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Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zu der Frage, ob eine ... - IGMG

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Duldsamkeit und Toleranz sollen sie erst erzogen werden. Die durch das Kopftuch<br />

symbolisierte und ständig sinnfällig <strong>zu</strong>m Ausdruck gebrachte Glaubensüberzeugung<br />

ihrer Lehrerin mag Kin<strong>der</strong>n in diesem Alter durchaus vorbildhaft und<br />

befolgungswürdig ersch<strong>eine</strong>n (vgl. auch Schweizerisches Bun<strong>des</strong>gericht, Entscheid.<br />

v. 12. 11. 1997, BGE 123 I 296, und EGMR, NJW 2001, 2871 [2873] = NVwZ 2001,<br />

1389 L).<br />

Die verfassungsrechtlich gebotene Rücksichtnahme <strong>des</strong> Staates auf die<br />

Glaubensfreiheit grundschulpflichtiger Kin<strong>der</strong> und ihrer Eltern rechtfertigt es,<br />

Lehrerinnen an öffentlichen Grund- und Hauptschulen, die k<strong>eine</strong> Bekenntnisschulen<br />

sind, das religiös motivierte Kopftuchtragen im Unterricht <strong>zu</strong> untersagen. Das Recht<br />

<strong>der</strong> Lehrerin, sich nach ihrer religiösen Überzeugung <strong>zu</strong> verhalten, muss während<br />

<strong>des</strong> Schulunterrichts gegenüber <strong>der</strong> konkurrierenden Glaubensfreiheit <strong>der</strong> Schüler<br />

und ihrer Eltern <strong>zu</strong>rücktreten. Das Grundrecht <strong>der</strong> positiven und negativen<br />

Bekenntnisfreiheit steht zwar unter dem Gebot <strong>der</strong> Toleranz für An<strong>der</strong>sdenkende<br />

(BVerfGE 52, 223 [251 m.w. Nachw.] = NJW 1980, 575). Auch for<strong>der</strong>t <strong>der</strong> Grundsatz<br />

praktischer Konkordanz <strong>eine</strong>n möglichst schonenden Ausgleich <strong>der</strong> wi<strong>der</strong>streitenden<br />

Rechtspositionen (BVerfGE 93, 1 [21 m.w. Nachw.] = NJW 1995, 2477). Das Gebot<br />

praktischer Konkordanz zwingt aber nicht da<strong>zu</strong>, das Elternrecht und die<br />

Glaubensfreiheit <strong>der</strong> Eltern und Schüler <strong>eine</strong>r öffentlichen Schule <strong>zu</strong>rück<strong>zu</strong>drängen,<br />

um <strong>eine</strong>r Lehrerin das Kopftuchtragen auch im Schulunterricht <strong>zu</strong> ermöglichen.<br />

BVerwG: † Verbot <strong>des</strong> Unterrichtens mit "islamischem Kopftuch" NJW 2002 Heft 45<br />

3346 S3345S3345<br />

S3347S3347<br />

Die Pflicht <strong>zu</strong> religiöser und weltanschaulicher Neutralität im öffentlichen Schulwesen<br />

ist von Verfassungs wegen dem Staat und den für ihn handelnden Lehrkräften<br />

auferlegt. Diese haben in jedem Fach auf die religiösen und weltanschaulichen<br />

Empfindungen aller Schüler gleichermaßen Rücksicht <strong>zu</strong> nehmen. Einschränkungen<br />

ihrer positiven Bekenntnisfreiheit, die erfor<strong>der</strong>lich sind, um <strong>eine</strong>n Schulunterricht in<br />

<strong>eine</strong>m Umfeld religiöser Neutralität sicher<strong>zu</strong>stellen, müssen Lehrer an öffentlichen<br />

Schulen hinnehmen. Grundrechtsbeschränkungen, die durch Sinn und Zweck <strong>des</strong><br />

konkreten Dienst- und Treueverhältnisses <strong>des</strong> Beamten gefor<strong>der</strong>t werden (BVerfGE<br />

19, 303 [322] = NJW 1966, 491), sind nach Art. 33 V GG <strong>zu</strong>lässig. Die beson<strong>der</strong>en<br />

Amtspflichten <strong>der</strong> Lehrer ergeben sich aus dem Leitbild, das die Verfassung für das<br />

Lehramt an Schulen vorgibt. Das Gebot <strong>der</strong> religiösen Neutralität <strong>des</strong> Lehrers<br />

entspricht dem Elternrecht (Art. 6 II 1 i.V. mit Art. 4 I GG) und <strong>des</strong>sen Verhältnis <strong>zu</strong>m<br />

verfassungsrechtlich bestimmten Erziehungsauftrag <strong>der</strong> Schule (Art. 7 I GG) sowie<br />

den möglicherweise kollidierenden Grundrechten von Eltern und Schülern.<br />

Das verfassungsrechtliche Gebot religiöser Neutralität for<strong>der</strong>t jedenfalls bei Lehrern<br />

an Grund- und Hauptschulen den Verzicht auf das Tragen <strong>eine</strong>s "islamischen<br />

Kopftuchs" im Unterricht. Die Maßnahme ist nicht unverhältnismäßig. Der Konflikt<br />

zwischen verschiedenen Trägern <strong>eine</strong>s vorbehaltlos gewährleisteten Grundrechts<br />

lässt sich an<strong>der</strong>s nicht lösen. Ein schonen<strong>der</strong>er Ausgleich zwischen den<br />

wi<strong>der</strong>streitenden Grundrechtspositionen ist nicht möglich. Eine gewissermaßen<br />

versuchsweise Zulassung <strong>des</strong> Kopftuchtragens im Unterricht bis <strong>zu</strong> etwaigen<br />

Einsprüchen von Eltern religionsunmündiger Schüler kommt nicht in Betracht. Bereits<br />

die Eröffnung <strong>eine</strong>r Einwirkungsmöglichkeit auf die Kin<strong>der</strong> verletzt Glaubensfreiheit<br />

und Elternrecht. Ein Grundrechtseingriff durch Zuwarten, bis sich Einflüsse <strong>des</strong><br />

Tragens <strong>eine</strong>s Kopftuchs auf die Kin<strong>der</strong> zeigen und Eltern dagegen Abwehrrechte<br />

geltend machen, ist un<strong>zu</strong>lässig. Auf den Grad <strong>der</strong> Wahrscheinlichkeit <strong>eine</strong>r<br />

Beeinflussung <strong>der</strong> Schüler und <strong>des</strong> Eintritts konkreter Konflikte mit Eltern kommt es<br />

nicht an. Die Grundrechtskonkurrenz kann nicht in dieser Weise <strong>zu</strong> Lasten <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>

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