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Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zu der Frage, ob eine ... - IGMG

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(BVerfGE 93, 1 [16ff.] = NJW 1995, 2477). Der Staat, <strong>der</strong> die Eltern verpflichtet, ihre<br />

Kin<strong>der</strong> in die staatliche Schule <strong>zu</strong> schicken, muss auch auf die Religionsfreiheit <strong>der</strong><br />

Eltern Rücksicht nehmen. Art. 6 II 1 GG gewährt <strong>zu</strong>vör<strong>der</strong>st den Eltern das Recht<br />

und die Pflicht, die Pflege und Erziehung ihrer Kin<strong>der</strong> frei und - vorbehaltlich <strong>des</strong> Art.<br />

7 GG - mit Vorrang vor an<strong>der</strong>en Erziehungsträgern <strong>zu</strong> gestalten. Art. 6 II 1 GG<br />

umfasst i.V. mit Art. 4 I GG das Recht <strong>zu</strong>r Kin<strong>der</strong>erziehung in religiöser und<br />

weltanschaulicher Hinsicht. Es <strong>ob</strong>liegt den Eltern, ihren Kin<strong>der</strong>n diejenigen<br />

Überzeugungen <strong>zu</strong> vermitteln, die sie für richtig halten (BVerfGE 41, 29 [44, 47 f.] =<br />

NJW 1976, 947; BVerfGE 93, 1 [17] = NJW 1995, 2477). Sie haben auch das Recht,<br />

ihre Kin<strong>der</strong> von Glaubensüberzeugungen fern <strong>zu</strong> halten, die den Eltern falsch o<strong>der</strong><br />

schädlich ersch<strong>eine</strong>n (BVerfGE 93, 1 [17] = NJW 1995, 2477). Religiöse und<br />

weltanschauliche Einflüsse, die von Eltern in Ausübung ihres Grundrechts aus Art. 4 I<br />

GG abgelehnt werden, darf <strong>der</strong> Staat im öffentlichen Schulwesen nicht för<strong>der</strong>n o<strong>der</strong><br />

unterstützen. Er muss <strong>eine</strong> <strong>der</strong>artige Einflussnahme s<strong>eine</strong>rseits vielmehr soweit wie<br />

irgend möglich ausschalten und darf sich nicht mit <strong>eine</strong>r Religionsgemeinschaft<br />

identifizieren (BVerfGE 93, 1 [17] = NJW 1995, 2477). Kin<strong>der</strong> sind in öffentlichen<br />

Pflichtschulen ohne jegliche Parteinahme <strong>des</strong> Staates und <strong>der</strong> ihn repräsentierenden<br />

Lehrkräfte für christliche Bekenntnisse wie für an<strong>der</strong>e religiöse und weltanschauliche<br />

Überzeugungen <strong>zu</strong> unterrichten und <strong>zu</strong> erziehen. Der Staat ist von Verfassungs<br />

wegen verpflichtet, die Neutralität <strong>der</strong> Schule insoweit sicher<strong>zu</strong>stellen. Er muss auf<br />

die in <strong>eine</strong>r pluralen Gesellschaft sehr unterschiedlichen Elternauffassungen<br />

Rücksicht nehmen und jede religiöse Einflussnahme durch Lehrer unterbinden.<br />

Deshalb gewinnt das Neutralitätsgebot mit wachsen<strong>der</strong> kultureller und religiöser<br />

Vielfalt - bei <strong>eine</strong>m wachsenden Anteil bekenntnisloser Schüler - <strong>zu</strong>nehmend an<br />

Bedeutung und ist nicht etwa im Hinblick darauf aus<strong>zu</strong>lockern, dass die kulturelle,<br />

ethnische und religiöse Vielfalt in Deutschland inzwischen auch das Leben in <strong>der</strong><br />

Schule prägt, wie die Kl. meint.<br />

Das "islamische Kopftuch" ist Symbol <strong>eine</strong>r bestimmten religiösen Überzeugung. Es<br />

kann nicht s<strong>eine</strong>s spezifischen Be<strong>zu</strong>gs auf die Glaubensinhalte <strong>des</strong> Islam entkleidet<br />

und auf ein lediglich allgem<strong>eine</strong>s Zeichen <strong>eine</strong>r Kulturtradition reduziert werden.<br />

Wegen <strong>der</strong> Bedeutung, die Muslime dem Kopftuch beilegen, ist es auch für an<strong>der</strong>e<br />

sinnbildlicher Ausdruck <strong>eine</strong>r bestimmten Glaubensüberzeugung. Es wird allgemein<br />

als Bekenntnis <strong>der</strong> Trägerin <strong>zu</strong>m islamischen Glauben verstanden. Vor dem<br />

Hintergrund <strong>der</strong> allgem<strong>eine</strong>n Schulpflicht führt das Tragen <strong>eine</strong>s Kopftuchs durch<br />

<strong>eine</strong> Lehrerin im Unterricht da<strong>zu</strong>, dass die Schüler während <strong>des</strong> Unterrichts von<br />

Staats wegen ständig und unausweichlich mit diesem offenkundigen Symbol <strong>eine</strong>r<br />

bestimmten Glaubensüberzeugung konfrontiert werden. Bei dem Tragen <strong>eine</strong>s<br />

"islamischen Kopftuchs" im Unterricht handelt es sich nach Dauer und Intensität auch<br />

nicht um <strong>eine</strong> für die Glaubensfreiheit <strong>der</strong> Schüler unerhebliche bloße Bagatelle. Eine<br />

Einwirkungsmöglichkeit auf die Schüler <strong>eine</strong>r Grundschule kann dem Kopftuch nicht<br />

abgesprochen werden. Die Lehrerin tritt den Schülern als vom Staat berufene und<br />

ihn repräsentierende Autoritätsperson gegenüber. Ob ihr sichtbares Zeichen <strong>eine</strong>s<br />

religiösen Bekenntnisses Einfluss auf die von ihr unterrichteten Schüler hat, ist zwar<br />

schwierig ein<strong>zu</strong>schätzen. Einwirkungen <strong>der</strong> durch das Kopftuch <strong>eine</strong>r Lehrerin<br />

symbolisierten Glaubensinhalte auf Schüler im Grund- und Hauptschulalter von vier<br />

bis 14 Jahren lassen sich aber jedenfalls nicht ausschließen. Kin<strong>der</strong> dieser<br />

Altersgruppe - vor allem noch im Grundschulalter - sind mental beson<strong>der</strong>s leicht <strong>zu</strong><br />

beeinflussen (BVerfGE 52, 223 [249] = NJW 1980, 575; BVerfGE 93, 1 [20] = NJW<br />

1995, 2477). Ihnen stellen sich viele <strong>Frage</strong>n. In ihren Anschauungen sind sie noch<br />

nicht gefestigt. Kritikvermögen und Ausbildung eigener Standpunkte sollen sie erst<br />

erlernen. Zur gegenseitigen Achtung vor <strong>der</strong> Überzeugung <strong>des</strong> an<strong>der</strong>en, <strong>zu</strong>r

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