeckten aile<br />

vier Waende! Nur ueber demTisch<br />

hingen einige vergi Ibte Photografien<br />

und alte ausgeschnittene Zeitungsbilder<br />

die einer vergangenen nur ihm bokannten<br />

Kriegsperiode zugehoerten.<br />

An den Festtagen, Weihnachton, Ostern<br />

und Pfingsten, stollte sich der alte<br />

Friedrich schon frueh in unserem<br />

Hause ein, wuenschte meinen Eltern<br />

ei n gesegnetes Fest und wurde dann<br />

zur Fest mahlzeit an den gedeckten<br />

Familientisch geladen. Danach verliess<br />

er beschenkt und dank bar unser<br />

Haus. Uns Kinder behandelte er stets<br />

ein wenig herablassend, aber ernst<br />

fruendlich.<br />

Eines· Tages lag Friedrich schwer erkrankt<br />

zu Bett. Meine Mutter gi ng<br />

hin mit einer Schuessel starker heisser<br />

Huehnersuppe. Sie rief eine andere<br />

Frau zur Hi Ife. Der Kranke wurde<br />

gereinigt, gepflegt, aber seine Kraefte<br />

versagten, der alte Friedrich lag im<br />

Sterben ....<br />

Nun war er Lutherischen G laubens<br />

und verlangte das Abendmahl. Er war's<br />

zufrieden, dass ein mennonitischer<br />

Prediger es ihm reichen wollte. Aber<br />

nun - der grosse Schreck - der alte<br />

Friedrich wollte kein Suender sein!<br />

Nein, er haette keine Suende begangen,<br />

er fuehle sich nicht schuldig! "Aber<br />

- wir sind doch aile Suender ," wurde<br />

ihm hilfreich zugesprochen. 0 nein, er<br />

brauche nicht urn Vergebung zu bitten<br />

"ein Suender bin ich nicht!" - Aber<br />

er glaubte an Gott und so wurde ihm<br />

das Abendmahl gereicht. Sicherlich<br />

war er vor Gatt desselben wuerdig, und<br />

in Frieden entschlief er.<br />

Keine Angehoerigen waren zu benachrichtigen.<br />

Meine Eltern und einige<br />

andere Bewohner des Dorfes beg leiteten<br />

ihn zur letzten Ruhe, auf den<br />

Friedh<strong>of</strong> meines Heimatdorfes<br />

Altonau.<br />

mm<br />

KEYSTONE HATCHERY LTD.<br />

(::\. A Division <strong>of</strong> Wm. Dyck & Sons Ltd. f!!\<br />

t ) Niverville, Manitoba I )<br />

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