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Polen in Bewegung

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Multikulturalität neu entdeckt – M<strong>in</strong>derheiten und Migranten im<br />

postkommunistischen <strong>Polen</strong>, Dr. Małgorzata Głowacka-Grajper<br />

Multikulturalität<br />

text, egal wie lange sie schon im jeweiligen Land leben, immer<br />

als „Gäste“ betrachtet. In der Konsequenz können sie <strong>in</strong> <strong>Polen</strong><br />

ke<strong>in</strong>e territorialen Ansprüche stellen, wie es bei nationalen und<br />

regionalen M<strong>in</strong>derheiten der Fall ist, bei denen gerade die Sesshaftigkeit<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er bestimmten Region das Fundament der<br />

Identitätsbildung ist und <strong>in</strong> deren Folge sie sich um die rechtliche<br />

Anerkennung als M<strong>in</strong>derheit bemühen.<br />

Demokratisierung und die Privilegien<br />

der M<strong>in</strong>derheit<br />

Die Demokratisierung brachte auch die Übernahme von<br />

Ideen westlicher Gesellschaften mit sich – Pluralismus, Multikulturalität<br />

oder den Schutz der M<strong>in</strong>derheiten, die allmählich ihre<br />

rechtliche Existenzgrundlage wiedererlangten. Im Jahr 1989<br />

wurde im Unterhaus des polnischen Parlaments (Sejm) die Kommission<br />

für Nationale M<strong>in</strong>derheiten und Ethnien gegründet. Die<br />

Verwaltung der M<strong>in</strong>derheiten (bspw. die Bereitstellung von Mitteln<br />

für ihre Aktivitäten) wurde vom Innenm<strong>in</strong>isterium auf das<br />

Kulturm<strong>in</strong>isterium übertragen, wo 1990 e<strong>in</strong>e parlamentarische<br />

Kommission für Nationale M<strong>in</strong>derheiten entstand (1992 wurde<br />

das Statut der Kommission geändert und seitdem fungiert sie<br />

als Geschäftsstelle für M<strong>in</strong>derheitenfragen).<br />

sche Staat die Rahmenkonvention des Europarates zum Schutz<br />

nationaler M<strong>in</strong>derheiten, welche fünf Jahre später ratifiziert<br />

wurde. Zudem wurden mit allen Nachbarstaaten beidseitige<br />

Abkommen geschlossen, <strong>in</strong> denen den jeweiligen M<strong>in</strong>derheiten<br />

das Recht der Ausübung ihrer Muttersprache zugesprochen<br />

wurde. Der Umfang der Zugeständnisse war von Land<br />

zu Land verschieden, <strong>in</strong> den Abkommen mit Deutschland und<br />

Litauen g<strong>in</strong>gen sie am weitesten. Zudem wurde <strong>in</strong> Artikel 35<br />

der 1997 verabschiedeten Verfassung der Republik <strong>Polen</strong> den M<strong>in</strong>derheiten<br />

das Recht auf Ausübung und Pflege der Sprache,<br />

Tradition und Kultur, aber auch die Unterstützung dafür durch<br />

den Staat zugesichert. An dem Gesetzesentwurf über die nationalen<br />

und ethnischen M<strong>in</strong>derheiten sowie regionale Sprachen wurde<br />

seit Anfang der III. Republik gearbeitet und er wurde dann<br />

am 6. Januar 2005 verabschiedet (Gesetzblatt vom 31.01.2005,<br />

Nr.17, Pos.141).<br />

In <strong>Polen</strong> leben Vertreter von neun nationalen und vier ethnischen<br />

M<strong>in</strong>derheiten, die offiziell vom Staat als solche anerkannt<br />

werden. Das bedeutet, dass diese Gruppen im Gesetz<br />

vom 6. Januar 2005 über die nationalen und ethnischen M<strong>in</strong>derheiten<br />

sowie regionalen Sprachen erwähnt werden und ihnen<br />

verschiedene Rechte zustehen, die die Bewahrung der kulturellen<br />

Identität fördern sollen.<br />

Laut diesem Gesetz ist e<strong>in</strong>e M<strong>in</strong>derheit e<strong>in</strong>e Gruppe von<br />

polnischen Staatsbürgern, die bestimmte Kriterien erfüllen,<br />

u. a. haben sie e<strong>in</strong>e eigene Sprache, Tradition oder<br />

Kultur und wollen diese auch bewahren. Darüber h<strong>in</strong>aus<br />

sollten ihre Vorfahren polnische Gebiete seit m<strong>in</strong>destens<br />

100 Jahren bewohnen.<br />

Nationale M<strong>in</strong>derheiten werden mit e<strong>in</strong>em eigenen (Herkunfts-)<br />

Nationalstaat assoziiert, ethnische h<strong>in</strong>gegen nicht.<br />

Probleme bei der statistischen Erfassung<br />

von M<strong>in</strong>derheiten<br />

Große Veränderungen wurden auch <strong>in</strong> der polnischen Gesetzgebung<br />

verzeichnet, die sich dem europäischen Recht annäherte<br />

und anpasste. Im Jahr 1995 unterschrieb der polni-<br />

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Zur statistischen Erfassung von M<strong>in</strong>derheiten wird e<strong>in</strong>e Reihe<br />

von Methoden angewandt. E<strong>in</strong>e von ihnen beruht auf Schätzungen<br />

der M<strong>in</strong>derheitenorganisationen, e<strong>in</strong>e andere auf Daten<br />

der Volkszählung, denn hier wird die nationale Zugehörigkeit<br />

erfasst. E<strong>in</strong>e solche Volkszählung wurde bisher zweimal durchgeführt<br />

– 2002 und 2011. Obwohl die Zensusdaten im Vergleich<br />

zu den oben genannten Schätzungen präziser und objektiver<br />

zu se<strong>in</strong> sche<strong>in</strong>en, s<strong>in</strong>d auch sie mit Fehlern behaftet. Zu diesen<br />

gehört vor allem die fehlende Bereitschaft der Befragten, ihre<br />

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